Post-Katrina: New Orleans - Der Wiederaufbau einer zerstörten Stadt

Eine sozialkritische Analyse


Tesis de Maestría, 2009

127 Páginas, Calificación: 2,3


Extracto


INHALTSVERZEICHNIS

EINLEITUNG
1. Abgrenzung
2. Fragestellung und These
3. Definition zentraler Begriffe
4. Aufbau der Arbeit
5. Theorie
6. Methode
7. Quellenkritik
8. Forschungsstand

I. DIE GESCHICHTE EINER STADT UND SEINER BEWOHNER
1. New Orleans im 18. und 19. Jahrhundert
1.1 Französische Kolonialzeit
1.2 Spanische Kolonialzeit und die Free People of Color
1.3 New Orleans nach dem Louisiana Purchase
1.4 Reconstruction - Kurze Zeit der Verbesserungen
1.5 New Orleans in der Jim Crow Ära
2. New Orleans im 20. Jahrhundert
2.1 Jazz
2.1 Storyville
2.3 Tourismus

II. DIE STADT NEW ORLEANS VOR HURRIKAN KATRINA
1. Geographische Einordnung
2. Ungünstige geographische Lage
3. Wirtschaftliche Situation
4. Suburbanisierung und Segregation
4.1 In amerikanischen Großstädten
4.2 Segregation und soziale Probleme in New Orleans
4.3 Arm-Reich Konflikt

III. NEW ORLEANS UND HURRIKAN KATRINA
1. New Orleans - Perfektes Klima für Wirbelstürme
2. Ausmaß der Zerstörung
2.1 Hurricane Protection System
2.2 Katastophenschutz und First Response
2.3.1 Federal Emergency Management Agency (FEMA)
2.3.2 Was wurde falsch gemacht?
3. Folgen des Wirbelsturms
3.1 Rassen- und Klassendiskurs
3.2 Evakuierung
3.3 Reaktionen der Medien
3.4 Klimadebatte und "Klimaflüchtlinge"

IV. DER WIEDERAUFBAU VON NEW ORLEANS
1. Wiederaufbaustrategien nach Naturkatastrophen
2. Sofortige Hilfsmaßnahmen
3. Gewinner und Verlierer
4. Ein " neues " New Orleans
5. Sozial differenzierter Wiederaufbau
6. Housing Recovery
6.1 Staatliche Hilfe
6.2 Nonprofit-Organisationen
7. Vertreibung der „ Lower Class "
7.1 Lower 9th Ward
7.1.1 ACORN
7.1.2 Common Ground Relief
7.1.3 Make It Right
7.2 Public Housing
7.2.1 Geschichte des Public Housing
7.2.2 New Urbanism und HOPE VI
7.2.3 Schließung der Public Housing Projects in New Orleans

SCHLUSS

ANHANG

LITERATURVERZEICHNIS

Einleitung

Hurrikan Katrina gilt als eine der verheerendsten Naturkatastrophen in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Der Wirbelsturm richtete im August 2005 in den südöstlichen Teilen der USA, insbesondere an der dortigen Golfküste, enorme Schäden an. Durch den Sturm und seine Folgen kamen ungefähr 1800 Menschen ums Leben. Der Sachschaden belief sich auf etwa 81 Milliarden US-Dollar und ist damit die teuerste Naturkatastrophe der amerikanischen Geschichte.1 Insbesondere die Stadt New Orleans war stark betroffen: Durch ihre geographische Lage führten mehrere Brüche im Deichsystem dazu, dass 80 Prozent des Stadtgebietes bis zu fünf Meter tief unter Wasser standen.2

Aus dem Zensus im Jahr 2000 geht hervor, dass New Orleans die sechst-ärmste Stadt (mit mehr als 100.000 Einwohnern) in den Vereinigten Staaten war. Diese Tatsache war zwar bekannt, doch die schwierige finanzielle Situation vorwiegend afroamerikanischer Familien in New Orleans bekam durch den Hurrikan eine neue Brisanz. Katrina zeigte die rassischen und sozialen Ungleichheiten im Land, die zu lange beiseite geschoben worden waren, denn diejenigen, die vom Sturm am härtesten getroffen wurden, waren auch gleichzeitig die Ärmsten der Stadt. In der Folgezeit nach Katrina haben viele Wissenschaftler in ihren Büchern die Problematik von Katrina thematisiert. Man hat sich zum Beispiel Fragen gestellt, warum die überwiegend farbigen Bewohner, die keine Fluchtmöglichkeit hatten, nicht von Bussen weggebracht wurden, oder warum es der nationalen Regierung nicht viel früher gelang, die Gestrandeten aus dem Superdome und dem Convention Center zu evakuieren, oder warum die Deiche trotz der Kenntnis von ihrer Unzulänglichkeit nicht früher verbessert worden waren. Die Geschehnisse nach Hurrikan Katrina zeigten die großen sozialen Ungerechtigkeiten im Land auf, die ihre Ursache in einem tief verwurzelten Rassismus haben. Viele Forscher sprechen deshalb in Verbindung mit Katrina auch nicht mehr von einer Naturkatastrophe unbekannten Ausmaßes, sondern von einer Gesellschaftskatastrophe (eine so genannte „von M enschen gemachte" Katastrophe). Auch der Münchner Soziologe Ulrich Beck hält zu diesem Thema in seinem Buch Weltrisikogesellschaft fest:

„Amerika und die Welt wurden mit der Stimme und den Bildern des unterdrückten anderen Amerikas konfrontiert, dem rassistischen Gesicht der Armut der einzigen verbliebenen Weltmacht. Alle Welt sah und hörte, dass die Wohnviertel der Schwarzen von New Orleans wegen ihrer sozialen Verwundbarkeit durch die Sturmfluten zerst o rt wurden. (...) Auch insofern war Hurrikan Katrina keine Natur-, sondern eine Gesellschaftskatastrophe, inklusive erzwung ener Aufkl a rung.".3

Nach dem Hurrikan und im Zuge des Wiederaufbaus wurden die komplizierten Rassenbeziehungen in New Orleans oft diskutiert. Die Stadt kann auf eine ebenso faszinierende wie komplizierte Geschichte zurückblicken, wenn es um Rassenbeziehungen geht. Zwar galt New Orleans lange als vorbildlich in ihrer multikulturellen Lebensart, doch Katrinas Flutwellen brachten die tiefgreifenden Rassenprobleme in New Orleans wieder ins Bewusstsein der Menschen. Auch Präsident George W. Bush gab am 15. September 2005 in seiner landesweiten Fernsehansprache aus New Orleans zu,

„that there is also some deep, persistent poverty in this region as well. And that poverty has roots in a history of racial discrimination, which cut off generations from the opportunity of America. We have a duty to confront this poverty with bold action. So let us restore all that we have cherished from yesterday, and let us rise above the legacy of inequality." 4

Seit Hurrikan Katrina sind dreieinhalb Jahre vergangen, doch der Wiederaufbau in New Orleans geht nach wie vor sehr langsam voran. In manchen Stadtteilen sah es im Sommer 2008, fast drei Jahre nach der Katastrophe, noch genauso aus, als wäre das Wasser gerade erst abgelaufen.5 Zwar sprechen die Verantwortlichen davon, den traditionsreichen Städtebau in New Orleans aufrecht zu erhalten, doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Der Wiederaufbau der Stadt ist von Rassismusproblematik überschattet. Viele Farbige in New Orleans sehen beispielsweise in der Weigerung der Stadt, die nur minimal beschädigten sozialen Wohnungsprojekte wieder zu öffnen, einen Versuch der weißen Bevölkerung, „ihre" Stadt von dem innerstädtischen Problem der armen und zumeist farbigen Bevölkerungsschicht zu „befreien". Daher werde ich mich in dieser Arbeit mit der Lebenssituation der Afroamerikaner in New Orleans vor und nach dem Hurrikan Katrina befassen. Anhand konkreter Beispiele werde ich die problematische Situation der schwarzen Unterschicht in Verbindung mit dem Wiederaufbau der Stadt darlegen.

1. Abgrenzung

Natürlich hat Hurrikan Katrina ein weitaus größeres geographisches Gebiet getroffen als nur New Orleans. Teile der Staaten Florida, Mississippi sowie Louisiana wurden durch Katrina schwer beschädigt. Allerdings würde es den Rahmen dieser Arbeit sprengen, auf alle zerstörten Gebiete und deren Fortschritt im Wiederaufbau einzugehen. Da New Orleans das am schwersten beschädigte urbane Zentrum war und im Wiederaufbauprozess mit den typischen sozialen Problemen einer amerikanischen Großstadt zu kämpfen hat, werde ich mich hier ausschließlich auf diese Stadt beziehen. Außerdem befasst sich das Thema meiner Arbeit hauptsächlich mit den Konsequenzen für die afroamerikanische Bevölkerung. New Orleans hatte vor Katrina eine hauptsächlich schwarze Bevölkerung6, sowohl aus der gut situierten Mittel- als auch Unterschicht. Die afroamerikanische Unterschicht hat Hurrikan Katrina am stärksten getroffen, was auch bedeutet, dass ihre Situation im Wiederaufbau- und Wiedereingliederungsprozess am schwierigsten ist. Aus diesem Grund ist sowohl die Stadt New Orleans, als auch die sozial schlechter gestellte, farbige Bevölkerung am interessantesten als Themenstellung.

