Zeitarbeit - Chance für eine Integration in den Arbeitsmarkt


Diplomarbeit, 2006

138 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Zeitarbeit - ein Überblick
2.1 Die Beschäftigungsform Zeitarbeit
2.2 Entstehung von Zeitarbeit
2.3 Entwicklung der Zeitarbeit und Marktüberblick
2.4 Rechtlicher Rahmen: Das Arbeitnehmerüberlassungsgsetz
2.5 Politische Interessen und Akteursstrategien
2.5.1 Politische Parteien
2.5.2 Interessenverbände
2.5.3 Gewerkschaften
2.5.4 Agentur für Arbeit
2.6 Tarifverträge in der Zeitarbeit
2.7 Nicht-gewerbsmäßige Zeitarbeit
2.8 Personal-Service-Agenturen
2.9 Zusammenfassung

3 Theorien zu Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit - ein Überblick in Bezug auf Zeitarbeit
3.1 Arbeitsmarkttheorien und Arbeitslosigkeit
3.2 Die Rolle der Zeitarbeit am Arbeitsmarkt
3.3 Zusammenfassung

4 Atypische Beschäftigung als Ausdruck der Deregulierung?
4.1 Das Normalarbeitsverhältnis als Referenzgröße
4.2 Herausbildung des Normalarbeitsverhältnisses
4.3 Die Diskussion um die Erosion des Normalarbeitsverhältnisses
4.3.1 Empirische Entwicklung des Normalarbeitsverhältnisses und der atypischen
Beschäftigung
4.3.2 Deregulierung und weitere Einflussfaktoren
4.4 Atypische Beschäftigung aus Sicht der Beschäftigten
4.5 Die Diskussion um die Prekarität atypischer Beschäftigungsformen
4.6 Zusammenfassung

5 Zeitarbeit als Instrument der Flexibilisierung - die Nutzer der Zeitarbeit
5.1 Die betriebliche Ebene: die Nutzer von Zeitarbeit und ihre Flexibilisierungsstrategien
5.2 Funktionen der Zeitarbeit
5.3 Betriebliche Motive für Zeitarbeit
5.4 Der rechtliche Rahmen als Einflussfaktor in Deutschland und anderen Ländern
5.5 Strukturelle Einflussfaktoren: Branche und Art der Tätigkeit
5.6 Weitere Einflussfaktoren und regionale Unterschiede
5.7 Zusammenfassung

6 Zeitarbeit - die Chance?
6.1 Arbeitsbedingungen in der Zeitarbeit
6.1.1 Überblick über die Arbeitsbedingungen
6.1.2 Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz
6.1.3 Arbeitszufriedenheit und psychische Belastungen
6.1.4 Anforderungen an Zeitarbeitnehmer
6.1.5 Kompetenzentwicklung
6.1.6 Motive der Beschäftigten und Erwerbsbiographie
6.2 Zeitarbeit als Sprungbrett?
6.3 Die Beschäftigtenstruktur in der Gesamtwirtschaft im Vergleich zur Beschäftigtenstruktur in der Zeitarbeit
6.4 Chancen für bestimmte Beschäftigtengruppen
6.4.1 Geschlechtsspezifische Arbeitsmarktchancen
6.4.2 Arbeitsmarktchancen für ältere Arbeitnehmer
6.4.3 Arbeitsmarktchancen für Jugendliche und Berufseinsteiger
6.4.4 Arbeitsmarktchancen für ausländische Beschäftigte
6.4.5 Arbeitsmarktchancen für gering Qualifizierte
6.5 Zusammenfassung

7 Abschlussdiskussion

Anlagenverzeichnis

Anlagen

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Bis vor einigen Jahren wurde Zeitarbeit nahezu zwangsläufig als negativ eingestuft, ver- bunden mit Ausbeutung und der Abkehr von Sicherheit. Geprägt wurde dieses Bild un- ter anderem durch die Reportage Günter Wallraffs („Ganz unten“), der als türkischer Angestellter eines Zeitarbeitsunternehmens unter dem Namen Ali bei Thyssen arbeitete. Er erlebte, dass Zeitarbeitnehmer1 schlecht behandelt wurden und als Menschen zweiter Klasse von Betrieben angesehen wurden. In den letzten Jahren hat Zeitarbeit als Be- schäftigungsform an öffentlicher Aufmerksamkeit gewonnen. Ulrich Walwei (2002b) beschreibt diese Wandlung mit dem Titel: „Leiharbeit: vom Schmuddelkind zum Hoff- nungsträger“ (6).

Der Zugang zu diesem Thema ist durch meine eigene Erfahrung entstanden. Seit Beginn meines Studiums in Hannover bin ich als interne Mitarbeiterin in einem mittelständischen, inhabergeführten Zeitarbeitsunternehmen tätig. Dabei habe ich zahlreiche praktische Erfahrungen zum Thema dieser Arbeit gesammelt. Daraus ist die Anregung entstanden, mich in meiner Diplomarbeit mit den empirischen und theoretischen Erkenntnissen zur Zeitarbeit auseinander zu setzen.

Ich werde im Folgenden den Begriff Zeitarbeit verwenden, außer in Zitaten, die andere Begriffe benutzen. Weitere Begriffe für Zeitarbeit sind Leiharbeit oder Personalleasing. Das Gesetz spricht von Arbeitnehmerüberlassung. Ich benutze den Begriff Zeitarbeit, da dieser besonders den zeitlich befristeten Charakter dieser Arbeitsform zum Ausdruck bringt und folge damit u.a. Wieland et al. (2001: 19f.). Auch in der internationalen Begrifflichkeit wird der zeitliche Aspekt betont, man spricht von „temporary work“, „travail temporaire“ oder „travail intérim“ (Brose et al. 1990: 33).

Für Arbeitssuchende wird im Laufe ihrer Suche nach einer neuen Beschäftigung heute auch die Zeitarbeit zum Thema. Sollte man Zeitarbeit nutzen, sich tatsächlich bei einem Zeitarbeitsunternehmen bewerben? Viele Arbeitssuchende und ihr Umfeld sind hier skeptisch. Zeitarbeit wird in Deutschland kontrovers diskutiert. Für die einen ist es der Königsweg für Beschäftigung und Flexibilität, wie beispielsweise für Florian Ditges, Autor der DIHK-Broschüre „Zeitarbeit - Chancen und Risiken einer modernen Beschäf- tigungsvariante“, der Zeitarbeit als „eine der bedeutendsten ökonomisch-sozialen Inno- vationen des vergangenen Jahrhunderts“ bezeichnet. Für die anderen, wie Hartmut Sei- fert, hat Zeitarbeit zu Recht einen zweifelhaften Ruf. Es bestünden strukturelle Schwachstellen in der Zeitarbeit, die es rechtfertigen, Zeitarbeit als prekäres Beschäfti- gungsverhältnis zu bezeichnen. Unter anderem um diese Kontroverse soll es in meiner Arbeit gehen.

In der politischen Diskussion ist es zu einem Deutungswandel zur Zeitarbeit unter ande- rem durch die Vorschläge der sogenannten Hartz-Kommission (Kommission Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt) im Jahre 20032 gekommen. Durch Zeitarbeit ver- sprach man sich positive Effekte für Beschäftigung. Dies dokumentierte auch die Bun- desregierung in ihrem zehnten Bericht über Erfahrungen bei der Anwendung des Arbeit- nehmerüberlassungsgesetzes. Darin heißt es: „[...] bietet Leiharbeit insbesondere Ar- beitslosen verbesserte Chancen zum Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt“ (Deutscher Bundestag 2005: 48). Demnach ist ein Bedeutungs- und Deutungswandel feststellbar. Ein Grund für den Imagewandel von „Sklaventreibern“ zu „Hoffnungsträgern“ ist die schlechte Lage auf dem Arbeitsmarkt (Bolder et al. 2005: 162). Zeitarbeit wird damit auch in der politischen Diskussion von der grundsätzlichen Frage nach der Bewertung der Beschäftigungsform abgekoppelt (Grimm 2004: 129):

Folgende Arbeitshypothesen liegen meiner Arbeit zu Grunde:

- Zeitarbeit kann als Intermediär3 auf dem Arbeitsmarkt wirken.
- Das Normalarbeitsverhältnis verliert an Bedeutung, atypische Beschäftigungs- verhältnisse wie bspw. Zeitarbeit gewinnen an Bedeutung.
- Zeitarbeit steht im Zusammenhang mit der Deregulierung des Arbeitsmarktes.
- Zeitarbeit kann Chancen bieten für Beschäftigtengruppen mit geringen Integrationschancen am Arbeitsmarkt.

Zunächst werde ich im folgenden zweiten Kapitel meiner Arbeit einen Überblick über die Beschäftigungsform Zeitarbeit geben. Dabei werde ich erläutern, wie diese Beschäftigungsform entstanden ist und wie sich die gesetzliche Grundlage in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt hat. Dabei werde ich auch auf die Entwicklung von Branchentarifverträgen eingehen. Ebenso werde ich zeigen, wie Zeitarbeit politisch diskutiert wird und welche Strategien die unterschiedlichen Akteure wie beispielsweise Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften verfolgen.

Zeitarbeit wird nicht ausschließlich von kommerziellen Anbietern angeboten. Seit den 1990er Jahren gibt es die nicht gewinnorientierte Zeitarbeit, deren Konzept ich vorstellen möchte. Nach diesem Vorbild sind die Personal-Service-Agenturen entstanden. Als im Jahre 2002 Peter Hartz und die Kommission „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ ihre Vorschläge vorgebracht haben, wurde die Zeitarbeit als „Herzstück“ der Reformvorschläge bezeichnet. Die Kommission hat sich erhofft, durch das Prinzip der Arbeitnehmerüberlassung Arbeitslosigkeit abbauen zu können. Im ersten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt wurde demzufolge die Einführung der sogenannten Personal-Service-Agenturen (PSA) beschlossen.

