Die Bestimmung von Marktmacht: Ökonomische Kriterien und kritische Diskussion


Seminararbeit, 2009

20 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Der Marktmachtbegriff: Definition und Anwendung

2. Die Messung von Marktmacht
2.1. Traditionelle Methoden der indirekten Marktmachtmessung
2.2. Alternativen zu den traditionellen Methoden der Marktmachtmessung
2.3. Gren zkostenmodelle zur direkten Marktmachtmessung
2.4. Neueste Entwicklungen im Bereich ökonometrischer Methoden
2.4.1. Das Grundkon zept ökonometrischer Analysen
2.4.2. Modelle der New Empirical Industrial Organization

3. Die ökonomischen Kriterien der Marktmachtbestimmung: Ein Fa zit

Literaturverzeichnis

1. Der Marktmachtbegriff: Definition und Anwendung

Der Begriff der Marktmacht ist vor allem im Bereich der Wettbewerbspolitik ein allgegenwärtiger. Bevor man sich allerdings der Frage zuwendet, wie Marktmacht gemessen wird und welche Vor- und Nachteile die jeweiligen Vorgehensweisen bieten, sollte jedoch erst einmal geklärt werden, was genau man unter dem Begriff der Marktmacht versteht und warum diese so wichtig ist.

Unter Marktmacht versteht man im Allgemeinen die Fähigkeit eines Unternehmens - oder aber auch einer Gruppe von Unternehmen, welche gemeinsam agieren - den Preis eines Gutes über das wettbewerbliche Niveau anzuheben, ohne dabei so viel Nachfrage zu verlieren, dass eine Preiserhöhung unprofitabel wird und diese anschließend wieder aufgehoben werden muss.1 Diese ökonomische Definition enthält drei wichtige Elemente,2 welche noch einmal herausgehoben werden sollten. So ist eine Preiserhöhung nur durchsetzbar, wenn die auf dem Markt angebotene Menge verkleinert wird, sodass die Ausübung von Marktmacht mit einem reduzierten Output einhergeht. Außerdem ist noch einmal das Kriterium der Profitabilität einer Preiserhöhung für das Unternehmen in unser Gedächtnis zu rufen, denn diese hängt entscheidend von der Preiselastizität der Nachfrage ab, mit welcher das Unternehmen kon-frontiert wird.3 Auch die Kreuzpreiselastizität4 ist dabei ein elementarer Faktor. Schließlich ist anzumerken, dass die Ausübung von Marktmacht relativ in Bezug auf jenes Preisniveau erfolgt, welches sich unter vollkommenem Wettbewerb ergeben würde. Der sich unter vollkommenem Wettbewerb herausbildende Marktpreis, welcher als Referenzmaßstab für die Feststellung eines überhöhten Preises dient, entspricht den Grenzkosten der Produktion.

Das Ausmaß und die Dauer von Marktmacht sind zwei wichtige Aspekte, welche es noch zu berücksichtigen gilt. Denn diese variieren in der Praxis deutlich.5 So ergeben sich in vielen Fällen etwa durch Produktdifferenzierung geringe Preissetzungsspielräume für den einzelnen Anbieter. Dieser kann daher geringfügig über den Grenzkosten liegende Preise verlangen, ohne seine Kunden an seine Konkurrenten zu verlieren. Ein geringer Preissetzungsspielraum wird aber in der Praxis als unproblematisch und ohne negativen Einfluss auf den Wettbewerb im betreffenden Markt angesehen. Zusätzlich wird Marktmacht im Wettbewerbsprozess meist durch den Markteintritt neuer Wettbewerber oder durch eine Kapazitätserweiterung der kleineren, etablierten Anbieter recht schnell wieder abgebaut. Diese Aspekte lassen sich auch als Argumente dafür anführen, dass beispielsweise der in Artikel 82 EG-Vertrag6 genannte Begriff der Marktbeherrschung im Rahmen der Missbrauchskontrolle entgegen des recht weit verbreiteten Glaubens sich nicht mit dem Marktmachtbegriff der ökonomischen Theorie deckt, denn dieser Marktbeherrschungsbegriff ist vielmehr ein rechtlicher als ein ökonomischer.7 Schließlich ist in der Realität der Wettbewerb stets unvollkommen, so dass fast alle Unternehmen gewisse Preisbildungsspielräume und somit auch Marktmacht haben. Im Rechtssinne ist Marktbeherrschung daher nur ein Unterfall von Marktmacht, man könnte diese somit auch als qualifizierte Marktmacht beschreiben.