Gegenstand der Arbeit soll eine kurze Beschreibung der Lebensbedingungen vor Katrina, vor allem aber eine Analyse der Situation während des Wiederaufbaus sein. Der Zeitraum der Analyse für den Wiederaufbau umfasst die Monate von September 2005 bis Januar 2009.

Im Zuge der Katastrophenhilfe durch die amerikanischen Behörden wurden Präsident George W. Bush und seine Regierung scharf kritisiert. Sowohl Afroamerikaner als auch Weiße unterstellten den Behörden Unfähigkeit. Außerdem wurde der Vorwurf laut, dass die Hilfsgüter wesentlich schneller New Orleans erreicht hätten, wären die Opfer der Katastrophe Weiße und nicht Schwarze gewesen. Ich werde die Rettungsmaßnahmen der Regierung unmittelbar nach Katrina in einem späteren Kapitel nur kurz ansprechen, denn eine genauere Analyse würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Vielmehr ist es für das Ziel der Arbeit wichtig, unterschiedliche Wiederaufbaustrategien der Regierung und zuständigen Behörden zu analysieren und die daraus resultierenden Folgen für die afroamerikanische Bevölkerung in New Orleans darzustellen.

Außeracht zu lassen ist nicht, dass Hurrikan Katrina sowohl Schwarze als auch Weiße getroffen hat. Durch die Wassermassen wurden viele Stadtteile zerstört, auch die der Weißen. Durch Katrina verloren also sowohl arme als auch reiche Menschen ihr Hab und Gut. Das heißt, sowohl Arme als auch Reiche, Schwarze als auch Weiße, sind mit dem Wiederaufbau konfrontiert. Ein besonderes Anliegen der Arbeit ist es allerdings, die Situation der afroamerikanischen Arbeiterklasse und unteren sozialen Schicht herauszuarbeiten, da es dieser Bevölkerungsgruppe im Wiederaufbau am schwersten erging und immer noch geht.

2. Fragestellung und These

Die Arbeit beschäftigt sich mit der zentralen Fragestellung, in wie weit der Wiederaufbau innerhalb der letzten drei Jahre vorangeschritten ist und ob es Versäumnisse der nationalen Regierung gab, vor allem den ärmeren Bewohnern der Stadt gerecht zu werden. Aussagen, wie die von Republikaner Richard Baker, lassen hier begründete Zweifel aufkommen: " We finally cleaned up public housing in New Orleans. We couldn't do it, but God did." 7 Die bereits vor dem Hurrikan existierende Kluft zwischen Arm und Reich als auch zwischen Schwarz und Weiß wurde durch den Wirbelsturm weiter vergrößert. War Katrina also ein ungeplantes, aber hilfreiches Ereignis für den schon länger gehegten Plan, die soziale Unterschicht aus der Stadt zu vertreiben? Es scheint als sei diese Naturkatastrophe der Regierung ganz gelegen gekommen, um die armen Bewohner der Stadt, größtenteils Afroamerikaner, abzuschieben. Womit ich zu meiner These komme, dass die afroamerikanische soziale Unterschicht im „neuen" New Orleans keinen Platz mehr hat.

3. Definition zentraler Begriffe

Da ich in der vorliegenden Arbeit Begriffe verwende, deren Bedeutung für ein besseres Verständnis des Themas klar definiert sein sollten, werde ich im Folgenden die wichtigsten Begriffe genauer erläutern. Zwei zentrale Begriffe, die eine bedeutende Rolle spielen, sind race und class. Die Klassenfrage ist in Amerika auf das Engste mit der Rassenfrage verbunden. Die Geschehnisse in New Orleans, haben die Fragen wieder thematisiert, und Spaltungen sowie Ungleichheiten wieder ins Bewusstsein gehoben. Die Historikerin Barbara Fields argumentierte schon vor einigen Jahren: "C lass and race are concepts of a different order; they do not occupy the same analytical space, and thus cannot constitute explanatory alternatives to each other.(...) Because class and race are not equivalent concepts, it is erroneous to offer them as alternatives to each other." 8 Für Fields bezieht sich class auf einen materiellen Umstand: die Ungleichheit von Menschen aufgrund ihrer gesellschaftlichen Macht und Position. Soziale Klasse beschreibt also ein Verhältnis von Individuen oder Gruppen zum Markt oder Unterschiede in der Lebensqualität. Race hingegen begreift Fields als einen rein ideologischen Gedanken und somit als ein soziokulturelles Produkt. Im Gegensatz zu class gruppiert race also eine Bevölkerungsgruppe nicht aufgrund von materiellen Dingen, sondern aufgrund gemeinsamer körperlicher Merkmale wie zum Beispiel gleiche Hautfarbe, Gesichtszüge oder Körpergröße.9 Die Rassenkategorien dienten meist zur Ab- und Aufwertung von bestimmten Bevölkerungsgruppen. In der vorliegenden Arbeit verwende ich sowohl die englischen Begriffe class und race verwenden, als auch die deutschen Entsprechungen wie Klasse " oder Rasse " 10

Im Verlauf der Arbeit werde ich sowohl den Begriff Afroamerikaner verwenden, als auch die Synonyme Farbige oder Schwarze.

4. Aufbau der Arbeit

Der Aufbau dieser Arbeit gliedert sich in vier Hauptkapitel. Nach der Einleitung gibt der erste Teil einen Überblick über die Geschichte von New Orleans mit besonderem Augenmerk auf die unterschiedlichen schwarzen Bevölkerungsgruppen innerhalb der Stadt. Der geschichtliche Überblick über das New Orleans des 20. Jahrhunderts beschäftigt sich hauptsächlich mit dem kulturellen Erbe von New Orleans und die wirtschaftliche Ausrichtung auf den Tourismus. Im zweiten Teil werde ich die sozialen Probleme der Stadt genauer thematisieren. Da diese in den USA oftmals in Segregation münden und dieses Phänomen in New Orleans zur Zeit vor Hurrikan Katrina stark ausgeprägt war, wird diese Problematik zuerst gesondert behandelt. Und dann werde ich einen Einblick in die sozialen Probleme geben, mit denen die Stadt vor dem Sturm zu kämpfen hatte. Die Gegebenheiten vor dem Wirbelsturm spielen für das Thema der Arbeit insofern eine Rolle, als dass die Reaktionen auf die Katastrophe und die Maßnahmen im Wiederaufbau besser zu analysieren sind, wenn die soziale Situation vor Katrina erläutert wurde. Da die Auswirkungen des Hurrikans auf New Orleans der zentrale Aspekt des Themas ist, werde ich mich in Kapitel vier der Arbeit mit Katrina selbst und ihren direkten Folgen auseinandersetzen. Außerdem wird der vorherrschende Rassen- und Klassenkonflikt sowohl in der Bevölkerung als auch in den Berichterstattungen der Medien genauer analysiert. Das abschließende Kapitel befasst sich mit dem Wiederaufbau der Stadt New Orleans nach der Katrina-Katastrophe. Dabei setze ich mich vor allen Dingen mit der Wohnsituation der schwarzen Bevölkerung auseinander. Anhand dieses Kapitels lässt sich herausfinden, ob ich mit meiner These aufrecht erhalten kann oder verwerfen muss.

5. Theorie

Die Untersuchungen meiner Arbeit basieren auf der von Bates begründeten Theorie der Katastrophe. Bates sieht die Katastrophe als einen sozialen Prozess an, der die innerhalb einer Gesellschaft existierenden sozialen Strukturen nachhaltig beeinflusst. Bates Theorie besagt, dass eine Katastrophe die Beschleunigung der Änderungen in einem Sozialsystem verursacht. Das heißt Veränderungen, die bereits im Gange waren, treten schneller ein, als das der Fall gewesen wäre ohne eine Katastrophe. Die Folgerung aus dieser Theorie ist, dass Veränderung zwar kurz bevor standen, aber durch die existierenden Sozialstrukturen bisher aufgestaut wurden. Wenn also eine Katastrophe eintritt, meint Bates, ist dieser Status quo gebrochen, und die Pforten stehen für einen schnellen Wandel offen.11 In meiner Arbeit werden die Veränderungen für die finanziell mittellose afroamerikanische Bevölkerung genauer analysiert.

