I've just gone gay - all of a sudden. Das etwas andere Männerbild in den Filmen von Howard Hawks


Seminararbeit, 2001

18 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.EINLEITUNG

2.HOMOSEXUALITÄT IM HOLLYWOOD – FILM
2.1.Darstellung einer Minderheit
2.2.Der Motion Picture Production Code

3.MÄNNERBEZIEHUNGEN IM US-FILM: ‚HOMO‘ ODER ‚HETERO‘?

4.MÄNNERBEZIEHUNGEN IN RED RIVER
4.1.Tom Dunson – Groot Nadine
4.2.Matthew Garth – Tom Dunson
4.3.Matthew Garth – Cherry Valance

5.WEITERE ANSPIELUNGEN IN HOWARD HAWKS‘ FILMEN
5.1.The Big Sky
5.2.A Girl In Every Port
5.3.Gentlemen Prefer Blondes (1953)
5.4.Bringing Up Baby (1938)

6.MONTGOMERY CLIFT

7.SCHLUSSBEMERKUNG

LITERATURVERZEICHNIS

1. Einleitung

Männerbeziehungen spielen in vielen Filmen von Howard Hawks (1896 – 1977) eine wichtige Rolle. Dabei treten die weiblichen Figuren meist in den Hintergrund und kommen nur zum Zug, wenn sie sich männlich verhalten. In Red River (1948)1 kämpft Joanne Dru beispielsweise mit Montgomery Clift Seite an Seite gegen die Indianer. In His Girl Friday (1940) übernimmt Rosalind Russell die Rolle, die im ursprünglichen Theaterstück für einen Mann geschrieben war.2 Sie kann gegenüber ihren männlichen Kollegen nur bestehen, weil sie sich wie eine(r) von ihnen verhält.

Eine Frau wird häufig sogar als störend für eine Männerfreundschaft empfunden, denn sie tritt dadurch in Konkurrenz zum Mann.3 Hawks‘ weiblicher Idealtyp – im Film wie im richtigen Leben – waren selbstbewusste, geradlinige Frauen. Hawks, der dreimal verheiratet war, pflegte daneben langjährige Freundschaften zu William Faulkner und Ernest Hemingway.4 Es ist daher nicht erstaunlich, dass sich seine Haltung gegenüber Frauen und seine Männerfreundschaften in seinem Werk wiederspiegeln.

Doch was ist eine Männerbeziehung? Freundschaft? Kameradschaft? Oder etwa mehr? Heute würde man die Filme von Howard Hawks vielleicht als „Buddy-Movies“ bezeichnen, wie beispielsweise die Filme der Lethal Weapon -Reihe. In diesen Filmen sind die männlichen Protagonisten zwar eng miteinander befreundet, doch Ihre Freundschaft ist klar durch die Heterosexualität der beiden definiert. Eine eindeutige Definition dieser „Freundschaft“ fehlt jedoch in den meisten Filmen von Hawks. Außerdem gibt es in fast keinem Film von ihm eine stabile Heiratsbeziehung der Hauptfiguren (mit Ausnahme von Monkey Business ).5 Daher ist es durchaus angebracht, seine Darstellung von Männerbeziehungen etwas genauer zu untersuchen. Auch wenn es Howard Hawks nicht gerne zugegeben hat, dass in seinen Filmen homosexuelle Untertöne vorhanden sind, so kann man sie bei genauem Betrachten durchaus entdecken. Auf diese vermeintliche Tatsache angesprochen, wehrte sich Hawks dagegen vehement: „I’d say it’s a goddam silly statement to make. It sounds like a homosexual speaking. People attribute all kinds of meanings and everything“.6

Diese Anspielungen sind, wie alles, was nicht explizit auf der Leinwand zu sehen ist, Interpretationssache. Eine derartige Sichtweise kann durchaus von gesellschaftlichen oder persönlichen Hintergründen beeinflusst werden.7 Und da es häufig gesellschaftlich bequem war, wurde eben diese Interpretationsweise gerne verschwiegen oder unter den Teppich gekehrt. Die vorliegende Arbeit versucht deshalb, die homosexuellen Anspielungen im Werk von Howard Hawks etwas genauer zu betrachten.

