Handlungsfelder des/der Elektronikers/in für luftfahrttechnische Systeme

Ausbildung und Anforderungen der beruflichen Praxis


Masterarbeit, 2008

76 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Problemfeld und Zielsetzung dieser Arbeit und deren methodische Struktur

2 Struktur und Organisation der Ausbildung
2.1 Einbettung des Ausbildungsberufs in das Bildungssystem
2.2 Der Elektroniker für luftfahrttechnische Systeme als Ausbildungsberuf im „Dualen System" der Berufsausbildung
2.2.1 Organisation

3 Inhalte der Ausbildung unter Berücksichtigung der beruflichen Handlungskompetenz
3.1 Ganzheitliches Lernen
3.1.1 Berufliche Handlungskompetenz
3.1.2 Handlungsbegriff und Handlungsfelder
3.1.3 Handlungsorientierung und handlungsorientiertes Lernen
3.1.4 Modell der vollständigen Handlung
3.2 Ausbildungsinhalte des Elektronikers für luftfahrttechnische Systeme
3.2.1 Betrieb
3.2.2 Schule

4 Rekonstruktion der Handlungsfelder des Elektronikers für luftfahrttechnische Systeme und Vergleich derer mit der beruflichen Praxis unter Zuhilfenahme empirischer Forschungsergebnisse
4.1 Beschreibung der Handlungsfelder anhand der gegebenen Ausbildungsinhalte
4.1.1 Schritt 1: Inbeziehungsetzen der Inhalte der Lernfelder zu denen des Ausbildungsberufsbildes
4.1.2 Schritt 2: Herausarbeitung von Handlungen, Aufgaben und Tätigkeiten aus den Zielbeschreibungen des Rahmenlehrplans
4.1.3 Schritt 3: Einteilung der Ausbildungsinhalte in Kategorien zur Fachtiefe
4.1.4 Schritt 4: Ausdifferenzierung der konkreten Handlungsfelder
4.2 Ausdifferenzierung der Handlungsfelder der beruflichen Realität mittels explorativer Studie
4.2.1 Auswahl der Interviewpartner und methodisches Vorgehen
4.2.2 Entwurf des Interviewleitfadens
4.2.3 Durchführung des Interviews und Transkription dessen
4.3 Vergleich der theoretisch beschriebenen Handlungsfeldern mit den empirisch ermittelnden Ergebnissen aus dem Interview

5 Beschreibung der organisatorischen und strukturellen Gegebenheiten der Ausbildung anhand der explorativen Studie und Vergleich mit den theoretisch ermittelten Merkmalen

6 Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick

7 Anhang
7.1 Interviewleitfaden
7.2 Lernfelder des Rahmenlehrplan
7.3 Literaturverzeichnis
7.4 Abbildungsverzeichnis
7.5 Danksagung

1 Problemfeld und Zielsetzung dieser Arbeit und deren methodische Struktur

Der Beruf des „Elektronikers fur luftfahrttechnische Systeme" beziehungsweise der „Elektronikerin fur luftfahrttechnische Systeme"1 (kurz: ELS) ist, zumindest unter dieser Be-zeichnung, ein recht neuer Beruf, der aus dem Ausbildungsberuf „Fluggerate-elektroniker/Fluggeräteelektronikerin" hervorgegangen ist. Die Verordnung fiber die Berufs-ausbildung in den industriellen Elektroberufen erwähnt ihn zum ersten Mal am 03.07.2003 (BGBl. I S. 1144). Die Kultusministerkonferenz hat den dazugehörigen Rahmenlehrplan zuvor am 16.05.2003 beschlossen.

Doch was sind die Grfinde, die es wert machen, diesen Ausbildungsberuf genauer unter die Lupe zu nehmen?

Während zu Beginn der zivilen Luftfahrt die Flugzeuge mit nur sehr wenig bis fiberhaupt keiner Elektronik vom Boden abhoben, ist heutzutage ein Flugzeug, egal welcher Größe, voll aus-gerfistet mit Hightech-Elektronik. Nicht zuletzt auch der Sicherheit wegen. Von Seiten des technischen Know-hows wird dem Elektroniker ffir luftfahrttechnische Systeme daher einiges abverlangt.

