Standardisierung im Kontext von Change Management

Standardization in the Context of Change Management


Bachelorarbeit, 2009

165 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Einführung
1.2. Zielsetzung
1.3. Konzept der Arbeit

2. Das Konzept des Change Managements
2.1. Paradigmen zum Change Management
2.1.1. Der Begriff „Veränderung“
2.1.2. Unterschiedliche Sichtweisen zum Verständnis von Change Management
2.2. Ansätze des Change Managements
2.2.1. Organisationsentwicklung nach LEWIN
2.2.2. Acht Phasen Modell nach SIEVERS
2.2.3. Acht Stufen Modell nach KOTTER
2.3. Ziele des Change Managements
2.3.1. Organisatorischer Umbau
2.3.2. Abbau von Widerständen
2.4. Instrumente des Change Managements
2.5. Treiber von Veränderungen
2.5.1. Externe Treiber
2.5.2. Interne Treiber
2.5.3. Megatrends

3. Normung und Standardisierung im Kontext von Veränderungen
3.1. Begriffe und Definitionen
3.2. Die entwicklungsbegleitende Normung (EBN)
3.2.1. Das Konzept der EBN im Vergleich zur traditionellen Normung
3.2.2. Begründungszusammenhänge der EBN
3.2.3. Anwendungsfelder der EBN
3.2.4. Problemfelder der EBN

4. Empirische Analyse der Standardisierung im Kontext von Change Management
4.1. Konzeption der Untersuchung
4.1.1. Ziel der Befragung Standardisierung im Kontext von Change Management
4.1.2. Fragebogenkonstruktion
4.1.3. Grundgesamtheit und Auswahlverfahren
4.1.4. Organisation der Fragebogenaktion
4.2. Untersuchungsergebnisse
4.2.1. Allgemeine Anmerkungen zu den Unternehmen im Ausschuss Nor- menpraxis (ANP)
4.2.2. Wichtigkeit von Change Management für die Unternehmen im ANP
4.2.3. Ursachen von Veränderungen für die Unternehmen im ANP
4.2.4. Rolle der Dienstleister zur Standardisierung an Veränderungsprojekten in ANP-Unternehmen
4.2.5. Technischer Wandel in den Unternehmen

5. Analyse der Untersuchungsergebnisse anhand von Fallbeispielen zum technischen Wandel
5.1. Technischer Wandel am Beispiel von Filmspeichermedien
5.2. Technischer Wandel am Beispiel der Entwicklungsstufen CAD
5.3. Technischer Wandel am Beispiel der Einführung eines Produkt-Datenmanagement- Systems in einem mittelständischen Unternehmen
5.4. Bedeutung der Normung und Standardisierung im Kontext von technischem Wandel anhand der dargestellten Fallbeispiele

6. Schlussbetrachtung
6.1. Zusammenfassung
6.2. Ausblick

A. Anhang

A.1. Fragebogen

A.2. Grundauswertung

A.3. CAD Normen 1988 und 1996

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Definitionsansätze des Begriffes „Veränderung“

2. Drei Phasen Modell nach Lewin

3. Acht Phasen Modell nach Sievers

4. Acht Stufen Modell nach Kotter

5. Bekanntheitsgrad von Change-Management-Instrumenten

6. Regelmäßiger Einsatz von Change-Management-Instrumenten

7. Megatrends 2008 - Veränderungen in Gesellschaft, Wirtschaft und Technologie

8. Relation Normung und Entwicklung

9. Stufenmodell der entwicklungsbegleitenden Normung

10. Branchen, die den Fragebogen bearbeitet haben

11. Wichtigkeit von Change Management in den befragten Unternehmen

12. Wichtigkeit von Change Management nach Capgemini-Studie

13. Wichtigkeit von Change Management in der Branche Maschinenbau

14. Wichtigkeit von Change Management in der Branche Anlagenbau

15. Wichtigkeit von Change Management in der Autoindustrie

16. Wichtigkeit von Change Management in der Branche E-Technik

17. Spezielle Projektgruppen, die ausschließlich für Veränderungsprojekte, die das eigene Unternehmen betreffen, zuständig sind

18. Spezielle Projektgruppen, die ausschließlich für Veränderungsprojekte, die das eigene Unternehmen betreffen, zuständig sind in der Branche Maschinenbau

19. Spezielle Projektgruppen, die ausschließlich für Veränderungsprojekte, die das eigene Unternehmen betreffen, zuständig sind in der Branche E-Technik

20. Bereiche, denen die Leiter der speziellen Projektgruppen unterstellt sind

21. Zugriff auf externe Berater

22. Zugriff auf externe Berater in der Branche Maschinenbau

23. Zugriff auf externe Berater in der Branche E-Technik

24. Ursachen von Veränderungen in Unternehmen

25. Wer initiiert Veränderungsprozesse in den Unternehmen?

26. Welche konkreten externen und internen Instanzen initiieren Veränderungspro- zesse in den Unternehmen?

27. Veränderungsprojekte und Beteiligung der Abteilung Dienstleister zur Standar- disierung in den Unternehmen (Auswertung Fragenblock 6.12. - 6.14.)

28. Mögliche Aufgaben der Abteilung Dienstleister zur Standardisierung, während der Beteiligung an einem Veränderungsprojekt

29. Beteiligung der Abteilung Dienstleister zur Standardisierung an Veränderungs- projekten in Abhängigkeit von der Branche und unterschiedlichen Zeitbezügen Standardisierung im Kontext von Change Management

30. Zeitlicher Abstand zwischen Veränderungsprojekten, mit Beteiligung der Ab- teilung Dienstleister zur Standardisierung, in Abhängigkeit von der Branche . .

31. Durchschnittliche Anzahl Veränderungsprojekte, mit Beteiligung der Abteilung Dienstleister zur Standardisierung, in Abhängigkeit von der Branche und unter- schiedlichen Zeitbezügen

32. Abschließende Gesamtauswertung der Fragen 6.4. und 6.5

33. Technischer Wandel in Unternehmen

34. Entscheidender Technischer Wandel der letzten 10 Jahre, bezogen auf das Produkt

35. Entscheidender Technischer Wandel der letzten 10 Jahre, bezogen auf die Or- ganisation

36. Entscheidender Technischer Wandel der letzten 10 Jahre, bezogen auf die Informations- und Kommunikationsverarbeitung

37. Kann Technischer Wandel an einem bestimmten Ereignis festgemacht werden?

38. Ereignisse des technischen Wandels der letzten 10 Jahre in den befragten Un- ternehmen

39. Ereignisse des technischen Wandels der letzten 10 Jahre, in der Branche Ma- schinenbau

40. Ereignisse des technischen Wandels der letzten 10 Jahre, in der Branche E-Technik

41. Entwicklungsstufen des technischen Wandels von Filmspeichermedien

42. CAD-Entwicklung

43. CAD-Normen 1984-2008

44. Zeitstrahl der Einführung von Compass/Productstream Professional

45. Normung und Standardisierung im Rahmen von SAP R/3, CAD und Datenma- nagementsystemen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

1.1. Einführung

„ Nichts [...] ist beständiger als der Wandel. “

Charles Darwin

Die Bedeutung von „Change Management“ und der Umgang mit „Veränderungen“ nimmt seit Anfang der 1990er Jahre, in der wissenschaftlichen und betrieblichen Betrachtung, einen im- mer wichtigeren Stellenwert ein. Dies liegt in der Tatsache begründet, dass sich die Umwelt um uns herum „radikal verändert“ (Doppler / Lauterburg, 2008, S. 23) und die damit ausgelös- ten Veränderungen, in vielfältiger Art und Weise, Organisationen betreffen. Hierfür seien nur einige wenige, von einer endlichen Vielzahl, wichtiger Veränderungen genannt: zunehmende Globalisierung, Planungsunsicherheiten, Innovationssprünge (Technischer Wandel), Verknap- pung von Ressourcen, Steigerung der Komplexität, et cetera. Dabei ist heute schon klar, dass nur Organisationen, die sich den dynamischen Rahmenbedingungen der Umwelt stellen und fle- xibel anpassen können, künftig überlebens- und wettbewerbsfähig sein werden (vgl. Doppler / Lauterburg, 2008, S. 5; Schaecke / Müller, 2003, S. 6).

Dass Veränderungen nicht nur im Umfeld von Unternehmen stattfinden oder diese betreffen, be- weist der Bereich der Normung und Standardisierung. In vielen wissensintensiven Forschungs- und Anwendungsfeldern, erweist es sich, im Zuge von immer komplexer und schneller wer- denden technischen Entwicklungen1, als notwendig, normungsrelevante Aktivitäten entwick- lungsbegleitend voranzutreiben. Das Vorhandensein bzw. das Fehlen von Normen und Stan- dards stellt hierbei einen nicht unwesentlichen Faktor für den Erfolg oder Misserfolg von Tech- nologien dar. Der gezielte Einsatz entwicklungsbegleitender Normung kann sich für die Un- ternehmen als ein entscheidender strategischer Vorteil herausstellen, da so das Management des technischen Wandels besser begleitet und somit eine Beschleunigung der Diffusion neuer Technologien im Markt erreicht werden kann (vgl. Kleinaltenkamp, 1996, S. 81). Technische Veränderungen nehmen somit Einfluss auf die traditionelle Sichtweise der Normung und Stan- dardisierung, da sich nicht mehr nur alleine, auf die Beschreibung des allgemein verbreiteten und anerkannten „Standes der Technik“, beschränkt werden kann (vgl. Thiard / Pfau, 1992, S. 13).

Der Einfluss von Veränderungen im Normen- und Standardisierungsbereich von Unternehmen ist nicht weniger einschneidend, wirkt doch der hervorgerufene Veränderungsdruck, direkt auf die Unternehmensstrukturen und beeinflusst damit auch den Bereich der Normung (DIN, 2003, Standardisierung im Kontext von Change Management S. 8). So sind die Aufgaben im Normen- und Standardisierungsbereich von Unternehmen in den letzten Jahren gewachsen, so dass zunehmend breit aufgestellte Dienstleistungsabteilun- gen2 entstehen, deren Aufgabenspektrum weit über das einer traditionellen Normenabteilung hinausgeht. Ein Themenbereich, der in diesem Zusammenhang bislang viel zu wenig unter- sucht wurde, ist der Stellenwert der Abteilung Dienstleister zur Standardisierung, im Kontext von Change Management.

Zusammenfassend gehen die stattfindenden Veränderungen von Rahmenbedingungen zum Teil mit einer enormen Geschwindigkeit von statten. Die Fähigkeit, sich anzupassen und auf Ver- änderungen zu reagieren, wird somit, für eine Vielzahl von Organisationen, zu einer wichtigen Kompetenz, wenn nicht sogar zu einer Kernkompetenz. Change Management stellt folglich eine Daueraufgabe im täglichen Managementalltag dar und die Normung spielt dabei eine ernst zu nehmende Rolle.

1.2. Zielsetzung

Ziel dieser Arbeit ist es, den Stellenwert der Standardisierung im Kontext von Change Management, anhand einer empirischen Untersuchung, zu analysieren und darzustellen. Dieses Ziel soll im Folgenden, anhand eines vierstufigen Vorgehens erreicht werden.

