Zur Motivation der Nutzung virtueller Netzwerkräume

Eine qualitative Untersuchung am Beispiel des „studiVZ“


Research Paper (postgraduate), 2009

33 Pages, Grade: 1,0


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Theoretische Hintergrund und Darstellung der Forschungsfragen
1.1. Psychodynamische Erklärungsansätze
1.2. Der anale Identitätsstandard
1.3. Der narzisstische Identitätsstandard
1.4. Darstellung der Forschungsfrage

2. Zur Auswahl der Interviewform

3. Strukturierung und Inhalt des Fragenkatalogs
3.1. Zur Struktur des Fragenkatalogs
3.2. Der Inhalt des Fragenkatalogs
3.3. Zur Dokumentation und Transkription des Interviews

4. Darstellung des Interviewpartners, der Interviewsituation und des Interviewverlaufs

5. Auswertung
5.1. Zur Auswahl der Analysetechnik
5.2. Analyse des erhobenen Materials

Fazit

Anlage
Nr. 1: Interaktions- und Kommunikationskriterien des „studiVZ“
Nr. 2: Tabellarisch dargestellte Einstellungen zur Privatsphäre im „studiVZ“
Nr. 3: Transkription des Interviews mit Myrjam D. am 16.07.2009 zur Motivation der Nutzung des „studiVZ “
Nr. 4.: Literatur- und Quellenangabe

Einleitung

Internetplattformen wie das „schülerVZ“, das „studiVZ“ oder auch das „Facebook“ sind in aller Munde. Über die Gründe der Nutzung dieser webbasierten Netzwerke gibt es bisher nur wenige empirisch abgesicherte Erkenntnisse.

Diese Tatsache ist ein Grund dafür, dass diese Hausarbeit die Nutzungsmotivation und das Nutzungsverhalten von Individuen in virtuellen Netzwerken zum Thema hat.

Um die Untersuchung in ihrer Planung, ihrem Verlauf und den ermittelten Ergebnissen zu beschreiben, ist diese Ausarbeitung folgendermaßen gegliedert.

Die Forschungsfrage, die dieser Hausarbeit zugrunde liegt sowie deren theoretischer Hintergrund wird unter Punkt eins beschrieben, um das Thema dieser Ausarbeitung exakt einzugrenzen. Punkt zwei dient der Erläuterung, wieso welche Form qualitativer Interviews für diese Thematik ausgewählt wurde.

Unter Punkt drei wird die Erstellung des Fragenkatalogs beschrieben. Hier wird dargelegt, welche Erkenntnisse der theoretischen Vorbereitung den Inhalt bzw. die Strukturierung des Katalogs wieso beeinflusst haben.

Die Darstellung des Interviewpartners und der Untersuchungssituation erfolgt unter Punkt vier. Anschließend, unter Punkt fünf, wird zunächst erläutert welches Verfahren wieso ausgewählt wurde um die Ergebnisse des Interviews auszuwerten. Die Erkenntnisse der Auswertung werden unter diesem Punkt beschrieben.

Im Fazit werden die Erkenntnisse auf die Forschungsfrage bzw. deren theoretischen Hintergrund rückbezogen, um einen Abgleich zwischen Theorie und Empirie zu ermöglichen. Zur besseren Nachvollziehbarkeit der Interaktions- und Kommunikationsangebote des „studiVZ“ sowie den Möglichkeiten diese innerhalb einer „Privatsphäre“ zu nutzen werden diese im Anhang beschrieben.

1. Theoretische Hintergrund und Darstellung der Forschungsfragen

„Ich arbeite beruflich mit zumeist jungen Erwachsenen (ab 18 J.) und schaue ganz

gern in den einschlägigen Foren mal nach, was die lieben Kleinen da so treiben.

Zum einen ist der sorglose Umgang mit Informationen erschreckend

und zum anderen bin ich über die Fotos der Frauen wirklich entsetzt“

(„Sehnsuchtsvolle“ 2005: User der Brigitte.de Community.).

Dieses Zitat verdeutlicht, dass sich die Grenzen zwischen Verhüllung und Enthüllung der Persönlichkeit grundlegend verschoben haben. Die Verfasserin dieses Forum Eintrags ist entsetzt über die scheinbar unreflektierte Veröffentlichung von persönlichen Informationen und Fotos, ihrer „lieben Kleinen“. Für diese scheint jedoch ein solches Vorgehen im Zuge der Nutzung von Internetplattformen ebenso selbstverständlich wie alltäglich zu sein. In der einschlägigen Literatur finden sich folgende theoretische Annahmen zum Wandel der Selbstdarstellung.