Aber auch das „Drumherum", also die Bedingungen der beruflichen Ausbildung wecken Interesse: Die Ausbildungszahlen sind gering. Nur rund 130 Auszubildende schließen pro Jahr einen Ausbildungsvertrag in diesem Beruf neu ab. Eingesetzt werden sie in unterschiedlichen Teilbereichen der Luftfahrtbranche: vom kleinen Zulieferbetrieb, der sich nur auf ein Produkt spezialisiert hat, fiber die Wartungstechniker der Luftfahrtgesellschaften und der Luftwaffe bis hin zu Flugzeugbauern und - nicht zu vergessen - der Raumfahrt. Die zentralen Fragen, die in dieser Arbeit beantwortet werden sollen lauten: Wie realisieren die teilweise hoch spezialisierten Betriebe eine ganzheitliche Ausbildung gemäß der Ausbildungsordnung und der darin angegebenen Handlungsfelder? Inwiefern entsprechen die dort enthaltenen Handlungs-felder der beruflichen Wirklichkeit?

Die Arbeit ist so strukturiert, dass zu Beginn aufzeigt wird, wie der Beruf in das Berufsbildungs-system der Bundesrepublik Deutschland einzuordnen ist. Ferner werden die Ausbildungs-inhalte, die durch Rahmenlehrplan und Ausbildungsrahmenplan gegeben sind, genauer unter-sucht. Hierbei wird auch auf die Ziele und Strukturen der Berufsausbildung eingegangen. Die Begrifflichkeiten „Ganzheitliches Lernen", „Kompetenz" und „Qualifikation" stellen hierbei den Ausgangspunkt der Analyse dar.

Zum Abschluss erfolgt eine explorative Studie zu den Anforderungen an die berufliche Praxis, die mit Hilfe eines Interviews herausgearbeitet werden, um sie dann mit den zuvor konkretisierten Handlungsfeldern aus Rahmenlehrplan und Ausbildungsrahmenplan bzw. Aus-bildungsordnung zu vergleichen.

Sollten sich im Laufe des Textes Interviewfragen ergeben haben, so sind diese

in diesem Stil hervorgehoben.

Struktur der Arbeit:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2 Struktur und Organisation der Ausbildung

Das folgende Kapitel soll Aussage darüber geben, wie die Ausbildung des Elektronikers für luft-fahrttechnische Systeme organisiert ist und welche Struktur, auch im Kontext mit der Berufs-ausbildung in der Bundesrepublik Deutschland, dahinter steht. Zur Beantwortung dieser Fragen werden vorwiegend Literaturrecherchen angewendet mit dem Ziel, Interviewfragen rund um das genannte Problemfeld dieses Kapitels zu formulieren.

2.1 Einbettung des Ausbildungsberufs in das Bildungssystem

Der Ausbildungsberuf des Elektronikers für luftfahrttechnische Systeme ist ein Ausbildungs-beruf nach dem ,,Dualen System" der Berufsausbildung der Bundesrepublik Deutschland. ,,Duales System" der Berufsausbildung meint, dass an der Ausbildung zwei Partner mitwirken. Zum einen der Ausbildungsbetrieb, zum anderen die Berufsschule. Exemplarisch ist in Ab-bildung 1 das Schulsystem von Baden-Württemberg abgebildet. Da das Schulwesen der föderalen Bundesrepublik in den Zuständigkeitsbereich der Länder, genauer gesagt der jeweiligen Kultusministerien fällt, gelten für andere Bundesländer teilweise abgewandelte Strukturen.

Die Berufsschule als dualer Partner der Ausbildung ist in Abbildung 1 auf Seite 8 rot unterlegt. Wie unzweifelhaft zu erkennen ist, fordert der Besuch der Berufsschule keinen formalen Ab-schluss (gestrichelter Pfeil links), was bereits zur ersten Interviewfragen führt:

Welchen formalen Schulabschluss setzen Sie von ihren Bewerbern voraus?
Auf die gute Leistung in welchen Unterrichtsfächern legen Sie besonderen Wert?

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Bildungssystem in Baden-Württemberg (Häffner, et al., 2007)

Ziel dieser Fragen ist es, herauszufinden, welche kognitiven Voraussetzungen der Ausbildungs-beruf verlangt. Beispielsweise sei an dieser Stelle das Fach Englisch genannt. In der Luftfahrt-branche ist das Beherrschen der englischen Sprache in den meisten Fällen ein Muss. Bei Piloten, Fluglotsen und Stewardessen ist dies hinlänglich bekannt. Doch wie sieht es mit dem Technik-personal am Boden aus?