In einem ersten Schritt soll zunächst ein Überblick über die unterschiedlichen Sichtweisen und Ansätze des Change Managements, sowie den aktuellen Stand der Diskussion, zu diesem Themenkomplex, gegeben werden. Das hierbei verfolgte Ziel ist es, dem Leser ein gewisses Grundverständnis zum Change Management mit an die Hand zu geben, sowie ein einheitliches Begriffsverständnis, für den weiteren Verlauf der Arbeit, zu definieren.

In einem zweiten Schritt, soll der Einfluss von Veränderungen im Normen- und Standardisie- rungsbereich von Unternehmen, näher vorgestellt werden. Die Aufgaben in diesem Bereich sind in den letzten Jahren gewachsen, so dass zunehmend breit aufgestellte Dienstleistungsabteilun- gen entstehen, deren Aufgabenspektrum weit über das einer traditionellen Normenabteilung hinausgeht. Eine solche Dienstleistungsabteilung kann Aufgaben, unter anderem aus Bereichen des Wissens-, Informations- Workflow- und Qualitätsmanagements übernehmen, Schutzrechte und Produktzulassungen durchsetzen und weiterhin die traditionellen Aufgaben der Verarbei- tung, Erstellung und Verwaltung von Normen und Standards erfüllen. Gerade aber die Nor- mung und Standardisierung im Kontext von Veränderungen, insbesondere durch Innovationen, hat in den letzten Jahren stark an Interesse und Bedeutung gewonnen. Wie die Normung auf technische Innovationen möglichst schnell und effizient reagieren kann, soll im Schwerpunkt behandelt werden.

In einem dritten Schritt soll, die Theorie des Change Managements, sowie die Grundlagen der Normung und Standardisierung im Kontext von Veränderungen, als Basis für eine empirische Analyse dienen. In dieser soll der Stellenwert von Change Management in den Unternehmen, anhand der Aussagen der Dienstleister zur Standardisierung, diskutiert werden. Ein besonderes Augenmerk wird hierbei auf die Wichtigkeit von Change Management, die Ursachen von Ver- änderungen für die Unternehmen, die Rolle der Dienstleister zur Standardisierung an Verände- rungsprojekten und den stattfindenden technischen Wandel, gelegt. Hierzu wurden Hypothesen entwickelt, die im Abschnitt 4.1.1 vorgestellt und im weiteren Verlauf der Arbeit, ausgewertet werden.

Abschließend soll, im vierten Schritt, der Schwerpunkt auf den in den letzten Jahren stattgefun- denen technischen Wandel in den Unternehmen gelegt und anhand von ausgewählten Beispielen veranschaulicht werden, welche Rolle die Normung/Standarsisierung dabei spielt. Hierzu wird zunächst der technische Wandel, bezogen auf ein Produkt, am Beispiel von Filmspeichermedien dargestellt. Bezogen auf die Informations- und Kommunikationsverarbeitung in Unternehmen, folgen zusätzlich Beispiele zur technischen Entwicklung von CAD-Programmen, sowie der Im- plementierung eines Produkt-Daten-Managementsystems in einem mittelständischen Unterneh- men.

1.3. Konzept der Arbeit

Das sich aus der Zielsetzung dieser Arbeit ergebende Konzept, sowie einen ersten Überblick über den Aufbau der einzelnen Kapitel, kann den folgenden Ausführungen entnommen werden.

Einleitend wird im zweiten Kapitel ein allgemeiner Überblick über den Themenkomplex Change Management gegeben. Hierzu werden zunächst unterschiedliche Sichtweisen zum allgemeinen Verständnis der Begriffe „Veränderung“ und „Change Management“ dargelegt, um darauf auf- bauend eine grundlegende Definition des Begriffes „Change Management“, für den weiteren Gang diese Arbeit, festzulegen. Wie Veränderungsprozesse ablaufen, soll anschließend, anhand einer Auswahl von möglichen theoretischen Modellen, dargestellt werden. Im weiteren Gang des Kapitel wird auf die Ziele, Instrumente und Treiber von Veränderungen näher eingegangen.

Im Rahmen des dritten Kapitels wird der Bereich Normung und Standardisierung im Kontext von Veränderungen näher beschrieben. Dabei wird das Gebiet der technischen Innovationen, als möglicher Anlass von hervorgerufenen Veränderungen, im Schwerpunkt beschrieben. Nachdem zentrale Begrifflichkeiten definiert sind, soll verdeutlich werden, welche Rolle die Normung und Standardisierung, innerhalb von Innovationsprozessen, einnehmen kann. Im Schwerpunkt der Darstellung steht dabei die Konzeption der entwicklungsbegleitenden Normung (EBN). Dieses Konzept wird ausführlich beschrieben, sowie einer kritischen Wertung unterzogen.

Im vierten Kapitel werden die Ergebnisse der empirischen Untersuchung, zur Abteilung Dienst- leister zur Standardisierung, ausgewertet. Die Dienstleister zur Standardisierung sind die orga- nisatorischen Einheiten, innerhalb der Unternehmen, die sich mit dem Themenkomplex Nor- mung und Standardisierung auseinander setzen. Dabei stellt sich die Frage, inwieweit die Dienst- leister zur Standardisierung, eine Rolle im Rahmen von Change Management Aktivitäten (Ver- änderungsprojekten) spielen. Anhand der in Abschnitt 4.1.1 aufgestellten Kernhypothesen, wird diese und andere Fragen, im Zusammenhang mit der Abteilung Dienstleister zur Standardisie- rung, untersucht.

Im Zuge des fünften Kapitels werden die Themenkomplexe zum technischen Wandel, die sich im Rahmen der empirischen Untersuchung, als bedeutsam für die befragten Dienstleister zur Standardisierng herausgebildet haben, näher untersucht. Konkret wird der technische Wandel und die Rolle, die die Normung/Standardisierung darin spielt, anhand von Fallbeispielen, in Bezug auf die Entwicklungsstufen von Filmspeichermedien und CAD-Versionen, sowie die Einführung eines Produktdaten-Management-Systems, in einem mittelständischen Unterneh- men, erläutert.

2. Das Konzept des Change Managements

Das Kapitel, „Das Konzept des Change 3 Managements“, dient der Darstellung der theoretischen Grundlagen zum Themenkomplex Change Management und stellt den ersten der beiden einleitenden Theorieteile, in dieser Arbeit, dar.

Primär soll ein allgemeiner Überblick über das Themengebiet Change Management gegeben, sowie ein grundsätzliches Verständnis davon, was unter Change Management verstanden wer- den kann, vermittelt werden. Hierzu werden zunächst unterschiedliche Sichtweisen zum allge- meinen Verständnis der Begriffe „Veränderung“ und „Change Management“ dargelegt. Darauf aufbauend wird eine grundlegende Definition des Begriffes „Change Management“, für den weiteren Gang dieser Arbeit, festgelegt. Wie Veränderungsprozesse ablaufen, soll anschließend, anhand einer Auswahl von möglichen theoretischen Modellen, dargestellt werden. Im weiteren Verlauf des Kapitels wird auf die Ziele, Instrumente und Treiber von Veränderungen näher ein- gegangen.

2.1. Paradigmen zum Change Management

Schaecke und Müller (2003, S. 7) kritisieren die Verwendung des Begriffes Change Management als „Modewort“ oder „Container-Begriff“, sowie Autoren, die den Begriff Change Management “undifferenziert für verschiedenste Sicht- und Vorgehensweisen verwenden, die in irgendeiner Weise mit Veränderung zu tun haben“.

Aus dieser Meinung heraus beschäftigt sich dieser erste Teil des Kapitel mit den unterschiedlichen Paradigmen zum Thema Change Management. Er dient der Definition und Abgrenzung zentraler Begriffe, sowie der Darstellung von ausgewählten Sichtweisen zum Verständnis von Change Management.

Wie sich im Folgenden zeigen wird, gibt es bis zum heutigen Zeitpunkt keine einheitliche De- finition des Begriffes Change Management. Vielmehr gibt es zahlreiche und unterschiedliche Facetten der Betrachtungsweise und damit einhergehend Unschärfen bei der Definition (vgl. Claßen, 2008, S. 38; Schaecke / Müller, 2003, S. 7). Auf diese Aspekte soll im Folgenden näher eingegangen werden.

2.1.1. Der Begriff „Veränderung“

Langenscheidts Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache nennt allgemein und disziplinunabhängig drei mögliche Beschreibungen und Definitionen des Begriffes „Veränderung“. Diese Beschreibungen sind die folgenden:

- Veränderung ist „eine Handlung, durch die etwas anders wird“. Bei dieser Beschreibung steht die Tätigkeit, die einen Sachverhalt verändert, im Vorder- grund.
- Veränderung ist „der Vorgang, der Prozess, durch den etwas anders wird“ bzw. „eine Veränderung tritt ein, geht in jemanden/etwas vor“. Diese Beschreibung rückt den Veränderungsprozess, also den Durchführungsaspekt einer Veränderung, in den Vordergrund.
- „das Ergebnis einer Veränderung“. In dieser letzten Beschreibung liegt der Schwerpunkt auf dem Ergebnis und damit auf dem Resultat oder Folge einer Veränderung. (Langenscheidt, 2009)

Neben diesen Beschreibungen kann weiterhin zwischen einem „passiven“ oder einem „aktiven“ Gebrauch des Verbs „verändern“ unterschieden werden. Hierbei kann etwas oder jemand verändert werden oder etwas oder jemand verändert (vgl. Baumöl, 2008, S. 70).

Im Zusammenhang mit dem Begriff „Veränderung“ wird häufig die Bezeichnung „Wandel“ genutzt. Dabei erfolgt, nach Meinung Baumöls, nur in den wenigsten Quellen eine klare und eindeutige Differenzierung zwischen diesen Begriffen. Vielmehr werden diese Bezeichnungen in der Literatur gegeneinander ausgetauscht und als Synonyme verwendet. Allgemein versteht man unter dem Begriff Wandel den „Übergang von einem Zustand in einen anderen“ (Langen- scheidt, 2009). Wandel ist nach Langenscheidts Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache mit dem Begriff „Veränderung“ gleichzusetzen. Beide Begriffe, sowohl Veränderung, als auch Wan- del können durch den englischen Begriff „change“ übersetzt werden (Leo, 2009) (vgl. Baumöl, 2008, S. 69).

Für die nachfolgende Arbeit soll die Bezeichnung „Veränderung“, als eine stringente Subsumtion aller damit in Verbindung stehenden Begriffe, verstanden werden.

Ausgehend von einer allgemeinen und umgangssprachlichen Verwendung des Begriffes Ver- änderung, soll nachfolgend, für die beiden wissenschaftlichen Disziplinen Betriebswirtschafts- lehre und Ingenieurwissenschaften, das Verständnis des Begriffes in den Teildisziplinen darge- stellt werden. Zentraler Unterschied dieser Disziplinen ist das zu untersuchende Gestaltungs- oder Erkenntnisobjekt. Die Betriebswirtschaftslehre untersucht das Erkenntnisobjekt „Unter- nehmen“, währenddessen sich die Ingenieurwissenschaften mit mechanischen, elektrischen und naturwissenschaftlichen Systemen beschäftigen. Aus diesen unterschiedlich zugrundeliegenden

Erkenntnisobjekten und das Setzen von bestimmten Schwerpunkten, innerhalb der Teildisziplinen, ergeben sich verschiedene und autorenspezifische Verständnisse zum Veränderungsbegriff (vgl. Baumöl, 2008, S. 70 ff.).