1.1. Psychodynamische Erklärungsansätze

Im Folgenden gebe ich einen Überblick über eine für diese Ausarbeitung relevanten Erklärungsansätze zur Entstehung und Funktion von Identität, da es, beschäftigt man sich mit der Selbstdarstellung von Nöten ist zu beschreiben, wofür der Begriff des Selbst steht.

In psychodynamischen Theorien wird das „Ich-Ideal“ als Produkt gesellschaftlicher Wertvorstellungen beschrieben:

„Das Über-Ich beinhaltet aber auch das Ich-Ideal, das nach Perfektion und der Realisierung verinnerlichter Ideale strebt“ (Altenthan u.a. 1983: 381).

Das Individuum strebt danach, verinnerlichte Ideale zu verwirklichen und von der Außenwelt an Hand dieser Wertvorstellungen als Person definiert zu werden. Dieses Handeln ist Teil des „Realitätsprinzips“:

An Stelle der Verdrängung, (...), trat die unpatreiische Urteilsfällung, welche entscheiden sollte, ob eine bestimmte Vorstellung wahr oder falsch ist, das heißt im Einklang mit der Realität sei oder nicht“ (Freud 1914: 233).

Da das Ich-Ideal das Produkt gesellschaftlicher Wertvorstellungen ist und dieses die Bildung von personalen Identitäten, deren gemeinsame Eigenschaften den Identitätsstandard bilden, beeinflusst, lassen sich von diesem Rückschlüsse auf gesellschaftliche Wertvorstellungen ziehen (vgl. Lasch 1995: 63). In diesem Zusammenhang ist auf Durckheim zu verweisen:

„Die Persönlichkeit ist das vergesellschaftete Individuum“ (Durkheim 1895 : 114 ff.).

Ausgehend von der Erkenntnis, dass die Wesenszüge der Menschen einer Gesellschaft in gebündelter Form pathologisch in Erscheinung treten (vgl. Lasch 1995: 62 f., Dörte-Finger 1981: 186), lässt sich der Wandel der Selbsdarstellung unter der Perspektive eines veränderten Identitätsstandards folgendermaßen beschreiben:

1.2. Der anale Identitätsstandard

Entstehung

Freud (1914: 402-410) fand heraus, dass Kinder im Wesentlichen drei Phasen der kognitiven Empfänglichkeit durchleben. Die erste Stufe ist durch eine inaktive Aufnahme von Reizen aus der Umwelt gekennzeichnet, die zweite Stufe zeichnet sich durch eine rücksichtslose und dem eigenen Leib zuführende Rezeption von Stimuli aus. Am Ende der Kindheit durchläuft der Mensch das dritte Stadium, welches von Freud den Namen „anal-erotische Phase“ erhielt (ebd.: 403). Mit dem Erlebnis der ersten Darmentleerung geht für das Kind der Konflikt zwischen Einhalten oder Abgeben einher. Genauer gesagt entsteht zum ersten Mal das Gefühl ein Stück der eigenen Körperlichkeit zu verlieren (ebd.: 409).

Pathologische Merkmale

Hauptmerkmale des analen Charakters sind die hervorgehobenen moralischen Vorstellungen des Über-Ichs, welche zum Ordnungsprinzip im Verhalten der Gesellschaft des 19. Jahr-hunderts wurden (vgl. Fromm 1979: 85). Zwanghafte Vorstellung existierten bspw. zur Identität. Man betrachtete sie als nach innen geleitet (vgl. Riesmann 1958). Das heißt, die eine feste „Kernidentität“ als solche zeichnete den Menschen aus. Rollenwechsel waren durch die stärkere Gruppenbindung des analen Charakters einer stärkeren sozialen Kontrolle unterworfen (vgl. Turkle 1998: 289). Als ein weiteres Beispiel zwanghaften Verhaltens ist die Darstellung von überdurchschnittlichen Fleiß zu nennen (vgl. Lasch 1995: 94). Da zwanghafte Störungen vor Hundert Jahren gehäuft auftraten, kann man darauf schließen, dass die Menschen dieser Zeit vom analen Identitätsstandard geprägt waren (vgl. Lasch l.c.: 66).