6. Methode

Um meine These hinreichend belegen zu können, verwende ich in meiner Arbeit die gesellschaftsgeschichtliche Analyse. Die gesellschaftsgeschichtliche Analyse untersucht qualitative Vorgänge innerhalb der Gesellschaft. Vorliegend handelt es sich um eine Kombination der Alltagsgeschichte mit der Sozial- und Kulturgeschichte.

Die Methode der Alltagsgeschichte erforscht das Verhalten der Menschen im täglichen Leben. Dabei beziehe ich mich hauptsächlich auf die von Jackson Turner verwende te „history from the bottom up" oder auch „Geschichte von unten". Hierbei werden die Erfahrungen der einfachen Leute im Hinblic k auf sozialen Wandel und soziale Konflikte untersucht. Die Sozialgeschichte befasst sich mit dem Wandel gesellschaftlicher Institutionen und Strukturen sowie mit den Folgen des Wandels.12 Auch die Methode der Kulturgeschichte bezieht sich in meiner Arbeit auf den Alltag der Menschen. Die Kulturgeschichte zielt auf die alltäglichen Handlungen, welche den Bezug einer gesellschaftlichen Gruppe zu anderen oder zu sich selbst verdeutlichen.13 Ziel ist es, anhand dieser verschiedenen gesellschaftsgeschichtlichen Methoden, den sozialen Wandel innerhalb New Orleans zu analysieren und somit herauszuarbeiten, inwieweit Hurrikan Katrina hier eine Rolle spielt.

7. Quellenkritik

Da die Zerstörung New Orleans durch Hurrikan Katrina erst dreieinhalb Jahre zurück liegt, ist die Auswahl der Quellen etwas eingeschränkt. Ich konzentriere mich bei meiner Recherche hauptsächlich auf Bücher, Zeitschriftenartikel, Zeitungsartikel und Internetquellen. Da der Wiederaufbau der Stadt bis dato noch nicht abgeschlossen ist, sind auch Forschungen und Analysen zu dem Thema noch nicht vollständig. Es gibt zwar viele Zeitungsartikel über die aktuelle Sachlage im Wiederaufbauprozess, aber es gibt kaum wissenschaftliche Bücher dazu. Anders verhält es sich mit den direkten Folgen und Auswirkungen von Katrina auf die Stadt. Zu diesem Punkt gibt es inzwischen sehr viel Sekundärliteratur, die die Natur- und Sozialkatastrophe genauer durchleuchten. Dies gilt auch für die geschichtlichen Hintergründe der Stadt. Die benutzten Quellen lassen sich deshalb grob in drei Gruppen einteilen.

Der erste Teil besteht aus Berichten in Buch- und Artikelform. Diese behandeln vor allem die Themen der ersten drei Kapitel: Geschichtliche Hintergründe der Stadt New Orleans, sowie die direkten Maßnahmen und sozialen Auswirkungen nach Katrina. Sie sind vermutlich die sichersten Quellen, da es sich um (historische) Fakten handelt.

Die zweite Gruppe besteht aus Internetquellen. Der größte Teil der Internetquellen sind Artikel renommierter Zeitungen, deren Inhalte deutliche Meinungen und Kommentare über aktuelle Themen wie Katrinas Folgen oder den Wiederaufbau der Stadt liefern. Die wichtigsten verwendeten Zeitungen waren die Washington Post, The New York Times und die New Orleans Times-Picayune. Neben Onlineartikel diverser Zeitungen dienen auch offizielle Webseiten der U.S. Regierung als Quellen. Diese Art der Quellen stellt die Primärliteratur meiner Arbeit. Da Unmengen an Zeitungartikeln über die Ausmaße des Hurrikans sowie die direkten Folgen der Katastrophe existieren, gestaltete sich die Auswahl der relevanten Artikel schwierig. Deshalb habe ich die Auswahl der Artikel auf bekannte Zeitungen reduziert.

Die dritte Quellengruppe beinhaltet Dokumentationsfilme über Hurrikan Katrina und seine Auswirkungen. Diese Quellen sind kritisch zu betrachten, da sie oft die subjektiven Meinungen der Journalisten wieder spiegeln und zudem sehr reißerisch gestaltet sind. Trotzdem habe ich für meine Recherche Dokumentarfilme mit einbezogen, da sie meiner Meinung nach wertvolle Interviews beinhalten.

8. Forschungsstand

Die Forschungen über die sozialen Auswirkungen von Hurrikan Katrina und vor allem über den Wiederaufbau der Stadt sind noch lange nicht abgeschlossen. Der Grund dafür liegt natürlich in der zeitlichen Nähe der Katastrophe. Da Katrina erst dreieinhalb Jahre zurückliegt, ist der Wiederaufbau bis dato noch im Gange und die Fortschritte des Wiederaufbaus ändern sich ständig. Momentan können Soziologen und Wissenschaftler nur Aussagen über die deutlich erkennbaren Fortschritte im Wiederaufbau treffen. Die umfangreichsten Daten über die Bevölkerung von New Orleans sowie den Wiederaufbauprozess lassen sich auf der Internetseite des Greater New Orleans Community Data Centers und des Brookings Instituts finden, weshalb dies wichtige Quellen für meine Arbeit sind.

Festzuhalten bleibt, dass die Autoren der bisher erschienenen Bücher sich darüber einig sind, dass Katrinas Folgen vor allem für die afroamerikanische Bevölkerung schwerwiegend sind.

I. Die Geschichte einer Stadt und seiner Bewohner

New Orleans gilt seit jeher als kosmopolitisch und polyglott. Die Melange der verschiedenen Kulturen machen den Reiz der Stadt noch heute aus: Die Franzosen und Spanier hinterließen die einzigartige, europäisch geprägte Architektur mit typischen eisengeschmiedeten Geländern und Arkaden. Von den afrikanischen Sklaven stammt die Jazz-Musik. Die Küche, "Creole Cuisine" genannt, ist das Ergebnis aus den afrikanischen, karibischen und mediterran-europäischen Einflüssen.

New Orleans ist sozusagen ein anderes Amerika und für viele eine außergewöhnliches Stadt. Ein Grund dafür mag wohl auch das gepriesene Lebensgefühl sein: die Stadt wurde als leichtlebig und tolerant beschrieben. Hier war man stolz auf die europäischen und afrikanischen Wurzeln der Einwohner und das Lebensgefühl war eher das französische laisser-faire14 als der hektische american way of life. Die Stadt war und ist ein beliebtes Ziel für Touristen, vor allem während Festivitäten wie Mardi Gras, dem berühmten Karneval der Stadt, oder dem jährlichen Jazzfest. The Big Easy, wie New Orleans auch liebevoll genannt wurde, hat viele Gesichter, was wohl vorwiegend der heterogenen Bevölkerung der Stadt zu verdanken ist.

Die besondere Gesellschaftsstruktur in New Orleans und die Kultur der Stadt hat sich über viele Jahrzehnte entwickelt. Um ein umfassendes Bild über New Orleans zu bekommen, ist es wichtig, die Entwicklung der ethnischen Bevölkerung und Gesellschaftsschichten in der Stadt genauer zu betrachten. Sowohl race als auch class waren im Zusammenhang mit Katrina und dem Wiederaufbau ein großes Thema. Aufgrund der jahrhundertelangen rassischen Diskriminierung, die in den USA stattfand, kann man race und class als untrennbare ineinandergreifende Kategorien sehen, die vor allem in der Geschichte von New Orleans eine wichtige Rolle spielen. In den folgenden Kapiteln werde ich deshalb die Geschichte der Stadt New Orleans, von ihrer Gründung im 18. Jahrhundert bis zum heutigen Zeitpunkt, vor allem in Bezug auf die komplizierten Rassen- und Klassenzugehörigkeiten, genauer untersuchen.