Abbildung 1 stellt verkürzt die beiden Definitionsansätze des Begriffes Veränderung für die Disziplinen Betriebswirtschaftslehre und Ingenieurwissenschaften gegenüber.

Disziplin Definitionsansatz

Betriebswirtschaftlehre

Ingenieurwissenschaften

Veränderung ist in der Betriebswirtschaftslehre und dessen Ge- staltungsobjekt „Unternehmen“, je nach Autor, entweder in der Erkenntnistheorie, der Psychologie oder der Systemtheorie verankert. Die vier Prozesstheorien (teleologisch, dialektisch, Lebenszyklus/Wachstum, evolutionär) stellen eine Grundord- nung für den Veränderungsbegriff dar, der durch die Berück- sichtigung des Ergebnisses als „statische“ Veränderung ergänzt wird.

Die Ingenieurwissenschaften verstehen unter Veränderung die Anpassung eines technischen, chemischen oder biologischen Systems an veränderte Anforderungen. Der Begriff umfasst hier sowohl die Prozessperspektive einschließlich der Strate- gie, die für die Zielerreichung einsetzbar sind, als auch die Be- trachtung des Endzustandes.

Abbildung 1: Definitionsansätze des Begriffes „Veränderung“ Quelle: Baumöl, 2008, S. 78

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Einführend zeigt sich, dass der Begriff „Veränderung“ auf unterschiedliche Art und Weise belegt und definiert ist. Dies trifft auch für den Begriff „Change Management“ und dessen Verständnis zu. Im nächsten Abschnitt sollen verschiedene Sichtweisen und mögliche Definitionen dieses Begriffes dargestellt und beschrieben werden.

2.1.2. Unterschiedliche Sichtweisen zum Verständnis von Change Management

Nach Claßen (2008, S. 38) ist Change Management „ein bereits klassischer Begriff aus der Managementlehre, im Beraterjargon und in der Medienlandschaft“ und erfreut sich „ungebrochener Aktualität und Relevanz“. Claßen macht diese These anhand der gestiegenen Suchanfragen, zwischen 2005 und 2008, fest. In dieser Zeit kam es zur Verfünffachung der Suchanfragen des Begriffes „Change Management“ bei der Internetsuchmaschine Google.

Dieser Fakt zeigt, wie groß die Menge an zur Verfügung stehenden Informationen ist und wie unterschiedlich die vertretenden Sichtweisen zu diesem Themengebiet sind. Dies drückt sich beispielhaft an der Fülle der zur Verfügung stehenden Definitionen des Begriffes Change Ma- nagement aus.

Im Folgenden soll sich auf zwei Wegen den möglichen Definitionen des Begriffes Change Ma- nagement angenähert werden. Zum einen sollen mögliche Definitionen aus Sicht einzelner Au- toren wiedergegeben werden, zum anderen sollen aber auch die unterschiedlichen Auffassungen (Definitionen) der betrieblichen Praxis, dargestellt werden. In Hinblick auf den Umfang dieser Arbeit soll die Vielzahl an möglichen Definitionen zum Begriff Change Management, auf ei- nige wesentliche reduziert bleiben. Zum Ende dieses Abschnittes wird, aus den Kernelementen der verschiedenen Begriffsdefinitionen, eine für diese Arbeit passende Definition, des Begriffes Change Management, angegeben.

Bergmann und Garrecht (2008, S. 187) definieren den Begriff Change Management wie folgt:

„Change Management ist der Überbegriff für das professionelle Management von Veränderungen“, sowie „Change Management ist der Umgang mit geplantem und systematischem Wandel, der durch die Beeinflussung der Organisationsstruktur, Unternehmenskultur und individuellem Verhalten der Organisationsmitglieder zu Stande kommt.“

Unternehmen sind dabei ständig mit wechselnden Situationen und Veränderungen konfrontiert. Das heißt eine Veränderung muss nicht sogleich das gesamte Unternehmen betreffen, sondern kann sich auch auf Teilbereiche und kleinere Projekte des Unternehmens beziehen (vgl. Bergmann / Garrecht, 2008, S. 187).

Die Autoren Kraus, Becker-Kolle und Fischer (2004, S. 15) verstehen Change Management als „Überbegriff für professionelles Management von Veränderungen“. Dieser Teil ist damit deckungsgleich zur ersten Definition von Bergmann und Garrecht.

Im zweiten Teil definieren Kraus, Becker-Kolle und Fischer (2004, S. 15) Change Management als einen „Meta-Begriff, der einzelne Konzepte subsumiert, die sich durchaus ergänzen oder auch widersprechen können“.

Dieser Teil unterscheidet sich von der Definition von Bergmann und Garrecht darin, dass nicht auf bestimmte Bereiche des Unternehmens eingegangen wird, sondern versucht wird Change Management, als übergeordnetes Meta-Kriterium, einzelne Methoden und Konzepte, zuzuwei- sen. Die Definition ist damit allgemeingültiger, als die Definition von Bergmann und Garrecht, formuliert.

Gouillart und Kelly sollen den Abschluss an möglichen Definitionen für den Begriff Change Management, aus Sicht einzelner Autoren, bilden. Die Autoren verwenden dabei mit der Bezeichnung „Veränderungsmanagement“ einen synonymen Begriff.

„Veränderungsmanagement ist die bewusste Gestaltung von Veränderungsobjekten, die mit einem hohen Grad an Zielorientierung und Akzeptanz durch die Betroffenen einhergeht.“ (Gouillart / Kelly, 1995, S. 34 f.)

Veränderungen betreffen oft Menschen und deren Einbindung in Organisationen. Fehlende Einbindung von Menschen kann zu Widerständen bei der Umsetzung und Gestaltung von Veränderungsobjekten führen. Gouillart und Kelly rücken mit dieser Definition von Change Management diesen Gedanken in den Vordergrund ihrer Überlegungen.

Aus Sicht der betrieblichen Praxis wird Change Management anders definiert und zum Teil anders wahrgenommen. Claßen beschreibt, aufgrund seiner Beratungstätigkeit im Bereich des Change Managements, die Sichtweise der betrieblichen Praxis zum Thema Change Manage- ment wie folgt:

„Unter Change Management werden die unterschiedlichen Theorien und Ansätze, Prozesse und Methoden verstanden. Sie alle vermögen nur einen Teil der Aufga- benwelt komplexer Veränderungsprozesse in der Praxis abzubilden. Die betriebli- che Praxis macht es sich hingegen einfach und definiert Change Management ganz pragmatisch als das, was unter dem Label Change Management veranstaltet wird.“ (Claßen, 2008, S. 38 f.)

Im Folgenden sollen die Ergebnisse einer Studie von Claßen, zum Thema unterschiedliche Sichtweisen von Definitionen zum Change Management, zusammengefasst wiedergegeben wer- den. Dabei wurden den Befragten sechs verschiedene Change Management Definitionen zur Auswahl gestellt. Der Wert in Klammern zeigt die prozentuale Übereinstimmung der Befragten mit der Definition.

-Planungsorientierte Definition: Change Management ist ein geplanter Prozess zur Veränderung von Kultur, Systemen und Verhalten einer Organisation mit dem Ziel, die Effizienz dieser Organisation bei Problemlösung und Zielerreichung zu verbessern (31%).
- Stakeholderorientierte Definition: Change Management ist der organisierte und systematische Ansatz zum Umgang mit Veränderungen sowohl aus Sicht des Unternehmens wie auch aus Sicht des Mitarbeiters (24%).
- Ergebnisorientierte Definition: Change Management ist die aktive und gesteu- erte Begleitung von Veränderungsprozessen mit dem Ziel, Geschäftsziele und
-ergebnisse zu erreichen (20%).
- Prozessorientierte Definition: Change Management ist ein kontinuierlicher
Prozess zur Sicherstellung von Veränderungsergebnissen (Planung-Realisierung- Stabilisierung-Controlling) und mehr als eine einmalige Aktivität (10%).
- Systemorientierte Definition: Change Management ist die Zusammenfassung von Prozessen, Instrumenten und Techniken mit der Absicht, intendierte Veränderungsergebnisse sicherzustellen (7%).
- Ursachenorientierte Definition: Change Management beseitig die Ursachen und Widerstände gegenüber Veränderungen und geht damit über die bloße Beseitigung von Symptomen hinaus (7%).“ (Claßen, 2008, S. 39)

Die Verteilung der Antworten streut in einem hohen Maße, wobei deutlich wird, dass es keine allgemein anerkannte Definition von Change Management, in der Praxis, gibt. Diese Ergebnisse lassen eher den Schluss zu, dass eine Vielzahl an Sichtweisen im Bereich des Change Manage- ments existieren und diese durch situative, personelle und theoretische Aspekte bestimmt wer- den. Ein Problem welches sich aus dem heterogenen Begriffsverständnis ergibt, sind die erfor- derlichen Abstimmungen im Vorfeld eines Projektes, in dem eine gemeinsame Verständnisbasis unter allen Beteiligten geschaffen werden muss (vgl. Claßen 2008, S. 39 f.). Eine einheitliche Verständigungsbasis könnte in diesem Zusammenhang entstehende Transaktionskosten redu- zieren.

Zusammenfassend zeigt sich die Schwierigkeit den Begriff Change Management einheitlich zu definieren. Je nach Sichtweise versuchen Definitionen den Begriff auf der Lokal-, andere auf der Globalebene zu beschreiben. Gemeinsam ist allen Definitionen ein bestimmter Grad an Unschärfe. Dies liegt an der zum Teil parallelen und überschneidenden Verwendung von Kernelementen und der Ausblendung von Sachverhalten. Insgesamt stellt es sich aus diesen Gründen als besonders schwierig heraus, im Rahmen einer empirischen Untersuchung, eine Definition von Change Management zu finden, die von allen Befragten uneingeschränkt geteilt wird. Daher muss eine sehr allgemeine Begriffsdefinition verwendet werden, um die vielfältigen Aspekte, die im Begriff Change Management enthalten sind, entsprechend abzudecken. In der Folge soll die der Arbeit zu Grunde liegende Definition, des Begriffes Change Management, wie folgt definiert werden:

Unter Change Management „lassen sich alle Aufgaben, Maßnahmen und Tätigkeiten zusammenfassen, die eine umfassende, bereichsübergreifende und inhaltlich weit reichende Veränderung - zur Umsetzung von neuen Strategien, Strukturen, Systemen, Prozessen oder Verhaltensweisen - in einer Organisation bewirken sollen.“ (TQM Consulting Group AG, 2009)

2.2. Ansätze des Change Managements

Phasen- und Stufenmodelle erfreuen sich in der Theorie und Praxis des Change Managements großer Beliebtheit. Die organisationalen Veränderungen sind häufig sehr komplex, sodass eine vereinfachte Darstellungsweise dieser Veränderungsprozesse, anhand von Modellen, sehr hilf- reich ist.