Wenn nun also der Begriff der Marktbeherrschung für die Missbrauchs- und auch für die Fusionskontrolle relevant ist und nicht direkt der der Marktmacht, dann stellt sich die Frage, warum der Marktmachtbegriff in der Wettbewerbspolitik überhaupt so wichtig sein sollte. Einführend ist zu bemerken, dass nicht das reine Vorhandensein der Marktmacht - also das Vorhandensein eines Preissetzungsspielraumes - von Bedeutung ist, sondern das Ausnutzen dieses Spielraums. Relevant ist also vielmehr, ob ein Marktmachtmissbrauch eines Unter-nehmens vorliegt. Denn die Ausübung von Marktmacht führt zu Ineffizienzen und somit zu Wohlfahrtsverlusten für die Gesellschaft, welche durch die Summe von Konsumenten- und Produzentenrente gemessen wird.8 Verlangt ein marktmächtiges Unternehmen nämlich einen Preis oberhalb seiner Grenzkosten der Produktion, so wird ein Teil der Konsumenten nicht mehr bereit sein, das Produkt zu erwerben, da durch die Preiserhöhung der Nutzen mancher Konsumenten geringer ist als der verlangte Preis. Ein Teil der Konsumentenrente geht somit verloren und diesem Verlust steht auch kein entsprechender Gewinn der Produzenten gegenüber, da diese aus den nun nicht mehr produzierten Einheiten schließlich keinen Gewinn ziehen können.

Die Ausübung von Marktmacht führt somit also zu einer allokativen Ineffizienz, welche auch als „ Deadweight Loss “ bezeichnet wird. Die Höhe dieses Verlustes hängt von dem Ausmaß der bestehenden Marktmacht ab. Besonders zum Tragen kommt der Verlust an Konsumentenrente als Auswirkung von Marktmacht im Rahmen des „More Economic Approach “ bei der Formulierung der europäischen Wettbewerbspolitik, da diese somit stärker auf den Schutz der Konsumentenwohlfahrt ausgerichtet wird.9 In den letzten zwei Jahrzehnten der amerikanischen Antitrustpolitik hat der Begriff der Effizienz im Allgemeinen ebenfalls immens an Bedeutung gewonnen.10 Ein Deadweight Loss stellt jedoch nicht die einzige Möglichkeit einer durch Marktmacht verursachten Ineffizienz dar.11 Weitere Beispiele sind zum einen ebenfalls allokative Ineffizienzen durch „ Rent Seeking “ Kosten - also Aufwendungen zum Erreichen von Marktmacht aufgrund der Aussicht auf hohe Profite im Falle von Marktmacht -, da die dafür verwendeten Ressourcen anderweitig sinnvoller hätten eingesetzt werden können und zum anderen produktive Ineffizienzen (sog. X-Inefficiency), denn Unternehmen mit erheblicher Marktmacht sind infolgedessen nicht durch andere Wettbewerber dazu gezwungen, effizient zu produzieren.

Die möglicherweise durch Marktmacht verursachten Ineffizienzen erklären also, warum es sinnvoll ist, sich mit dem ökonomischen Konzept der Marktmacht zu beschäftigen. Zusätzlich ist anzumerken, dass obwohl im Artikel 82 EG-Vertrag der Marktbeherrschungsbegriff im Vordergrund steht, auch der Marktmachtbegriff alleine international in den unterschiedlichen Wettbewerbsrechten im Rahmen der Fusionskontrolle wie auch in anderen Bereichen ein Schlüsselelement darstellt.12 Marktmachtuntersuchungen können auf einzelne, aber auch auf ganze Gruppen von Unternehmen bezogen werden.13

Im Folgenden soll es nun darum gehen, mit welchen Methoden Marktmacht gemessen werden kann und welche Aspekte dabei zu berücksichtigen sind. Dabei werden zunächst die klassischen Konzepte der Marktmachtmessung betrachtet und Gründe aufgezeigt, welche dazu führten, dass neue Messverfahren entwickelt wurden. Anschließend werden diese ebenso auf ihre Stärken und Schwächen hin untersucht.