1. New Orleans im 18. und 19. Jahrhundert

1.1 Französische Kolonialzeit

New Orleans liegt im Südosten des Bundesstaates Louisiana (siehe Abbildung 1 im Anhang) und ist eine der ältesten Städte in den USA. Die Siedlung wurde 1718 unter dem französischen Namen La Nouvelle-Orléans zu Ehren von Philipp II., Herzog von Orléans von dem Franzosen Jean-Baptiste Le Moyne, Sieur de Bienville15 auf einem kleinen Hügel, dem heutigen French Quarter, gegründet. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts waren die Lebensbedingungen in der kleinen französischen Siedlung alles andere als angenehm. Nicht nur die Hitze, sondern auch schwere Krankheiten wie Gelbfieber oder Malaria machten den Bewohnern körperlich zu schaffen. Schon damals wurde das Gebiet um New Orleans regelmäßig von Fluten und Hurrikans heimgesucht, was das Überleben zusätzlich erschwerte.16 Trotzdem wuchs die Siedlung, hatte aber im Gegensatz zu den Städten des nordamerikanischen Südens ganz andere koloniale Anfänge. Die französische Haltung zur Kolonialisierung war eine andere als die englische. Der Historiker Jerah Johnson von der University of New Orleans fasst die Grundhaltung der Franzosen im Kontrast zu den Engländern zusammen als „to trade, coexist, increase and marry rather than take, dominate, exploit and exclude" 17. Diese Einstellung resultierte zum Teil auch aus dem Problem, das Gebiet ausreichend zu besiedeln. Ein Frauenmangel in der Kolonie führte zu vielen Mischehen und Kindern zwischen weißen Siedlern und Indianerinnen : „A ll except Sieur Blondel and the new arrivals have Indian women as slaves who are always with child or nursing...halfbreeds." 18 Zu wenige Europäische Siedler, und somit auch Frauen, emigrierten nach Louisiana, da ihnen das Gebiet aufgrund des subtropischen Klimas, der schwierigen Lebensbedingungen und Epidemien nicht sehr attraktiv erschien. Außerdem herrschte Nahrungsknappheit, obwohl viel Agrarland zur Verfügung stand, denn die französische weiße Bevölkerung in Louisiana war vorwiegend männlich und bestand aus Verwaltungsbeamten, Militärs, Piraten, Schmugglern und Vagabunden, die alle keinerlei Erfahrung mit der Landwirtschaft hatten.19 Nur durch den Import von deutschen Bauern (die Schätzungen schwanken zwischen 2.000 und 10.000)20 und den Aufbau eines regen Handelssystems mit den umliegenden Indianer-Stämmen gelang es, das Überleben von New Orleans zu garantieren und die Besiedlung des umliegenden Plantagenlandes zu fördern. Mit Hilfe der Indianer-Stämme entstand nach und nach eine Plantagenwirtschaft, was aber auch ein weiteres Problem in den Vordergrund rückte: es gab einen Mangel an Arbeitskräften aufgrund der geringen Einwanderung. Die ersten landwirtschaftlichen Sklaven auf den Feldern waren Indianerinnen, doch in den 1720er Jahren begann zunehmend die Einfuhr von afrikanischen Sklaven, als man begann, das Gebiet um Louisiana für den Anbau von Tabak zu nutzen. Es dauerte allerdings bis um 1800, bis sich in Louisiana aufgrund technischer Errungenschaften in der Verarbeitung von Baumwolle eine Plantagenwirtschaft mit riesigen Landgütern und einer großen Zahl von Sklaven herausgebildet hatte.21 In den ersten zwölf Jahren nach der Gründung von New Orleans wurden so viele Sklaven aus Afrika eingeführt, dass diese im Jahr 1731 die Anzahl der weißen Bevölkerung in Louisiana weit überstieg (Abbildung 2 im Anhang). Im Jahr 1746 lebten in New Orleans 3.000 Sklaven, aber nur 800 weiße Siedler und fast nochmal so viele weiße Frauen und Kinder.22 Ein Großteil der circa 6000 eingeführten Sklaven zwischen 1719 und 1731 stammte aus der Region Senegambia, wodurch von Anfang an ein recht ausgeprägtes Gemeinschaftsgefühl entstand.23 Die Sklaven aus Senegambia (Stamm der Bambara) bildeten eine homogene Gruppe in Stammeszugehörigkeit, Herkunft, Sprache und Kultur, weshalb diese Phase der Sklaveneinfuhr prägend war für die Entstehung und frühen Stabilisierung der afrokreolischen Kultur in Louisiana.24 Aufgrund der Überzahl der Männer unter den Sklaven fand auch eine Vermischung der Bambara mit jenen Indianerfrauen statt, die als landwirtschaftliche Sklaven auf den Plantagen arbeiteten.25 Die Bedingungen für eine steigende regionale kreolische Kultur, an der sich alle ethnische Gruppen beteiligten Indianer, Sklaven, freie Schwarze, Weiße waren günstig. Die Einwohner Louisianas hatten sogar ihre eigene kreolische Sprache, sowohl gesprochen von Sklaven, als auch von weißen Kreolen26 aus allen Schichten. Louisiana Creole " wurde damals sogar die bevorzugte Sprache der weißen Elite und wird bis heute noch von rund 50.000 schwarzen und 10.000 weißen Louisianas gesprochen.27

Nachdem es der französischen Kolonialmacht bis Mitte des 18. Jahrhunderts gelungen war, mit New Orleans eine funktionierende koloniale Siedlung zu etablieren, änderten sich die Verhältnisse schlagartig mit dem Ausgang des French and Indian War. Im Friedensvertrag von Paris aus dem Jahr 1763 trat Frankreich seine Besitzungen im heutigen Kanada an Großbritannien ab und verlor das Louisiana-Gebiet an Spanien.

1.2 Spanische Kolonialzeit und die Free People of Color

Die wichtigste Hinterlassenschaft der spanischen Kolonialzeit war die Entstehung einer dreischichtigen Gesellschaft. Zwischen der weißen Oberschicht und den Sklaven etablierte sich in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts eine soziale und wirtschaftliche Mittelschicht, die Gruppe der Free People of Color. Ein Grund für das starke Anwachsen der Free People of Color in dieser Zeit war unter anderem ein konstanter Mangel an heiratsfähigen weißen Siedlerinnen, was zu vielen rassengemischten Liebesbeziehungen zwischen weißen Kreolen und Sklavinnen führte. Mit dieser steigenden Zahl rassengemischter eheähnlicher Beziehungen ging eine besondere Freilassungsgesetzgebung der spanischen Kolonialregierung einher. Sklaven bekamen die rechtlich garantierte Möglichkeit sich frei zu kaufen. Um die notwendigen Mittel für den Kaufpreis zusammenzubekommen, konnten sie durch Extraarbeiten außerhalb ihres normalen Arbeitspensums Geld verdienen. Durch dieses Gesetz, genannt "Coartación", stieg während der spanischen Herrschaft die Anzahl der Free People of Color enorm an.28 In Louisiana gelang es zwischen 1769 und 1803 1.490 Sklaven auf diese Weise ihre Freiheit zu erkaufen, allerdings waren etwa zwei Drittel von ihnen Frauen und Mädchen, da ihr Marktwert niedriger lag, und sie sich somit leichter freikaufen konnten.29 Etwa 1.128 der insgesamt 2.618 Freilassungen, resultierte aus der Initiative von weißen Siedlern30: Viele Plantagenbesitzer ließen die Sklavinnen, mit denen sie ein eheähnliches Verhältnis eingingen, und die daraus resultierenden Kinder, frei. Die Rechte der Free People of Color wurden in einem Erlass des spanischen Gouverneurs Baron de Carondelet deutlich definiert: „Free People of Color, enjoying by law the same advantages with the other members of the nation with which they are incorporated, may not be molested in the possession of their property, injured, or ill- treated." 31 Diese wohlgesonnene Einstellung gegenüber den freien Schwarzen erklärt sich unter anderem durch den Nutzen, den sich die Spanier durch die Freilassungen versprachen. Die meisten weißen Siedler lebten auf dem Land, aber der wachsende Handel mit Zuckerrohr und Baumwolle erforderte den Ausbau des Hafens von New Orleans und dafür standen nicht genug Arbeitskräfte zur Verfügung. Da sich das Groß der Freien in New Orleans niederließ, erhoffte man sich auf diese Weise eine Ausweitung des Arbeitskräfteangebots für die anfallenden Arbeiten in der Stadt.32

Durch die hohe Anzahl der „manumissions" 33 stieg der Anteil der gens de couleur libre (Creoles of Color) in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts deutlich an und veränderte das demographische Profil der Stadt. Im Jahr 1803 gab es in New Orleans bereits 1.335 Free People of Color bei einer Gesamtbevölkerung von 8.056 34 damit war New Orleans von allen amerikanischen Städten, die mit der größten Anzahl von freien Schwarzen. Einige dieser Creoles of Color waren durch Erbschaft zu Reichtum und Ansehen gekommen. Sie sorgten dafür, dass ihre Nachkommen lesen, schreiben und Musikinstrumente spielen lernen. Diese schwarzen Städter bildeten eine kosmopolitische Gemeinschaft, die ein ausgeprägtes eigenes Kulturleben besaß, von starkem Selbstbewusstsein erfüllt war und gegenüber Plantagensklaven eine unüberwindliche kulturelle Distanz empfand.

Im Jahr 1801 ging das Louisiana Gebiet wieder an Frankreich zurück. 1803, zwei Jahre später, verkaufte Napoleon Bonaparte im Louisiana Purchase das gesamte Gebiet westlich des Mississippis für 15 Millionen Dollar an die Vereinigten Staaten, die somit auf einen Schlag ihr Land flächenmäßig verdoppelten (zu dieser Zeit hatte New Orleans etwa 8.000 Einwohner35 ). Der Louisiana Purchase war somit das Ende der französischen und spanischen Kolonialzeit auf dem amerikanischen Kontinent.

