„Es ist geschehen und folglich kann es wieder geschehen: Darin liegt der Kern dessen, was
wir zu sagen haben,“ (Levi 1990: 205.) betont Primo Levi, Überlebender des
Konzentrationslagers Auschwitz. Die Aufgabe der Erinnerungsträger, also der
Überlebenden des nationalsozialistischen Völkermords, sei es, ihre Erinnerung an die
nachwachsenden Generationen weiterzugeben. Doch je mehr Zeit vergeht, umso wichtiger
wird diese Aufgabe, denn umso weiter liegen der Nationalsozialismus und der Holocaust
in der Geschichte zurück. Das bedeutet, diese Ereignisse werden zunehmend historisiert
und im schlimmsten Falle relativiert oder sogar vergessen.
Eine zunehmende zeitliche Distanz vom Geschehen und die Generationenfolge haben
große Auswirkungen auf die Erinnerungsarbeit und deren Zukunft. Für heutige
Jugendliche sind die Ereignisse zwischen 1933 und 1945 Themen im Unterricht, sie
werden kaum noch als Geschehnisse der realen Zeitgeschichte verstanden. Dieser Prozess
wird derzeit begünstigt durch die verstärkte Präsenz in den visuellen Medien, vor allem die
Verarbeitung in Spielfilmen oder populärwissenschaftlichen Dokumentationen à la Guido
Knopp. Solche Darstellungen fördern den Prozess der Distanzierung von der Geschichte,
sie bewirken eine abnehmende kritische Auseinandersetzung. “Angesichts der alltäglichen
realen und fiktionalen Grausamkeiten, denen vor allen [sic!] Jugendliche in unserer
Mediengesellschaft von der Tagesschau bis zum Horrorfilm ausgesetzt sind, ist die
Einzigartigkeit der NS-Verbrechen nur vergleichend zu erschließen.“ (Jelich 1994: 88.) Es
ist also wichtig, die Erinnerung der Zeitzeugen zu sichern und so aufzubereiten, dass
heranwachsende Generationen für diese Vergangenheit sensibilisiert werden und sich mit
dieser kritisch auseinandersetzen, denn „die Vergangenheit ist gleichsam ein negativer
Hintergrund, an dem die eigene Gegenwart immer wieder reflektiert werden muss.“
(Knigge 2000: 60.) Unsere Gegenwart wird also einerseits aus den Lehren der
Vergangenheit und andererseits aus einer ständigen kritischen Betrachtung und Reflektion
dieser legitimiert. Das bedeutet auch, dass eine Sensibilität dafür entstehen muss, dass
etwas Vergleichbares jederzeit wieder geschehen kann.
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort
- 1 Einleitung
- 2 Allgemeine Charakterisierung des Begriffs der KZ-Gedenkstätte
- 3 Die KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora
- 3.1 Kurzer historischer Überblick zum Konzentrationslager Mittelbau-Dora
- 3.2 Von der Stunde Null bis in die Gegenwart – 60 Jahre Erinnerungsarbeit
- 4 Die Wahrnehmung der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora in Nordhausen
- 4.1 Zentrale Forschungsfragen
- 4.2 Methodisches Vorgehen
- 4.3 Auswertung
- 4.3.1 Definition der Kategorien
- 4.3.2 Ergebnisse der Untersuchung
- 4.4 Beantwortung der Forschungsfrage
- 5 Fazit und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Wahrnehmung der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora in Nordhausen 62 Jahre nach der Befreiung. Sie analysiert die Rolle des Alters, der beruflichen Position und der Schulart der Befragten sowie die Bedeutung der Gedenkstätte bei der Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit der Stadt. Die Arbeit betrachtet zudem die Zukunft der Gedenkstätte und der Erinnerungsarbeit.
- Die Präsenz des Themas KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora in der Nordhäuser Bevölkerung
- Die Bewertung der Arbeit der Gedenkstätte Mittelbau-Dora
- Die Bedeutung der Geschichte des Konzentrationslagers Mittelbau-Dora für Gegenwart und Zukunft
- Die Rolle von Zeitzeugen und die Herausforderungen der zukünftigen Erinnerungsarbeit
- Die Auswirkungen der Medienpräsenz des Themas Nationalsozialismus und Konzentrationslager
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel führt in die Thematik der KZ-Gedenkstätten ein und beleuchtet die Bedeutung der Erinnerung an den Nationalsozialismus. Das zweite Kapitel konzentriert sich auf die KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora, beschreibt die Geschichte des ehemaligen Konzentrationslagers und die Entwicklung der Gedenkstätte seit 1945. Das dritte Kapitel stellt den Kern der Studie dar, die Wahrnehmung der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora in Nordhausen. Die Forschungsfragen, das methodische Vorgehen und die Ergebnisse der qualitativen Befragungen werden dargestellt. Die Studie untersucht die Präsenz des Themas in der Bevölkerung, die Bewertung der Gedenkstättenarbeit, die Zukunft der Erinnerungsarbeit und die Bedeutung der Geschichte für Gegenwart und Zukunft. Die Auswertung der Daten liefert wichtige Einblicke in die Wahrnehmung der Gedenkstätte durch die Nordhäuser Bevölkerung.
Schlüsselwörter
KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora, Nordhausen, Erinnerungskultur, Zeitzeugen, Nationalsozialismus, Konzentrationslager, historische Aufarbeitung, Wahrnehmung, Medienpräsenz, Zukunft der Erinnerungsarbeit, Geschichtsbewusstsein.
- Citation du texte
- Ralf Junge (Auteur), 2007, Bewusste Erinnerung oder verdrängte Vergangenheit? , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/144848