Eveline Burns und das Alterssicherungssystem in den USA


Seminararbeit, 2009

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Alterssicherung zu Beginn des 20. Jahrhunderts

3. Eveline Burns Rolle in der amerikanischen Sozialpolitik
3.1. Wissenschaftliche Methoden von Eveline Burns
3.2. Werte und Motivation von Eveline Burns

4. Alterssicherung im Rahmen des Social Security Acts
4.1. Monatliche Rentenzahlung ab dem 65. Lebensjahr
4.2. Beihilfen für Bürger ab dem 65. Lebensjahr

5. Würdigung und Kritik der neuen Alterssicherung durch Eveline Burns
5.1. Teilnahmeberechtigung an der Rentenversicherung
5.2. Die Höhe der Renten
5.3. Bedingungen für die Rentenauszahlung

6. Alterssicherung in den USA Mitte des 20. Jahrhunderts

7. Fazit

8. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Eveline Burns war eine herausragende Wirtschaftswissenschaftlerin im Bereich der Sozialökonomie. Zeit ihres wissenschaftlichen Arbeitens setzte sie sich mit Themen der sozialen Sicherheit auseinander und wurde zu einer der führenden Wissenschaftlern und Beratern im Bereich der sozialen Versicherungssysteme.

Der inhaltliche Schwerpunkt dieser Arbeit war zugleich auch ein Schwerpunkt von Eveline Burns Arbeiten: Die Alterssicherung im Rahmen des Social Security Act von 1935. Dieses Gesetzeswerk war ein Durchbruch in der US-amerikanischen Sozialpolitik. Erstmals übernahm der Staat die Aufgabe der sozialen Sicherung. Dieser Paradigmenwechsel markierte gleichzeitig den Beginn von Eveline Burns Engagement für mehr soziale Sicherheit in den USA. Im Laufe ihrer Karriere sollte sie die Gestaltung der sozialen Sicherungssysteme sowie die Sozialökonomie als eigenständige Disziplin entscheidend mitbestimmen. Sie tat dies als Ökonomin, als Mitglied in Regierungsgremien sowie als Mitglied und Führungspersönlichkeit zahlreicher Verbände.

In dieser Arbeit wurde die Entwicklung der amerikanischen Alterssicherung von 1935 bis Ende der 1950er Jahre als Beispiel für Eveline Burns Wirken und Einfluss auf das amerikanische Sozialsystem ausgewählt.

2. Alterssicherung zu Beginn des 20. Jahrhunderts

Anfang des 20. Jahrhunderts existierte in den USA keine staatliche Rentenversicherung oder eine staatliche Fürsorge für Bedürftige, die altersbedingt nicht mehr arbeiten konnten oder keine Arbeit fanden. In Europa dagegen existierten bereits in vielen Staaten entsprechende Sicherungssysteme. Deutschland führte unter Bismark die gesetzliche Rentenversicherung bereits 1889 ein, Österreich 1909 und Frankreich 1910. Großbritannien, das Geburtsland von Eveline Burns, führte 1908 ein Gesetz zur Unterstützung der älteren Bevölkerung ein, allerdings nicht in Form einer Versicherung, sondern in Form von Zuwendungen (Lubove 1967: 2, 329).

In den USA jedoch herrschte im ausgehenden 19. Jahrhundert sowie zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Überzeugung, dass die USA aufgrund ihrer Geschichte ein besonderes Land sei, weshalb das Beispiel Europas in Bezug auf staatliche Sozialsysteme für die Vereinigten Staaten keine Geltung habe. (Lubove 1967: 64). Die Werte der Freiheit und Freiwilligkeit sowie Selbstverantwortlichkeit waren unantastbar und definierten zugleich den geringen Spielraum des Staates. Durch diese Sichtweise, die nicht auf rationalen ökonomischen Überlegungen oder Bewertungen basierte, wurde die Frage der Einführung von Sozialsystemen insbesondere von ihren Gegnern zu einer moralischen Frage gemacht (Lubove 1967: 62,65). Wie später gezeigt werden wird, hat Eveline Burns einen großen Beitrag dazu geleistet, Fragen der Sozialpolitik pragmatisch und systematisch mit geeigneten wissenschaftlichen Methoden zu untersuchen (Shlakman 1969: 6-7, Dixon/Hide 2008: 91). In Bezug auf das Problem der Altersversorgung galt in den USA das Prinzip der Eigenvorsorge (Lubove 1967: 65, 78): „The working classes would provide for themselves and their families, provided an „unwise charity“ did not offer a bonus to incompetence“ (Lubove 1967: 64).