Die freie schwarze Bewohnerschaft in New Orleans stieg auch gegen Ende des 18. Jahrhunderts weiterhin beständig an, vor allem durch die Zuwanderung aus Frankreich und der Karibik. Aus Frankreich nahm New Orleans die Flüchtlinge der Revolution auf. Die Revolution in St. Dominique (später Haiti) zwang viele sowohl weiße Kreolen, als auch Creoles of Color und Sklaven zwischen 1793 und 1809 nach New Orleans zu fliehen. Im Jahr 1805, kurz nach dem Louisiana Purchase, hatte New Orleans 8.222 Einwohner, davon waren 1.566 Free People of Color und 3.105 Sklaven. Im Zensus von 1810, also nach der Massenauswanderung aus Haiti, waren es insgesamt 17.242 Einwohner in New Orleans, wobei die Zahl der Free People of Color enorm Anstieg auf 4.950. Mit zusätzlich 5.961 Sklaven galten mehr als 60 Prozent der Bewohner als „colored". 36 Die hohe Zahl der freien Schwarzen und vor allem deren teilweise ökonomischer und gesellschaftlicher Erfolg, verunsicherte die weiße Bevölkerung. Die weißen New Orleans fürchteten sich zunehmend vor ihren mehr als doppelt so vielen schwarzen Mitbürgern und der Gefahr eines Aufbegehrens der Sklaven37. Das führte in New Orleans nach und nach zu einer Verschärfung des rassistischen Klimas zwischen Schwarz und Weiß, auch bedingt durch den gesellschaftlichen Erfolg vieler Free People of Color , da nun die „White Su premacy" 38 in Frage gestellt werden konnte.

1.3 New Orleans nach dem Louisiana Purchase

Bis zur amerikanischen Übernahme des Gebiets war in Louisiana eine multikulturelle und multiethnische Gesellschaft entstanden. Einflüsse aus der französischen und spanischen Herrschaft hatten sich mit kulturellen Einflüssen der Sklaven aus Senegambia und der Native Americans gemischt, Einwanderer aus Haiti und der Karibik lebten dicht neben Siedlern aus Deutschland. Ein Reisender beschrieb die damaligen Bewohner von New Orleans folgendermaßen:

A man might here study the world. Every race that the world boasts is here, and a good many races that are nowhere else. The strangest and most complicated mixture of negro and Caucasian blood, with negroes washed white, and white men that mulattoes would scorn to claim as of their own particular hybrid.39

Alle gemeinsam trugen sie bei zu einer kreolischen, französisch-geprägten Gesellschaft und Kultur, die sich in wesentlichen Dingen von der angelsächsischen Kultur der übrigen Bundesstaaten und Territorien unterschied. Die „zugewanderten" Angloamerikaner empfanden die Gesellschaftsstruktur in Louisiana und New Orleans als sehr fremd, die ihrer Meinung nach erst „amerikanisiert" 40 werden musste, bevor Louisiana als gleichwertiger amerikanischer Staat angesehen werden konnte. Die Angloamerikaner schockierte vor allem die Selbstverständlichkeit und gesellschaftliche Toleranz, mit der die sexuellen Vergnügen, laxen Moralvorst ellungen und „Rassenmischungen" in New Orleans praktiziert wurden. „Gemischte" Ehen waren zwar trotz der groBen Toleranz verboten, es gab aber zahlreiche eheähnliche Arrangements, vor allem aufgrund des Mangels an weißen Frauen und Free Men of Color41. Auf so genannten „Quadroon 42 Balls" konnten wohlhabende weiBe Junggesellen Free Women of Color kennen lernen. Dort wurde auch ausgehandelt zu welchen Konditionen die Verbindung eingegangen werden sollte. Einige dieser jungen Frauen legten so den Grundstein für ihre spätere Existenz und die ihrer Kinder. Aufgrund des offenen Umgangs mit „rassengemischten" Beziehungen und der relativen hohen Akzeptanz derselben, wurden die New Orleans als durch und durch fremdes Volk angesehen, weshalb die Stadt im 19. Jahrhundert von vielen Besuchern auch great Southern Babylon " oder „a perfect Sodom" genannt wurde.43 Diesen Ruf als „exotic, erotic hot spot" 44 behielt New Orleans trotz regulierender Gesetzgebungen bezüglich Prostitution, bis ins 20. Jahrhundert hinein.

Über die multiethnische Gesellschaft in New Orleans breitete sich ab 1803 eine hegemoniale politische Macht der „zugereisten" Angloamerikaner aus, deren oberstes Ziel es war, d ie Einheimischen Louisianas zu „amerikanisieren". Diese brachten eine ganz andere politische Kultur mit und eine anglo-amerikanische Entweder-Oder Haltung zum Rassenproblem.45 Das war problematisch für die Creoles of Color, denn das strenge Rassensystem der Angloamerikaner vertrug sich auf Dauer nicht mit dem dreiteiligen Rassensystem der alten kreolisch-karibischen Stadt. Schwarze galten nach amerikanischem Verständnis als schwer zu zivilisierende, minderwertige Menschen. Die Creoles of Color allerdings, hatten durch ihr „rassengemischtes" Erbe einen guten Stand in der Mittelschicht Louisianas, denen größtenteils die selben Rechte zustanden wie weißen Personen, und die einen beträchtlichen Anteil an der Wirtschaftskraft der Gesellschaft hatten.

Die Bevölkerungsstruktur Louisianas veränderte sich in den 1830er und 40er Jahren durch die rasant ansteigende Zahl europäischer Einwanderer. Zwischen 1840 und 1860 avancierte New Orleans zum zweitgrößten amerikanischen Einwanderungshafen nach New York. Durch die Einwanderung von Iren, Deutschen und Juden stieg die Bevölkerungszahl von New Orleans stetig an, und die Kreolen verloren zusehends an Gewicht. Die große Mehrheit der Neuankömmlinge reiste zwar weiter Richtung Westen, doch eine nicht zu vernachlässigende Zahl blieb in New Orleans und prägte die Stadt wesentlich: Nach 1840 nahm New Orleans die Konturen einer nordamerikanischen, multiethnischen und multikulturellen Stadt an, die sich über die vorherige multiethnische, aber uniku lturelle, kreolische Kultur legte." 46 Der sich in den ersten Jahren nach dem Louisiana Purchase entwickelnde Konflikt zwischen neuen amerikanischen, vorwiegend protestantischen Siedlern und der katholischen kreolischen Bevölkerung zeigt die ersten Anfänge des bis heute andauernden Rassenkonflikts in New Orleans. Die weißen Bewohner empfanden zunehmend die Creoles of Color als eine Gefahr für das Sklavensystem. In den 1850er Jahren wurden deshalb vom Staat und von der Stadt einige Gesetze erlassen um das Leben der Creoles of Color zu regulieren und einzugrenzen. Das betraf Kleinigkeiten, wie rassenübergreifende Tanzabende, aber auch rassische Diskriminierung und Segregation bis hin zu verschärften Freilassungsbestimmungen. Ein Höhepunkt der restriktiven Entwicklung war ein Gesetz am Vorabend des Bürgerkriegs, das die freien Schwarzen dazu aufforderte, sich freiwillig in die Sklaverei zu begeben.47

Das Klima in der Stadt hatte sich über die Jahre so verschärft, dass viele Free People of Color New Orleans den Rücken zukehrten. Die Bevölkerungsstruktur der Stadt veränderte sich radikal: im Jahr 1840 lebten fast 20.000 Free People of Color in New Orleans (und 23.448 Sklaven), doch im Jahr 1860 sank diese Zahl um fast fünfzig Prozent auf nur noch 10.669.48 Der Anteil der freien schwarzen Bevölkerung in New Orleans war somit seit 1840 von 19 auf sechs Prozent gesunken. Im Jahr 1860 war New Orleans bei einer Gesamtbevölkerung von circa 170.000 Einwohnern zu 85 Prozent weiß. 49