Im dritten Kapitel meiner Arbeit werde ich einen theoretischen Bezugsrahmen für meine Arbeit entwickeln. Dabei betrachte ich Theorien zur Arbeitsmarktstruktur und zur Erklärung von Arbeitslosigkeit. Ich wähle jene Theorien aus, die einen Bezug auf Zeitarbeit herstellen lassen. Ziel ist es dabei, erste Hinweise darauf zu finden, in welchem Zusammenhang Zeitarbeit und Arbeitsmarkt stehen.

Zur Überprüfung meiner zweiten Arbeitshypothese werde ich zunächst im vierten Kapi- tel meiner Arbeit die Theorien zum Normalarbeitsverhältnis diskutieren. Zum Normal- arbeitsverhältnis liegen unterschiedliche Definitionen vor. Nach Hoffmann und Walwei (1998b) wird das Normalarbeitsverhältnis unter anderem dadurch charakterisiert, dass es nicht in Arbeitnehmerüberlassung besteht. Die Zahl derer, die in einem solchen Normal- arbeitsverhältnis beschäftigt sind, scheint jedoch mehr und mehr abzunehmen. Demge- genüber stehen die atypischen Beschäftigungsverhältnisse, zu denen auch die Zeitarbeit zu zählen ist.

Darauffolgend möchte ich die Debatte um die Erosion des Normalarbeitsverhältnisses nachzeichnen. Dies führt mich zu den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandlungsprozessen, die seit den 1980er Jahren zu identifizieren sind. In meiner Arbeit werde ich zunächst die Prozesse der Deregulierung und die Einflussfaktoren auf die Entwicklung des Normalarbeitsverhältnisses darstellen.

Zeitarbeit ist ein atypisches Beschäftigungsverhältnis. Nach Kraemer/Speidel (2004) zählt es zu den prekären Beschäftigungsverhältnisse. Er führt aus, dass ein Erwerbsver- hältnis dann als prekär zu bezeichnen ist, wenn es im Vergleich zu anderen Beschäfti- gungsformen mit ihren jeweiligen sozialen Umständen schlechter bewertet wird (121f.). Davon ausgehend werde ich meine zweite Arbeitshypothese bearbeiten und darstellen, in welchem Zusammenhang Zeitarbeit und Deregulierung stehen. Dazu werde ich im f ü nften Kapitel die betriebliche Ebene in meine Betrachtung einbeziehen. Betriebe, die Zeitarbeit nutzen, verfolgen eine bestimmte Strategie. Sie bauen durch einen Stamm an Zeitarbeitnehmern eine Randbelegschaft auf, durch die sie Auftragsspitzen abfangen können beziehungsweise bei Auftragsrückgang Personal schnell wieder abbauen kön- nen. Andere Betriebe setzen konsequent auf Zeitarbeitnehmer, um ihren eigenen Mitar- beiterstamm gering zu halten. Ich möchte die Strategien der Betriebe identifizieren und daraus die Funktionen der Zeitarbeit für Betriebe ableiten. An dieser Stelle lohnt ein kurzer internationaler Vergleich. Frankreich beispielsweise koppelt die Zulässigkeit von Zeitarbeit an Bedingungen, die stärker als das deutsche Arbeitnehmerüberlassungsgesetz den Aspekt der Überbrückung betonen, um den Einsatz von Zeitpersonal zu erlauben. Im sechsten Kapitel meiner Arbeit wende ich mich den Beschäftigten in der Zeitarbeit zu. Zunächst ist dabei abzuwägen, ob Zeitarbeitnehmer speziellen Risiken ausgesetzt sind. Dazu werde ich die Arbeitsbedingungen von Zeitarbeitnehmern näher betrachten. Dabei lege ich besonderen Wert auf die Punkte Arbeitssicherheit, Arbeitszufriedenheit, Kompetenzentwicklung und Erwerbsbiographie. Deutschland sieht sich spätestens seit den 1990er Jahren mit dem Problem einer immer weiter steigenden Arbeitslosenrate konfrontiert. Mit der Beschäftigungsform Zeitarbeit werden von Befürwortern große Hoffnungen verbunden. Unter dem Begriff „Klebe-Effekt“ wird mit Zeitarbeit vor allen Dingen die Hoffnung verbunden, dass Zeitarbeitnehmer von Entleihbetrieben in ein Be- schäftigungsverhältnis übernommen werden. Ob diese Hoffnungen berechtigt sind und der „Klebe-Effekt“ tatsächlich empirisch nachweisbar ist, werde ich daher ebenfalls im sechsten Kapitel diskutieren. Davon ausgehend werde ich mich meiner vierten Arbeits- hypothese zuwenden. Dazu werde ich zunächst die Beschäftigtenstruktur in der Gesamt- wirtschaft der Beschäftigtenstruktur in der Zeitarbeit gegenüberstellen, um festzustellen, welche Beschäftigtengruppen in der Zeitarbeit besonders stark repräsentiert sind. Im Folgenden werde ich vier Gruppen des Arbeitsmarktes genauer betrachten. Dabei han- delt es sich um sogenannte Problemgruppen des Arbeitsmarktes. Im Rahmen jedes Un- terkapitels werde ich Chancen und Risiken für diese Gruppen abwägen. Dazu werde ich die Erkenntnisse aus dem zuvor entwickelten Anforderungsprofil für Zeitarbeitnehmer aufgreifen.

2 Zeitarbeit - ein Überblick

Zunächst möchte ich für den Verlauf meiner Arbeit mit diesem Überblickskapitel in das Feld der Zeitarbeit einführen. Ich werde dazu die Beschäftigungsform und deren rechtli- che Grundlage erläutern und einen Überblick über den Umfang und die Formen von Zeitarbeit geben. Dazu werde ich sowohl die gewinnorientierte gewerbsmäßige Zeitar- beit als auch die nicht-gewerbsmäßige Zeitarbeit vorstellen. Im Übrigen werde ich die unterschiedlichen Akteure mit Berührung zur Zeitarbeit vorstellen und ihre Haltungen und Strategien darstellen.

2.1 Die Beschäftigungsform Zeitarbeit

Ein Standardarbeitsverhältnis ist charakterisiert durch eine Beziehung zwischen zwei Beteiligten: einem Arbeitnehmer und einem Arbeitgeber. Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis fallen zusammen (Brose et al. 1990: 34).

Zeitarbeit ist hingegen eine Beschäftigungsform mit drei Beteiligten. Man spricht von einem Dreiecksverhältnis. Das verdeutlicht die folgende Graphik.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Zeitarbeit als Dreiecksverh ä ltnis

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Schr ö der (2005)

Voraussetzung für die Gründung eines Zeitarbeitsunternehmens ist gemäß §1 AÜG eine Erlaubnis. Diese ist schriftlich bei der Erlaubnisbehörde zu beantragen. Sie wird zu- nächst befristet auf ein Jahr ausgestellt. Nach drei Jahren kann eine unbefristete Erlaub- nis beantragt werden. Nach §17 AÜG ist die Erlaubnis- und Kontrollbehörde die Agen- tur für Arbeit.

Entleiher-Verleiher

Entleiher und Verleiher schließen einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag ab, in dem die Modalitäten der Überlassung geregelt sind (DIHK 2005: 9). Bestandteil des Arbeit- nehmerüberlassungsvertrages, der laut Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) §12 der Schriftform bedarf, ist zwingend Name und Anschrift des Verleihers sowie Datum und Erlaubnisbehörde. Darüber hinaus muss die für den Zeitarbeitnehmer vorgesehene Tä- tigkeit beschrieben werden und welche Qualifikationen dafür erforderlich sind (DIHK 2005: 41).4

Zwischen Entleiher und Verleiher wird ein Honorar vereinbart, zum Beispiel in Form eines Stundenverrechnungssatzes. Mit diesem Satz deckt das Zeitarbeitsunternehmen Lohn- und Lohnnebenkosten sowie den Verwaltungsaufwand und erzielt einen Gewinn (Jahn/Rudolph 2002a: 2). Mit dem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag überträgt der Ver- leiher dem Entleiher eine seiner Arbeitgeberfunktionen: das Direktionsrecht. Er berech- tigt damit den Entleiher zur Arbeitsanweisung und zur Erbringung einer konkreten Ar- beitsleistung. Damit ist der Entleiher dem Zeitarbeitnehmer gegenüber weisungsbefugt und kann ihn einsetzen wie einen eigenen Mitarbeiter (Mitlacher 2004: 13f.).

4 In der Praxis spielt eine weitere vertragliche Regelung eine Rolle: die Abgrenzung zwischen Werkvertrag und Zeitarbeit. Der Werkvertrag wird nach Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) geregelt. Der Unterschied besteht wie folgt:

- In der Zeitarbeit liegt die Verantwortung für das Ergebnis beim Entleiher, also dem Einsatzbetrieb.

- Bei einem Werkvertrag liegt die Verantwortung für das Arbeitsergebnis beim Subun- ternehmen. Eine Schlechtleistung ist somit einklagbar.

Das Zeitarbeitsunternehmen haftet nicht für Schlechtleistung des Arbeitnehmers. Wenn es den richtigen Arbeitnehmer für den zugewiesenen Arbeitsplatz ausgewählt hat, ob- liegt fortan die Verantwortung dem Entleiher. Der Mitarbeiter muss fachlich und per- sönlich geeignet sein. Wenn einem Zeitarbeitnehmer ein handwerklicher Fehler unter- läuft, ist das Zeitarbeitsunternehmen nicht verpflichtet, seinem Kunden (Entleiher) den Schaden zu ersetzen (Schröder 2005: 97). „Der Verleiher schuldet nur die zur Verfü- gungstellung einer Arbeitskraft und nicht die Erbringung einer Arbeitsleistung an und für sich [...]“ (Schröder 2005: 97). Da in den vergangenen Jahren auch projektbezogene Aufgaben zugenommen haben und von einigen Personaldienstleistern ebenfalls über- nommen werden, gewinnt diese Frage an Relevanz (Schröder 2005: 34f.).