Dafür ist es notwendig, zunächst einen kurzen Blick auf die Darstellung von homosexuellen Charakteren im amerikanischen Film zu werfen und den Begriff „Männerbeziehung“ im Film etwas genauer zu untersuchen. Für das Werk von Howard Hawks beschränkt sich die Arbeit auf die nähere Betrachtung des Films Red River , da in diesem drei äußerst unterschiedliche Männerbeziehungen vorkommen. Aber auch andere Filme wie The Big Sky (1952) und A Girl In Every Port (1928) sollen hier nicht unerwähnt bleiben. Weiterhin auffällig ist die Besetzung von hübschen jungen Männern in den Filmen von Howard Hawks, vor allem in seinen späteren Werken. Viele von ihnen wurden so quasi zu einer „schwulen Ikone“, weil sie unweigerlich Identifikationsfigur und Vorbild, ja sogar häufig als Alternative zum weiblichen Part gesehen werden können: Montgomery Clift in Red River , Dewey Martin in The Big Sky und The Thing , Ricky Nelson in Rio Bravo und James Caan in El Dorado. 8 Dass einer dieser Stars, nämlich Montgomery Clift, im wirklichen Leben ebenfalls homosexuell war, bestärkt diese Sichtweise. Da diese Tatsache auch nicht unwesentlich zur Interpretation von Red River beiträgt, wird das Leben und Werk von Montgomery Clift am Ende dieser Arbeit kurz vorgestellt.

2. Homosexualität im Hollywood – Film

2.1. Darstellung einer Minderheit

Eine Minderheit entspricht nicht der gesellschaftlichen Norm und war daher schon immer den Launen der vorherrschenden Mehrheit ausgesetzt. Angehörige dieser Minderheiten, ganz gleich ob sie wegen ihrer Herkunft, Religion oder sexueller Orientierung dazu gehörten, wurden sehr häufig aufgrund jahrhundertealter Vorurteile diskriminiert. Sowohl die Öffentlichkeit, als auch das Gesetz haben diese Gruppen nur höchst selten unterstützt. Die Darstellung von homosexuellen Charakteren im Hollywoodfilm ist daher von Beginn an diesen Machtverhältnissen unterworfen gewesen.9 Vito Russo stellt dies noch deutlicher klar: „Gay visibility has never been an issue at the movies. Gays have always been visible. It’s how they have been visible that has remained offensive for almost a century“.10 Entweder wird die Existenz dieser Gruppe vollständig geleugnet bzw. ignoriert, oder aber es werden negative Stereotypen, wie beispielsweise durch das Aufkommen von AIDS gefördert.11 Ein immer wiederkehrendes Motiv in amerikanischen Filmen waren homosexuelle Kriminelle oder Serienmörder, wie sie zum Beispiel in Alfred Hitchcock’s Rope (1948) in der Gestalt der beiden homosexuellen Studenten Brandon (John Dall) und Philip (Farley Granger) oder in Strangers On A Train (1951) in der Gestalt des Erpressers Bruno Anthony (Robert Walker) auftreten. Auch Filme neueren Datums blieben nicht von diesem Stereotyp verschont, so z. B. The Silence of the Lambs (1991). Homosexuelle Charaktere werden in vielen Filmen wegen ihres „unsittlichen Verhaltens“ erpresst oder begehen Selbstmord, weil sie ihre „Abnormalität“ nicht länger ertragen können12. Bereits in Anders als die Anderen (1919), dem ersten Film, der sich mit dieser Thematik befasst, begeht die Hauptfigur am Ende Selbstmord und ist somit fast schon richtungsweisend für das homosexuelle Rollenbild, das sich später auch in amerikanischen Filmen wiederfindet.13 Nicht selten mussten homosexuelle Protagonisten für rücksichtslose Witze und zur komischen Abwechslung herhalten, oder um die Heterosexualität der Hauptfiguren noch zu unterstreichen. Dieser Trend setzt sich teilweise sogar bis in die heutige Zeit fort14 (z.B. in Frankie & Johnny , 1991 oder in Blast From The Past , 1999).

Einen ebenso großen Einfluss auf die Darstellung von Homosexualität im US-Film hatte eine lange Zeit der Motion Picture Production Code, der im nachfolgenden Kapitel kurz erläutert wird.

