Soziales Kapital bei Pierre Bourdieu und seine Verwendbarkeit in der Netzwerktheorie


Term Paper, 2009

17 Pages, Grade: 1,0


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Soziales Kapital
2.1. Definition des sozialen Kapitals nach Piere Bourdieu
2.2. Soziales Kapital in der Netzwerktheorie
2.3 Die Sozialkapitaldefinitionen im Vergleich

3. Handlungskonzepte

4. Motivation individuellen Handelns in Netzwerktheorien und die Einbindung des bourdieuschen Konzepts

5. Schlussfolgerung

Literatur

1. Einleitung

Soziales Kapital ist ein zentraler Begriff der Netzwerktheorie, der die Be- ziehungen einer Person zu anderen Personen in einem Netzwerk be- schreibt und bewertet. Das Konzept wurde in den letzten Jahren, vor allem mit Zunahme der Popularität der Netzwerktheorien, von vielen Standpunk- ten aus diskutiert. Dabei geht es zumeist darum, wie soziales Kapital er- fasst, gebildet und erhalten werden kann. Ein weiterer Aspekt ist die Fra- ge, ob Sozialkapital einem bestimmten Akteur oder einer Vielzahl von Ak- teuren gehört, also individueller Besitz oder allgemeines Gut ist.

Definiert man Kapital nach Marx, dann handelt es sich, um einen Wert der investiert wird, um Gewinn zu erzielen. Marx bezieht sich natürlich auf Fi- nanzwerte, bei denen eine mathematische Prüfung des Gewinns möglich ist. Die Kapitaldefinition nach Marx ist auf das menschliche Beziehungs- feld nicht ohne weiteres übertragbar. Eine erweiterte Definition ist notwen- dig, die sowohl auf mikro- als auch makrosoziologischer Ebene erklärt, wie Beziehungen zwischen Akteuren als Kapital genutzt werden können und wie sein Wert bestimmt werden kann. Eine Definition des sozialen Kapitals muss vier Fragen beantworten können: Wo ist der Ursprung des sozialen Kapitals? Wie vermehrt es sich? Was muss getan werden, damit es sich vermehrt? Nach welchem Prinzip können Beziehungen bewertet werden? In den Netzwerktheorien wird zur Beantwortung dieser Fragen in der Re- gel auf die Definitionen von Lin und Coleman zurückgegriffen. Allerdings sind die Begriffsbestimmungen nicht in einen größeren, gesellschaftstheo- retischen Kontext gesetzt, sondern beziehen sich auf individuelles Han- deln. Pierre Bourdieu hat den Begriff des sozialen Kapitals im Kontext sei- ner Feldtheorie, in Relation zum sozialen Umfeld definiert. Obwohl es ei- nige Überschneidungen zwischen Coleman und Bourdieu gibt und Letzte- rer den Begriff sogar zuerst verwendete, wird weder in der Netzwerktheo- rie auf Bourdieu zurückgegriffen, noch verweist Coleman in der Ausarbei- tung seines Konzepts auf ihn. In dieser Arbeit wird überprüft, ob die Defini- tion Bourdieus in der Netzwerktheorie sinnvoll angewendet werden kann. Methodisch wird zunächst das soziale Kapital nach Bourdieu definiert und in Relation zur Verwendung des Begriffs in der Netzwerktheorie analysiert. Im zweiten Teil wird eine handlungstheoretische Analyse durchgeführt.

Dieser Schritt ergibt sich aus den definitorischen Fragen zum sozialen Ka-pital. Welche Handlungen sind nötig, um soziales Kapital zu erweitern? Dementsprechend werden die Handlungskonzepte der Netzwerk- und Feldtheorie gegenüber gestellt, um eine theoretische Grundlegung auf mikro- und makrosoziologischer Ebene zu ermöglichen.

2. Soziales Kapital

Der Kapitalbegriff wurde gesellschaftstheoretisch von Marx eingeführt. Bourdieu greift explizit auf Marx zurück, erweitert den Kapitalbegriff aller- dings, in dem er ihn in ökonomisches, kulturelles und soziales Kapital spaltet. Dadurch versucht er den Begriff im Sinne einer Anpassung an die soziale Welt zu nutzen. Implizit ist der Kapitaldefinition nach Marx, sowohl subjektive als auch objektive, Profitmaximierung. Bourdieu schließt an diese Definition an, indem er das Kapital zum Akkumulationspunkt im Machtgefüge der sozialen Welt erklärt. Je mehr Kapital vorhanden ist, desto elitärer ist die Position des Akteurs im sozialen Feld. Am entschei- dendsten für die Position sind das ökonomische und das kulturelle Kapi- tal.1 Bourdieu ist nicht durchgehend konsequent, denn manchmal sind die beiden Kapitalsorten gleichwertig, meistens jedoch dominiert das ökono- mische Kapital. Allen Kapitalsorten ist die Transformationsfähigkeit gleich. Durch Einsatz von „Transformationsarbeit“ kann eine Kapitalsorte in eine Andere konvertiert werden.2 Bourdieu definiert und verwendet in seinen gesellschaftlichen Analysen das soziale Kapital nicht so explizit und an- schaulich wie die anderen Kapitalsorten, wahrscheinlich weil es sich um einen relativ diffusen Wert handelt, der nicht einfach in Zahlen oder real existenten Materialien zu erfassen ist.