Zur Problematik der Abgrenzung gibt es eine umfangreiche Rechtssprechung. Für den weiteren Verlauf meiner Arbeit ist diese Fragestellung nicht relevant.

Verleiher-Zeitarbeitnehmer

Der Verleiher hat das Beschäftigungsrisiko abzudecken, das heißt die Lohnfortzahlung im Krankheits- und Urlaubsfall (Jahn/Rudolph 2002a: 2). Wenn für einen Zeitarbeitneh- mer kein Kundenauftrag besteht, erhält er die vertraglich vereinbarte Vergütung auch für die verleihfreie Zeit (Mitlacher 2004: 14). Die Besonderheit des Vertrages zwischen Verleiher und Zeitarbeitnehmer besteht darin, dass der Mitarbeiter nicht auf Arbeitsplät- zen im eigenen Betrieb eingesetzt wird, sondern auf Arbeitsplätzen der Kunden, die den Mitarbeiter anfordern (DIHK 2005: 9). Die Weisungsbefugnis liegt also nicht aus- schließlich beim Verleihunternehmen, Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis müssen nicht identisch sein (Mitlacher 2004: 14).

Entleiher-Zeitarbeitnehmer

Gemäß §14 AÜG ist der Entleiher verpflichtet, den Betriebsrat bei der Arbeitsaufnahme durch Zeitarbeitnehmer gemäß §99 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) zu beteiligen.5 Darüber hinaus wählen Zeitarbeitnehmer den Betriebsrat des Entleihbetriebes mit, wenn sie länger als drei Monate dort eingesetzt sind (§7 Satz 2 BetrVG). Strittig war hierfür lange Zeit die Frage, ob Zeitarbeitnehmer auch zur Ermittlung der Mitarbeiterzahl hin- zugezogen werden müssen, nach der die Anzahl der Betriebsratsmitglieder, die Anzahl der Freistellungen und die Mitsprache bei Betriebsänderungen geregelt ist. Das Bundesarbeitsgericht entschied allerdings im Jahre 1978, dass dies nicht der Fall sei, da Zeitarbeitnehmer nicht Mitarbeiter des Entleihbetriebes im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes seien (Schröder 2005: 116f.). Zeitarbeitnehmer sind damit den Mitarbeitern im Entleihbetrieb nicht vollständig gleichgestellt.

Das Zeitarbeitsunternehmen stellt dem Entleiher also „[...] den <<Produktionsfaktor Arbeit>> als Dienstleistung zur Verfügung“ (Jahn/Rudolph 2002a: 2).

2.2 Entstehung von Zeitarbeit

Das erste Zeitarbeitsunternehmen entstand in den USA. Die Rechtsanwälte J. Scheinfeld und E. Winter suchten im Jahre 1947 dringend Ersatz für ihre erkrankte Sekretärin. Diese Suche gestaltete sich äußerst schwierig und ihnen kam die Idee, dass es anderen Unternehmen ebenso ergehen könnte. Sie gründeten die Firma Manpower in Milwaukee/USA und begannen, Bürokräfte für befristete Zeit an andere Unternehmen zu vermieten. In den Niederlanden und in Großbritannien gab es bereits im 17. und 18. Jahrhundert erste Vorformen, in anderen Staaten Europas sind Vorläufer aus dem 19. Jahrhundert bekannt. In Deutschland wurde die entgeltliche Vermittlung von Arbeitskräften erstmals durch das Arbeitsnachweisgesetz im Jahre 1922 geregelt. Arbeitnehmerüberlassung in der heutigen Form, wie oben beschrieben, war nicht reguliert. Im Jahre 1927 wurde das Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) erlassen, in dem Teile des Arbeitsnachweisgesetzes integriert waren. Im Jahre 1931 wurde den Arbeitsvermittlern die volle Arbeitgeberverantwortung vorgeschrieben, 1935 wurde der Entwicklung ein vorläufiges Ende gesetzt durch ein Monopol der Arbeitsvermittlung. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde im Jahre 1952 die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung gegründet. Die Regelungen des AVAVG traten wieder in Kraft. Das Monopol für Arbeitsvermittlung bestand fort (Mitlacher 2004: 9). In den 1950er Jahren wurden in Europa erste Unternehmen gegründet und im Jahre 1962 eröffnete das Unternehmen ADIA interim die erste deutsche Zeitarbeitsfirma in Hamburg. Das Arbeitsamt in Hamburg reichte gegen die Gründung Klage bei Gericht ein, da es sein Monopol auf Vermittlung von Arbeitskräften gefährdet sah. Im Jahre 1967 entschied das Bundesverfassungsgericht zu Gunsten des Zeitarbeitsunternehmens. Ein Verbot der Zeitarbeit widerspreche dem Grundsatz der Berufsfreiheit (DIHK 2005: 10f.). Damit begann ein rasches Wachstum der Zeitarbeit auch in Deutschland.

2.3 Entwicklung der Zeitarbeit und Marktüberblick

Der Anteil der Zeitarbeitnehmer ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen.6 Seit 1993 ist die absolute Zahl von 121.000 auf 357.000 im Jahre 2001 gestiegen. Im Jahre 2003 ist sie auf 349.000 Beschäftigte gefallen. Ein Grund hierfür ist in der konjunkturel- len Lage zu sehen. Im Jahre 2004 stieg die Zahl wieder, diesmal auf den vorläufigen Höchststand von 400.000 Beschäftigten. Dieses Wachstum lässt sich mit konjunkturel- ler Erholung und der Einführung der Personal-Service-Agenturen erklären.

Damit arbeiten ca. 1,5% aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Zeitar- beit. Von besonderer Bedeutung ist die große Dynamik in diesem Arbeitsmarktsegment. Dies zeigt sich an der Zahl der Zu- und Abgänge. Während der Bestand im Jahre 2003 349.000 Zeitarbeitnehmer zeigte, wurden insgesamt 586.000 neue Arbeitsverhältnisse begonnen. Demgegenüber stehen 618.000 beendete Arbeitsverhältnisse. Der Grund da- für liegt in einer vergleichsweise kurzen Dauer eines Teiles der Beschäftigungsverhält- nisse. Im Jahre 2003 waren 12% aller Zeitarbeitsverhältnisse kürzer als eine Woche, 48% der Arbeitsverhältnisse dauerten zwischen einer Woche und drei Monaten (Jahn/Wolf 2005: 2f.).

Dies verdeutlicht die folgende Abbildung. Sie zeigt, dass über den Zeitraum eines Jahres mehr als doppelt so viele Mitarbeiter in der Zeitarbeit beschäftigt sind als am Stichtag der Arbeitnehmerüberlassungsstatistik.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Mitarbeiter in der Zeitarbeit

Quellen: Bundesanstalt für Arbeit (BA), Verwaltungs-Berufsgenossenschaft, Bundesverband Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen e.V. (BZA)

Grafik: © Bundesverband Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen e.V.

Wie die hohe Fluktuation auch zeigt, reagiert die Zeitarbeit sehr flexibel darin, ihren eigenen Personalbestand der Auftragslage anzupassen (Jahn/Rudolph 2002a: 4). Wie die folgende Graphik zeigt, nehmen überproportional viele Arbeitslose eine Beschäftigung in der Zeitarbeit auf.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Mitarbeiter in der Zeitarbeit nach vorherigem Arbeitsmarktstatuts

Quelle: Bundesanstalt für Arbeit, Stichtag 31.12.2004

Grafik: © Bundesverband Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen e.V.

Lediglich etwas mehr als ein Viertel der Beschäftigten, die in ein Zeitarbeitsverhältnis wechseln, waren zuvor in einer anderen Beschäftigung. Dazu sind auch jene Beschäftig- te zu zählen, die zuvor bei einem anderen Verleiher beschäftigt waren. Der Anteil der Frauen in der Zeitarbeit ist mit 25% gering. Der Grund dafür verdeutlicht sich, wenn Abbildung 4 berücksichtigt wird. Über die Hälfte der Mitarbeiter in der Zeit- arbeit werden in die Metall- und Elektroindustrie und als Hilfspersonal überlassen. Die folgende Graphik zeigt den Anteil der Berufsgruppen in der Zeitarbeit.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Mitarbeiter in der Zeitarbeit nach Berufsgruppen

Quelle: Bundesanstalt für Arbeit, Stichtag 31.12.2004

Grafik: © Bundesverband Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen e.V.

Die hohe Dynamik der Branche zeigt sich in den Wachstumsquoten der Zeitarbeit. Zwischen 1997 und 2000 wuchs die Branche jährlich um 17%. Im Jahre 2003 kam es zu einem Einbruch. Die Branche wuchs nicht weiter, sondern verzeichnete ein negatives Wachstum. Im Jahre 2004 erholte sich die Zeitarbeit wieder, und es ließ sich ein Wachstum von 15% verzeichnen (Jahn/Wolf 2005: 2f.).

Im zweiten Halbjahr 2004 gab es insgesamt 15.416 Verleihbetriebe (Bundesagentur für Arbeit: 2004). Davon waren etwa die Hälfte der Unternehmen ausschließlich oder über- wiegend mit dem Betriebszweck Arbeitnehmerüberlassung tätig. Damit sind über die Hälfte der Unternehmen mit Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung sogenannte Misch- betriebe. Als Mischbetriebe werden solche Unternehmen bezeichnet, die eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung besitzen, dessen eigentlicher Betriebszweck aber nicht die Arbeitnehmerüberlassung ist. Etwa 15 bis 20% der Zeitarbeitnehmer sind in Mischbetrieben beschäftigt. In den 1980er Jahren hatte sich die Zahl der Mischbetriebe nahezu verdoppelt. Ziel eines Betriebes, der eine Arbeitnehmerüberlassung beantragt, obgleich es nicht seinem eigentlichen Betriebszweck entspricht, ist häufig die schwierige Abgrenzung zwischen Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassung. Die Erlaubnis dient damit zur rechtlichen Absicherung (Brose et al. 1990: 42ff.).7

Etwa 37% des Zeitarbeitsmarktes werden von wenigen großen Unternehmen beherrscht. Die 15 größten Unternehmen erzielen jeweils einen Umsatz von über 50 Mio. € (Schrö- der 2005: 61). Einen genauen Überblick dazu bietet Tabelle 1 im Anhang. In besonde- rem Maße bieten die großen Unternehmen der Branche ihren Kunden nicht mehr aus- schließlich Zeitarbeit an. Outplacement, Outsourcing und Personalberatung gehören zur Angebotspalette gerade großer Zeitarbeitsunternehmen (DIHK 2005: 12ff.). „Viele die- ser Betriebe haben sich in der Tat zu Personal-Agenturen mit Rundum-Sorglos-Paketen für ihre Kunden entwickelt. Sie übernehmen nach dem Outsourcing-Prinzip Aufgaben der Personalabteilungen ihrer Kunden (Personalauswahl, - beschaffung, -verwaltung, Si- cherheitsdienste, Call Center etc.)“ (DIHK 2005: 13). Ich werde mich im Weiteren aber auf die Zeitarbeit im engeren Sinne konzentrieren und andere Dienstleistungen nur im Einzelfall berücksichtigen.