1.3. Der narzisstische Identitätsstandard

Zwanghafte oder hysterische Persönlichkeitsstörungen treten heutzutage kaum noch auf (vgl. Sennett 1983: 22). Dafür häufen sich undurchsichtige Beeinträchtigungen des Gemüts vieler Menschen, für die die Dominanz des narzisstischen Anteils der menschlichen Persönlichkeit als Begründung angeführt wird (vgl. Lasch 1995: 66 f.).

„In den letzten fünfundzwanzig Jahren ist der Patient, der den Psychiater nicht mehr mit scharf umrissenen Symptomen, sondern mit diffusen Verstimmungen konfrontiert, immer häufiger geworden“ (Lasch 1995: 66).

Entstehung

Nach Sigmund Freud (1914: 138 ff.) ist Narzissmus ein Zustand der menschlichen Persönlichkeit, der durch triebhaften Autoerotismus geprägt ist. Er unterscheidet zwei Formen: Den primären und den sekundären Narzissmus. Die erste Form korrespondiert mit dem Entwicklungsstadium eines Säuglings, der noch nicht zwischen sich und seiner Umwelt unterscheiden kann. Dem entsprechend besteht für einen Erwachsenen mit einer primären narzisstischen Störung die Gefahr, keine Distanz zwischen sich und seiner Umwelt herstellen zu können. Ein weiteres Anzeichen der primär narzisstischen Störung ist die Überschätzung des eigenen Selbst.

Der sekundäre Narzissmus geht als Störung aus dem frühkindlichen Erleben, von einer Person, zu der eine enge Bindung besteht, wiederholt allen gelassen zu worden zu sein, hervor. Durch solche Erfahrungen, werden Empfindungen, Triebe und Begehrlichkeiten, die auf andere Individuen gerichtet waren, auf das eigene Selbst zurück bezogen.

Pathologische Merkmale

Zu den undurchsichtigen Beeinträchtigungen des Gemüts gehören vor allem die Empfindungen sich leer zu fühlen, verbunden mit dem Gefühl stets etwas Besseres erreichen zu können als das was man hat (sowohl im materiellen als auch im sozialen Bereich) und ein Selbstwertgefühl, dass Achterbahn fährt weil es von der Bewunderung der anderen abhängt und mit dieser steht und fällt (vgl. Sennett 1983: 22 f.).

Lasch (1995: 30, 79 f.) weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Welt für den Narzissten ein „Spiegel“ ist, an dem er nur insofern interessiert ist, wie er sein eigenes Image reflektiert, um es auf eventuelle Mängel, die mit dem grandiosen Selbst unvereinbar sind, zu überprüfen. Für den narzisstisch geprägten Menschen haben die Interaktionen mit Mitmenschen nicht mehr an sich eine Bedeutung. Sondern bedeutend sind Interaktionen, die für das Individuum relevant sind, z.B. wenn sie dem Selbst Gratifikationen bescheren (vgl. Sennett 1983: 22).

Um Gratifikationen zu erhalten, benutzt das vom narzisstischen Identitätsstandard geprägte Individuum seine Fähigkeit „zwischenmenschliche Beziehungen zu manipulieren“, die es trotz „seines inneren Leidens besitzt“ (Lasch 1995: 75).

Paradoxerweise genau dann, wenn es sie erhalten hat, kann die Person die diese Beachtung „verabreichte“ schlimmstenfalls uninteressant oder gar abgewertet werden (vgl. Lasch 1995: 68). Sennett (1983: 22) stellt in diesem Zusammenhang fest:

„Der Narzissmus besitzt also die doppelte Eigenschaft, die Versenkung in die Bedürfnisse des Selbst zu verstärken und zugleich ihre Erfüllung zu blockieren“.

Die Abhängigkeit von Bewunderung durch andere entsteht durch deren „Abwertung“ sowie der reduzierten „Neugier“ ihnen gegenüber, wodurch „wirkliche geistige Auseinandersetzungen“ mit der Umwelt nicht stattfinden (Lasch 1995: 70). Dadurch hat das Individuum wenig „Sublimierungsmöglichkeiten“ und bleibt deswegen von der Bewunderung der anderen abhängig (ebd.). Zudem kommt es aufgrund der andauernden Beschäftigung mit dem eigenen Selbst dazu, dass „es uns ungemein schwer fällt uns selbst oder anderen ein klares Bild davon zu machen, woraus unsere Persönlichkeit besteht“ (Sennett 1983: 16).