Bisweilen existiert eine Vielzahl ganz unterschiedlicher Modelle. Fast alle von ihnen haben gemeinsam, dass Veränderungsprozesse in unterschiedliche Phasen untergliedert werden.

Im Folgenden werden, stellvertretend für die große Anzahl an verfügbaren Modellen, die drei Bekanntesten und Wichtigsten genauer betrachtet.

2.2.1. Organisationsentwicklung nach LEWIN

Das bekannteste und eines der ersten Phasenmodelle, das den Ablauf von Veränderungspro- zessen beschreibt, wurde im Jahr 1958 von Kurt Lewin entwickelt. Dieses Modell gab rich- tungsweisende Anstöße zur Entwicklung der bis heute aktuellen Grundkonzepte, zum geplan- ten organisationalen Wandel. Es konnte zwar nicht empirisch nachgewiesen werden, ist aber eingängig und auf den ersten Blick sehr plausibel aufgebaut (vgl. Greif et al., 2004, S. 56). Le- win´s Modell wird immer wieder zitiert und in abgewandelter Form verbreitet (vgl. Greif et al., 2004, S. 140).

Phase 1 Phase 2 Phase 3

Auftauphase Veränderungsphase Stabilisierungsphase

unfreezing moving refreezing

Neuer Gleichgewichtszustand

Ausgangsgleichgewicht

Abbildung 2: Drei Phasen Modell nach Lewin Quelle: In Anlehnung an Lewin, 1958, S. 210 f.

Wie die Abbildung 2 verdeutlicht, sieht Lewin die Ausgangssituation vor Veränderungen als eine Art Gleichgewichtszustand konkurrierender Stabilitäts- und Veränderungskräfte an. Sta-bilisiert wird dieser durch Strukturen der Organisation und durch individuelle Gewohnheiten ihrer Mitglieder. Diese stabilisierenden, organisationalen Strukturen und Prozesse müssen in einer ersten Phase (unfreezing) zunächst einmal „aufgetaut“ werden (vgl. Greif et al., 2004, S. 56). Hierzu ist es notwendig, die sich gegen Veränderungen auflehnenden Kräfte zu verringern und die, die Veränderung fördernden, Kräfte zu stärken (vgl. Strunz et al., 2001, S. 203).

Der Auslöser für den Auftauprozess kann sowohl aus der Organisation (z. B. durch: Feh- leranalyse, neue Mitarbeiter usw.), als auch von außen (z. B. durch: sinkenden Börsenwert, Marktanteilseinbußen, öffentliche Kritik an dem Unternehmen) hervorgehen. Häufig scheitern oder missglücken Veränderungsprojekte, wenn in dieser ersten Phase das „Auftauen“ versäumt wurde und man ein Ziel zu schnell erreichen wollte (vgl. Schreyögg, 2008, S. 412).

In der zweiten Phase (moving) erfolgen die eigentlichen Veränderungen. Diese Phase bildet einen Übergangsprozess. Die Organisationsmitglieder sollen für neue Einstellungen und Verhaltensweisen zugänglich gemacht werden, um ihr Verhalten zu ändern.

Zur Realisation des neuen Konzeptes werden zunächst relevante Informationen gesammelt und aufbereitet, Lösungsmöglichkeiten generiert, bewertet, ausgewählt und schließlich die Verän- derung durchgeführt (vgl. Bergmann / Garrecht, 2008, S. 195 f.). In der Veränderungsphase besteht zudem die Gefahr, dass auf Initiative der Organisationsmitglieder die Veränderungen, ganz oder teilweise, wieder rückgängig gemacht werden (vgl. Strunz et al., 2001, S. 202). Um dieses auf Dauer zu verhindern, werden in der dritten Phase (refreezing), die Veränderungen sta- bilisiert und wieder „eingefroren“ (vgl. Schreyögg, 2008, S. 412). Hierdurch wird verhindert, dass die Organisation, nach einer Weile, wieder in den alten Zustand zurückfällt. Geeignete In- strumente für das „refreezing“ sind beispielsweise innerbetriebliche Standards (Werknormen) und Normen. Auch werden in dieser Phase die, mit dem neuen Konzept, gemachten Erfahrun- gen ausgewertet und als Grundlage für weitere Veränderungen und Anpassungen genommen (vgl. Bergmann / Garrecht, 2008, S. 196). Die Organisation hat, nach dem positiv verlaufenen Veränderungsprozess, einen neuen Gleichgewichtszustand, der konkurrierenden Stabilitäts- und Veränderungskräfte, erreicht (vgl.Greif et al., 2004, S. 56).

Insgesamt schafft das recht einfache Modell von Lewin eine Orientierungsgrundlage für alle am Veränderungsprozess Beteiligten, die in die Entscheidungsfindung mit eingebunden werden. Es dient, trotz des schon langen Bestehens, immer noch als Grundlage für zahlreiche, aktuelle Modelle über organisationale Veränderungsprozesse.

2.2.2. Acht Phasen Modell nach SIEVERS

Sievers entwickelte im Jahr 1980 ein Acht Phasen Modell zur Organisationsentwicklung. Er geht in seinem Modell davon aus, dass weder die Vorgesetzten, noch die Mitarbeiter des Perso-nalwesens, regelmäßig die Organisationsentwicklung steuern und umsetzen. Es wird vielmehr auf Berater mit spezifischem Fachwissen zurückgegriffen, die die Veränderung, unbelastet von den vielfältigen Verwicklungen des Alltagslebens, in der Organisation durchführen können. Die Berater können sowohl Organisationssexterne, als auch Organisationsinterne sein. Bei letzteren handelt es sich um Beschäftigte, von meist größeren Organisationen, deren Aufgabe in der In- itiierung und Durchführung der Veränderungsprozesse besteht (vgl. Sievers, 1980, S. 5 ff.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Acht Phasen Modell nach Sievers Quelle: In Anlehnung an Sievers, 1980, S. 6

Wie die Abbildung 3 verdeutlicht, beginnen Veränderungsprozesse, oder bei Sievers Organisa- tionsentwicklungsprojekte, mit einem ersten Kontakt zwischen dem Klienten und dem Berater. Der Klient kann beispielsweise eine Abteilung, aber auch eine ganze Organisation sein.

Es folgen Vorgespräche in denen geklärt wird, ob ein langfristiger Veränderungsprozess in Angriff genommen werden soll, wie dieser aussehen könnte, welche Methoden angewendet werden könnten, welches die ersten Schritte sein würden und welche Rolle der Berater beim Veränderungsprozess übernehmen soll.

Im Anschluss folgt eine Vereinbarung zwischen dem Klienten und dem Berater. Diese beinhal- tet eine Erklärung seitens der Organisation, die die Trägerschaft für das Organisationsentwick- lungsprojekt übernimmt. Für externe Berater wird in dieser Phase ebenfalls ihr Lohn festgelegt, die gegenseitigen Erwartungen werden präzisiert und allgemein die Modalitäten der Zusam- menarbeit geregelt.

Die vierte Phase eines Organisationsentwicklungsprojektes besteht aus der Datensammlung. Mit Hilfe der Datensammlung erhalten die Beteiligten genaue Informationen über die umrisse- nen Problembereiche, ihre Hintergründe, sowie die unterschiedlichen Sichtweisen der Betroffe- nen. Die Betroffenen werden an der Datensammlung aktiv beteiligt, wozu als Instrumente zum Beispiel Einzel- und Gruppengespräche, eine beobachtende Teilnahme, gezielte Befragungen oder Besprechungen angewendet werden. Die erhobenen Daten werden im Anschluss gesich- tet, geordnet und aufbereitet.

Das Datenfeedback bildet hierbei eine Rückkopplung der Informationen, von den Durchführenden der Erhebung an die Befragten. Es erfolgt eine gemeinsame Auswertung der Daten. Hierdurch werden stimmige Ergebnisse erreicht und alle Betroffenen können sich mit den Ergebnissen und Lösungsansätzen identifizieren.

In einem nächsten Schritt besteht das anvisierte Ziel der Diagnose in einer klaren Definition des Problems sowie einer systematischen Problemanalyse.

Es schließt sich, die auf der Diagnose beruhende, Maßnahmenplanung und -durchführung an. Sollte es notwendig sein, so arbeitet der Berater im Vorfeld mit den Betroffenen an Problem- lösungsmodellen und Musterbeispielen, mit dem Ziel die Planungsqualifikation und - kompe- tenz zu verbessern. Die Maßnahmendurchführung nimmt insgesamt am meisten Zeit in An- spruch, denn einzelne Beschäftigte oder Gruppen übernehmen in dieser Phase die Initiative und auch die Verantwortung. Der Berater hat hier „nur“ die Aufgabe der Moderation der ablaufen- den Prozesse.

Der Abschluss des Organisationsentwicklungsprojektes besteht aus einer gemeinsamen Erfolgskontrolle. Diese dient der Auswertung des gesamten Projektes und gibt Aufschluss darüber, ob die ursprünglich gesteckten Ziele erreicht worden sind. Sollten sie nicht erreicht worden sein und Abweichungen in bestimmten Bereichen stattgefunden haben, so empfiehlt sich eine neue Datensammlung (vgl. Sievers, 1980, S. 5 ff.; Senking, 2004, S. 226 ff.).

Da in der Praxis ein Organisationsentwicklungsprojekt die Phasen eins bis acht kaum genau geradlinig durchläuft, hat Sievers in seinem Modell Rückkopplungen eingebaut, die bei Bedarf durchlaufen werden. Es kann beispielsweise ein Abbruch des Projektes schon in der Phase der Verhandlungen zur Vereinbarung stattfinden, oder ein Datenfeedback als Resultat ergeben, dass ein Problem nicht mehr existiert. Auch in der Diagnose-Phase kann die Erkenntnis entstehen, dass für das Organisationsentwicklungsprojekt relevante Daten gar nicht erfasst wurden und somit diese erneut erhoben werden müssen. Es ist sogar möglich, dass sich dieser Prozess mehrmals wiederholt. Ähnliches gilt auch für die Phase der Maßnahmenplanung und -durchführung (vgl. Sievers, 1980, S. 5 ff.; Senking, 2004, S. 226 ff.).

Insgesamt hat das Modell von Sievers viele Gemeinsamkeiten mit dem von Lewin. So werden in beiden Modellen die Organisationsmitglieder an dem Veränderungsprozess beteiligt, prägen diesen und übernehmen wichtige Aufgaben. Sievers betrachtet ebenfalls den Veränderungsprozess in Phasen, jedoch nicht in drei, sondern in insgesamt acht. Auch hat er Rückkopplungen zwischen den Phasen vorgesehen, die bei Lewin nicht vorhanden sind.