Im internationalen Vergleich weist der Markt der Zeitarbeitsunternehmen in Deutsch- land allerdings eine geringe Konzentration auf. Die fünf größten Unternehmen bedienen etwa ein Viertel des Zeitarbeitsmarktes (Lünendonk 2005: 1). Drei Viertel des Marktes werden damit durch kleine und mittlere Unternehmen bedient. Sie haben zumeist zwei bis vier Mitarbeiter im Innendienst angestellt und beschäftigen zwischen 30 und 100 ex- terne Mitarbeiter.

Das Zeitarbeitsunternehmen und die Rolle des Disponenten In einem Zeitarbeitsunternehmen gibt es in der Regel wenige interne Mitarbeiter im Vergleich zu den externen Zeitarbeitnehmern. Neben Sachbearbeitern und Bürokräften, die administrative Auf- gaben übernehmen, gibt es Disponenten. Deren Aufgabe ist es, Aufträge für ihre externen Mitar- beiter zu finden, den richtigen Mitarbeiter einzusetzen und unter Umständen einen neuen Mitar- beiter zu finden. Er ist also Ansprechpartner für Kunden wie für Mitarbeiter gleichermaßen. In größeren Zeitarbeitsunternehmen ist ein Disponent entweder für bestimmte Geschäftsbereiche zu- ständig (beispielsweise den gewerblichen oder kaufmännischen Bereich) oder auch für bestimmte Kunden. Ein guter Disponent zeichnet sich u.a. durch gute regionale Branchenkenntnisse aus. Au- ßerdem benötigt er ein möglichst genaues Wissen über die Arbeitsplätze in den Kundenunterneh- men und die erforderlichen Qualifikationen, um genau zu disponieren. Er ist zuständig für die Ar- beitssicherheit der externen Mitarbeiter.

Der Disponent ist die Führungskraft für seine externen Mitarbeiter. In der Regel ist er für 20 bis 30 Zeitarbeitnehmer zuständig, dies kann jedoch in unterschiedlichen Zeitarbeitsunternehmen abweichen. Häufig handelt es sich bei Disponenten um Quereinsteiger, die entweder über sehr gute Branchenkenntnisse verfügen und/oder ein starkes Vertriebstalent besitzen. Die großen Verbände der Zeitarbeit iGZ und BZA sind in der Zwischenzeit bestrebt, für diese Aufgabe ein eigenes Berufsbild zu entwickeln, wie es in Österreich bereits vorhanden ist. Darüber hinaus gibt es Fortbildungen regionaler Bildungsträger für Disponenten in der Zeitarbeit.

Häufig arbeiten kleine und mittelständische Zeitarbeitsunternehmen regional begrenzt oder haben sich auf ein bestimmtes Feld der Dienstleistung beschränkt, beispielsweise auf Büro- und Verwaltungsmitarbeiter oder auf den Pflegebereich (Schröder 2005: 60). Daher kann vermutet werden, dass Zeitarbeitsunternehmen die räumliche Nähe zu den Entleihunternehmen suchen und auf lokal begrenzten Arbeitsmärkten arbeiten (Bur- da/Kvasnicka 2005: 16).

2.4 Rechtlicher Rahmen: Das Arbeitnehmerüberlassungsgsetz

Die Zeitarbeit wird in Deutschland durch das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) geregelt. Das Gesetz wurde im Jahre 1972 durch den Deutschen Bundestag verabschie- det. Damit wurde eine Forderung des Bundessozialgerichtes aus dem Jahre 1970 umge- setzt. In seinem Urteil definierte das Gericht Zeitarbeit und entschied, dass der Verleiher der Arbeitnehmer das Arbeitgeberrisiko zu tragen habe. Die Verleiher hatten demnach ihre Mitarbeiter auch während der verleihfreien Zeiten zu entlohnen. Der soziale Mindestschutz von Zeitarbeitnehmern sollte nach diesem Urteil gewährleistet werden (Mitlacher 2004: 10).

Mit dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz wurde jedoch nicht nur das Urteil des Bundessozialgerichts umgesetzt, es wurden auch weitere Ziele verfolgt:

- wirksame Ordnung und Kontrolle der Zeitarbeit
- langfristige Arbeitnehmerüberlassung sollte unterbunden werden
- Arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Schutz für Zeitarbeitnehmer festzu- schreiben und
- die Arbeitnehmerüberlassung von der Arbeitsvermittlung abzugrenzen (www.ig-zeit- arbeit.de vom 22.11.04).

Die gesetzlichen Regelungen sind im Detail in Tabelle 2 im Anhang nachzuvollziehen. Alle Gesetzesänderungen wirkten deregulierend auf die Rechtslage in der Zeitarbeit. Eine Ausnahme dazu bildete lediglich das Arbeitnehmerüberlassungsverbot für das Baugewerbe aus dem Jahre 1982. Besonders das Arbeitsförderungs-Reformgesetz von 1997 und das Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt von 2003 hatten starke Auswirkungen auf die Entwicklung der Arbeitnehmerüberlassung. Man kann von einer zunehmenden Liberalisierung sprechen (Vitols 2003: 8).

Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz fasst über die beschriebenen Regelungen hinaus weitere Bestimmungen für die Zeitarbeit. Sie ausführlich zu behandeln würde an dieser Stelle zu weit führen.

Über die branchenspezifischen Regelungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes hinaus finden für die Zeitarbeit alle Gesetze Anwendung, die für andere Unternehmen ebenfalls gelten. Dazu gehören u.a. das Bundesurlaubsgesetz, das Entgeltfortzahlungsgesetz, das Arbeitszeitgesetz, das Kündigungsschutzgesetz oder das Sozialversicherungsgesetz (DIHK 2005: 50).

2.5 Politische Interessen und Akteursstrategien

Im Folgenden schildere ich, welche unterschiedlichen Akteure einen Bezug zur Zeitar- beit haben und welche Strategien sie verfolgen und in den vergangenen Jahren verfolgt haben. Dazu habe ich mich auf vier Akteure konzentriert: die politischen Parteien, wel- che die gesetzlichen Regelungen der letzten Jahre beschlossen haben und die Interessenverbände, also die Arbeitgeberverbände der Zeitarbeitsunternehmen. Darüber hinaus werde ich gewerkschaftliche Strategien der vergangenen Jahre betrachten und herausstellen, wie es zum Abschluss von Tarifverträgen kam. Als letzten Akteur werde ich die Agentur für Arbeit betrachten, in diesem Fall nicht in ihrer Funktion als Erlaubnisbehörde, sondern als Akteur am Arbeitsmarkt.

2.5.1 Politische Parteien

In den vergangenen Jahren rückte das Thema Arbeitsmarktpolitik in den Mittelpunkt des politischen Interesses. Dies zeigt sich nicht nur an dem Wahlkampf-Slogan der CDU aus dem Wahlkampf zur Bundestagswahl 2005: „Sozial ist, was Arbeit schafft“ oder „Vorfahrt für Arbeit“ (Dr. Angela Merkel am 7. September 2005 im Deutschen Bundestag). Dabei geriet auch die Zeitarbeit in das Blickfeld, spätestens durch die Vor- schläge der Kommission zum Abbau der Arbeitslosigkeit und zur Umstrukturierung der Bundesanstalt für Arbeit, die sogenannte Hartz-Kommission, im Jahre 2002. Entspre- chend äußerte sich auch der damalige Wirtschaftsminister Wolfgang Clement in seiner Rede vom 07.11.2002 vor dem Deutschen Bundestag: „In Zeitarbeit und Leiharbeit liegt ein erhebliches Beschäftigungspotenzial für Deutschland.“ Zeitarbeit wurde also in den vergangenen Jahren politisch vor allen Dingen unter dem Aspekt der Mehrbeschäfti- gung diskutiert. Die politischen Parteien äußerten sich im vergangenen Bundestagswahl- kampf nahezu einhellig positiv zur Zeitarbeit (iGZ: 2005).

Diese Tendenz zeigt sich auch in den gesetzlichen Regelungen, wie in Kapitel 2.3.1 ge- zeigt. Alle gesetzlichen Neuerungen seit 1985 wirkten deregulierend. Dies geschah zu- nächst unter der CDU/CSU und FDP- Regierung der späten 1980er Jahre und beginnen- den 1990er Jahre mit dem Ziel, auch Problemgruppen des Arbeitsmarktes zu integrie- ren. CDU/CSU und FDP argumentierten in den folgenden Jahren für die Deregulierung der Zeitarbeit mit der Flexibilisierung der Personalpolitik. In dieser Zeit um 1997 vertrat die Opposition aus SPD und Bündnis 90/Die Grünen eine konträre Position. Die Dere- gulierungsbemühungen seien eine Gefahr für die sozialen Verhältnisse der Zeitarbeit- nehmer. Darüberhinaus ginge die Flexibilisierung durch Zeitarbeit zulasten der Stamm- belegschaft. Wie eingangs beschrieben, änderte sich diese Haltung im Laufe der darauf- folgenden vier Jahre. Unter der Regierung von SPD und Bündnis 90/Die Grünen wurde die weitreichendste Deregulierung der Zeitarbeit seit Beginn des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes im Jahre 1972 verabschiedet (Vitols 2003: 13ff.).