So werden Visionen vom Selbst die aus Erfahrungen, Gefühlen und Reizen des physischen und psychischen Apparats entstanden sind, für das Individuum zum Repräsentant der Persönlichkeit bzw. zum Ich-Ideal (vgl. Punkt 1.1.) und nehmen dadurch eine Vormachtstellung im Aufbau des Geisteszustandes ein (vgl. Volkan/Ast 1994: 13 ff.). Die Liebe dem eigenen Selbst gegenüber ist übersteigert, wodurch das Ich-Ideal zu hoch angesetzt wird.

Dies führt zu einer Subjektivierung der Selbstdarstellung. Sie dient nicht mehr nur als Ordnungsprinzip der Situation einer Interaktion (vgl. Goffman 1969: 221) und als Mittel der Abgrenzung zwischen der privaten und öffentlichen Sphäre (vgl. Sennett 1983: 25), sondern ist im wahrsten Sinne des Wortes auch zum Selbstzweck geworden.

Ein weiteres Merkmal dieses Identitätsstandards ist die „ironische Distanzierung als Flucht vor Routine“ (Lasch 1995: 142 f.).

Durch diese Methode kann das vom narzisstischen Identitätsstandard geprägte Individuum ein Gefühl der Belanglosigkeit kompensieren, welches der Alltag mit seinen immer wiederkehrenden Abläufen hervor bringen kann. Da die psychischen Störungen, die mit dem Narzissmus korrelieren, zugenommen haben (vgl. Sennett 1983: 22), kann man auf eine Verbreitung dieses Identitäts-standards schließen.

Ein Zeichen dafür, dass sich die Identitätsstandards gewandelt haben sieht Sennett (vgl. 1983: 31) in dem Verfall des öffentlichen Lebens, der seinerseits auch die private Sphäre des Individuums in Mitleidenschaft gezogen hat. Dieser sei im Wesentlichen darin begründet, dass die Menschen ihr Handeln in der Öffentlichkeit nicht mehr von Konventionen ordnen lassen (vgl. Sennet l.c. 1983: 31). Diese Konventionen entsprechen in übersteigerter Form den zwanghaften moralischen Ansprüchen des analen Charakters insofern, als dass die Menschen daran glaubten, durch die Unterdrückung von „Ansprüchen der Natur“ aus dem „´Menschentier` ein gesellschaftliches Wesen“ machen zu können (Sennett 1983: 35). Eine Übereinkunft, die noch im 18. Jahrhundert Gültigkeit hatte, war, dass man die Gefühle während das Spielens einer sozialen Rolle darstellt und nicht ver-körpert (ebd.: 64). Diese Distanz zu den Empfindungen des eigenen Selbst, schuf in der Öffentlichkeit eine wirkliche Geselligkeit, da sich die Menschen benahmen, wie sie sich durch ihre Gesten (vgl. Punkt 2.1.1.) darstellten und nicht wie sie sind bzw. sich gerade fühlten. Dem entsprechend war die Interaktion nicht von kurzweiligen Stimmungsschwankungen der Interakteure beeinträchtigt.

Zerstört wurde dieses Prinzip durch das im 19. Jahrhundert entstandene und bis heute gültige Verständnis der Persönlichkeit als „einmaliger und einzigartiger Ausdruck individueller Charakterzüge“, welches zum Glauben führte, dass Äußerlichkeiten „unwillentlich das Innere eines Menschen ausdrücken“ (Lasch 1995: 140). Dieser Glaube führte wiederum zu einem „Rückzug aus dem Gefühl“, welches sich in der Entstehung des Schweigen als Schutzfunktion vor unwillkürlichen Gefühlsäußerungen im öffentlichen Handeln, äußerte (Sennett 1983: 44).

Folge dieser öffentlichen Stille ist, trotz deren Sichtbarkeit, die Isolation der Individuen im öffentlichen Raum. Zur Kompensation dieser Isolation entsteht die Tendenz bei den Menschen sich vor Fremden, mit denen sie näher in Kontakt treten möchten, „zu entblößen“, also eine Maske, die in früheren Zeiten für einen zwanglosen Umgang gesorgt hat, fallen zu lassen oder erst gar nicht aufzusetzen (ebd.: 30).

