Der Begriff des Diskurses erlangte in letzter Zeit den Status eines Mode- oder auch
Allerweltswortes. Er findet in den unterschiedlichsten Kontexten Anwendung, so daß eine
Definition mittlerweile äußerst schwierig wenn nicht sogar unmöglich geworden ist.
Seine etymologischen Wurzeln besitzt der Terminus im Altlateinischen. „Discursus“
bedeutete „Hierhin- und Dorthinlaufen“, „richtungsloses Umherirren“ oder auch „ Sich
zerstreuen“. Der Ausdruck, dem zu dieser Zeit noch nicht die Eigenschaft eines Fachterminus
zukam, wurde sowohl in Rücksicht auf Lebewesen als auch Gegenstände gebraucht.
Allerdings kann er hier noch nicht mit den Begriffsfeldern von Rede oder Gespräch in
Beziehung gesetzt werden. Dem Stammbegriff lat. „curere“ laufen kommt keinerlei
metaphorische oder konnotative Bedeutung zu:
Quibus visis perculsea barbarorum turmae ac perterritae
acies hostium, perturbato impedimentorum agmine,
magno clamore discursque passim fugae se mandant.1
Seneca, Quintilian oder auch Augustinus verwenden „discursus“ im Kontext der Rhetorik,
Astronomie und Medizin. Allerdings ist dieser Gebrauch noch vollkommen unspezifisch.
Zum einen bezeichnet der Terminus weiterhin eine ungeordnete, richtungslose Bewegung,
zum zweiten referiert er aber auch auf den geordneten Lauf der Gestirne oder die
Kreisbewegung des Blutes im Körper.
Die Scholastiker im Mittelalter gebrauchen „discursus“ dann im Sinne eines Fachterminus,
dessen Ursprung vielleicht in gr. dianoia zu finden ist. Im Rahmen von Logik oder
Erkenntnistheorie findet man den Diskursbegriff als Bezeichnung für das formale Denken,
Urteilen und Schließen. Er kann also als Synonym zu gr. sullogismoV und somit als
Ausdruck für allgemeine Verstandeshandlungen verstanden werden.
Duns Scotus unterscheidet den virtuellen oder logischen, d.h. deduktiven von einem formalen
oder zeitlichen, also induktiven Diskurs. Bei Occham findet man formale Beschreibungen des
Diskurses, die eindeutig dessen Gleichsetzung mit dem Syllogismus erlauben. So beschreibt
er in diesem Zusammenhang z.B. die Abhängigkeit der Conclusio von der Form der ihr vorhergehenden Prämissen. Die Tätigkeit des menschlichen Verstandes, d.h. das diskursive
Denken findet seine Anwendung in den verschiedenen syllogistischen Formen.
In einigen Quellen können zudem die Dichotomien „diskursiv – intuitiv“ und „diskursiv –
rein“ gefunden werden. Die reine Intelligenz wird ausschließlich Göttern und Engeln
zugesprochen.
[...]
1 Caesar, G. I.: De bello gallico, VIII, 29.
Inhaltsverzeichnis
- Die Geschichte des ,,Diskurses❝
- Die Ordnung des Diskurses
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Dieser Text befasst sich mit der Entwicklung und Verwendung des Diskursbegriffs in der Geschichte, insbesondere im Hinblick auf die Bedeutung, die er in Foucaults Werk „Die Ordnung des Diskurses“ erlangt. Der Text beleuchtet die unterschiedlichen Kontexte, in denen der Begriff verwendet wurde, und untersucht die verschiedenen Definitionen und Interpretationen, die er im Laufe der Zeit erfahren hat.
- Etymologie und Bedeutungswandel des Diskursbegriffs
- Der Diskurs in der Scholastik und seine Verbindung zu Logik und Erkenntnistheorie
- Der Diskurs als Mittel des Gedankenausdrucks und der Kommunikation
- Die Entwicklung des Diskursbegriffs in der Philosophiegeschichte
- Der Diskurs in der Literatur und Wissenschaft
Zusammenfassung der Kapitel
Die Geschichte des ,,Diskurses❝
Dieses Kapitel verfolgt die historische Entwicklung des Diskursbegriffs von seinen etymologischen Wurzeln im Altlateinischen bis hin zur Scholastik des Mittelalters. Es beleuchtet die verschiedenen Bedeutungen und Kontexte, in denen „Discursus“ verwendet wurde, von der Beschreibung von Bewegungen über den Einsatz in der Rhetorik, Astronomie und Medizin bis hin zu seiner Verwendung in der Logik und Erkenntnistheorie. Das Kapitel zeigt, wie sich der Begriff von einer unspezifischen Bezeichnung für eine ungeordnete Bewegung hin zu einem Fachterminus für das formale Denken und Schließen entwickelte.
Die Ordnung des Diskurses
Dieses Kapitel untersucht die Rolle des Diskursbegriffs in Foucaults Werk „Die Ordnung des Diskurses“. Es analysiert Foucaults Definition des Diskurses und seine Argumentation, dass Diskurse nicht einfach Mittel zur Kommunikation sind, sondern Machtstrukturen konstituieren und aufrechterhalten. Das Kapitel befasst sich mit Foucaults Konzepten der „Verbotenen Wörter“, des „Regimes der Aussage“ und der „Kontrolle der Aussage“, um die Rolle von Macht und Wissen in der Gestaltung von Diskursen zu beleuchten.
Schlüsselwörter
Diskurs, Geschichte, Philosophie, Scholastik, Logik, Erkenntnistheorie, Sprache, Kommunikation, Macht, Wissen, Foucault, „Die Ordnung des Diskurses“, Verbotene Wörter, Regime der Aussage, Kontrolle der Aussage.
- Citation du texte
- Violetta Stolz (Auteur), 2000, Der Diskursbegriff in Foucaults "Die Ordnung des Diskurses", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14465