2.5.2 Interessenverbände

Derzeit gibt es drei große Verbände in der Zeitarbeit: den Bundesverband Zeitarbeit e.V. (BZA) mit Sitz in Bonn, den Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V. (iGZ) mit Geschäftsstelle in Münster und den Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e.V. (AMP). Alle Verbände streben ein gutes Verhältnis zu den Tarifpartnern an (DIHK 2005: 92). Seit den 1990er Jahren drängte der damals größte Verband BZA auf tarifvertragliche Regelungen. Dies gelang jedoch erst 2003 großflä- chig. Auf den ersten Blick erscheint diese Situation kurios. Eine tariflich ungebundene Branche möchte sich selbst einer tariflichen Regulierung unterwerfen. Auf den zweiten Blick ist die Strategie der Arbeitgeberverbände erkennbar: Man erhoffte sich durch die Tarifierung eine Imageverbesserung für die Zeitarbeit, eine Art Normalisierung der Be- schäftigungsform und damit eine langfristige Absicherung. Nachdem die gewerkschaft- liche Seite auf das Angebot zu Tarifverhandlungen nicht einging, entwarf der BZA Standards und die Verbandsmitglieder verpflichteten sich diesen Mindestarbeitsbedin- gungen. Es gab damit einen Ansatz zur Selbstregulierung. Darüber hinaus setzte man eine zweite Hoffnung in die tarifliche Regulierung. Viele Zeitarbeitsunternehmen unter- boten einander preislich. Man wollte durch eine verbindliche Lohnregulierung für alle Zeitarbeitsunternehmen erreichen, dass sich die Preise für Stundenverrechungssätze anglichen und damit der Preiskampf eingedämmt werde (Brose et al. 1990: 208ff.).

Die Verbände setzen ihre Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit gezielt ein, um das Image der Zeitarbeit zu verbessern. Allen Verbänden ist ein weiteres Ziel gemeinsam: sie set- zen sich für eine weitere Deregulierung der Zeitarbeit ein. (DIHK 2005: 92) Am klarsten zu seinen politischen Zielen bezieht sich auf seiner Internetseite der AMP. Hier wird unter anderem die Abschaffung des „Equal Treatment“ gefordert oder der Wegfall des Verbots der Zeitarbeit im Bauhauptgewerbe. Darüber hinaus spricht man sich dafür aus, dass branchenfremde Tarifverträge und Mindestentgelte beispielsweise für Maler und Lackierer oder Elektriker nicht für die Zeitarbeit gelten sollten (http://www.amp-info.de/Standpunkte.41.0.html vom 23.03.2006).

2.5.3 Gewerkschaften

Traditionell haben Gewerkschaften eine kritische bis ablehnende Position zur Zeitarbeit. Ihr Ziel war und ist es, das Normalarbeitsverhältnis zu schützen. Da die DGB-Gewerk- schaften seit 2004 Tarifpartner der Zeitarbeit sind, muss sich die Haltung in den vergan- genen Jahren verändert haben. Bis in die 1990er Jahre wurde das Verbot der Zeitarbeit breit gefordert (Brose et al. 1990: 207). Auch als im Jahre 1981 die Arbeitnehmerüber- lassung im Bauhauptgewerbe verboten wurde, begrüßte dies der Deutsche Gewerk- schaftsbund. Es wurde lediglich bedauert, dass sich das Verbot nicht auf die gesamte Zeitarbeit bezog. (Bolder et al. 2005: 38) Eine tarifliche Erschließung wurde abgelehnt, um die Zeitarbeit nicht salonfähig zu machen. Begründet wurden diese Forderungen zu- meist mit der Instabilität der Beschäftigung. Ferner wurde argumentiert, dass das Arbeit- nehmerüberlassungsgesetz geschaffen wurde, um die Zeitarbeit als Überbrückung bei Krankheit und Auftragsspitzen zu legalisieren. Sie werde von Unternehmen aber gezielt als beschäftigungspolitisches Instrument genutzt. In den 1990er Jahren wurde die Zeitar- beit als kollektivrechtlicher Bereich ausgeklammert und zur Kontrolle an staatliche In- stitutionen verwiesen. Hintergrund dürfte dabei auch sein, dass von gewerkschaftlicher Seite ein Organisationsproblem bestand. Es stellt sich die Frage, wie diese Mitarbeiter durch gewerkschaftliches Engagement zu erreichen waren? Man konzentrierte sich da- her auf die Entleihbetriebe und wie der Einsatz von Zeitarbeit hier zu regulieren sei (Brose et al. 1990: 208ff.).

Es lässt sich für die 1990er Jahre eine Strategie der Ausgrenzung der Zeitarbeit feststellen, deren Erfolg angesichts des weiteren Wachstums der Zeitarbeit zumindest angezweifelt werden kann (Brose et al. 1990: 217).

Einerseits ist in der gewerkschaftlichen Diskussion eine ablehnende Position zur Zeitar- beit erkennbar. Im Jahr 2000 informierte die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Trans- port und Verkehr (ÖTV) im Internet über ihre Ablehnung der Zeitarbeit. Die Beschäfti- gungsform begünstige das „Heuern und Feuern“. Es werde keine innerbetriebliche Be- schäftigungsreserve mehr vorgehalten. Innovationsanforderungen würden nicht mehr durch die eigene Belegschaft abgedeckt, sondern durch Zeitarbeitnehmer (Bolder et al. 2005: 38f.). Auch ein positiver Einfluss auf die Entwicklung des Arbeitsmarktes wurde der Zeitarbeit grundsätzlich abgesprochen. Darüber hinaus wurde die Lohndifferenz zwischen Stammbeschäftigten und Zeitarbeitnehmern kritisiert. Wenn überhaupt Zeitar- beit, dann sei sie für Beschäftigte lediglich als Überbrückung zwischen zwei Beschäfti- gungsverhältnissen zu akzeptieren. Die Industriegewerkschaft Metall (IGM) formuliert ein noch drastischeres Bild. Die Zeitarbeit sei ein Sammelbecken für unqualifizierte Be- schäftigte und führe zu einer Abwärtsspirale für Beschäftigte (Bolder et al. 2005: 39). Andererseits kam es zu Beginn der 2000er Jahre doch zum Abschluss von Tarifverträ- gen. Dies ist auf eine veränderte Beschlusslage des DGB und der Einzelgewerkschaften zurückzuführen. Der Widerstand gegen die Zeitarbeit wurde aufgegeben, man wolle der Zeitarbeit nunmehr helfen, aus ihrem schlechten Image hinaus zu kommen. Als Instru- ment wurde dazu das „Gütesiegel Zeitarbeit“ entwickelt, „[..] mit dem dazu beigetragen werden soll, Zeit- und Leiharbeit im Interesse der Arbeitnehmer und der seriösen Verlei- her sozial verträglich zu gestalten. Das Gütesiegel Zeitarbeit soll insbesondere den Be- triebsräten beziehungsweise Personalräten in den Einsatzbetrieben Orientierungshilfe bieten.“ (DGB-Landesbezirk NW 2001 zit. nach Bolder et al. 2005: 40).

Anforderungen für das Erlangen des Gütesiegels sind unter anderem der Einsatz eines Tarifvertrages, der Nachweis von Weiterbildungsmöglichkeiten für die Zeitarbeitneh- mer, die Förderung eines Betriebs- oder Personalrates im Verleihbetrieb sowie eine För- derung des Überganges in Entleihbetriebe. Es sollen außerdem mindestens 50% zuvor Arbeitslose beschäftigt werden und mindestens 20% der Beschäftigten zu den sogenann- ten Problemgruppen des Arbeitsmarktes gehören. Außerdem ist ein Frauenförderplan zu erstellen, sofern das Zeitarbeitsunternehmen in Betriebe mit nennenswertem Frauenan- teil verleiht. Die Einhaltung der Gesetze muss nachgewiesen werden. Ob sich das Güte- siegel durchsetzen und als Vorteil für ein Zeitarbeitsunternehmen entwickeln wird, ist noch nicht absehbar (Bolder et al. 2005: 41f.).

Der Wechsel der gewerkschaftlichen Strategie von der Ausgrenzung zur Mitgestaltung der Zeitarbeit ist durch die weitere faktische Zunahme der Zeitarbeit zu erklären. Man war mehr oder weniger gezwungen, tarifvertragliche Standards zu entwickeln und man fügte sich den Gegebenheiten, um Schadensbegrenzung zu betreiben (Bolder et al. 2005: 42).

Ob dieser Strategiewechsel auch alle Einzelgewerkschaften erreicht hat, bleibt fraglich. Gerade die Mitglieder in den Betrieben verfolgen häufig weiterhin eine Strategie der Ausgrenzung und der Verdrängung von Zeitarbeit zugunsten der Stammbeschäftigung. Dies zeigt ein Artikel im Monatsmagazin „Metall“ (Ausgabe Dezember 2005) der IG Metall. Darin wird auch die Strategie der Entleihbetriebe kritisiert, eigenen Beschäftig- ten zu kündigen und sie in ein Zeitarbeitsunternehmen zu überführen. Auch erhöhe der verstärkte Einsatz von Zeitarbeitnehmern den Leistungsdruck auf die Stammbeschäftig- ten. Aber auch Kritik an Betriebsräten in Entleihbetrieben wird ausgesprochen: „Nach [...] Betriebsverfassungsgesetz sind die Betriebsräte dazu verpflichtet, auch die Interes- sen der Leiharbeiter zu vertreten. Leider geschieht dies häufig nur unzureichend [...]“ (Jürgen Ulber in „metall“ 12/2005: 16).

Damit lässt sich die Vermutung festhalten, dass die gewerkschaftliche Strategie weiterhin die Stammbelegschaft fokussiert.