Welchen Stellenwert hat das Beherrschen der englischen Sprache für den Beruf des Elektronikers für luftfahrttechnische Systeme?

Einen weiteren möglichen Einstieg, in die duale Berufsausbildung ermöglicht die einjährige Berufsfachschule (1BFS), die in anderen Bundesländern auch Berufsgrundbildungsjahr (BGJ) genannt wird. Das erste Lehrjahr findet dort komplett in der Schule statt. Um im Berufsgrund-bildungsjahr angenommen zu werden, ist rein formal nur ein Hauptschulabschluss notwendig. Als einer der Grande far das BGJ wird angegeben, dass „viele Betriebe fachlich so hoch spezialisiert sind, dass sie den Auszubildenden die notwendige Grundbildung dieses Berufs-feldes in ihrer ganzen Breite gar nicht mehr vermitteln konnen" (Häffner, et al., 2007, S. 10). Oft ist es so, dass Schiller des BGJ auch schon einen Vorvertrag mit einem Unternehmen haben, der bei einem guten Abschluss, die Übernahme ins zweite Lehrjahr in den Betrieb garantiert.

Nach Abschluss der Ausbildung eröffnet das Bildungssystem den „frischgebackenen" Fach-arbeitern die Möglichkeit zur Weiterqualifizierung. Je nach Eingangsabschluss in die Berufsaus-bildung kann die Hochschulreife nachgeholt oder direkt mit einem Studium begonnen werden.

2.2 Der Elektroniker für luftfahrttechnische Systeme als Ausbildungsberuf im„ Dualen System " der Berufsausbildung

Das historisch gewachsene „Duale System" der Berufsausbildung in der Bundesrepublik Deutschland ist organisatorisch gesehen, auch im Vergleich mit anderen Ausbildungssystemen, äußerst komplex. Ein Grund hierfür sind die verteilten Zuständigkeiten innerhalb der Aus-bildung. Wie fügt sich die Ausbildung des Elektronikers für luftfahrttechnische Systeme in dieses System ein und wie ist die Ausbildung organisiert?

Der Beruf Elektroniker für luftfahrttechnische Systeme ist Teil des Berufsfeldes Elektrotechnik. Er zählt zu den industriellen Elektroberufen und ist, neben den industriellen Metallberufen, somit einer der „Vorreiter" in Sachen Ausbildungsreform. Der Neuordnungsprozess, der 1978/79 in diesen Bereichen begonnen hatte, endete 1987. Die bis dahin geltenden Aus-bildungsordnungen waren teilweise noch aus den 30er und 40er Jahren. Greinert benennt die bis dato geltende Form der Berufsausbildung als „mangelhafte qualifikatorische Leistungsfahig-keit" (Greinert, 1993, S. 106). Der technologische Fortschritt in allen Wirtschaftsbereichen er-forderte eine hohe Qualifikation der Arbeitskrafte. Die Ausbildung sei „zu einem blot en Aus-beutungsinstrument verkommen" (Greinert, 1993, S. 106).

„Das Neuordnungsverfahren in den industriellen Metall- und Elektroberufen

- setzte hinsichtlich seines Umfangs neue Maßstäbe: geordnet wurden nicht einzelne Be-rufe sondern ganze Berufsfelder [...].
- veränderte den bislang üblichen Ausbildungs-Monoberuf in Richtung breitangelegter, flexibler Grundberufe mit gestuftem Qualifizierungsprogramm.
- formuliert für die Berufsausbildung einen neuartigen Qualifiktionsbegriff, der fachliche, personale und soziale Kompetenz einschließt und auf eine berufliche Handlungsfähigkeit im Sinne selbstständigen Planens, Durchführens und Kontrollierens zielt.
- gab einen wesentlichen Anstoß zur Entwicklung ganz neuer betrieblicher Ausbildungs-methoden, die auf die Vermittlung dieser beruflichen Handlungsfahigkeit abzielt." (Greinert, 1993, S 114-116)