2.2. Der Motion Picture Production Code

In den 20er Jahren gab es eine Reihe von Skandalen in die Persönlichkeiten aus Hollywood verwickelt waren (u.a. der Stummfilmstar Fatty Arbuckle). Die ‚unmoralische‘ Filmindustrie rief so bürgerliche und kirchliche Moralapostel auf den Plan und kurze Zeit später wurde der US-Postminister Will Hays Präsident der von der Filmindustrie selbst gegründeten Motion Picture Producers and Distributors of America, Inc.15 Zunächst wurden nur Empfehlungen an die Filmemacher ausgesprochen, etwa keine zu knappen Kostüme zu zeigen, oder Drehbücher freiwillig vor Drehbeginn zur Überprüfung einzureichen. Da sich allerdings zu wenige Produzenten an diese mündliche Vereinbarung hielten, wurde 1930 der Motion Picture Production Code ausgearbeitet und wenig später von der Vereinigung der Filmproduzenten als Instrument der Selbstkontrolle übernommen. Ab 1934 mussten alle Filme dem Hays Office vorgelegt werden und dessen‚Reinheitssiegel‘ direkt nach dem Haupttitel des Films zeigen. Ein Film, der keine sofortige Zustimmung beim Hays Office erhielt, musste umgeschnitten werden, bevor er in die Kinos gelangen konnte.16 Die zweite Unterkategorie des Codex beschäftigte sich ausschließlich mit dem Thema ‚Sex‘. So enthielt ein Unterparagraph Anweisungen wie:

"Excessive and lustful kissing, lustful embracing, suggestive postures and gestures, are not to be shown; Scenes of passion should not be introduced when not essential to the plot; Miscegenation (sex relationships between the white and black races) is forbidden; "Sex perversion or any inference to it is forbidden;"17

In all diesen Regelungen sollten sich die Normen einer anständigen Gesellschaft wiederspiegeln. Es ist daher nicht verwunderlich, dass es während der Anwendung des Production Codes so gut wie keine direkte Erwähnung oder Darstellung von Homosexualität im Film gab. Wurde beispielsweise ein Bühnenstück, das sich mit Homosexualität beschäftigte, für das Kino umgeschrieben, so wurden entweder alle homosexuellen Referenzen entfernt, stark zurückgenommen oder verschleiert, wie z.B. in Tea and Sympathy (1956), Cat on a Hot Tin Roof (1958) oder Suddenly, Last Summer (1959).18

[...]


1 Alle Filmtitel werden in dieser Arbeit der Einfachheit halber im Original belassen und kursiv gedruckt, auch im Hinblick darauf, dass der eine oder andere Film möglicherweise keinen oder mehrere deutschen Verleihtitel hat. Alle Filmzitate beziehen sich immer auf die Originalfassung, um Verfälschungen durch die deutsche Synchronfassung zu vermeiden.

2 Vgl. Koebner, Thomas (Hrsg.): Filmregisseure. Biographien, Werkbeschreibungen, Filmographien. Stuttgart: Reclam, 1999, S. 295.

3 Vgl. Wood, Robin: Howard Hawks. Revised edition. London: British Film Institute, 1981, S. 178.

4 Vgl. Koebner, T., S. 294 ff.

5 Vgl. Wood, R.: Howard Hawks, 1981, S. 176.

6 Zit. b.: McBride, Joseph: Howard on Hawks. Berkeley: University of California Press, 1982, S. 147.

7 auch Robin Wood, der sein eigenes ‚Coming-out‘ in dem Artikel „Responsibilities of a gay film critic“ verarbeitet hat, sieht einen engen Zusammenhang zwischen Interpretation und persönlichen bzw. kulturellen Einflüssen.

8 Vgl. Wood, R.: Howard Hawks. 1981, S. 183.

9 Vgl. Parish, James Robert: Gays and Lesbians in Mainstream Cinema: Plots, Critiques, Casts and Credits for 272 Theatrical and Made-for-Television Hollywood Releases. Jefferson, North Carolina: McFarland & Co., 1993, S. xiii.

10 Russo, Vito: The Celluloid Closet. Revised edition. New York: Harper & Row, 1987, S. 325.

11 Vgl. Parish, J.R., S. xiii.

12 Vgl. Ebd., S. xiv.

13 Vgl. Russo, V., S. 20 f.

14 Vgl. Parish, J.R., S. xiv.

15 Vgl. Ebd., S. xix.

16 Vgl. Ebd., S. xx.

17 Zit. b.: Microsoft Cinemania’97 © 1996 Microsoft Corporation.

18 Vgl. Parish, J.R., S. xvi.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
I've just gone gay - all of a sudden. Das etwas andere Männerbild in den Filmen von Howard Hawks
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Institut für Theaterwissenschaft)
Veranstaltung
Proseminar II: Howard Hawks
Note
1,0
Autor
Jahr
2001
Seiten
18
Katalognummer
V14444
ISBN (eBook)
9783638198431
ISBN (Buch)
9783640536849
Dateigröße
591 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Männerbild, Filmen, Homosexualität, Gender, Montgomery Clift, Red River, gay studies, Howard Hawks, John Wayne, gender studies, schwule Ikonen
Arbeit zitieren
Uwe Sperlich (Autor:in), 2001, I've just gone gay - all of a sudden. Das etwas andere Männerbild in den Filmen von Howard Hawks, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14444

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