Weil sich die vom narzisstischen Identitätsstandard geprägten Menschen nicht mehr über ihre sozialen Rollen definieren, sondern über ihr eigenes Selbst, sind sie nicht mehr in der Lage dieses Selbst zu bestimmen. Daher suchen sie nach Rückmeldungen von außen, um zu erfahren als wer oder was die Anderen das eigene Selbst definieren. Insofern übernehmen neben Fremden Menschen auch zunehmend Freunde und Bekannte die Funktion den Zustand des dargestellten Selbst durch Rückmeldungen anzuzeigen. Am liebsten ist es den vom narzisstischen Indentitätsstandard geprägten Menschen, wenn sie nicht mehr anhand ihrer wahren Fähigkeiten, sondern durch ihre zur Schau gestellten Eigenschaften, definiert werden (vgl. Lasch 1995: 96). Dabei sind jene Eigenschaften am beliebtesten, die eine geglückt ausgelebte Leichtigkeit vermitteln. In diesem Zusammenhang schreibt Lasch, dass das „Vergnügungsprinzip“ das „Leistungsprinzip“ ersetzt hat (ebd.: 104). Statussymbole verlagern sich von Geld hin zur Darstellung einer hedonistischen Lebensweise.

1.4. Darstellung der Forschungsfrage

Durch die Forschungsfrage soll nun abgeklärt werden, ob die oben beschrieben Merkmale des Erlebens und Verhaltens von Menschen die vom narzisstischen Indentitätsstandard geprägt sind, zu einer narzisstisch motivierten Nutzung des „studiVZ“ führen oder ob andere Gründe auschlaggebend sind, sich im „studiVZ“ anzumelden. Um mögliche andere Gründe heraussfiltern zu können, wird im Interview auch auf das Nutzungsverhalten fokussiert.

Damit das Interview zeitlich nicht aus dem Rahmen fällt, wird die Interviewpartnerin nur zu ihrer Nutzung des virtuellen Netzwerks „studiVZ“ befragt. Dem entsprechend lautet die Forschungsfrage:

Welche Gründe sind ausschlaggebend für die Nutzung des virtuellen Netzwerk „studiVZ“ und das Verhalten in diesem?

2. Zur Auswahl der Interviewform

Es wurde das problemzentrierte Interview ausgewählt, weil in dieser Interviewform die Möglichkeit besteht, „biographische Daten mit Hinblick auf ein bestimmtes Problem“ zu thematisieren (Flick 2007: 210). Das gesellschaftliche Problem, ist der in der einschlägigen Literatur beschriebene Wandel des Modus der Selbstdarstellung, der zu einer unreflektierten Präsentation des Selbst führen kann.

Des weiteren bietet diese Interviewform die Möglichkeit, das Interview an diesem Forschungsgegenstand orientiert zu entwickeln. Dadurch wird ein Abgleich zwischen den Theorien zum gewandelten Modus der Selbstdarstellung und der empirischen Wirklichkeit ermöglicht. Am Beispiel des „studiVZ“ kann erhoben werden, ob diese Internetplattform zur narzisstisch motivierten Präsentation des Selbst oder zu anderen Zwecken genutzt wird.

Da diese Interviewform auf eine prozessorientierte Forschung ausgerichtet ist, wird es der Befragten ermöglicht, seine biographischen Daten zum Forschungsthema selbstständig zu rekonstruieren (vgl Flick 2007: 210)

3. Strukturierung und Inhalt des Fragenkatalogs

Im Folgenden wird zunächst die Struktur des Leitfadens erläutert. Anschließend werden die einzelnen Fragen beschrieben und inhaltlich begründet. Zum Schluss wird die Dokumentation und Transkription des Interviews beschrieben.

3.1. Zur Struktur des Fragenkatalogs

Die Struktur des Fragebogens ist orientiert an der Konzeption des qualitativen Interviews von Witzel (1985: 235-241; zitiert in Flick 2007: 210) und umfasst drei Teile:

1. Der Leitfaden

Er dient dazu, durch Anreize, den „vom Befragten selbst entwickelten Erzählstrang“ (Witzel 1985: 237; zitiert in Flick 2007: 210) zu nutzen. Er kann auch einen Umschwung im Interview ermöglichen, sollte diese schleppend und/oder nicht gehaltvoll verlaufen (vgl. Flick 2007: 210)

2. Die Audio-Aufnahme und das Postskriptum

[Die Audio Datei des Interviews ist nicht im Lieferumfang enthalten (Anm.d.Red.).]