1.4 Reconstruction - Kurze Zeit der Verbesserungen

Während New Orleans vor dem Bürgerkrieg die reichste Stadt der Welt war, deren Einwohnerzahl stetig wuchs, wurde sie während der Reconstruction50 eine der ärmsten Städte des Südens.51 Die Bürger der Stadt hatten mit den sozialen, wirtschaftlichen und politischen Veränderungen zu kämpfen, allerdings verbesserte sich während der Reconstruction (1865 bis 1877) kurzzeitig die Situation für die farbige Bevölkerung in New Orleans. Ein Jahr nach Beginn des amerikanischen Bürgerkriegs fiel die Stadt 1862 an die Unionisten, womit auch die Sklaverei illegal wurde. Einflussreiche Creoles of Color nutzten diese Zeit um wieder mehr Rechte für ihre Bevölkerungsgruppe zu erlangen. Für kurze Zeit sollten sich die Bemühungen auszahlen: mit dem 14. und 15. Verfassungszusatz erhielten alle Afroamerikaner grundlegende Bürgerrechte und die Männer das allgemeine Wahlrecht ohne Einschränkungen und Auflagen. Darüber hinaus wurden viele Verordnungen zur rassischen Diskriminierung abgeschafft, unter anderem die Segregation in öffentlichen Gebäuden, Restaurants, Straßenbahnen oder Schulen. Damit besaß Louisiana die fortschrittlichste Verfassung der Südstaaten. Wären all ihre Bestimmungen in den folgenden Jahren umgesetzt worden, hätten sie den Weg in eine gerechtere, demokratische und freiheitliche Gesellschaft weisen können.52 Doch auch dieser kurzzeitige Sieg der Republikaner (Partei der Abolition, also Aufhebung der Sklaverei und Segregation) konnte nicht verhindern, dass die Apartheid nur wenige Jahre später wieder eingeführt und für viele Jahre das Leben der Afroamerikaner in den Südsaaten bis in die letzten Verästelungen des Alltags bestimmen sollte. So schnell wie viele der Veränderungen gekommen waren, so schnell verschwanden sie nach Ende der Reconstruction, in den 1870er Jahren, auch wieder, denn der Rassendiskurs in den Südsaaten wuchs zunehmend: die weiße Bevölkerung bevorzugte totale Segregation zwischen den Rassen, die schwarze Bevölkerung wünschte sich Eingliederung in die Gesellschaft. Viele lokale Zeitungen in der Stadt, genau wie die New Orleans Bulletin im Jahr 1874, waren überzeugte Verteidiger der „white suprem a cy": " The white race rules the world the white race rules America and the white race will rule Louisiana and the white race shall rule New Orleans." 53

Festzuhalten bleibt, dass es in Louisiana im Gegensatz zu den übrigen Südstaaten bis zum Ende der Rekonstruktionszeit nicht zu einer sozialen und kulturellen Annäherung zwischen den ehemaligen Free People of Color und der Ex-Sklavenbevölkerung kam. Die farbige Bevölkerung Louisianas blieb Ende der 1860er Jahre zweigeteilt, denn es gab zu viele ethnokulturelle Unterschiede. Das Einzige, das sie zu verbinden schien, war ihre Hautfarbe, weshalb sie in den Augen der weißen Amerikaner auch alle gleich waren. In Louisiana zeigte sich so stark wie nirgendwo sonst im amerikanischen Süden die Heterogenität der farbigen Bevölkerung.54 Im Verlauf dieser Arbeit wird sich zeigen, dass diese Heterogenität sogar bis heute noch spürbar ist.

1.5 New Orleans in der Jim Crow Ära

Nachdem 1865 in Folge des Bürgerkriegs im 13. Zusatz zur Verfassung das Verbot der Sklaverei festgelegt worden war und während der Reconstruction Afroamerikaner grundlegende Bürgerrechte erhielten und schwarze Männer das Wahlrecht erhalten hatten, wurde die schwarze Bevölkerung gegen Ende der 1870er Jahre in ihrer Emanzipation wieder stark zurückgeworfen. Als die Truppen der Union sich nach Ende des Bürgerkriegs und der nationalen Aussöhnung aus New Orleans zurückzogen, brach die republikanische Regierung in Louisiana zusammen. Die Demokraten, die im Süden der USA die Partei der ehemaligen Sklavenhalter stellten, führten ab 1877 zunehmend Rassentrennungsgesetze in den Südstaaten ein, und die im Verfassungszusatz gewährten Wahlrechte wurden durch neue Reglementierungen enorm eingeschränkt. Seit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs im Fall Plessy v. Ferguson im Jahr 1896, beruhen diese Apartheidsgesetze auf dem Prinzip separate but equal. Das bedeutete also, dass Rassentrennung zulässig sei, wenn die den Weißen und Schwarzen zustehenden Einrichtungen gleichwertig seien. Die radikale Trennung aller Institutionen des öffentlichen Lebens, wie Schule, Verkehrsmittel und Restaurants zwischen Weiß und Schwarz blieb über viele Jahre bestehen (siehe Abbildungen 3-6). Die Zeit zwischen 1876 und 1964, in der die Rassentrennungsgesetze ihre Gültigkeit hatten, wird als Jim Crow Ära55 bezeichnet.

Die Jim Crow Laws und ihre Umsetzung wurden im Zuge der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung (Civil Rights Movement) in den 1950er und 1960er Jahren nach und nach abgeschafft beziehungsweise aufgehoben. Ein erster entscheidender Schlag gegen die legale Rassentrennung passierte im Jahr 1954: der Oberste Gerichtshof urteilte im Prozess Brown v. Board of Education, dass Gleichheit bei Rassentrennung in der Praxis unmöglich sei, und erklärte die Rassentrennung an staatlich finanzierten Schulen für unzulässig. 1964 hob der Civil Rights Act alle noch bestehenden Jim Crow Laws endgültig auf. Auch wenn Bürgerrechts- und Antidiskriminierungsgesetze grundlegende gesellschaftliche Veränderungen bewirkt haben, so trugen trotzdem weiterhin eine Reihe diskriminierender Praktiken, wie zum Beispiel auf dem Wohnungsmarkt (siehe Kapitel II.) zur Segregation der Gesellschaft bei. In Verbindung mit den ökonomischen Folgen von jahrhundertelanger Sklaverei und nachfolgender Segregation sind im Ergebnis bis heute viele Afroamerikaner vom ökonomischen Aufstieg innerhalb der Gesellschaft ausgeschlossen.

2. New Orleans im 20. Jahrhundert

Im 20. Jahrhundert galt New Orleans als Sin City, The Big Easy, Heimat des Jazz, und Stadt des Mardi Gras -Karnevals. Aufgrund der vielen Paraden und Kostüme wurde New Orleans` Mardi Gras auch „the greatest free show on earth" genannt. Besonders Festivitäten wie diese und die kreolische Kultur machten die Stadt für Besucher attraktiv. Im folgenden Kapitel werde ich kurz auf die kulturellen Hinterlassenschaften von New Orleans und den stetig wachsenden Tourismussektor eingehen. Diese Aspekte sind wichtig zum besseren Verständnis des Kapitels in dem es um den Wiederaufbau der Stadt und die Intensionen der Stadtplaner geht.

2.1 Jazz

New Orleans wird von Vielen als der Geburtstort des Jazz benannt. Als Synthese aus verschiedenen Musiktraditionen seit der Jahrhundertwende entstand der Jazz, der hier vor allem in den frühen 1920ern seine große Blüte erlebte. Wichtig für die Entstehung des Jazz war vor allem die Straßenmusik, die der improvisierenden Straßenmusiker, und die der Blaskapellen (Brass Bands). Diese waren als eine Nachahmung der weißen Marschkapellen ab etwa 1865 entstanden, spielten aber häufig mit starker afro-amerikanischer Verformung. Viele Brass Band Musiker wie auch die Musiker der Oper und der notenlesenden Tanzkapellen waren Creoles of Color mit einer guten musikalischen Ausbildung. Ab 1889 wurden auch in Louisiana die Rassentrennungsgesetze verstärkt, und die Creoles of Color verloren ihren gutbürgerlichen Status und wurden zu zw eitklassigen „Farbigen" erklärt. Dies führte dazu, dass Afroamerikaner und Kreolen gemeinsam musizierten und dabei die bisher beobachteten sozio-kulturellen Unterschiede zwischen ihnen verschwanden: Nach Gehör spielende, improvisierende schwarze Musiker und ihre notengetreu spielenden Kollegen fanden sich erstmals in Street Bands und anderen Kapellen zusammen, wo sie Ragtime56, Märsche, Hymnen und europäische Tänze interpretierten. Auf diese Weise konnte der Jazz von New Orleans entstehen.57

