Trotz “Musterformulierung” in den Polizeiverordnungen, die auf die Entscheidung des VGH B-W im Jahr 1998 zurückgehen, darf die Ordnungsverwaltung/Polizei erst dann einschreiten, wenn die Personen, die sich zum Alkoholkonsum auf öffentlichen Plätzen treffen, durch ihr Verhalten die öffentliche Sicherheit beeinträchtigen indem sie strafrechtlich in Erscheinung treten (z. B. Körperverletzungsdelikte). Das friedliche Verweilen kann nicht zum Anlass von verordnungsrechtlicher Verbote genommen werden, vgl. VGH B-W, die Regelung in einer Polizeiverordnung, die auf öffentlichen Straßen und Gehwegen und in Grün- und Erholungsanlagen das Niederlassen außerhalb von Freiausschankflächen ausschließlich oder überwiegend zum Zwecke des Alkoholgenusses untersagt.
Inhaltsverzeichnis
- Gefahrenabwehr und Alkoholmissbrauch*1
- Eine Regelung in einer Polizeiverordnung², wonach es im zeitlichen und örtlichen Geltungsbereich der Verordnung auf den öffentlich zugänglichen Flächen verboten ist, alkoholische Getränke zu konsumieren oder in Konsumabsicht mit sich zu führen, ist nur dann durch die Ermächtigungsgrundlage des § 10 i.V. mit § 1 PolG gedeckt, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das verbotene Verhalten regelmäßig und typischerweise Gewaltdelikte zur Folge hat.
- Vorsorgemaßnahmen zur Abwehr möglicher Beeinträchtigungen im Gefahrenvorfeld³ werden durch die Ermächtigungsgrundlage in § 10 i.V. mit § 1 PolG nicht gedeckt.
- Unzumutbare Belastung für Betreiber von Imbissgaststätten - nach Auffassung des BayVGH kann die Sperrzeitverordnung, soweit sie die Abgabe von Speisen und nichtalkoholischen Getränken über die Straße betrifft, weder aus Gründen des Schutzes vor schädlichen Lärmeinwirkungen noch aus Gründen der öffentlichen Reinlichkeit oder aus beiden Gründen gemeinsam gerechtfertigt werden. Die Stadt könne zwar grundsätzlich für den von der Verordnung umfassten Innenstadtbereich zur Bekämpfung schädlicher Umwelteinwirkungen in der Zeit zwischen ein Uhr und fünf Uhr nachts eine Sperrzeitverordnung erlassen. Die konkrete Ausgestaltung sei aber unverhältnismäßig, da sie in unzumutbarer Weise die Betreiber von Imbissgaststätten mit Verkauf über die Straße belast, BayVGH, Urteil vom 25.01.2010 - 22 N 09.1193.
- Ein bloßer Gefahrenverdacht rechtfertigt kein Einschreiten der Sicherheitsbehörden in Form einer Rechtsverordnung auf der Grundlage der polizeilichen Generalermächtigung, so bereits BVerwGE 116, 347 = NVwZ 2003, 95. Unter dem Begriff Gefahrenverdacht werden die Fälle gefasst, in denen der handelnde Beamte aufgrund des ihm bekannten Sachverhaltes nicht feststellen kann, ob eine Gefahr tatsächlich vorliegt. Er hält dies allerdings für wahrscheinlich bzw. für möglich. Nachträglich lässt sich gleichfalls nicht klären, ob eine Gefahr vorlag oder es zeigt sich, dass keine Gefahr bestand, Borsdorff/Schwab, Aktuelles Polizeirecht, S. 22.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Text befasst sich mit der rechtlichen Grundlage für Alkoholverbote im öffentlichen Raum und analysiert die Grenzen der polizeilichen Ermächtigungsgrundlage. Dabei wird insbesondere die Frage untersucht, ob ein Alkoholverbot im öffentlichen Raum zur Gefahrenabwehr oder lediglich zur Gefahrenvorsorge dient.
- Rechtliche Grundlage für Alkoholverbote im öffentlichen Raum
- Grenzen der polizeilichen Ermächtigungsgrundlage
- Unterscheidung zwischen Gefahrenabwehr und Gefahrenvorsorge
- Bedeutung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts
- Rechtliche Bewertung von Vorsorgemaßnahmen
Zusammenfassung der Kapitel
Der Text untersucht die rechtlichen Rahmenbedingungen für Alkoholverbote im öffentlichen Raum. Er analysiert die Voraussetzungen für ein solches Verbot auf der Grundlage der polizeilichen Ermächtigungsgrundlage und stellt die Anforderungen an die Bestimmtheit und Klarheit der Norm heraus. Der Text beleuchtet auch die Bedeutung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts und die Unterscheidung zwischen Gefahrenabwehr und Gefahrenvorsorge. Darüber hinaus werden die Auswirkungen von Alkoholverboten auf die Handlungsfreiheit von Bürgern sowie die Belastung für Betreiber von Imbissgaststätten diskutiert.
Schlüsselwörter
Polizeiverordnung, Alkoholverbot, öffentlicher Raum, Gefahrenabwehr, Gefahrenvorsorge, Ermächtigungsgrundlage, Bestimmtheit, Klarheit, hinreichende Wahrscheinlichkeit, Schadenseintritt, Handlungsfreiheit, Belastung, Imbissgaststätte.
- Quote paper
- Prof. Dr. Dr. Assessor jur., Mag. rer. publ. Siegfried Schwab (Author), 2010, Gefahrenabwehr und Alkoholmissbrauch, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/144658