3. Ein nachgeschalteter Kurzfragebogen

Hier werden soziodemographische Daten erhoben, die keine hohe Relevanz für das eigentliche Thema des Interviews haben (vgl. Flick l.c.: 210). Er wird an das Ende des Interviews gestellt, damit „sich seine Frage-Antwort-Struktur“ nicht auf das Interview selbst auswirkt (Flick 2007: 212).

3.2. Der Inhalt des Fragenkatalogs.

Der Fragenkatalog beginnt mit einer Einstiegsfrage, die die Befragte in die Thematik einführen bzw. ihre Erzählungen generieren soll. Diese Frage dient dazu, ganz allgemein die ersten Assoziationen zum Thema „studiVZ[1] “ zu aktivieren.

Anschließend unterteilt sich der Fragenkatalog in zwei Themenkomplexe. Der erste beinhaltet die Fragen 2-3 zur allgemeinen „Nutzungsmotivation“ des „studiVZ“. Die Fragen 4-10 im zweiten Themenkomplex „Nutzungsverhalten“ zielen auf das Erleben und Verhalten der Befragten im „studiVZ“ ab.

Einstiegsfrage:

1. Was fällt Dir spontan ein, wenn Du an das „studiVZ“ denkst?

Schon bei dieser Frage kann es notwendig werden, allgemeine und spezifische Sondierungsfragen zu stellen. Allgemeine Sondierungsfragen wie bspw. „Woher weißt Du das?“ dienen dazu „weitere Details des bis dahin Dargestellten“ zu generieren (Flick 2007: 211).

Spezifische Sondierungsfragen „sollen das Verständnis aufseiten des Interviewers vertiefen durch Zurückspiegelung (Zusammenfassungen, Rückmeldungen, Interpretationen seitens des Interviewers) des Gesagten (...)“ (ebd.).

Themenkomplex I: Nutzungsmotivation

2. Wieso hast Du Dich im „studiVZ“ immatrikuliert?

Diese Frage dient der Beleuchtung der Motivation die der Nutzung des virtuellen Netzwerks „studiVZ“ zugrunde liegt. Die Erzählungen der Interviewpartnerin lassen sich insofern auf Punkt eins dieser Ausarbeitung zurück beziehen, als dass sie anzeigen können, ob die Nutzung des „studiVZ“ der Befriedigung von Bedürfnissen dient, die sich dem narzistischen Identitätsstandard zu ordnen lassen wie bspw. das Bedürfnis nach externer Bestätigung (vgl. Punkt 1.4.), oder ob andere Gründe ausschlaggebend sind.

3. Es gibt Leute die sich im „studiVZ“ angemeldet haben, um zu alten Freunden Kontakt aufzunehmen oder den Kontakt zu halten. Was denkst Du über diese Nutzung?

Mit Hilfe dieser Frage kann beleuchtet werden, wie die Befragte zur reinen Nutzung der Interaktions- und Kommunikationsanagebote des „studiVZ“ steht. Davon lässt sich ableiten, wie sie für sich die Nutzungsmöglichkeiten „Darstellung des eigenen Selbst“ und „virtuelle Kommunikation“ gewichtet.

Themenkomplex II: Nutzungsverhalten

4. Viele Leute sagen, dass manche Nutzer des „studiVZ“ zu unreflektiert persönliche Informationen präsentieren, weil sei beispielsweise die Einstellungen der Privatssphäre[2] nicht benutzen. Was hältst Du von dieser Aussage?

Durch diese Frage lässt sich klären, ob die Befragte diese Tatsache als Problem oder als Normal betrachtet. Durch die Erhebung dieser Tatsache lässt sich ableiten, für wie wichtig die Befragte eine Trennung zwischen öffentlicher und privater Sphäre im Zuge der Nutzung des „studiVZ“ hält (vgl. Punkt 1.3.).

5. Was hältst Du von der Möglichkeit, dass andere „studiVZ Nutzer Deine Fotos kommentieren können?

Hier können Ergebnisse bezüglich der Relevanz externer Rückmeldungen, auf das dargestellte Selbst auf den Fotos, für die Befragte generiert werden.