So waren es in den USA auch private Institutionen, die nennenswerte Sozialleistungen für die Arbeiter einführten. In Bezug auf die Altersversorgung waren es die großen Eisenbahngesellschaften, die hier als erste eine systematische Unterstützung im Alter ermöglichten. 1908 unterhielten 14 Eisenbahngesellschaften Pensionskassen (Lubove 1967: 73), Unternehmen aus der Kohle- und Stahlbranche folgten dem Beispiel des „welfare captalism“ des beginnenden 20. Jahrhunderts.

Doch die meisten Arbeiter in den USA waren im Alter darauf angewiesen, weiter zu arbeiten oder von ihrer Familie unterstützt zu werden. 1936 waren 85% der Amerikaner darauf angewiesen, zu arbeiten, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können (Burns 1936: 4). Der Anteil der Bevölkerung zwischen 15 und 65 Jahren betrug 1940 68,1%. Es wird deutlich, dass sowohl große Teile der Bevölkerung über 65 Jahren (Anteil an der Gesamtbevölkerung 1940: 6,8%) sowie auch Kinder unter 15 Jahren (Anteil 1940: 25%) mit keiner Unterstützung zu ihrem Lebensunterhalt rechnen konnten (Hobbs/Stoops 2002: 57).

Das Fehlen einer Rentenversicherung machte die Menschen bis ins höchste Alter abhängig von Arbeit und/oder eigener Vorsorge, und damit ungeschützt vor wirtschaftlichen Krisen oder Ereignissen, die über den Rahmen der privaten Vorsorge hinausgingen. Der Anstieg des Anteils der Bevölkerung über 65 Jahren[1], gepaart mit dem dramatischen Anstieg der Arbeitslosigkeit durch die Weltwirtschaftskrise 1929 auf bis zu 12 Millionen in 1933 (Burns 1949: 10), verschärften die Situation der älteren Bevölkerung dramatisch. Es wurde für die älteren Arbeitskräfte erheblich schwerer, auf dem Arbeitsmarkt ein Einkommen zu erzielen (Burns 1949: 9).

Die schwere Krise der amerikanischen Wirtschaft zu Beginn der 1930er Jahre führte schließlich mit dem Erlass des Social Security Acts zu einem Paradigmenwechsel in der amerikanischen Sozialpolitik, welcher die Grundlage für Burns Wirken bildete. Im folgenden Kapitel werden Burns Rolle in der amerikanischen Sozialpolitik, ihre wissenschaftlichen Methoden und ihre Werte analysiert.

3. Eveline Burns Rolle in der amerikanischen Sozialpolitik

Eveline Burns spielte eine signifikante Rolle bei der Gestaltung der amerikanischen Sicherungssysteme (Davis Kasper 2000: 93). Die an der London School of Economics[2] ausgebildete Ökonomin übte auf vielfältige Weise Einfluss auf die Gestaltung der Sozialpolitik aus.

Sie war eine bedeutende Ökonomin im Bereich der Sozialökonomie (Dixon/Hyde 2008: 90). Burns wurde 1928 Mitglied der Wirtschaftsfakultät der Columbia University, nachdem sie 1926 mittels eines Stipendiums die USA bereist hatte. Anfang der 1930er Jahre begann Burns sich mit sozialen Sicherungssystemen zu beschäftigen und verfasste einige Aufsätze zu diesem Thema[3]. 1934 wurde sie Stabsmitglied des Presidential Committee on Economic Security, wo sie bei der Formulierung des Security Acts mitwirkte. Die gewonnenen Einsichten und Ansichten verarbeitete sie 1936 in ihrem einflussreichen Buch „Towards Social Security“ (Dixon/Hyde 2008: 90).