2.1. Definition des sozialen Kapitals nach Piere Bourdieu

„Das Sozialkapital ist die Gesamtheit der aktuellen und potentiellen Res- sourcen, die mit dem Besitz eines dauerhaften Netzes von mehr oder we- niger institutionalisierten Beziehungen gegenseitigen Kennens oder Aner- kennens verbunden sind; oder, anders ausgedrückt, es handelt sich dabei um Ressourcen, die auf der Zugeh ö rigkeit zu einer Gruppe beruhen.“3

Das soziale Kapital lässt sich in Form von Adelstiteln besonders gut insti- tutionalisieren.4 Zum Einen ergibt sich aus der Definition, dass der Wert des sozialen Kapitals aus Beziehungen resultiert. Weiterhin verweist sie auf die aktuellen und potentiellen Ressourcen, welche aufgrund einer dauerhaften Zugehörigkeit in einem Netz vorhanden sind. Implizit ergibt sich daraus, dass soziales Kapital sowohl erweitert als auch verringert werden kann, dementsprechend eine individuelle oder kollektive Tätigkeit voraussetzt, die Beziehungen erhält, ausbaut oder durch Vernachlässi- gung auflöst. Kollektiv deshalb, weil das soziale Kapital der Akteure zu denen eine Beziehung besteht, auf den einzelnen Akteur zurückstrahlt. Gewinnt eine Gruppe also zusätzliches Ansehen, ergibt sich daraus auch Gewinn für jeden Einzelnen. Ein ganz entscheidender Punkt ist die Grup- penmitgliedschaft selbst. Die Voraussetzung für eine Mitgliedschaft ist ei- ne gewisse Homogenität in der Kapitalverteilung, somit ist das soziale Ka- pital, wenn auch nicht ausschließlich, immer vom ökonomischen und kultu- rellen Kapital abhängig.5 Weiterhin formuliert Bourdieu, dass die Kontakte mehr oder weniger institutionalisiert sein müssen. Damit bezieht er sich auf die Emergenz der Beziehungen, zum Beispiel durch den Familienna- men, der eine Beziehung zu anderen Gruppenmitgliedern deutlich macht. Das Sozialkapital ist nie materiell sichtbar, sondern immer nur symbolisch (deswegen nennt Bourdieu es vereinzelt auch symbolisches Kapital6) vor- handen, denn selbst durch die Institutionalisierungsakte bekommen die Verhältnisse nur eine „[…] quasi-reale Existenz […]“.7

Grundlage der Verbindungen sind immer materielle oder symbolische Tauschbeziehungen. Je umfangreicher das Beziehungsnetzwerk ist, desto größer ist das soziale Kapital. Die besondere Eigenschaft des Sozialkapi- tals ist die Inhärenz eines Multiplikationseffekts. Das soziale Kapital steigt nicht nur mit den persönlichen Beziehungen, sondern auch mit dem Kapi-tal (auch ökonomisches und kulturelles) der Personen oder Gruppen, zu denen das Verhältnis besteht.8

Beziehungsnetzwerke sind Resultate individueller oder kollektiver Instituti- onalisierungsarbeit. Dabei ist es fundamental, dass sich für die Parteien ein Gewinn ergibt, denn der Antrieb im sozialen Feld ist die Maximierung von Profit und das Erreichen einer besseren Position in der sozialen Welt. Institutionalisierungen erzeugen das Gefühl von Verpflichtungen oder An- sprüchen. Es wird eine symbolische Wirklichkeit geschaffen, die einen wechselseitigen Austausch fordert. Diese Austauschakte reproduzieren das soziale Kapital, erzeugen gleichzeitig aber Kosten, die dem ökonomi- schen Kapital zu Lasten fallen. Dementsprechend muss sich die Investiti- on in Beziehungen lohnen. Je höher das eigene soziale Kapital ist, desto einfacher ist die Realisierung von neuen Beziehungen, weil das Ertragspo- tential durch Kontakte mit sozialkapitalreichen Gruppen oder Einzelperso- nen größer ist.[9]

Die Mitgliedschaft in einem Beziehungsnetzwerk, bringt notwendigerweise Anerkennung mit sich. Eine fehlende Zugehörigkeit ist somit auch eine Exklusion, eine soziale Grenze. Dadurch wird soziales Kapital zu einer weiteren Möglichkeit die bestehenden Machtverhältnisse zu konservie- ren.10

[...]


1 Vgl. Fröhlich (1994), S.34f.

2 Vgl. Bourdieu Pierre (1983), S.197 und Fröhlich (1994), S.347

3 Bourdieu Pierre (1983), S.190f. Anmerkung: Kursiv im Original.

4 Vgl. Ebd., S.185.

5 Vgl. Ebd., S.191.

6 Fröhlich (1994), S.37.

7 Bourdieu Pierre (1983), S.191.

8 Vgl. Ebd, S.192.

9 Vgl. Ebd., S.192f.

10 Vgl. Ebd., S.192.

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Details

Title
Soziales Kapital bei Pierre Bourdieu und seine Verwendbarkeit in der Netzwerktheorie
College
University of Hagen  (Institut für Soziologie)
Grade
1,0
Author
Year
2009
Pages
17
Catalog Number
V144810
ISBN (eBook)
9783640548897
ISBN (Book)
9783640551316
File size
413 KB
Language
German
Keywords
Bourdieu, Netzwerkanalyse, Soziales Kapital, Soziale Netzwerkanalyse, Lin, Coleman
Quote paper
Christian Walter (Author), 2009, Soziales Kapital bei Pierre Bourdieu und seine Verwendbarkeit in der Netzwerktheorie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/144810

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