2.2.3. Acht Stufen Modell nach KOTTER

Ein, im Vergleich zum Drei Phasen Modell von Lewin, etwas umfangreicheres und ausführli- cheres Modell wurde 1995 von Kotter entwickelt. Kotter unterteilt den Ablauf eines erfolgrei- chen Veränderungsprozesses, ähnlich wie bei Sievers, in acht verschiedene Stufen oder Phasen. Diese müssen für einen erfolgreichen Veränderungsprozess durchlaufen werden (vgl. Kuhnert / Teuber, 2008, S. 2 ff.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Acht Stufen Modell nach Kotter

Quelle: In Anlehnung an Kotter, 1996, S. 21

In einem ersten Schritt muss nach Kotter ein Gefühl der Dringlichkeit für einen Wandel erzeugt werden. Erkennen lässt sich diese Dringlichkeit durch eine Untersuchung, der für die Organi- sation wichtigen Märkte. Hierbei wird auch ein Blick auf die Wettbewerber und die Kundenzu- friedenheit geworfen. Ebenfalls werden für das Unternehmen relevante, potenzielle Krisen und Möglichkeiten, zunächst identifiziert und anschließend diskutiert. Besonders wichtig ist es, in dieser ersten Phase, das Management von der Dringlichkeit des Wandels zu überzeugen.

In einem zweiten Schritt ist eine sogenannte Führungskoalition für die Durchführung des anvi- sierten Wandels, sprich ein „Change Team“, aufzubauen. Als besondere Voraussetzungen müs-sen die Mitglieder des Change Teams außerordentlich teamfähig sein und zwischen ihnen ein wechselseitiges Vertrauen bestehen. Sie müssen aber auch eine große Glaubwürdigkeit, ausgewiesene fachliche Expertise, sowie Führungsqualitäten besitzen und mitbringen. Das Change Team ist zusätzlich von der Organisation mit Machtbefugnissen auszustatten.

An dritter Stelle werden Visionen4 und Strategien entwickelt. Die Visionen werden häufig durch Einzelpersonen entworfen, im sich anschließenden Projektverlauf durch das Change Team weiter diskutiert, gestaltet und Strategien entwickelt, um die Vision umzusetzen.

In einem vierten Schritt muss die Vision des Wandels in der Organisation kommuniziert wer- den. Hierzu werden einfache Botschaften auf unterschiedlichen Kommunikationskanälen in der Organisation publik gemacht. Dieses kann durch Visualisierungen und Kampagnen unterstützt werden.

Die fünfte Phase steht für das Empowerment5 auf breiter Basis und umfasst organisations- und personalentwicklerische Maßnahmen. Es werden Systeme und Strukturen beseitigt, welche die angestrebte Vision versuchen zu verhindern.

In einem sechsten Schritt werden die kurzfristigen Ziele schon einmal ins Auge gefasst und sogenannte „Quick Wins“ generiert. Teilprojektabschlüsse und somit erste sichtbare Erfolge werden kommuniziert und gefeiert. Eine sichtbare Anerkennung und Belohnung der „Quick Wins“ ist zu beobachten.

In einem siebten Schritt werden die Erfolge konsolidiert. Diese Phase beinhaltet ebenfalls die Neueinstellung, Beförderung oder Freisetzung von Mitarbeitern, im Sinne der Veränderung. Zusätzlich findet eine Neubelebung des Prozesses durch weitere Projekte und Themen statt. Auch wird die neu gewonnene Glaubwürdigkeit genutzt.

Abschließend werden, in der achten Phase, die neuen Ansätze in der Organisationskultur ver- ankert. Hierzu wird der Zusammenhang zwischen Erfolg und „neuen“ Verhaltensweisen artiku- liert. Auch finden weitere Investitionen in ein effektiveres Management statt, um das Führungs- verhalten zu verbessern und das Leistungsniveau insgesamt hoch zu halten (vgl. Kotter, 1996,S. 20 ff.; Kuhnert / Teuber, 2008, S. 3 ff.).

Auch bei Kotter ist ein Zusammenhang zu dem Modell von Lewin erkennbar. So dienen die Schritte eins bis vier dazu, den „Status quo“ fundamental in Frage zu stellen und sind vergleich- bar mit der Auftauphase von Lewin. Die Schritte fünf bis sieben sind Implementierungsschritte und entsprechen der Veränderungsphase von Lewin. Der Schritt acht schließlich dient der dauerhaften Verankerung des Wandels im Unternehmen und entspricht Lewins Stabilisierungsphase (vgl. Kuhnert / Teuber, 2008, S. 4). Ebenfalls ist eine Ähnlichkeit zwischen den Modellen von Kotter und Sievers erkennbar. In beiden Modellen gliedert sich der Veränderungsprozess in acht Phasen. Kotter hat, im Vergleich zu Sievers, jedoch keine Rückkopplungen zwischen den einzelnen Phasen berücksichtigt.

2.3. Ziele des Change Managements

Change Management zielt auf die Veränderung von Interaktionsprozessen in Organisationen ab. Mittel des Change Managements sind einerseits die Auswahl unterschiedlicher Managementkonzepte, andererseits die Implementierung von neuen Strategien zur Organisationsausrichtung (vgl. Moser / Lockström, 2007, S. 7). Für die Implementierung der neuen Strategien ist meistens ein grundlegender, organisatorischer Umbau notwendig. Wird ein grundlegender Veränderungsprozess in einer Organisation durchgeführt, so trifft dieser auf Widerstände. Hervorgerufen werden diese durch, sich gegen den Wandel sträubende, Kräfte und müssen zur erfolgreichen Umsetzung des Veränderungsprozesses abgebaut werden.

Hierzu ist es unverzichtbar die Gründe zu verstehen, die Menschen veranlassen können, Veränderungen abzulehnen (vgl. Schreyögg, 2008, S. 405 f.).

2.3.1. Organisatorischer Umbau

Jedes Unternehmen befindet sich im Wirkungsfeld vieler Faktoren und Rahmenbedingungen, die seine Entwicklung beeinflussen. Diese sind beispielsweise Kundenbedürfnisse, Märkte, Wettbewerb, gesetzliche Regelungen oder auch die Wirtschaftslage. All diese Faktoren sind relevante Umwelten, wirken maßgeblich auf die Organisation ein und bestimmen zusammen deren Erfolg oder Misserfolg. Damit eine Organisation auf Dauer erfolgreich bestehen kann, muss sie sich auf ihr Umfeld ausrichten, sich mit der Umwelt auseinandersetzen, wahrnehmen was vor sich geht, sich anpassen und Veränderungen in Kauf nehmen (vgl. Doppler / Lauter- burg, 2008, S. 120). Werden viele organisatorische Elemente, gleichzeitig in einer umfassende- ren Weise, geändert, so spricht man von einem grundlegenden organisatorischen Umbau.

Es ist also ein organisatorischer Umbau notwendig, welcher in die bestehenden Interaktionsprozesse der Organisation eingreift. Unterschieden wird hierbei zwischen inkrementalem Wandel und fundamentalem Wandel.

Unter inkrementalem Wandel versteht man eine schrittweise Veränderung der Interaktionspro- zesse in einer Organisation, welche die bestehende Logik dieser Organisation zu optimieren ver- Standardisierung im Kontext von Change Management sucht. Der inkrementale Wandel stößt selten auf Widerstand von Seiten der Mitarbeiter oder des Managements. Er verstärkt die vermeintlichen Stärken und ignoriert die vorhandenen Schwächen einer Organisation (vgl. Moser / Lockström, 2007, S. 7, S. 18 f.).

Fundamentaler Wandel bedeutet dagegen ein hohes Ausmaß an Veränderung der Interaktions- prozesse in einer Organisation. Er verändert die Perspektiven, Logiken und Paradigmen der Organisation (vgl. Moser / Lockström, 2007, S. 7, S. 18). Beim fundamentalen Wandel werden meist die vermeintlichen Stärken in Frage gestellt und die vorhandenen Schwächen transpa- rent gemacht. Dieses Verhalten stößt bei Mitarbeitern und dem Management auf Widerstand, da plötzlich die Erfahrungen und das Wissen der Vergangenheit, nicht mehr relevant sind und Angst vor den zukünftigen Anforderungen entsteht. Auch ist fundamentaler Wandel kein sin- guläres Ereignis, sondern ein länger andauernder Prozess (vgl. Moser / Lockström, 2007, S. 18 ff.).

2.3.2. Abbau von Widerständen

Ein fundamentaler Wandel in einer Organisation generiert auch immer Widerstände. Doch was ist überhaupt ein Widerstand, der bei der Durchführung von Veränderungsprozessen in einer Organisation auftritt? Doppler und Lauterburg (2008, S. 324) definieren den Begriff Widerstand wie folgt:

„Von Widerstand kann immer dann gesprochen werden, wenn vorgesehene Ent- scheidungen oder getroffene Maßnahmen, die auch bei sorgfältiger Prüfung als sinnvoll, ‘logisch‘ oder sogar dringend notwendig erscheinen, aus zunächst nicht ersichtlichen Gründen bei einzelnen Individuen, bei einzelnen Gruppen oder bei der ganzen Belegschaft auf diffuse Ablehnung stoßen, nicht unmittelbar nachvoll- ziehbare Bedenken erzeugen oder durch passives Verhalten unterlaufen werden.“

Widerstände treten dann auf, wenn die Mitarbeiter, oder sogar die gesamte Organisation, zu einer Veränderung der bisherigen Denk- und Handlungsweisen gezwungen werden.

Für den Aufbau von Widerständen gibt es sehr viele und unterschiedliche Gründe. So kann zum Beispiel bei Mitarbeitern die Angst entstehen, den neuen Herausforderungen, die durch den Wandel auftauchen, aufgrund von Qualifikationsdefiziten nicht gewachsen zu sein. Es exis- tiert bei ihnen meist aber auch Angst vor einem Kontrollverlust, der die Einflussmöglichkeiten auf die Gestaltung der eigenen beruflichen Zukunft betrifft, oder auch Ärger über die Alltags- friktionen des Wandels. Weiterhin herrscht häufig Unklarheit über die Legitimation bzw. die Notwendigkeit des Wandels, sowie über die innere Logik der geplanten Maßnahmen. Hinzu kommen Zweifel, ob das geplante Vorgehen überhaupt dazu geeignet ist, die gesteckten Ziele zu erreichen. Ein anderer Grund kann aber auch in einem unangemessenen Führungsverhal-ten oder in Handlungs- und Kommunikationsdefiziten der Führungskräfte liegen (vgl. Moser / Lockström, 2007, S. 25).

Widerstände sind somit ein wichtiges und immer mehr erfolgsentscheidendes Element, für das erfolgreiche Management einer Organisation (vgl. Moser / Lockström, 2007, S. 25).

Bei der Überwindung all dieser personellen Widerstände hilft das Change Management. Es sorgt dafür, dass erst gar keine Widerstände auftreten, oder diese recht frühzeitig erkannt und behoben werden.

Laut Greenberg und Baron lassen sich Widerstände durch Anwendung folgender Regeln über- winden:

1. Die mächtigsten und einflussreichsten Personen in der Organisation als „kriti- sche interne Unterstützungsmasse“ für Veränderungen gewinnen, an der sich die Restlichen orientieren
2. Personen, die Widerstand ausüben, ausfindig machen und durch überzeugende Argumente „neutralisieren“
3. Die Belegschaft erziehen und ihr die Ängste, vor den geplanten Veränderun- gen, nehmen
4. Einbeziehung der Mitarbeiter/innen in die Veränderungsprozesse
5. Konstruktive Handlungsweisen der Mitarbeiter/innen belohnen
6. Entwicklung einer „lernenden Organisation“
7. Berücksichtigung der speziellen internen und externen Organisationssituation (vgl. Greenberg / Baron, 2003, S. 604 ff.)