2.5.4 Agentur für Arbeit

Die Arbeitsvermittler in der Agentur für Arbeit stehen in den vergangenen Jahren unter einem hohen Vermittlungsdruck. Da bei der Vermittlung eines Arbeitslosen nicht zwi- schen der Einmündung in ein Zeitarbeitsunternehmen oder ein anderes Unternehmen unterschieden wird, bieten Anfragen von Zeitarbeitsunternehmen eine Chance die Ver- mittlungsquote zu verbessern. Trotzdem ist bei einigen Arbeitsvermittlern eine Hierar- chie der Arbeitsverhältnisse weiterhin vorhanden. Obgleich es einen entscheidenden Vorteil gibt: Die Anfragen der Zeitarbeitsunternehmen sind, sofern sie nicht auf eine be- stimmte Stelle in einem Entleihbetrieb bezogen sind, vergleichsweise unkonkret. Die Abstimmung zwischen Anforderungsprofil und Personenprofil fällt nicht dem Arbeits- vermittler, sondern dem Zeitarbeitsunternehmen zu. Die Hoffnung der Arbeitsvermittler beruht allerdings auch auf dem sogenannten Klebeeffekt. Das bedeutet, dass ein Zeitar- beitnehmer unter Umständen von einem Entleihbetrieb übernommen werden könnte.

Weiterhin bestehen vereinzelt Vorbehalte gegenüber Zeitarbeit. Von einigen Mitarbei- tern in der Agentur für Arbeit wird die Zeitarbeit als Konkurrenz gefürchtet, auch wenn es weitgehend zu einer Kooperationsbereitschaft kommt. Einige Agenturen arbeiten hin- gegen inzwischen eng mit Zeitarbeitsunternehmen zusammen. Sie veranstalten Messen und Stellenbörsen, bei denen sich die Unternehmen vorstellen können. Grund dafür ist auch ein politischer Impuls, der auf Seiten der Agentur für Arbeit zu einem Grund- satzerlass über die Zusammenarbeit mit Zeitarbeitsunternehmen im Jahre 2000 führte. Darin heißt es: „Die Integration von Arbeitssuchenden in den Arbeitsmarkt wird auch durch eine Kooperation der Arbeitsämter mit allen am Arbeitsmarktgeschehen Beteilig- ten, also auch mit Verleihern, unterstützt. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit sind die gegenseitigen Interessen abzustimmen und gemeinsam weiterzuentwickeln.“ (Bundes- anstalt für Arbeit: 2000 zit. nach Bolder et al. 2005: 48). Zeitarbeit bietet darüberhinaus eine Möglichkeit für Arbeitsvermittler, die Bereitschaft von Arbeitssuchenden zu beur- teilen, eine Arbeit auch unter ihrem Qualifikationsniveaus anzunehmen. Für Arbeitssu- chende ohne Berufsausbildung gebe es für Arbeitsvermittler außerdem kaum eine Chan- ce auf Vermittlung außerhalb der Zeitarbeit (Bolder et al. 2005: 48ff.)

Zusammenfassend lässt sich die Strategie erkennen, dass Zeitarbeitsunternehmen aus Sicht der Agentur für Arbeit wie alle Arbeitgeber zu behandeln sind, um das Vermittlungspotenzial, welches von ihnen ausgeht, zu nutzen. Ob dies in der Praxis der Arbeitsvermittler so geschieht oder die oben angesprochenen Hierarchien der Arbeitgeber noch bestehen, ist an dieser Stelle nicht zu beurteilen.

2.6 Tarifverträge in der Zeitarbeit

Bis zum Jahre 2004 war die Zeitarbeitsbranche, abgesehen von einigen Haustarifverträ- gen, tariflich nahezu ungeregelt. Die Zeitarbeit stellte damit im deutschen System eine Ausnahme dar. In Deutschland gelten Tarifverhandlungen als Regelungsinstrument. Die Vereinbarungen eines Tarifvertrages sind Ergebnis von Konflikten über Löhne und Ar- beitsbedingungen (Vitols 2003: 27). Das System der Kollektivverhandlungen hat stan- dardisierende Wirkung auf Beschäftigungsverhältnisse. Arbeitgeberverbände und Ge- werkschaften handeln Normen aus, die eine Branche binden. In der Regel haben Tarif- verhandlungen auch Auswirkungen für andere Branchen. Das System der Tarifverhand- lungen trägt so zur Angleichung von Beschäftigungsstandards bei (Dombois 1999b: 7) Darauf werde ich im vierten Kapitel meiner Arbeit näher eingehen. Dass die Zeitarbeit bis zum Jahr 2004 tariflich ungeregelt war, hat mehrere Gründe. Zum ersten schlug der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Angebote des BZA über Tarifverhandlungen aus, da der DGB die Strategie verfolgte, ein Verbot der Zeitarbeit zu erreichen. Zum zweiten stellte sich das Problem der Tariffähigkeit auf beiden Verhandlungsseiten. Um Tarifau- tonomie zu verwirklichen, ist die Tariffähigkeit beider Verhandlungspartner notwendig. Die Parteien müssen wirtschaftlich unabhängig sein und Verhandlungsmacht besitzen, um wirtschaftlichen Druck auf die Gegenseite auszuüben (Vitols 2003: 27). Den Ge- werkschaften fehlte es an Mitgliedern in der Branche und damit an Streikpotenzial. Zum dritten war später auch die Arbeitgeberseite nicht mehr an der Aufnahme von Tarifver- handlungen interessiert. Die Branche habe sich erfolgreich selbst reguliert, so die An- sicht des BZA. Zum vierten waren die von Arbeitgeberseite geforderten gesetzlichen Änderungen des AÜG unter der Regierung von CDU/CSU und FDP umgesetzt worden, sodass die Arbeitgeber eine Schlechterstellung durch Tarifverträge befürchteten. Bis 2001 bestanden somit nur in sieben gewerbsmäßigen Zeitarbeitsunternehmen Tarifver- träge (Vitols 2003: 26ff.).

Eine Veränderung der Tariflandschaft ergab sich erst durch das erste Gesetz für moder- ne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt im Jahre 2002. Zeitarbeitsunternehmen wurden verpflichtet, das Prinzip des „Equal Treatment“ anzuwenden. §9 AÜG besagt, dass „[...] Vereinbarungen, die für den Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an einen Entleiher schlechtere als die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeit- nehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen, einschließlich des Arbeitsentgelts vorsehen, [...] unwirksam seien.“ Der Gesetzgeber sah zwei Ausnahmen vor. Zum einen kann Zeitarbeitnehmern, die zuvor arbeitslos waren längstens sechs Wo- chen ein Nettoarbeitsentgelt in Höhe des zuletzt bezogenen Arbeitsentgelts gezahlt wer- den. Die zweite Ausnahme sieht vor, dass vom Gleichbehandlungsgrundsatz durch den Abschluss von Tarifverträgen abgewichen werden kann. Es galt eine Übergangsfrist bis zum 1. Januar 2004 (§19 AÜG).

Diese Gesetzeslage hatte zur Folge, dass flächendeckend Tarifverträge in der Zeitarbeit abgeschlossen wurden. Für die Gewerkschaften wurde die Verhandlungsposition durch den gesetzlich verankerten Gleichbehandlungsgrundsatz gestärkt (Vitols 2003: 28). Dar- über hinaus wurde den Gewerkschaften ein Einstieg in die bis dahin tariflich ungeregel- te Branche erleichtert (Schröder 2005: 14). In diesem Zusammenhang ist auch eine Stel- lungnahme auf der DGB-Internetseite zu sehen: „Bisher wurde mit dem Begriff „Zeitar- beit“ häufig Lohndumping verbunden. Die Tarifverträge der DGB-Gewerkschaften set- zen dem ein Ende. Sie sorgen für eine neue Qualität der in der Zeitarbeitsbranche und beinhalten die Chance, die Zeitarbeit zu einer ganz normalen Tarifbranche zu entwi- ckeln.“ (http://www.dgb.de/themen/tarifpolitik/zeitarbeit/index.htm vom 29.12.2005). Ziel der Tarifgemeinschaft des DGB war die Durchsetzung des Gleichbehandlungs- grundsatzes für Zeitarbeitnehmer (http://www.boeckler.de/cps/rde/xchg/SID- 3D0AB75D-E41ACAA1/hbs/hs.xsl/29742_30155.html vom 29.12.04).

Für die Zeitarbeitsbranche hätte die Umsetzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zur Folge gehabt, dass die Dienstleistung sich stark verteuert hätte und somit nicht mehr at- traktiv für Entleiher gewesen wäre (Schröder 2005: 14). Die Arbeitgeberseite hatte so- mit in den Verhandlungen das Interesse, Lohnsätze durchzusetzen, die unterhalb des Gleichbehandlungsgrundsatzes lagen (Vitols 2003: 28). Auch für Entleiher hätte der Gleichbehandlungsgrundsatz Folgen. Die Zeitarbeit würde sich für sie nicht nur verteu- ern, sie müssten außerdem dem Verleiher gegenüber ihre Gehaltsstrukturen offenlegen (Schröder 2005: 15).

Neben diesen zwei gegensätzlichen Positionen waren bei den Tarifverhandlungen weite- re unterschiedliche inhaltliche Probleme zu lösen. Es ging beispielsweise um den Schutz der Stammbeschäftigten, ein wichtiges Thema für die Gewerkschaftsseite. Die Arbeitge- berseite wollte vor allen Dingen die Wettbewerbsfähigkeit der Zeitarbeit erhalten und Öffnungsklauseln für mehr Flexibilität beispielsweise nach Regionen und Branchen er- reichen. Auf Seiten der DGB-Gewerkschaften bestand zunächst das Problem der Ver- handlungsführerschaft. Der Grund dafür liegt in der Organisationsstruktur der Gewerk- schaften, die sich an Wirtschaftssektoren orientiert. Damit gibt es keine originäre Zu- ständigkeit einer Gewerkschaft für die Zeitarbeit. Aufgrund dessen bildeten die einzel- nen Gewerkschaften eine Tarifgemeinschaft unter Führung des DGB (DIHK 2005: 60ff.). Auch auf Seiten der Arbeitgeber beabsichtigte man zunächst eine Tarifgemein- schaft. Diese scheiterte jedoch aufgrund inhaltlicher Differenzen im Februar 2003 (www.ig-zeitarbeit.de vom 29.12.05).

