Ein Zeitgenosse Robert Musils, der Schriftsteller Stefan Zweig (1881-1942), beschrieb die österreichisch-ungarische Monarchie in der Rückschau als „goldenes Zeitalter der Sicherheit. Alles in unserer fast tausendjährigen österreichischen Monarchie schien auf Dauer gegründet und der Staat selbst der oberste Garant dieser Beständigkeit.“ Als Zweig diese Zeilen 1940 schrieb, befand er sich bereits im brasilianischen Exil, geflohen vor den Nationalsozialisten, entwurzelt und heimatlos.
Robert Musil (1880-1942), dessen Lebenszeit fast deckungsgleich ist mit der Zweigs, veröffentlichte sein Erstlingswerk Die Verwirrungen des Zöglings Törleß 1906. Es ist das 58. Regierungsjahr Kaiser Franz Josephs und das 40. Jahr in Frieden: eine Zeit, schenkt man Zweigs Äußerung Glauben, größter persönlicher Sicherheit und politischer Beständigkeit. Vielleicht nur scheinbar, denn der Törleß malt ein anderes Bild jener so oft verklärten Jahre vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Die Studie liest Robert Musils "Törleß" als Dokument einer Krise nicht nur des Subjekts, sondern der Gesellschaft der Habsburger-Monarchie insgesamt. Sie fragt nach Krisensymptomen wie nach Spuren eines "Habsburger-Mythos" (Magris), der nach dem Zerfall des Reiches 1918 eine Verklärung der K.u.K.-Monarchie bewirkt hat. Ein abschließender Vergleich mit Arthur Schnitlers "Leutnant Gustl" und Marie von Ebner-Eschenbachs "Er lasst die Hand küssen" stellen die Frage nach der Repräsentativität und Kontinuität der im Roman dargestellten Krisenerscheinungen.
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- Die Figurenkonstellation
- Die Schauplätze
- Das geistige Klima
- Kontinuität und Repräsentativität? Der Törleß im Vergleich mit Ebner-Eschenbachs Er lasst die Hand küsssen und Schnitzlers Leutnant Gustl
- Der Törleß vor der Folie des Habsburger-Mythos
- Schlussbetrachtung.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Seminararbeit analysiert Robert Musils Roman „Die Verwirrungen des Zöglings Törleß“ im Kontext des Habsburger-Reiches um 1900. Ziel ist es, die im Roman dargestellten Krisenphänomene als Symptome des Verfalls und der Desintegration des Habsburger-Reiches zu deuten.
- Gesellschaftliche Erosionen
- Materieller Niedergang und Verfall
- Geistige Krisen
- Identitätskrise der Habsburger-Gesellschaft
- Der Habsburger-Mythos in der österreichischen Literatur
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik ein und beleuchtet die historische Situation des Habsburger-Reiches um 1900. Kapitel 2 analysiert die Figurenkonstellation im Roman als Spiegelbild der gesellschaftlichen Verhältnisse. Kapitel 3 widmet sich den Schauplätzen und deren symbolischer Bedeutung. In Kapitel 4 werden die geistigen Krisen der Figuren beleuchtet. Kapitel 5 stellt den Törleß im Vergleich zu zeitgenössischen Werken anderer österreichischer Autoren dar und untersucht die Repräsentativität der im Roman dargestellten Krisensymptome. Kapitel 6 befasst sich mit dem Verhältnis des Romans zum Habsburger-Mythos.
Schlüsselwörter
Habsburger-Reich, Österreichische Literatur, Robert Musil, Die Verwirrungen des Zöglings Törleß, Gesellschaftskritik, Identitätskrise, Verfall, Krisensymptome, Habsburger-Mythos, Zeitgeschichte, Ständestaat, soziale Schichten, geistiges Klima.
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- Robert Radu (Author), 2007, Krise und Mythos, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/144047