Werden diese Regeln von den, für die Umsetzung der geplanten Veränderungsprozesse, verantwortlichen Personen angewendet und befolgt, so stehen einer erfolgreichen Umsetzung eines Veränderungsprozesses auch fast keine Widerstände mehr entgegen.

2.4. Instrumente des Change Managements

Um Veränderungsprozesse in einer Organisation umsetzen zu können, müssen den damit beauftragten Personen, Instrumente an die Hand gegeben werden, welche sie bei der Durchführung der Veränderungsprojekte und Erreichung ihrer anvisierten Ziele unterstützen. Diese Instrumente stammen hauptsächlich aus dem Strategischen Management Prozess, dem Projektmanagement und der Personalentwicklung (vgl. Bergmann / Garrecht, 2008, S. 200). Ziel ist es, die richtigen Instrumente zum jeweils passenden Zeitpunkt zu identifizieren und anschließend in die Veränderungsprojekte zu implementieren (vgl. Capgemini, 2008, S. 26).

Aus Theorie und Praxis sind inzwischen Myriaden von Instrumenten bekannt, die mit zahlreichen Facetten und in unterschiedlichen Terminologien vorkommen. Jahr für Jahr werden neue Instrumente entwickelt und vermarktet. Diese sind zwar nicht immer „alter Wein in neuen Schläuchen“, aber meistens (vgl. Capgemini, 2008, S. 26).

Aufgrund der oben genannten Gründe ist es nicht möglich, alle Instrumente im Rahmen dieser Arbeit vorzustellen, es soll aber an dieser Stelle zumindest ein kurzer Überblick über die zehn bekanntesten und in der Praxis am häufigsten eingesetzten Instrumente gegeben werden.

Als Grundlage, für das „Ranking“ der Instrumente, dient eine im Jahr 2008 von Capgemini Consulting durchgeführte Studie. In dieser wurden Organisationen nach dem Bekanntheitsgrad von verschiedenen Change-Instrumenten gefragt. Das Ergebnis ist, dass die meisten ChangeInstrumente den Befragten bekannt sind und es nur wenige gibt, die weniger geläufig sind. Die zehn bekanntesten Instrumente zeigt Abbildung 5.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Bekanntheitsgrad von Change-Management-Instrumenten Quelle: In Anlehnung an Capgemini, 2008, S. 28 f.

Die vier meistbekannten Instrumente sind Training/Schulung, Personalentwicklung, Workshops und persönliche Kommunikation. Alle vier liegen mit 99 Prozent sehr nahe beim Maximal- wert von 100 Prozent und sind annähernd in jeder Organisation bekannt. Aber auch bei den weiteren sechs Instrumenten, wie Kommunikation per Intranet, Projektmanagement, Befragun- gen/Surveys, Führungsgrundsätze, Konfliktmanagement und Veranstaltungen/Events liegt der Bekanntheitsgrad noch bei mindestens 96 Prozent (vgl. Capgemini, 2008, S. 26 f.).

Ganz ähnlich, zum Bekanntheitsgrad der Change-Instrumente, verhält es sich auch mit dem Einsatz dieser. So wurden die Organisationen, von der Capgemini Consulting, ebenfalls nach den Instrumenten befragt, welche Sie regelmäßig einsetzen. Die zehn am häufigsten, regelmäßig eingesetzten Instrumente zeigt die Abbildung 6.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Regelmäßiger Einsatz von Change-Management-Instrumenten Quelle: In Anlehnung an Capgemini, 2008, S. 32

Mit 92 Prozent ist Training/Schulung das in den Organisationen am meisten eingesetzte Instru- ment, gefolgt vom Projektmanagement und der Kommunikation via Intranet, mit jeweils 91 Prozent. Es folgen, der Reihe nach: Veranstaltungen/Events, Workshops, Befragungen/Surveys, Personalentwicklung, Kommunikation via Print-Medien, persönliche Kommunikation sowie In- terviews. All diese zuletzt genannten Instrumente werden immerhin noch, von mindestens 81 Prozent der befragten Unternehmen, regelmäßig angewendet (vgl. Capgemini, 2008, S. 26 f.).

Bei einem Vergleich der beiden Abbildungen ist zu erkennen, dass die meisten Instrumente sowohl in der Rangliste der eingesetzten Instrumente, als auch in der Rangliste des Bekanntheitsgrades erscheinen. Einzig und allein die Kommunikation via Print-Medien ist in den „Top 10“ der regelmäßig angewendeten Instrumente auf Platz sieben gelandet und hat es im Bekanntheitsgrad nicht unter diese geschafft. Im Gegenzug dazu ist das Konfliktmanagement in den „Top 10“ der bekanntesten Change-Instrumente vorhanden, aber nicht in den „Top 10“ der regelmäßig angewendeten Instrumente.

Alles in allem ist es für eine erfolgreiche Durchführung von Veränderungsprozessen notwendig, zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Instrumente in ein Veränderungsprojekt zu implementieren. Nur so ist es möglich das Projekt möglichst erfolgreich und effizient durchzuführen und schließlich auch abschließen zu können.

2.5. Treiber von Veränderungen

Im folgenden Abschnitt der Arbeit sollen die Treiber von Veränderungen für Unternehmen und Organisationen näher beschrieben und klassifiziert werden. Ebenso wie bei den Begriffen Veränderung und Change Management gibt es auch bei dem Begriff „Treiber“, in der Literatur, verschiedene Verständnisse.

Einige Autoren verwenden den Begriff Treiber als Synonym für Personen, die für die Umset- zung von Veränderungen in Organisationen verantwortlich sind oder sich an Veränderungsvor- haben aktiv beteiligen, dafür aber nicht direkt verantwortlich sind (z. B. durch verbale Unter- stützung und Werbung für ein bestimmtes Veränderungsprojekt) (vgl. Kraus / Becker-Kolle et al., 2004, S. 47).

Die von den meisten Autoren und in der Literatur am häufigsten vertretende Sichtweise beschreibt, hingegen, den Begriff Treiber als Ursache von Veränderungen bzw. als Faktoren die unternehmerische Veränderungen auslösen. Treiber sind nach diesem Verständnis der Anlass bzw. die Ursache, warum ein Unternehmen sich anpassen und auf neue Gegebenheiten einstellen muss, um schlussendlich wettbewerbs- und überlebensfähig zu bleiben (vgl. Bergmann / Garrecht, 2008, S. 187 f.; Vahs, 2005, S. 270 f.).

Für diese Arbeit soll die zuletzt vertretende Meinung, zum Begriff Treiber, zu Grunde gelegt werden.

Generell gibt es eine endliche Anzahl an Treibern die Veränderungen in Unternehmen und Organisationen begründen können. Vahs und andere Autoren6 führen eine Klassifikation der Treiber von Veränderungen auf zwei grundlegende Ursachenkomplexe zurück:

- „externe Ursachen, also einen ’von außen’ auf die Organisation gerichteten Problemdruck durch den Wandel der Unternehmensumwelt, und
- interne Ursachen, also einen ’von innen’ auf die Organisation gerichteten Pro- blemdruck durch den Wandel der Unternehmensinwelt." (Vahs, 2005, S. 271)

Diese Einteilung erleichtert es die vielfältigen Treiber zu kategorisieren und dem Ursprung nach zu ordnen. Trotzdem gibt es einzelne Treiber die nicht eindeutig und überschneidungsfrei in die eine oder andere Klasse einzuordnen sind. Unter diese Klasse fallen zum Beispiel technische Innovationen und Entwicklungen. Je nach Sichtweise können sie sowohl internen, als auch ex- ternen Ursprungs sein.

Im Folgenden soll auf die oben genannten Ursachenkomplexe und die sogenannte Megatrends näher eingegangen werden.

2.5.1. Externe Treiber

Organisationen und Unternehmen sind offene und sozio-technische Systeme, die ständig von Veränderungen ihrer Umwelt betroffen sind. Treiber von Veränderungen können dabei ver- änderte Rahmenbedingungen im ökonomischen, technologischen, rechtlich-politischen, sozio- kulturellen und physisch-ökologischen Bereich sein (vgl. Bergmann / Garrecht, 2008, S. 187).

Zu den externen Treibern, die besonders stark auf Organisationen und Unternehmen wirken, zählen insbesondere die rasch wechselnden Marktgegebenheiten und der fortschreitende Wandel gesellschaftlicher Werte (vgl. Vahs, 2005, S. 271).

Kürzere Produktlebenszyklen und sinkende Absatzpreise sind lediglich zwei Indizien, die dar- auf hinweisen, dass Marktdruck und Wettbewerb ständige Begleiterscheinungen für eine Vielzahl von Unternehmen sind. Dabei lassen sich Marktdruck und Wettbewerb auf die im- mer weiter fortschreitende Globalisierung, sowie die zunehmende Liberalisierung des Welthan- dels zurückführen. Festzustellen bleibt, dass die Anzahl an geschlossenen Märkten oder auch Wirtschaftsbereichen, in denen einzelne Unternehmen Monopolstellungen innehaben, immer geringer wird. Dies stellt insbesondere ehemalige staatliche Monopolisten vor radikale Verän- derungen, da sich diese Unternehmen, um zu überleben, in einem neuen Marktumfeld orien- tieren und neu aufstellen müssen. Die dabei stattfindenden Veränderungen, sowie der mögliche Einsatz von Change Management, können am Beispiel der Deutschen Post DHL (ehemals Bun- despost und Deutsche Post) gut beschrieben werden.7

Weiterer Marktdruck entsteht durch die aufstrebenden asiatischen Länder, insbesondere Indien und China, sowie die Öffnung der Grenzen zu den osteuropäischen Märkten. Waren und Dienst- leistungen aus diesen Regionen können zu vielfach geringeren Kosten erstellt und produziert werden. Die Möglichkeit dieser Anbieter, Leistungen zu einem erheblich geringeren Preis an- bieten und absetzen zu können, deutet auf ein verändertes Käuferverhalten hin. Käuferverhalten kann damit als ein weiterer externer Treiber für Veränderungen von Unternehmen angesehen werden (vgl. Vahs, 2005, S. 271 f.).

Ein anderer Bereich der externen Treiber von Veränderungen ist der Wandel in gesellschaft- lichen Wertvorstellungen. Beeinflusst durch ein hohes Bildungs- und Wohlstandsniveau ist diese Entwicklung seit dem Ende der sechziger Jahre, insbesondere in Industrienationen, fest- zustellen. Nach Vahs ist diese Entwicklung durch den Übergang von materialistischen zu post- materialistischen Wertvorstellungen gekennzeichnet. Dies bedeutet, „dass die vormals dominie- rende Berufs-und Leistungsorientierung (’Leben um zu Arbeiten’) zunehmend durch eine he- donistische, dem Lustprinzip folgende Haltung abgelöst wird (’Arbeiten um zu Leben’)“ (Vahs, 2005, S. 272).