Es existieren heute neben Haustarifverträgen mehrere Verbandstarife. Der DGB schloss mit den Arbeitgeberverbänden

- Bundesverband Zeitarbeit Personaldienstleistungen e.V. (BZA)
- Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V. (iGZ)
- Unternehmerverband Industrie Service und Dienstleistungen e.V. (U.I.V.)

Tarifverträge ab (Schröder 2005: 12).

Tabelle 3 im Anhang vergleicht die Tarifverträge des BZA und des iGZ und zeigt die wesentlichen Bestimmungen und Bedingungen der Tarifverträge. Dabei handelt es sich um die Verträge der großen Verbände. Neben dem DGB hat auch der Christliche Ge- werkschaftsbund Deutschlands (CGB) Tarifwerke abgeschlossen u.a. mit dem Arbeits- geberverband Mittelständischer Personaldienstleister e.V. (AMP). (Schröder 2005: 12). Die Rechtsgültigkeit des AMP-Tarifwerks ist nicht abschließend geklärt. Daher gehe ich an dieser Stelle nicht gezielt auf diesen Tarifvertrag ein. In der Diskussion geht es zen- tral um die Frage, ob die CGB-Gewerkschaften tariffähig sind. Dabei entscheidet die Zahl der vertretenen Mitglieder. Der CGB vertritt insgesamt 300.000 Mitglieder, in den DGB-Gewerkschaften sind 7,7 Millionen Mitglieder organisiert. Diese Diskussion auf- zugreifen würde zu weit führen, da sie das Ergebnis meiner Arbeit nicht berührt (aus- führlich dazu Schröder 2005: 118). Der AMP-Tarif sieht im wesentlichen niedrigere Entgelte und keine Sonderzahlungen vor.8

Der Vergleich beider Tarifverträge zeigt, dass der Tarifvertrag zwischen BZA und DGB etwas höhere Tarifentgelte gewährt. Beide Tarifverträge sehen ein Eingangsentgelt in der niedrigsten Stufe in Höhe von 6,85€ vor. Das Eingangsentgelt beträgt in der höchs- ten Entgeltgruppe 15,30€ im BZA-Tarif beziehungsweise 15,34€ im iGZ-Tarif. Die Grundsätze der Eingruppierung ähneln sich. In einigen Stufen sieht der iGZ/DGB-Ver- trag etwas höhere Entgelte vor. Sowohl das iGZ- als auch das BZA-Tarifwerk sieht die Eingruppierung auf Basis der ausgeübten Tätigkeit vor, nicht auf Grund einer formalen Qualifikation wie des Berufes. Arbeitet beispielsweise ein Hochschulabsolvent als Schreibkraft, wird er eingestuft als Schreibkraft, da für seine Tätigkeit das Hochschul- studium nicht erforderlich ist (DIHK 2005: 64).

Es lässt sich festhalten, dass das Lohnniveau in der Zeitarbeit trotz der Tarifabschlüsse weiterhin unter dem der Gesamtwirtschaft liegt. Als Beispiel dient hier der Tarif für Facharbeiter entsprechend des Tarifvertrages der Metall- und Elektroindustrie Nord- rhein-Westfalen. Der Zeitarbeitstarif DGB West liegt um 11,4%, der Zeitarbeitstarif West CGB um 15,2% unter dem Tariflohn der Metall- und Elektroindustrie (Mitlacher 2004: 92).

Über die Wirkungen der Tarifverträge auf das Image der Branche oder auf die Arbeits- bedingungen der Mitarbeiter in der Zeitarbeit ist bis jetzt keine Forschung veröffentlicht worden. Hier anzusetzen, wäre meiner Ansicht nach jedoch eine lohnende Forschungs- frage.

Abschließend lässt sich feststellen, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz unter dem Aspekt der Entlohnung faktisch keine Anwendung findet. Alle Zeitarbeitnehmer werden nach den Konditionen der unterschiedlichen Tarifverträge bezahlt (Schröder 2005: 13).

2.7 Nicht-gewerbsmäßige Zeitarbeit

Im bisherigen Verlauf habe ich mich auf das Prinzip der Zeitarbeit und auf gewinnorientierte Unternehmen konzentriert, die ihren Schwerpunkt auf die Überlassung von Mitarbeitern legen. Neben den kommerziellen Anbietern gibt es aber auch die nicht-gewerbs- mäßige Zeitarbeit. Diese Unternehmen arbeiten nicht gewinnorientiert, häufig regional und setzen einen Schwerpunkt bei der Vermittlung von Mitarbeitern. Man unterscheidet zwischen marktorientierten Unternehmen, die kostendeckend arbeiten und gemeinnützigen Gesellschaften. Diese werden durch Zuschüsse der Kommunen oder der Arbeitsverwaltung unterstützt (Weinkopf 2004b: 18).

Exemplarisch werde ich im Folgenden die START Zeitarbeit NRW vorstellen. Dieses Unternehmen, welches zunächst als Modellversuch startete, gilt als Meilenstein der ver- mittlungsorientierten Zeitarbeit (Weinkopf 2004b: 10). Ziel der START Zeitarbeit NRW GmbH ist es, die Wiedereingliederung von Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt zu fördern (Vanselow/Weinkopf 2000: 2). Der Ansatz von START Zeitarbeit war dabei eine Mischung aus Arbeitsmarktregulierung und Arbeitsmarktpolitik: „Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse und des Beschäftigungssystems u.a. durch Leiharbeit, Bemühun- gen zur sozialverträglichen Regulierung und Gestaltung <<atypischer>> Arbeitsverhält- nisse, die Suche nach neuen Beschäftigungsmöglichkeiten angesichts eines anhaltend hohen Arbeitsplatzdefizits in der Bundesrepublik und schließlich die Erprobung neuer Ansätze und Instrumente zur Wiedereingliederung in das Beschäftigungssystem.“ (Weinkopf/Krone 1995: 5).

Die Gründung der START Zeitarbeit war zu Beginn der 1990er Jahre ein Novum, da Zeitarbeit bis dahin arbeitsmarktpolitisch kaum genutzt wurde. Die Idee dazu kam aus den Niederlanden. Dort arbeitet die vermittlungsorientierte Zeitarbeit bereits seit den 1970er Jahren. Im Jahre 1992 wurde die erste deutsche START-Niederlassung in Gro- nau eröffnet. Weitere Niederlassungen folgten in den darauffolgenden Jahren. Der DGB unterstützte das Projekt. Die Zustimmung wurde davon abhängig gemacht, dass die Ge- sellschaft nicht gewinnorientiert arbeitete, dass man sich auf Arbeitslose und schwer Vermittelbare konzentrierte, dass man mit der Arbeitsverwaltung kooperierte und dass tariflich entlohnt wurde. Im Jahre 1995 wurde das Modell auf gesamt Nordrhein-West- falen übertragen und die START Zeitarbeit NRW GmbH gegründet. Die Zusammenset- zung der Gesellschafter war ungewöhnlich: an START Zeitarbeit sind nicht nur die Lan- desregierung Nordrhein-Westfalen, sondern auch Arbeitgeberverbände und Gewerk- schaften beteiligt sowie die Evangelische Kirche im Rheinland. Im Jahre 2004 zählte das Unternehmen 27 Niederlassungen. Seit 1997 ist eine Kostendeckung erreicht wor- den. Damit arbeitet diese Gesellschaft marktorientiert (Weinkopf 2004b: 11ff.). START Zeitarbeit stellt ausschließlich Arbeitslose als Zeitarbeitnehmer ein. Davon soll ein über- wiegender Teil aus den folgenden Zielgruppen stammen: Langzeitarbeitslose, Berufs- rückkehrerinnen ausländische Beschäftigte, Arbeitslose über 50 Jahren und Behinderte. Der Verleih hat das Ziel, dass die Mitarbeiter vom Entleihunternehmen eingestellt wer- den (Vanselow/Weinkopf 2000: 6f.).

Die Ergebnisse der START Zeitarbeit zeigen, dass zwischen 1995 und 1999 9.244 Mit- arbeiter beschäftigt wurden. Davon sind etwa 17% Frauen (Vanselow/Weinkopf 2000: 12). Der Frauenanteil lag damit unter dem festgestellten Wert für die gesamte Zeitarbeit, der von 18,5% im Jahre 1995 auf 21,1% im Jahre 1999 stieg (Jahn/Rudolph 2002a: 4). Über die Hälfte der Beschäftigten gehörten den Zielgruppen an. Es wurde im Betrach- tungszeitraum zwischen 1995 und 1999 eine durchschnittliche Vermittlungsquote von 45,2% erreicht. Damit schieden 54,8% der Beschäftigten aus der START Zeitarbeit aus, ohne in ein neues Beschäftigungsverhältnis einzumünden. Die START Zeitarbeit hatte diese Mitarbeiter gekündigt, da kein Folgeauftrag für sie bestand oder aus verhaltens- und personenbedingten Gründen (Vanselow/Weinkopf 2000: 12). Daraus lässt sich eine Parallele zwischen kommerziellen und marktorientierten Zeitarbeitsunternehmen ablei- ten. Beide reagieren, wenn für einen Mitarbeiter kein Auftrag mehr besteht und passen ihren eigenen Personalbestand an. Gemeinnützige Unternehmen hingegen haben in der Personalanpassung unter Umständen andere Spielräume.

