Der Film „Barry Lyndon“ soll das 18. Jahrhundert als vergangene Epoche darstellen. Das Vergangene wird radikaler als in jedem Film davor als 'tot' präsentiert. Gleichzeitig oder wohl auch deswegen wurde ein bis dahin nie da gewesener Aufwand betrieben, um diese Epoche in allen Details originalgetreu nachzustellen.1 „Barry Lyndon“ wird in der Literatur als „Thematisch reichhaltig und formal wagemutig“ sowie „auf nahezu jedem Gebiet experimentell“ beschrieben.2
Thema dieser Arbeit soll die Frage sein, inwieweit Kamera, Handlung und Erzählstruktur des Filmes eine Einheit bilden und in welchen Punkten sie einander diametral gegenüberstehen. Es soll untersucht werden, mit welchen Mitteln Kubrick arbeitet, um sein mit diesem Film gestecktes Ziel zu erreichen. Dafür werde ich einige prägnante und aussagekräftige Szenen aus dem Film herausgreifen und an diesen obige Fragen sowie weitere, die sich im Verlauf der Abhandlung ergeben, analysieren.
Kubrick legt viel Wert darauf, die emotionale Distanz des Zuschauers gegenüber Barrys Schicksal aufrechtzuerhalten. Dies zeigt sich schon in der Eingangsszene, die ein Duell aus der Ferne zeigt. Der Erzähler nimmt den Bildern bereits den Ausgang der Szene vorweg, wodurch einerseits jede Spannung eliminiert und andererseits sofort der Eindruck der Unvermeidlichkeit und Abgeschlossenheit erzeugt wird.3
Ein weiterer Punkt, der Kubricks Wahl des Stoffes begründen könnte, wäre dessen persönliches Interesse an der Epoche der Aufklärung. Diese Ära schien eine gewisse Faszination auf ihn auszuüben aufgrund ihrer totalen Verhaftung in den Prinzipien der reinen Vernunft, was aber gleichzeitig wohl für ihn eine gewisse Ernüchterung mit sich brachte4. Hier lässt sich die Frage anbringen, inwiefern sich in „Barry Lyndon“ Prinzipien der reinen Vernunft finden lassen. Die Antwort liegt auf der Hand, wenn man 'Vernunft' mit 'Emotionslosigkeit' gleichsetzt. Die im Verlauf der Handlung zunehmende Eliminierung von Gefühlen ist in diesem Film Programm. Fraglich ist allerdings, ob dergestalt die betonte emotionale Armut eine solch positive Markierung wie die der 'Vernunft' verdient.
Auch finden sich immer wieder Anlehnungspunkte an und gleichzeitig Distanzierungsversuche von Nietzsche. Einerseits schien Kubrick versucht, bei Nietzsche Inspiration zu finden, andererseits ständig die Konfrontation mit dessen Philosophie zu suchen1. Gerade beim Thema des 'Übermenschen' sucht Kubrick in „Barry Lyndon“ bewusst den Widerspruch zu Nietzsche2.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Eingangsszenen
- ,,Erste Liebe“
- Britische Armee
- Abgeschlossenheit und emotionale Distanz
- Stil und Details
- Handlung und Erzählweise
- Wiederholung und Variation
- Duell Barrys mit Quin vs. Duell Barrys mit Lord Bullingdon….......
- Kartenspiel mit Nora vs. Begegnung mit Lady Lyndon am Spieltisch.
- Faustkampf mit Toole vs. Angriff Barrys auf Lord Bullingdon..………………………………………….\n
- Aristokratie
- Statik
- Soziale Masken.
- Fazit.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert Stanley Kubricks Film „Barry Lyndon“ mit dem Fokus auf die Beziehung zwischen Kamera, Handlung und Erzählstruktur. Ziel ist es, zu untersuchen, wie diese Elemente ineinandergreifen und einander gegenüberstehen. Dabei werden ausgewählte Szenen analysiert, um Kubricks Strategien zur Erreichung seines künstlerischen Ziels zu beleuchten.
- Analyse der Beziehung zwischen Kamera, Handlung und Erzählstruktur
- Untersuchung von Kubricks Techniken zur Gestaltung emotionaler Distanz
- Bedeutung von Wiederholung und Variation in der Handlung
- Darstellung von Aristokratie und sozialen Masken
- Kubricks Umgang mit dem Thema der Aufklärung und der "Vernunft"
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung präsentiert den Film "Barry Lyndon" als eine radikale Darstellung des 18. Jahrhunderts als vergangene Epoche. Die Arbeit befasst sich mit der Frage, wie Kamera, Handlung und Erzählstruktur des Films eine Einheit bilden und in welchen Punkten sie einander gegenüberstehen.
Der zweite Teil der Arbeit analysiert die Eingangsszenen des Films und zeigt, wie die emotionale Distanz des Zuschauers gegenüber Barrys Schicksal bereits in der ersten Szene etabliert wird. Die Weitaufnahme und der vorgreifende Erzähler schaffen eine Atmosphäre der Unvermeidlichkeit und Abgeschlossenheit.
Das dritte Kapitel betrachtet die Themen Abgeschlossenheit und emotionale Distanz, wobei der Fokus auf den Stil und die Details des Films sowie die Handlung und Erzählweise liegt. Der Film wird als eine "Entmenschlichung" dargestellt, die durch die Eliminierung von Emotionen in Form von Distanz, Abgeschlossenheit, Determiniertheit, Starre und Gewalt charakterisiert wird.
Das vierte Kapitel analysiert die Wiederholung und Variation in der Handlung des Films. Der Autor vergleicht verschiedene Szenen und zeigt, wie Kubrick durch die Verwendung dieser Elemente dem Zuschauer bestimmte Themen näherbringt.
Das fünfte Kapitel beleuchtet die Darstellung der Aristokratie im Film. Die Themen Statik und soziale Masken werden anhand von Beispielen aus dem Film erläutert.
Schlüsselwörter
Die Arbeit widmet sich der filmischen Darstellung des 18. Jahrhunderts in Stanley Kubricks "Barry Lyndon", untersucht die Beziehung zwischen Kameraführung, Handlung und Erzählstruktur, beleuchtet die emotionale Distanzierungstechnik Kubricks, analysiert die Wiederholung und Variation von Motiven und thematisiert die Darstellung von Aristokratie und sozialen Masken.
- Quote paper
- Katja Glaser (Author), 2006, Kamera und Handlung in Stanley Kubricks "Barry Lyndon", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/144485