Diese Veränderung von gesellschaftlichen Wertvorstellungen stellt Organisationen und Unternehmen vor die Herausforderung, in angemessener Weise, geeignete Organisationsstrukturen zu schaffen, um damit Leistungspotenziale von Mitarbeitern zu erhalten und im Wettbewerb mit anderen Unternehmen konkurrenzfähig zu bleiben (vgl. Vahs, 2005, S. 271 f.).

Ein beträchtlicher Anpassungsdruck wird selbstverständlich auch durch Veränderungen in den rechtlichen Rahmenbedingungen, dem regulativen Umfeld und nicht zuletzt in dem für eine Unternehmung relevanten Katalog an Normen bzw. Standards ausgelöst. Deren Anwendung ist zwar zunächst freiwillig, kann aber dennoch per Sachzwang („de facto“) zur Notwendigkeit werden und mit beträchtlichem Aufwand einhergehen. Allerdings sind Veränderungen im Normenwerk nicht gänzlich exogen, da Unternehmen auch die Möglichkeit haben, auf die Ausgestaltung von Normen Einfluss zu nehmen.8

2.5.2. Interne Treiber

Unternehmen und Organisationen unterliegen im Laufe der Zeit unterschiedlichsten Veränderungen. Einen Ursachenkomplex bilden dabei interne Treiber. Als interne Treiber von organisatorischen Veränderungsprozessen wirken nach Vahs „in erster Linie Fehlentscheidungen der Vergangenheit, eine neue oder eine veränderte Unternehmensstrategie, neue Führungskonzepte und die Organisationsmitglieder“ (Vahs, 2005, S. 275).

- Fehlentscheidungen in der Vergangenheit (z. B. Fehlinvestitionen usw.) können verschiedene Bereiche der Organisation betreffen und führen meis- tens zu einem internen Problemdruck. Fehlentscheidungen können auf Orga- nisationen existenzbedrohend wirken und damit zu radikalen Veränderungs- prozessen führen.
- Neue und veränderte Organisationsstrategien lassen sich in den wenigsten Fällen mit alten Organisationsstrukturen umsetzen. Eine Veränderung von Strukturen ist, insbesondere bei innovativen Ideen, in den meisten Fällen, Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung neuer Strategie.
- Neue Führungs- und Managementkonzepte verstehen sich zum Teil selber als radikale Veränderungsprozesse in Organisationen (z. B. Lean-Management, Business-Process-Reengineering). Strukturen werden aufgelöst und durch neue ersetzt.
- Organisationsmitglieder sind ein nicht zu unterschätzender Treiber von Ver- änderungen in Organisationen. Sie sind Ursache von innerorganisationalen Problemen, die in vielfältiger Weise zum Vorschein kommen können (z. B.

Machtkämpfe, fehlende Identifikation mit den Organisationszielen usw.) (vgl. Vahs, 2005, S. 275 f.).

Eine andere Sichtweise, in der Kategorisierung interner Treiber, haben Bergmann und Garrecht. Diese Autoren gliedern mögliche interne Treiber nach den Übergängen in den Phasen der Un- ternehmensentwicklung9 und den dabei entstehenden Krisenpotentialen. Krisenpotentiale sind für sie dabei Auslöser von Veränderungsprozessen (vgl. Bergmann / Garrecht, 2008, S. 188 f.).

Nachteil dieser Kategorisierung ist die Festlegung auf bestimmte Unternehmensphasen und die damit einhergehende Einschränkung auf bestimmte Organisationstypen. Unternehmensphasen können anders verlaufen, ausgesetzt oder übersprungen werden. Die Kategorisierung von Vahs ist allgemeiner formuliert und ermöglicht die Zuordnung von Bergmann und Garrecht in die oben erklärten vier Klassen.

Ein Veränderungsdruck wird weiterhin durch die steigende Komplexität des Leistungserstel- lungsprozesses auf die Unternehmung ausgeübt. Komplexität wird nicht nur von außen, z.B. durch immer differenziertere Kündenwünsche, induziert, sondern entsteht auch unternehmensin- tern. Beispielsweise existiert in der Konstruktion ein natürliches Wachstum der Teilezahl, das sich früher oder später negativ auf die Leistungserstellung, z.B. durch ein erschwertes Retrie- val von Konstruktionsteilen oder einer erschwerten Lagerhaltung, auswirkt (vgl. Meyer, 1995,S. 167 ff.). Hierbei erweist sich insbesondere die vielfaltreduzierende Werknormung als ein leistungsfähiges Instrument zur Reduzierung der Komplexität in der Bereitstellung der Teile.

2.5.3. Megatrends

Neben den internen und externen Treiber von Veränderungen gibt es noch eine dritte wichtige Kategorie von Veränderungsursachen, die einen maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung von Organisationen und Unternehmen haben können. Diese Treiber von Veränderungen wer- den als sogenannten „Megatrends“ bezeichnet, worunter „weitgreifende Veränderungen in Ge- sellschaft, Wirtschaft und Technologie“ (Claßen, 2008, S. 29) verstanden werden. Megatrends bilden dabei den Hintergrund für eingetretene und ablaufende Veränderungsprozesse in Organi- sationen. Sie können bereits eingetreten oder noch Gegenstand der öffentliche Diskussion sein (vgl. Claßen, 2008, S. 29).

Ein Problem in der Klassifizierung von Ursachen von Veränderungen stellen die Überschnei- dungen von externen Treibern und Megatrends da. Schwierig ist dabei die Definition des Begrif- fes „weitgreifend“, als Unterscheidungsmerkmal eines Megatrends von einem externen Treiber. Aufgrund der Definitionsschwierigkeiten dieses Begriffes und der Veränderung der Bewertung zeitlicher Betrachtungen10, gibt es in der Literatur keine einheitlichen Auflistungen von Mega- trends11.

Claßen liefert mit einer im Jahr 2008 durchgeführten Studie, im Rahmen der Untersuchung der Relevanz von Change Management, eine Auflistung von gegenwärtig in Unternehmen diskutierten und für wichtig erachteten Megatrends. Abbildung 7 gibt eine gekürzte12 Auflistung der von Claßen erhobenen Megatrends wieder.

Welche "Megatrends" werden im kommenden Jahrzehnt die Ursache für fundamentale Transformationsprozesse in Ihrem Unternehmen sein?

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7: Megatrends 2008 - Veränderungen in Gesellschaft, Wirtschaft und Technologie Quelle: In Anlehnung an Claßen, 2008, S. 29

Diese sollen aber inhaltlich nicht weiter thematisiert werden bzw. soll hier auf die jeweiligen Ausführungen des Autors verwiesen werden.

3. Normung und Standardisierung im Kontext von Veränderungen

Das Kapitel, „Normung und Standardisierung im Kontext von Veränderungen“, dient der Darstellung des Zusammenhanges von Normung und Standardisierung einerseits und von Veränderungen anderseits. Das dritte Kapitel stellt somit den zweiten, der beiden einleitenden Theorieteile in dieser Arbeit, dar.

Da der Einfluss von Normung und Standardisierung, im Kontext von Veränderungen, vielfäl- tig sein kann, wird sich in diesem Kapitel auf den Bereich der technischen Innovationen13 (Technischer Wandel), als möglicher Anlass von hervorgerufenen Veränderungen, konzentriert. Nachdem die zentralen Begrifflichkeiten definiert sind, soll verdeutlich werden, welche Rolle der Normung und Standardisierung innerhalb von Innovationsprozessen, zukommen kann. Im Schwerpunkt steht dabei die Darstellung der Konzeption der entwicklungsbegleitenden Nor- mung (EBN). Das Konzept wird im Folgenden ausführlich beschrieben, sowie einer kritischen Wertung unterzogen.

3.1. Begriffe und Definitionen

Als Ausgangsbasis wissenschaftlicher Arbeiten sollten klare und eindeutige Begriffsdefinitio- nen verwendet werden.14 Für die Definition der grundlegenden Begriffe dieser Arbeit, wie zum Beispiel „Normen“ (Normung), „Standards“ (Standardisierung) und „Innovationen“ (Innovati- onsprozesse), stellt dies eine nicht ganz leichte Aufgabe da. Dies liegt vor allem an den unter- schiedlichen Betrachtungsweisen und zum Teil widersprüchlichen Verwendungen der Begriffe innerhalb der wissenschaftlichen Literatur (vgl. Adolphi, 1997, S. 8). Trotz dieser Hindernisse soll für die weitere Arbeit eine einheitliche und konsistente Terminologie gewährleistet werden.

Adolphi (1997, S. 9) stellt fest, „daß jede Norm bzw. jeder Standard eine Vereinheitlichung darstellt, bei der aus einem Spektrum von Lösungen eine Auswahl getroffen wird.“ Diese Gemeinsamkeit stellt einen Ausgangspunkt für die weiteren Ausführungen da.

Eine eher eng gefasste Definition des Begriffes Normung definiert die DIN EN 4502015. In dieser wird Normung(sarbeit), als „Tätigkeit zur Erstellung von Festlegungen für die allgemeine und wiederkehrende Anwendung, die auf aktuelle oder absehbare Probleme Bezug haben und die Erzielung eines optimalen Ordnungsgrades in einem gegebenen Zusammenhang anstreben“ (DIN EN 45020, 2007, S. 17) definiert. Die aus diesem Normungsprozess (Normungsarbeit), nach bestimmten institutionellen Rahmenbedingungen16 entstehenden Ergebnisse, werden als Normen bezeichnet. Normen werden dabei explizit als technische Regeln begriffen und sind in diesem Kontext von sozialen Normen zu trennen (vgl. Barthel / Steffensen, 2000, S. 219; Scheel, 2002, S. 128). Standards, als das Resultat eines Standardisierungsprozesses (Standardisierung), weisen diese institutionellen Rahmenbedingungen, insbesondere festgelegte Grundsätze und Verfahrensregeln, nicht auf (vgl. Czaya, 2008, S. 70; Kiehl, 2008, S. 14).

Im Rahmen dieser Arbeit spielt die Abteilung Dienstleister zur Standardisierung eine wesent- liche Rolle. Unter dem Fachbegriff Dienstleister zur Standardisierung werden dabei alle orga- nisatorischen Einheiten subsumiert, die sich innerhalb eines Unternehmen mit Normungs- und Standardisierungsaufgaben beschäftigen. Der Begriff „betriebliche Standardisierung“ orientiert sich an der Definition der Werknormen nach der DIN 820-3, in der Werknormen als,„das Ergebnis der Normungsarbeit eines Unternehmens (Betriebes, Werkes), einer Behörde oder einer Körperschaft (Verbandes, Vereines) für eigene Bedürfnisse“ (DIN 820-3, 1998, S. 4) definiert werden. In Anlehnung an Adolphi (1997, S. 15) umfasst die betriebliche Standardisierung, „neben dem betrieblichen Vereinheitlichungsprozeß [Werknormung (Anm. d. Verf.)] auch die Mitarbeit von Mitarbeitern im Rahmen der überbetrieblichen Standardisierung.“

Die Definition des Begriffes „Innovation“, stellt im Rahmen dieser Arbeit, eine Ausgangsbasis für den Bereich der entwicklungsbegleitenden Normung dar, d.h. der Standardisierung inner- halb von Innovationsprozessen. Aus der ökonomisch präzisierten Definition des Begriffes Inno- vation von Schumpeter17 und der soziologisch formulierten Sicht Halfmanns18, stellen Barthel und Steffensen (2000, S. 23) folgende Betrachtung der Definition des Begriffes an. Die Autoren gehen davon aus,„daß mit einer Innovation etwas gänzlich Neues präsentiert oder etwas Bestehendes verbessert wird“, sowie, „daß eine technische Lösung immer dann eine Innovation ist, wenn sie von den beteiligten Akteuren als solche behandelt wird.“ Alle zuvor definierten Begriffe sollen der weiteren Arbeit, nachfolgend, zu Grunde gelegt wer- den.