Der Gegensatz zwischen nicht gewinnorientierter und gewerbsmäßiger Zeitarbeit be- steht zunächst in der Vermittlungsorientierung. Kommerzielle Zeitarbeitsunternehmen haben das Ziel, über den Verleih ihrer Mitarbeiter Gewinn zu erwirtschaften. Wird ein Mitarbeiter an ein Kundenunternehmen vermittelt, bedeutet dies für ein Zeitarbeitsunter- nehmen mit Gewinnorientierung einen Umsatzverlust und ist kein erwünschter Effekt. Wenn ein abwerbendes Unternehmen dadurch keine Zeitarbeit mehr in Anspruch nimmt, ist damit auch ein Kunde verloren. In der vermittlungsorientierten Zeitarbeit ist die Übernahme hingegen das gewünschte Ergebnis und kein Verlust (Weinkopf 2004b: 15f.).

Die Vermittlungsquote der kommerziellen Anbieter liegt nach Einschätzungen der Branche bei etwa 30%. Der Vergleich mit Zahlen der nicht-gewerbsmäßigen Zeitarbeit zeigt, dass die Vermittlungsquote bei START Zeitarbeit um etwa 15% höher liegt. Im Gegensatz zu kommerziellen Anbietern haben damit nicht gewinnorientierte Unterneh- men eine höhere Vermittlungsquote. Die Entleihbetriebe nutzen START Zeitarbeit wie sie kommerzielle Anbieter auch nutzen: sie erproben Mitarbeiter, aber sie decken auch Auftragsspitzen und Krankheitsfälle ab (Vanselow/Weinkopf 2000: 14). Gerade aus letzteren Gründen ergibt sich nicht zwangsläufig eine Übernahme, was sich negativ auf die Vermittlungsquote der nicht-gewerbsmäßigen Zeitarbeitsunternehmen wie START Zeitarbeit auswirkt.

Das Instrument der vermittlungsorientierten Zeitarbeit wird als arbeitsmarktpolitisch erfolgreich gewertet. Von Bedeutung ist dabei der hohe Anteil sogenannter Problemgruppen am Arbeitsmarkt unter den Mitarbeitern der START Zeitarbeit. Vergleicht man die vermittlungsorientierte Zeitarbeit mit anderen Instrumenten mit dem Ziel der Eingliederung von Problemgruppen, ist die vermittlungsorientierte Zeitarbeit um 13% erfolgreicher. Darin zeigt sich ein erster Hinweis, dass Personen mit Vermittlungshemmnissen von Zeitarbeit profitieren können (Weinkopf 2004b: 16).

2.8 Personal-Service-Agenturen

Im August 2002 legte die Kommission zum Abbau der Arbeitslosigkeit und zur Um- strukturierung der Bundesanstalt für Arbeit, die sogenannte Hartz-Kommission, ihren Bericht mit dem Titel „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ vor. Ein Bestand- teil des Konzeptes waren die Personal-Service-Agenturen (PSA). Sie wurden von der Kommission als Herzstück zum Abbau der Arbeitslosigkeit bezeichnet (Bericht der Kommission 2002: 148). Die Personal-Service-Agenturen sollten Zeitarbeit ausüben mit dem Ziel der Integration Arbeitsloser in den Arbeitsmarkt. Das Instrument sollte mög- lichst schnell flächendeckend eingeführt werden. Dazu sollten entweder private Zeitar- beitsunternehmen als Vertragspartner gewonnen werden oder diese PSA im Rahmen ei- ner Public-Private-Partnership von der Agentur für Arbeit und privaten Anbietern ge- meinsam betrieben werden. Auch die alleinige Führung durch die Agentur für Arbeit war möglich (Bericht der Kommission 2002: 150). Im Jahre 2003 war in jedem Agen- turbezirk mindestens eine PSA in Betrieb genommen worden, wie es das Sozialgesetz- buch vorschreibt. Für den Abschluss eines PSA-Vertrages zwischen der Agentur für Ar- beit und einem privaten Zeitarbeitsunternehmen waren durch das Unternehmen be- stimmte Bedingungen zu erfüllen. Unter anderem musste eine tarifliche Entlohnung nachgewiesen werden (Jahn/Windsheimer 2004a: 2). Darüber hinaus war ein Konzept vorzulegen, wie die Mitarbeiter in verleihfreien Zeiten qualifiziert werden sollten (Weinkopf 2004b: 23).

Für jede PSA wird im Vorhinein festgelegt, welche Anzahl an Mitarbeitern sie zu beschäftigen hat und um welchen Personenkreis es sich handelt. Die Festlegung erfolgt hier beispielsweise nach Berufsgruppen oder auch nach personenbezogenen Merkmalen. Da die PSA sich ausdrücklich an Arbeitslose mit Vermittlungshemmnissen richtet, können dies zum Beispiel Jugendliche oder Arbeitslose ohne Berufsausbildung sein (Jahn/Windsheimer 2004a: 2ff.).

Die PSA sind als Instrument der Arbeitsmarktintegration besonders auch für Arbeitslose mit Vermittlungshemmnissen eingerichtet worden. Betrachtet man diese Zielgruppen zeigt sich folgendes Bild: Der Frauenanteil ist etwas höher als in der traditionellen Zeit- arbeit. Jugendliche zwischen 20 und 24 Jahren sind zu 30% in den PSA vertreten. Die- ser Anteil liegt über dem der traditionellen Zeitarbeit. Ein Grund dafür kann sein, dass es spezielle Ausschreibungen für Jugendliche unter 25 Jahren gibt. Jugendliche unter 20 Jahren sind mit dem geringen Anteil von 3% vertreten. Dies entspricht dem Anteil die- ser Altersgruppe in der traditionellen Zeitarbeit. Der Anteil der über 50-Jährigen beträgt in den PSA 11%, in der traditionellen Zeitarbeit sind es 12%. Über die Hälfte der Mitar- beiter in den Personal-Service-Agenturen haben eine abgeschlossene Berufsausbildung. Lediglich 14% der Beschäftigten sind vor ihrer Beschäftigung in der PSA langzeitar- beitslos. Gesundheitliche Einschränkungen weisen 13% der Beschäftigten auf (Jahn/Windsheimer 2004b: 2ff.).

[...]


[1] Der Begriff „Zeitarbeitnehmer“ wird (außer in Zitaten) in der neutralen Form benutzt und meint damit Zeitarbeitnehmer und Zeitarbeitnehmerinnen. Selbes gilt für den Begriff Mitarbeiter, mit dem ich ebenfalls Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen meine. Berufe, die außerdem erwähnt werden, richten sich nach dem deutschen Sprachgebrauch. Auch dann sind, sofern nicht anders vermerkt, beide Geschlech- ter gemeint.

[2] Mit ihrem Auftrag vom 22. Februar 2002 berief die rot-grüne Bundesregierung die Kommission „Mo- derne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“. Den Vorsitz der Kommission übernahm der damalige Volkswagen Personalvorstand Dr. Peter Hartz. Nach ihm wurde die Kommission in Medien und Öf- fentlichkeit zumeist als Hartz-Kommission betitelt. Der Auftrag für die Kommission sah vor, Vor- schläge für die Neugestaltung der Agentur für Arbeit zu erarbeiten und ein Durchführungskonzept zu erstellen. Im August 2002 legte die Kommission ihren Bericht vor, der unter anderem Elemente wie die „Ich-AG“ oder die Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe vorsah. Ein Teil der Vor- schläge wurde, wie auch die Einführung der Personal-Service-Agenturen, in den sogenannten Hartz- Gesetzen umgesetzt.

[3] Intermediär soll hier als Marktakteur verstanden werden, der zwischen unterschiedlichen Marktteilnehmern vermittelt. Beispiele dafür sind Banken oder Versicherungen. Sie realisieren Vorteile, die sie mit den beiden Marktteilnehmern verbindet (Mitlacher 2004: 185).

[4] In der Praxis werden häufig Rahmenverträge geschlossen, in denen grundsätzliche Fragen der Überlas- sung festgehalten sind. Bestandteile des Arbeitnehmerüberlassungsvertrages können außerdem Rege- lungen zur Arbeitssicherheit, Zahlungsmodalitäten oder auch Regelungen zur Übernahme eines Zeitar- beitnehmers durch den Entleiher sein. Verleiher und Entleiher aktivieren den Rahmenvertrag durch eine Auftragsbestätigung.

[5] In der Praxis trifft der Entleihbetrieb mit seinem Betriebsrat häufig eine Art Rahmenvereinbarung über eine bestimmte Anzahl von Zeitarbeitnehmern, die im Unternehmen beschäftigt werden. Erst wenn davon abgewichen werden soll, wird der Betriebsrat erneut beteiligt.

[6] Alle Daten zur Beschäftigtenzahl in der Zeitarbeit beruhen auf statistischen Meldungen der Zeitarbeitsunternehmen. Diese sind nach §8 AÜG verpflichtet, halbjährlich statistische Meldungen u.a. über die Zahl der überlassenden Zeitarbeitnehmer getrennt nach Geschlecht, Staatsangehörigkeit, Berufsgruppen oder über die Zahl der Überlassungsfälle zu geben.

[7] Im weiteren Verlauf meiner Arbeit werde ich nicht dezidiert auf Mischbetriebe eingehen. Ich bin der Ansicht, dass diese aufgrund ihrer Zielsetzung, die sich von der reinen Arbeitnehmerüberlassung unterscheidet, für das Ziel meiner Arbeit zu vernachlässigen ist.

[8] Einen ausführlichen Vergleich dazu bietet Schröder (2005).

Ende der Leseprobe aus 138 Seiten

Details

Titel
Zeitarbeit - Chance für eine Integration in den Arbeitsmarkt
Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover
Note
2,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
138
Katalognummer
V144910
ISBN (eBook)
9783640549009
ISBN (Buch)
9783640552610
Dateigröße
1208 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Zeitarbeit, Chance, Integration, Arbeitsmarkt
Arbeit zitieren
Cathrin Hachmeister (Autor:in), 2006, Zeitarbeit - Chance für eine Integration in den Arbeitsmarkt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/144910

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Titel: Zeitarbeit - Chance für eine Integration in den Arbeitsmarkt



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