2. Die Messung von Marktmacht

2.1. Traditionelle Methoden der indirekten Marktmachtmessung

Lange Zeit über war - beispielsweise bei der Bewertung von Fusionen im Rahmen der unterschiedlichen Wettbewerbspolitiken - die gebräuchlichste Methode der Marktmachtmessung, von hohen Marktanteilen eines Unternehmens in einem genau definierten Markt auf das Vorhandensein hoher Marktmacht desselben Unternehmens zu schließen.14 Auch eine hohe Konzentration in einem Markt wurde als Indikator für die Existenz von Marktmacht genutzt. Indikatoren, welche auf Marktanteilen beruhen, messen lediglich, ob ein oder mehrere Unternehmen in der Lage sein müssten, Marktmacht auszuüben.15 Dabei stellt sich nicht die Frage, ob ein Anbieter dies auch wirklich tut. Indikatoren, die genau dies messen, werden als strukturelle Indikatoren bezeichnet und stellen weder eine notwendige noch eine hinreichende Bedingung für die tatsächliche Ausübung von Marktmacht dar. Die beiden bekanntesten strukturellen Indikatoren sind der Herfindahl-Hirschmann-Index (HHI) und Konzentrationsraten (). Beide Indikatoren sollen die Größe der Anbieter in einem Markt analysieren. Der aus dem amerikanischen Kartellgesetz stammende HHI ist folgendermaßen definiert:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

wobei n hierbei die Zahl der sich im relevanten Markt befindlichen Unternehmen angibt und x deren Marktanteil.

Die aus dem deutschen Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen stammenden Konzentrationsraten messen die Marktanteile des größten, der drei größten wie auch der fünf größten Unternehmen. Daher sind die Konzentrationsraten wie folgt definiert:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Hier stellt n jedoch nur noch die Anzahl der größten Unternehmen dar, welche in der Konzentrationsrate berücksichtigt werden sollen und x wiederum deren Marktanteil.

Interessant wird es nun zu sehen, wie genau diese Indizes interpretiert werden. Dazu folgende Übersicht:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[...]


1 Vgl.: Landes und Posner (1981), S. 12.

2 Vgl.: Gey (2004), S. 33.

3 Die Preiselastizität der Nachfrage ist definiert als die prozentuale Änderung der von dem Preis abhängigen Nachfrage bei einer Erhöhung des Preises um ein Prozent.

4 Die Kreuzpreiselastizität beschreibt die Wirkung einer Preisänderung eines Gutes auf die Nachfrageänderung (Mengenänderung) eines anderen Gutes.

5 Zusammenfassend: Gey (2004), S. 38f.

6 Artikel 82 EG-Vertrag des Europaischen Wettbewerbsrechts untersagt den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung.

7 Vgl.: Behrens (2007), S. 37f.

8 Vgl.: Gey (2004), S. 39f.

9 Vgl.: Engelsing (2007), S. 89.

10 Vgl.: Brock (2009), S. 337.

11 Vgl.: Gey (2004), S. 41f.

12 Vgl.: Hausman und Sidak (2007), S. 387.

13 Vgl.: Baker und Bresnahan (2006), S. 14.

14 Vgl.: Baker und Bresnahan (1992), S. 118.

15 Vgl.: Lang (2007), S. 7.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Die Bestimmung von Marktmacht: Ökonomische Kriterien und kritische Diskussion
Hochschule
Philipps-Universität Marburg
Veranstaltung
Seminar "Fusionen, Marktmachtmissbrauch und vertikale Vereinbarungen"
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
20
Katalognummer
V145081
ISBN (eBook)
9783640546596
ISBN (Buch)
9783640545940
Dateigröße
497 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Marktmacht, Marktmachtbestimmung, HHI und Konzentrationsraten, Grenzkostenmodelle, New Empirical Industrial Organization
Arbeit zitieren
Sabrina Jeworrek (Autor:in), 2009, Die Bestimmung von Marktmacht: Ökonomische Kriterien und kritische Diskussion, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/145081

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