2.1 Storyville

Ende des 19. Jahrhunderts formte sich langsam der eher zweifelhafte Ruf New Orleans und die Stadt wurde auch Sin City genannt. Aufgrund der vielen ethnischen Bevölkerungsgruppen und dem hohen Anteil an farbigen Einwanderern, haftete New Orleans schnell der Ruf sexueller Verdorbenheit und Sittenlosigkeit an. Bereits 1858 beschrieb die New York Times die Stadt als einen gänzlich „unamerikanischen" Ort: „New Orleans is, unquestionably, the most un - American city in our whole Confederacy." 58 Grund dafür seinen laut der New York Times die vielen Einwanderer, die sich eher den französischen als den amerikanischen Sitten anpassten, und das Ergebnis sei nun moralische Schwäche.59 Die Gründung von Storyville, dem Rotlichtbezirk der Stadt, in den 1890er Jahren trug zusätzlich zum tendenziell schlechten Ruf der Stadt bei, machte sie auf der anderen Seite aber auch sehr beliebt vor allem bei den männlichen Touristen. Den Spitznamen Storyville erhielt das Viertel vom Ratsherrn Sidney Story, der die Gesetze entworfen hatte, die 1897 die Gründung von Storyville ermöglichten. Auf diese Weise hoffte die Stadtverwaltung, die in der belebten Hafenstadt blühende Prostitution besser kontrollieren zu können. Storyville war der größte Rotlichtbezirk der USA und neben zahlreichen Bordellen ließen sich auch Bars und Tanzlokale dort nieder. Das Viertel war eine profitable Einkommensquelle für die Stadt und man ignorierte den zweifelhaften Ruf, den der Bezirk New Orleans einbrachte. Schnell bildete Storyville den Kern des örtlichen Nachtlebens, womit es unter anderem zum Aufblühen des New Orleans Jazz beitrug. Viele der besseren Etablissements beschäftigten einen Pianisten, manchmal auch eine kleine Band, und so wurden zumeist afroamerikanische Musiker aus der ganzen Stadt eingeladen, um im Bordell zu spielen. Der Grund, warum viele hochqualifizierte afroamerikanische Musiker in Storyville spielten, lag auch an der inzwischen verschärften Segregation in New Orleans: schwarze Musiker waren in ihren Auftrittsmöglichkeiten sehr beschränkt und die Beschäftigung in den Bordellen war ihnen sehr willkommen. Allerdings wurde im Jahr 1917, zwanzig Jahre nach seiner Eröffnung, das berühmt berüchtigte Viertel von den Bundesbehörden gegen den Widerstand der Stadtverwaltung wieder geschlossen. Viele der Musiker gingen nach der Schließung Storyvilles in andere US-amerikanische Großstädte, wie zum Beispiel Chicago. In den 1940er Jahren wurden die meisten Gebäude des alten Storyville eingerissen, um Platz für die Iberville -Sozialwohnungssiedlung zu schaffen.

2.3 Tourismus

Da der Industriesektor in New Orleans immer mehr stagnierte, wurde der Tourismus für die Stadt immer wichtiger, weshalb die führenden Vertreter aus Politik und Wirtschaft sich darauf konzentrierten, den Tourismusbereich auszubauen, um einen finanziellen Ausgleich zur Wirtschaftsflaute zu finden.60 Das French Quarter, ein jeher beliebtes Viertel aufgrund der imposanten Architektur aus der französischen und spanischen Kolonialzeit, wurde deshalb restauriert und nach und nach den Erwartungen und Ansprüchen der Besucher angepasst, womit es sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts immer mehr zu einem „Creole Disneyland" 61 entwickelte. Um die Vermarktung der Stadt, vor allem die des französischen Viertels zu steigern, verglich man New Orleans mit einem Themenpark, indem Reisende sich vergnügen konnten und der gleichzeitig viel authentischer war als Disneyland oder andere Themenparks der USA.62 Während das French Quarter mehr und mehr zum Mittelpunkt des wirtschaftlichen Interesses wurde (Restaurierung und Renovierung der alten Gebäude), vernachlässigte man zunehmend die anderen Bezirke in New Orleans. Ab den 1970er Jahren wurden der Tourismus und das Messewesen zur Haupteinnahmequelle der Stadt. New Orleans hatte nämlich das US-weit viertgrößte Konvention Center und war vor den Stürmen eine der wichtigsten US-Kongress-Städte. Die Touristenzahlen sprechen für sich: Im Jahr 2000 kamen 23 Millionen Besucher nach Louisiana.63 Das Interesse der Touristen war allerdings sehr konzentriert: Die City Planning Commission of New Orleans stellte fest, dass 97 Prozent der Besucher sich fast ausschließlich im French Quarter und Central Business District (CBD) aufhalten.64

II. Die Stadt New Orleans vor Hurrikan Katrina

1. Geographische Einordnung

New Orleans war im Juli 2005, kurz vor Katrina, mit 453.726 Einwohnern65 eine der gröl3ten Städte der Südstaaten und die gröl3te Stadt in Louisiana (im Ballungsraum New Orleans lebten nochmals rund 800.000 Menschen). New Orleans verfügt aul3erdem nach wie vor über einen wichtigen Seehafen, der aufgrund seiner Nähe zum Golf von Mexiko ein wichtiger Umschlagspunkt für den Handel zwischen Nord- und Lateinamerika ist. Die Stadt ist gröl3ter Aul3enhandelsplatz für die Erzeugnisse der Mississippi-Staaten - wie Baumwolle, Zucker und Erdöl.

Wenn von der Stadt New Orleans gesprochen wird, ist laut U.S. Census Bureau nur das Orleans Parish gemeint. Die Metropolitan Area (Ballungsraum) von New Orleans setzt sich jedoch aus insgesamt sieben Parishes (Gemeinden) zusammen: Orleans, Jefferson, Plaquemines, St. Bernard, St. Charles, St. John the Baptist und St. Tammany (Abbildung 8). Ich verwende in der vorliegenden Arbeit die gleichen Begrifflichkeiten - wird also von New Orleans gesprochen, ist nur das Orleans Parish gemeint. Für Planungszwecke wurden die insgesamt 73 Stadtviertel von New Orleans noch einmal in dreizehn Districts (Bezirke) aufgeteilt. Die Abbildungen 9 bis 11 im Anhang vermitteln einen übersichtlichen Eindruck über die Lage der einzelnen Stadtviertel. Einige davon werde ich im letzten Kapitel noch genauer betrachten.

2. Ungünstige geographische Lage

Was die Situation für New Orleans so kritisch machte und schliel3lich zu dieser verheerenden Katastrophe führte, ist die exponierte wie fragile Lage der Stadt: Sie ist an drei Seiten von Wasser umgeben - dem Golf von Mexico im Süden, dem Mississippi, und dem Lake Pontchartrain, der die Stadt nach Norden abgrenzt (siehe Abbildung 12). Damit New Orleans nach der Gründung im Jahr 1718 weiter wachsen konnte - die Stadt war von Sumpfland umgeben - wurde ihr Umland mit Hilfe eines komplexen Pumpen- und Abflusssystems trockengelegt.

[...]


1 United Nations Human Settlements Program, Enhancing Urban Safety and Security — Global Report on Human Settlements 2007 (London: Earthscan, 2007), 171.

2 R.Wvv. Kates et. al., "Reconstruction of New Orleans after Hurricane Katrina: A research perspective", in: Proceedings of the National Academy of Science of the United States of America (PNAS) 103:40 (3. Oktober 2006), 14654.

3 Ulrich Beck, Weltrisikogesellschaft: Auf der Suche nach der verlorenen Sicherheit (Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2007), 113.

4 Bush, "We will do what it takes" (Protokoll von Bush's Rede am Jackson Square im French Quarter in New Orleans), CNN Online (15. September 2005), <http://www.cnn.com/2005/POLITICS/09/15/bush.transcript/> (Stand 20.02.09).

5 Carolin Emcke, „Der Traum von Nr. 6", in: Die Zeit 63:27 (Juni 2008), 3.

6 Die Begriffe "schwarz" als auch „wei˜^ sollen hier neutral für Menschen verschiedener Hautfarbe bezeichnend sein und sind in keiner Weise diskriminierend zu verstehen.

7 John Harwood, „Louisiana Lawmakers Aim to Cope with Political Fallout", The Wall Street Journal (9. September 2005), <http://online.wsj.com/article/SB112622923108136137.html?mod=politics_above_ad_hs> (Stand 01.02.09).

8 Barbara Fields, "Ideology and Race in American History", in: Region, Race, and Reconstruction — Essays in Honor of C. Vann Woodward (New York/Oxford: Oxford University Press, 1982), 150-51.

9 Ibid.

10 Im Deutschen haben die Worter „Klasse" und „Rasse" eine etwas andere Bedeutung. In der vorliegenden Arbeit sollen sich die deutschen Begriffe nur auf die englische Bedeutung beziehen.

11 F.L. Bates, et. al., The Social and Psychological Consequences of a Natural Disaster (Washington D.C.: National Academy of Science — National Research Council, 1963), 93.

12 Joachim Eibach und Günther Lottes (Hg.), Kompass der Geschichtswissenschaft, 2.Auflage (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht), 38-40.