6. Welche Einstellungen zur Privatsphäre im „studiVZ“ nutzt Du? Wieso gerade diese?

Durch diese Frage kann erhoben werden, wie wichtig der Befragten eine getrennte Nutzung des „studiVZ“ im öffentlichen und privaten virtuellen Raum ist. Von den Ergebnissen kann abgeleitet werden, ob die Befragte das „studiVZ“ nur zur Selbstdarstellung (z.B. wenn sie angibt die Privatsphäre Einstellungen zu nutzen, weil zu viel persönliches im Profil von Fremden einsehbar wäre) oder zur Pflege von Kontakten (z.B.: Wenn die Befragte angibt, keine Privatsspähre Einstellungen zu nutzen, weil er das „studiVZ“ ohnehin nur zum Schreiben von Mails gebrauchen kann) nutzt.

7. Manche „studiVZ“ Nutzer stellen Fotoalben in ihr Profil aus denen hervorgeht, dass sie ihr Leben in vollen Zügen genießen. Was hältst Du von solchen Fotoalben?

Diese Frage dient der Beleuchtung der inneren Haltung der Befragten bezüglich des Vergnügungsprinzips (vgl. Punkt 1.3.) und der damit verbundenen Darstellung hedonistischer Lebensweisen als Statussymbol.

8. Viele „studiVZ“ Gruppen wie bspw. „Ich habe ein Zeitproblem bis ich ein Motivationsproblem habe“ setzen sich auf witzige Art und Weise mit den Schwierigkeiten des Alltags auseinander. Was hältst Du von dieser Nutzung der „studiVZ“-Gruppen?

Durch diese Frage kann erhoben werde, welche innere Einstellung die Interviewpartneron bzgl. der Gruppenmitgliedschaften im „studiVZ“ hat, die aufgrund der ironischen Distanzierung als Flucht vor Routine eingegangen werden können.

9. Es gibt Menschen die sich im „studVZ“ ein sehr ansprechendes Profil gestalten, damit andere Nutzer mit ihnen in Kontakt treten, weil sie sich nicht trauen in der realen Öffentlichkeit andere Leute anzusprechen. Wie stehst Du zu dieser Nutzung des „studiVZ“?

Dieser Forschungsfrage liegt das Erkenntnisinteresse zugrunde zu erfahren, welchen Standpunkt die Befragte bzgl. der Nutzung des „studiVZ“ zur Kompensation der Isolation im realen öffentlichen Raum durch die Entblößung des Selbst, einnimmt.

10. Wenn sich etwas in Deinem Leben verändert, gestaltest Du dann auch den Profil um? Wenn ja/nein wieso/wieso nicht?

Diese Frage kann Ergebnisse hinsichtlich Nutzung des „studiVZ“ und der theoretischen Vermutung, dass sich die Selbstdarstellung subjektiviert hat, liefern.

Bilanzierungsfrage

11. Fällt Dir denn sonst noch spontan irgendwas ein, was Du selbst noch zur Nutzung des „studiVZ“ zu sagen hast? Was wir jetzt nicht besprochen haben.

Diese Frage soll dem Abschluss des Gspräches dienen. Hier hat die Befragte die Möglichkeit die Erzählsituation zu beenden und sich emotional wieder aus der Thematik zurückzuziehen

Soziodemographische Daten

Soziodemographische Daten wurden am Ende des Interviews erhoben, um der Interviewten nicht zu Beginn den Eindruck zu vermitteln, das die Fragen des Interviews einer „Ja-Nein“ Antwortlogik folgen.

[...]


[1] Im Anhang befindet sich eine Beschreibung der Nutzungsmöglichkeiten des „studiVZ“ (vgl. Anlage Nr. 1)

[2] Im Anhang befindet sich eine Liste mit den Optionen zur Eimstellung einer „Privatssphäre“ im „studiVZ“ (vgl. Anlage Nr. 2).

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Details

Title
Zur Motivation der Nutzung virtueller Netzwerkräume
Subtitle
Eine qualitative Untersuchung am Beispiel des „studiVZ“
College
Cologne University of Applied Sciences
Grade
1,0
Author
Year
2009
Pages
33
Catalog Number
V145422
ISBN (eBook)
9783640561179
ISBN (Book)
9783640560943
File size
655 KB
Language
German
Keywords
StudiVZ, Selbstdarstellung, virtuelle Netzwerke, soziale Netzwerke, Problemzentriertes Interview
Quote paper
M.A. Michael Noack (Author), 2009, Zur Motivation der Nutzung virtueller Netzwerkräume , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/145422

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