3.2. Die entwicklungsbegleitende Normung (EBN)

Bereits im Jahr 1989 prognostizierte der ehemalige Direktor des DIN, Helmut Reihlen, dass es: „in Zukunft in einer wachsenden Anzahl von Fällen nicht mehr genügen (wird), eine Norm zu definieren nur als Niederschrift des Standes der Technik, d.h. als des zu einem bestimmten Zeitpunkt erreichten Standes technischer Einrichtungen, Erzeugnisse, Methoden und Verfahren, der sich nach Meinung der Mehrheit der Fachleute in der Praxis bewährt hat oder dessen Eignung für die Praxis von ihnen als nachgewiesen angesehen wird. Es gibt in wachsendem Maße Bereiche der Tech- nik, in denen die Normungsarbeit dieser Definition nicht mehr genügt, wo entwick- lungsbegleitende Normung notwendig ist. Es gibt in wachsendem Maße Bereiche, in denen Normung der Technikentwicklung eine Orientierung geben muß, ehe ein fester Stand der Technik erreicht ist.“ (Reihlen, 1989, S. 451)

Rückblickend unterstreicht das Zitat Reihlens die in den letzten Jahrzehnten gestiegene Zahl an innovativen Technologiefeldern und den damit notwendigen Wandel innerhalb der bisherigen Normungspraxis.

Auf den, im Vergleich zur bisherigen Normungspraxis, doch eher neueren Ansatz der Entwick- lungsbegleitenden Normung (EBN), soll im folgenden Abschnitt des Kapitels näher eingegan- gen werden. Um die Entstehung des Konzeptes der EBN besser nachvollziehen zu können, sollen die wesentlichen Unterschiede zur klassischen Form der konsensbasierten Normung dar- gestellt und beschrieben werden.19 Daran anschließend sollen die zentralen Begründungszu- sammenhänge für die Entwicklung einer EBN erläutert, sowie wesentliche Anwendungsfelder und deren Merkmale beschrieben werden. Zum Abschluss sollen Problemfelder innerhalb der Konzeption der EBN diskutiert werden.

3.2.1. Das Konzept der EBN im Vergleich zur traditionellen Normung

Ende der 80er Jahre wurde auf Initiative führender Verbände und des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (BMBF) das Konzept der Entwicklungsbe- gleitenden Normung (EBN) im DIN initiiert. Das damit verfolgte Ziel war es, noch stärker als bis dato, in allen Bereichen von Wissenschaft und Wirtschaft, auf die innovationsfördernden Ef- fekte von Standards20 aufmerksam zu machen und diese zu verankern (vgl. Schlüter / Behrens, 2009, S. 4; Rixius, 2001, S. 3).

Im Gegensatz zur traditionellen Normung verfolgt die EBN das Ziel, ein integraler Bestandteil der Forschung und Entwicklung zu sein. Der Grundsatz der traditionellen Normung, „Norme nichts, was sich noch in der Entwicklung befindet!“21, wird in der EBN nicht mehr verfolgt. Vielmehr geht es um die Vereinbarung von Anforderungen (nicht jedoch von konkreten Pro- dukten oder Lösungen) und die Festlegung relevanter technischer Spezifikationen, die von allen konkurrierenden technischen Möglichkeiten erfüllt werden sollen (vgl. Kleinaltenkamp, 1996, S. 85). Der wesentliche Unterschied zur traditionellen Normung ist dabei, dass im Rahmen der EBN Anforderungen, für Produkte und Verfahren festgelegt werden, die sich noch in der Entwicklung befinden und sich demnach noch nicht am Markt durchgesetzt haben (vgl. Barthel / Steffensen, 2000, S. 16; Eichener / Voelzkow, 1995, S. 254).

Die traditionelle Normung ist gegenüber der Konzeption der EBN konventionell retrospektiv orientiert, d.h. sie bezieht sich auf einen bereits erprobten und bewährten „Stand der Technik“22, der sich über einen längeren Zeitraum in einem bestimmten Markt etabliert23 hat (vgl. Barthel / Steffensen, 2000, S. 16; Eichener / Voelzkow, 1995, S. 255). Diese in einem gewissen Abstand zur Forschung und Entwicklung einsetzende traditionelle Normung wird in der Literatur auch als nacheilende Normung bezeichnet (vgl. DIN, 1996, S.18). Abbildung 8 auf Seite 31 stellt die zuvor beschriebenen zwei Möglichkeiten der Normung, sowie die vorauseilende Normung, noch einmal zusammenfassend dar.24

EBN kann aber auch als eine Anpassung der Normung auf veränderte Wettbewerbsfaktoren der Wirtschaft begriffen werden. Schnelligkeit, Interdisziplinarität, Flexibilität und Internationali- sierung sind nur einige der neuen Herausforderungen denen sich Unternehmen stellen müssen.

[...]


1 z. B. im Bereich der Informations- und Kommunikationsverarbeitung

2 im Folgenden als Dienstleister zur Standardisierung bezeichnet; siehe weitere Definition im Abschnitt 3.1 auf Seite 28

3 Dieser Teil der Arbeit basiert in Teilen auf einer Seminararbeit („Change Management“ von Koßmann und Schmidt, 2009), geschrieben an der Professur für Betriebswirtschaftslehre, insb. Organisationstheorie von Prof. Dr. Michael Gaitanides

4 Vision: Eine Vision ist ein ambitioniertes Zukunftsbild, welches motivierend wirkt und erstrebenswert ist. Sie koodiniert die Aktivitäten in einem Unternehmen in eine bestimmte Richtung und muss in einfacher bildhafter Weise kommunizierbar sein (vgl. Kuhnert / Teuber, 2008, S. 6).

5 Empowerment: „Empowerment meint Strategien und Maßnahmen, um das Maß an Selbstbestimmung und Autonomie der Mitarbeiter zu erhöhen und sie in die Lage zu versetzen, ihre Aufgaben selbstverantwortlich und selbstbestimmt zu erfüllen und zu gestalten.“ ( Business Wissen, 2009)

6 z. B. Bergmann / Garrecht, 2008, S. 188

7 (vgl. Welt, 2009), (vgl. Bergmann / Garrecht, 2008, S. 202), (vgl. Appel / Eckseler et al., 2007, S. 415 ff.)

8 vgl. Kapitel 3

9 siehe dazu Abbildung „Unternehmenslebenszyklus“ in Bergmann / Garrecht, 2008, S. 4 25

10 z. B. Präsenz des Treibers in den Medien, Dringlichkeit des Vorgehens gegen einen Treiber etc.

11 vgl. Auflistungen Vahs, 2005, S. 274 und Claßen, 2008, S. 29

12 Reduziert wurde diese Abbildung um Nennungen, die weniger als 16 Prozent aller Befragten, angaben.

13 z. B. im Bereich der Hoch- und Systemtechnologien

14 Jedoch gibt Czaya, am Beispiel des Begriffes „Modularisierung“, zu bedenken, dass Unschärfen bei der Defini- tion von Begrifflichkeiten nicht nur nützlich, sondern zum Teil auch unabdingbar sind (vgl. Czaya, 2008, S. 73 f.).

15 In Verbindung mit der DIN 820, oft auch als die „Mutter aller Normen bezeichnet“ (vgl. Möllmann / Reihlen, 1992, S. 9; Czaya, 2008, S. 71).

16 z. B. Konsensprinzip, Beteiligung der interessierten Öffentlichkeit, feste Grundsätze und Verfahrensregeln usw. (vgl. Kiehl, 2008, S. 14)

17 „Innovation is a process by which new products and techniques are introduced into the economic system.“ (Schumpeter, 1947, S. 149)

18 „Innovationen werden [] als Verbesserungen von Produkten und Prozessen auf der Basis natur- und ingenieurwis- senschaftlichen Wissens betrachtet, die als solche von den beteiligten Akteuren [] behandelt werden.“ (Halfmann, 1997, S. 92)

19 Dabei wird sich in diesem Abschnitt auf die überbetrieblichen Normen, den allgemeinen technischen Regeln, beschränkt, d.h. der Bereich der betrieblichen Standards wird nicht betrachtet.

20 Standards sollen in diesem Kontext als Normen und Spezifikationen verstanden werden.

21 Barthel / Steffensen, 2000, S. 16; vergleiche dazu auch die Ausführungen von Eichener und Voelzkow (1993) im Diskussionspapier S. 3 - Ergebnisse der Diskussion, um die Normungsfähigkeit von 1932

22 Stand der Technik: Stand der Technik nach DIN EN 45020 meint, ein „entwickeltes Stadium der technischen Möglichkeiten zu einem bestimmten Zeitpunkt, soweit Produkte, Prozesse und Dienstleistungen betroffen sind, basierend auf entsprechenden gesicherten Erkenntnissen von Wissenschaft, Technik und Erfahrung“. (DIN EN 45020, 2007, S. 17)

23 Als etabliert wird dabei ein Standard angesehen, der sich sowohl in technischer, wie ökonomischer Hinsicht bewährt hat.

24 Im Abschnitt 3.2.4 wird auf die Probleme, der verschiedenen Normungsmöglichkeiten, näher eingegangen.

Ende der Leseprobe aus 165 Seiten

Details

Titel
Standardisierung im Kontext von Change Management
Untertitel
Standardization in the Context of Change Management
Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg  (Professur für Betriebswirtschaftslehre, insb. Organisationstheorie, Professur für Normenwesen und Maschinenzeichnen/CAD)
Note
1,3
Autoren
Jahr
2009
Seiten
165
Katalognummer
V145059
ISBN (eBook)
9783640629640
ISBN (Buch)
9783640629572
Dateigröße
4044 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Change, Change Management, Standardisierung, Lewin, Kotter, Sievers, Veränderung, Wandel, externe Treiber, interne Treiber, Megatrends, Normung, entwicklungsbegleitende Normung, EBN, Ausschuss Normenpraxis, ANP, Technischer Wandel, CAD, Filmspeichermedien, Datenmanagementsystem, Normen, Produkt-Daten-Managementsystem, Computer Aided Design
Arbeit zitieren
B. Sc. Jan-Henrik Koßmann (Autor:in)Thomas Schmidt (Autor:in), 2009, Standardisierung im Kontext von Change Management, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/145059

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