13 Eibach, Kompass der Geschichtswissenschaft, 198.

14 Louise McKinney, New Orleans — A Cultural History, (Oxford: Oxford University Press, 2006), 8.

15 McKinney, New Orleans- Cultural History, 14.

16 McKinney, New Orleans- Cultural History, 14.

17 Jerah Johnson, "Colonial New Orleans: A Fragment of the Eighteenth Century French Ethos", in: Arnold R.Hirsch/ Joseph Logsdon (eds.), Creole New Orleans: Race and Americanization (Baton Rouge: Louisiana State University Press, 1992), 12-57.

18 Ibid., 34.

19 Ibid., 32.

20 Berndt Ostendorf, "A Tale of Two Cities. Die kreolischen und amerikanischen Wurzeln der Kultur von New Orleans", in: Franz Grel und Hans Vorländer (Hg.), Liberale Demokratie in Europa und den USA (Frankfurt/ New York: Campus Verlag, 1990), 75.

21 Eli Whitney erfand 1793 den sogenannten Cotton Gin. Die Maschine erleichterte die Verarbeitung von Baumwolle indem sie die Baumwolle von den Samenkapseln trennte. Erst die Erfindung des Cotton Gin ermöglichte in den Südstaaten den Baumwollanbau im großen Stil und machte damit auch den Einsatz von Sklaven erst wirklich profitabel. Diese wurden nun nicht mehr zum arbeitsintensiven Rupfen der Baumwolle per Hand benötigt, sondern konnten als Pflücker auf den Feldern eingesetzt werden.

22 Gwendolyn Midlo Hall, "The Formation of Afro-Creole Culture", in: Arnold R.Hirsch/ Joseph Logsdon (eds.), Creole New Orleans: Race and Americanization (Baton Rouge: Louisiana State University Press, 1992), 77.

23 Ibid., 68.

24 Ibid., 59/ 69.

25 Ibid., 65.

26 Das Wort „Kreole" bedeutet (zunachst): genetisch aus der alten Welt (Frankreich und Spanien) oder Afrika stammend, aber in der Neuen Welt herangewachsen. Rassenübergreifender Begriff der auf dem gemeinsamen kulturellen Erbe basiert: sowohl weiße als auch farbige Louisianians bezeichnet man als Kreolen.

27 Gwendolyn Midlo Hall, Africans in Colonial Louisiana — The Development of Afro-Creole Culture in the Eighteenth Century (Baton Rouge: Louisiana State University Press, 1992), 195.

28 Vor der Coartación, im Jahr 1769, lebten in Louisiana ca. 200 Free People of Color und 400 "Mischlinge", die aber meistens versklavt waren (siehe Thomas N. /ngersoll, "Free Blacks in a Slave Society: New Orleans 1718-812", in: William and Mary Quarterly, 3rd series, 48:2 (April 1991), 179.

29 Ingersoll, "Free Blacks in a Slave Society", 183/186.

30 Ingersoll, "Free Blacks in a Slave Society", 188.

31 Nina Möllers, Kreolische Identität: Eine amerikanische Rassengeschichte zwischen Schwarz und Weiß (Bielefeld: transcript Verlag, 2008), 50.

32 Ingersoll, "Free Blacks in a Slave Society", 182.

33 Freilassung eines Sklaven durch den Plantagenbesitzer

34 Ostendorf, "A Tale of Two Cities", 76.

35 Berndt Ostendorf, "Urban Creole Slavery and its Cultural Legacy: The Case of New Orleans", in: Wolfgang Binder (ed.) Slavery in the Americas (Würzburg: Königshausen & Neumann, 1993), 394.

36 Joseph Logsdon and Caryn Cosse Bell, "The Americanization of Black New Orleans: 1850-1900", in: Creole New Orleans: Race and Americanization (Baton Rouge: Louisiana State University Press, 1992), 206.

37 Dass diese Angst nicht unbegründet war, hatten zwei Sklavenrevolten in Louisiana im Pointe Coupée Parish in den Jahren 1791 und 1795 gezeigt (siehe: Hall, Africans in Colonial Louisiana, 237-74.)

38,teht -Fur „weil e Vorherrscha-Ft" und „Oberlegenheit der Weil en"

39 Möllers, Kreolische Identität, 53.

40 Unter anderem wollte man vor allen Dingen das dreischichtige Gesellschaftssystem Louisianas in ein binäres Rassen- und Gesellschaftssystem ändern.

41 Nina Möllers weist darauf hin, dass es im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts auch innerhalb der Free People of Color ein Geschlechtsungleichgewicht gab (Möllers, Kreolische Identität, 59.)

42 Der Begriff Quadroon bezeichnet eine Person mit „one-quarter Black ancestry"

43 Alecia P. Long, "Poverty Is the New Prostitution: Race, Poverty, and Public Housing in Post-Katrina New Orleans", in: The Journal of American History 94:3 (December 2007), 797.

44 Ibid., 797.

45 Ostendorf, "A Tale of Two Cities", 78.

46 Ibid., 79.

47 Möllers, Kreolische Identität, 102.

48 Roger A. Fischer, "Racial Segregation in Ante Bellum New Orleans", in: The American Historical Review 74:3 (Feb. 1969), 928-29.

49 Logsdon, "dZe Americanization of Black New Orleans: 1850-1900", 206.

50 Als Reconstruction bezeichnet man den Wiederaufbau und Eingliederung des Südens in die Vereinigten Saaten von Amerika nach dem Bürgerkrieg (1861-1865). Die Reconstruction stellte für die Südstaaten eine schwierige Aufgabe dar, Da die Wirtschaft brach lag und die Bürger dem gesellschaftlichen und politischen Zustand vor dem Bürgerkrieg nachtrauerten. Ende der Reconstruction war im Jahr 1877.

51 McKinney, New Orleans — A Cultural History, 21.

52 Möllers , Kreolische Identität, 243.

53 Kristen Lavelle und Joe Feagin, "Hurricane Katrina: The Race and Class Debate", in: Monthly Review 58:3 (August 2006), <http://www.monthlyreview.org/0706lavelle.htm> (Stand 01.02.09).

54 Möllers, Kreolische Identität, 246.

55 Jim Crow ist das Stereotyp eines tanzenden, singenden, mit sich und der Welt zufriedenen, aber unterdurchschnittlich intelligenten Schwarzen. Das war vor allem ein Thema in den Minstrel Shows im Amerika des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Geprägt wurde der „Jim Crow Dance" von dem Komiker Thomas D. Rice, ein Weißer mit schwarzem Makeup (Abbildung 7 im Anhang).

56 Komponierte Musik (Vorbild waren Märsche, Polonaisen und Polkas), meist auf dem Klavier gespielt, manchmal auf dem Banjo. Ragtime beherrschte von 1880 bis fast 1920 weitgehend das Feld der populären Musik Amerikas.

57 Reimer von Essen, ,,New Orleans", in: Joachim-Ernst Berendt (Hg.), Die Story des Jazz — von New Orleans zum Rock Jazz (Bayreuth: Gondrom, 1984), 17.

58 Anthony J. Stanonis, Creating the Big Easy. New Orleans and the Emergence of Modern Tourism, 1918-1945 (Athens: The University of Georgia Press, 2006), 9.

59 Stanonis, Creating the Big Easy, 9.

60 J. Mark Souther, New Orleans on Parade. Tourism and the Transformation of the Crescent City (Baton Rouge: Louisiana State University Press, 2006), 24-25, 41-42.

61 Peirce F. Lewis, New Orleans: The Making of an Urban Landscape, 2nd ed. (Santa Fe: Center for American Places, 2003), 160.

62 Das French Quarter in New Orleans galt sogar als Vorbild für die Mainstreet in Disneyland (Souther, New Orleans on Parade, 62 /172).

63 David Gladstone and Jolie Preau, "Gentrification in Tourist Cities: Evidence from New Orleans before and after Hurricane Katrina", in: Housing Policy Debate 19:1 (2008), 139.

64 Ibid., 141.

65 Greater New Orleans Community Data Center & The Brookings Institution Metropolitan Policy Program , "Data Tables January 2009", in: The New Orleans Index - Tracking the Recovery of New Orleans and the Metro Area (January 2009), 3, <http://gnocdc.s3.amazonaws.com/NOLAIndex/NOLAIndexDataTables.pdf> (Stand 01.02.09).

Final del extracto de 127 páginas

Detalles

Título
Post-Katrina: New Orleans - Der Wiederaufbau einer zerstörten Stadt
Subtítulo
Eine sozialkritische Analyse
Universidad
LMU Munich  (Amerika-Institut)
Calificación
2,3
Autor
Año
2009
Páginas
127
No. de catálogo
V144106
ISBN (Ebook)
9783640542406
ISBN (Libro)
9783640542604
Tamaño de fichero
4463 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Post-Katrina, Orleans, Wiederaufbau, Stadt, Eine, Analyse
Citar trabajo
Corinna Friedrich (Autor), 2009, Post-Katrina: New Orleans - Der Wiederaufbau einer zerstörten Stadt, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/144106

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