Burns war wiederholt als Beraterin des US Regierung tätig, unter anderem von 1939-1942 im National Resource Planning Board als Vorsitzende des Bereichs „Economic Security and Health“, sowie 1954 als Beraterin unter der Eisenhower Regierung zu Fragen der Alterssicherung. Zudem äußerte sich Eveline Burns als Mitglied zahlreicher Verbände zu Fragen der sozialen Sicherung.[4]

3.1. Wissenschaftliche Methoden von Eveline Burns

Neben ihrem Engagement, die soziale Sicherheit in den USA durch ihre Beiträge und Einflussnahme zu verbessern, ist ihr Verdienst die Entwicklung einer systematischen ökonomischen Analyse sozialer Probleme sowie der sozialen Sicherungssysteme. Ihr Buch „Social Security and Public Policy“ (1956) wurde zum Standard-Lehrbuch in diesem Bereich. In diesem Werk widmete sich Burns explizit den wissenschaftlichen Methoden und trug damit maßgeblich zur Entwicklung der Sozialökonomie als eigenständige Disziplin in den USA bei (Davis/Kasper 2000: 96, Shlakman 1969: 4-5). Ihr wissenschaftliches Vorgehen zur Untersuchung sozialer Sicherungssysteme lässt sich wie folgt zusammenfassen (Dixon/Hyde 2008: 91):

- Untersuchung und Identifizierung der Bedürfnisse der untersuchten Gruppe
- Priorisierung dieser Bedürfnisse
- Entwicklung sozialpolitischer Instrumente, um das erforderliche Maß an Wohlfahrt bereitzustellen
- Gestaltung von Programmen und Institutionen für die Umsetzung der gewählten Sozialpolitik
- Überprüfung der Ergebnisse

Burns gründete zur Unterweisung ihrer Methoden ein Doktoranden-Programm an der Columbia University. Die Ausbildung von Experten im Bereich der Sozialökonomie war ihr ein zentrales Anliegen (Shlakman 1969: 20).

3.2. Werte und Motivation von Eveline Burns

Wie im zweiten Kapitel geschildert, gab es in den USA traditionell eine große Opposition gegen jegliche staatliche Eingriffe und Paternalismus. Diskussionen über die Vor- und Nachteile der Einführung sozialer Sicherungssysteme wurden nicht von ökonomischen, sondern von moralischen Argumenten geprägt. Vor diesem Hintergrund ist das folgende Zitat von Eveline Burnes von 1936 zu verstehen:

„I believe that it is the function of government to concern itself with the economic as well as the physical and political security of the citizen. The day has passed when the individual can be expected to provide against all the hazards to his personal economic security. The present choice is not between individual and state-assisted provision, but between various kinds of state-assisted plans“ (Burns 1936: VI).

[...]


[1] Anteil der Bevölkerung über 65 Jahren in den USA: 1850: 2,6%, 1900: 4,1%, 1940: 6,8% (Burns 1948: 286)

[2] Studium der Ökonomie, Anschließend Doktorandin, 1921-1926

[3] U.a. den Artikel „The Economics of Unemployment Relief“, 1933

[4] Wichtige Verbände: American Economic Association (Vice President ‘53/‘54), National Conference of Social Welfare (President ‘57/‘58), American Public Welfare Organisation (Wolf Jones 1991: 32)

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Eveline Burns und das Alterssicherungssystem in den USA
Hochschule
Universität Hamburg  (Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften)
Veranstaltung
Ökonominnen und ihr Wirken in theoriegeschichtlicher Perspektive
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
18
Katalognummer
V145136
ISBN (eBook)
9783640558131
ISBN (Buch)
9783640557974
Dateigröße
428 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Eveline Burns, SSA, Social Security, Social Security Act, Gender, Ökonominnen, Wirtschaftswissenschaftlerinnen, Alterssicherung, Rente, Altersarmut
Arbeit zitieren
Peter von Aspern (Autor:in), 2009, Eveline Burns und das Alterssicherungssystem in den USA, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/145136

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