Durch die Neuordnung der industriellen Elektroberufe wurde 1997 auf Grundlage der Ver-ordnungen von 1987, der Beruf des/der „Fluggeratelektroniker/Fluggeratelektronikerin" ge-schaffen, der Vorläufer des untersuchten Berufes. Vor 1997 gab es keinen entsprechenden Elektroberuf, der explizit auf Luftfahrtsysteme ausgerichtet war2. Im Jahr 2003 erfolgte eine weitere Neuordnung der Elektroberufe, seit dem der Beruf „Elektroniker/in ftir luftfahrtechnische Systeme" genannt wird. Die aktuelle Fassung der Ausbildungsverordnung der industriellen Elektroberufe ist vom 30.07.2007.

Zwischen der Ausbildungsstruktur der Verordnungen von 1987 und 2003 sind, wie in Abbildung 2 dargestellt, deutliche Unterschiede erkennbar. Während 1987 ein systematisches Stufen-modell die Ausbildung bestimmte, so war dies ab 2003 ein eher integratives Modell, das Fach-qualifikation und Kernqualifikation miteinander verknüpfte.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Vergleich Ausbildungsstruktur der industriellen Elektroberufe nach Verordnung 1987 und 20033

Einen wichtigen Einfluss auf die weiteren Untersuchungen haben sicherlich die Ausbildungs-zahlen (vgl. Abbildung 3).

Die niedrigen Ausbildungszahlen mit gerademal 350 Ausbildungsverträgen, davon 130 Neuver-träge, im Ausbildungsjahr 2007 in ganz Deutschland sind auffällig für das Berufsfeld. Werden die Ausbildungszahlen anderer Berufe des Berufsfeldes Elektrotechnik mit dem untersuchten Beruf verglichen, so hat der Elektroniker für luftfahrtechnische Systeme deutlich geringere Aus-bildungszahlen als beispielsweise der Elektroniker für Betriebstechnik (kurz: EBT), in dem im Jahre 2007 genau 21144 Jugendliche bzw. junge Erwachsene ausgebildet wurden (vgl. DIHK, 2008, S. 3).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Ausbildungszahlen zum Elektroniker für luftfahrttechnische Systeme (DIHK, 2008, S. 3)

Aber auch andere statistische Fakten zum Ausbildungsberuf des Elektronikers für luftfahrt-technische Systeme sind durchaus untersuchenswert. Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) gibt dazu regelmäßig ein statistisches Datenblatt4 über jeden Ausbildungsberuf in Zu-sammenarbeit mit dem Statistischen Bundesamt und dem DIHK heraus. Vergleicht man die Daten des Elektronikers für luftfahrttechnische Systeme mit denen des Elektronikers für Be-triebstechnik (Industrie), so fällt deutlich die Abweichung in der schulischen Vorbildung auf. Zwar nehmen bei beiden Berufen die Realschulabsolventen zwischen 60 und 70 Prozent aller Neuverträge im Jahr 2006 ein, der Anteil der Abiturienten ist jedoch beim Elektroniker für luft-fahrttechnische Systeme nahezu doppelt so hoch (23,5 % zu 12,7 %). Dies führt zwangsläufig dazu, dass niedere Schulabschlüsse nur sehr schwach vertreten sind. Der Anteil der Schüler mit Hauptschulabschluss liegt beim Elektroniker für luftfahrttechnische Systeme lediglich bei 1,2 %, während er beim Elektroniker für Betriebstechnik (Industrie) immerhin 9,1 % beträgt. Ab-solventen des Berufsvorbereitungsjahres (BVJ) spielen jedoch für keinen der beiden Berufe eine Rolle (vgl. Tabelle 1).

Tabelle 1: Schulische Vorbildung der Ausbildungsanfänger 2006 im Vergleich4

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Diese Zahlen lassen durchaus den Schluss zu, dass die Anforderungen an die Elektroniker für luftfahrttechnische Systeme durchaus höher einzuschätzen sind, als im bei anderen Aus-bildungsberufen des gleichen Berufsfeldes, obwohl die Anforderungen im Elektrobereich sowieso schon relativ hoch sind.

2.2.1 Organisation

In diesem Zusammenhang ist es bedeutsam, wie die Ausbildung des Elektronikers für luftfahrt-technische Systeme organisiert ist und welchen Einfluss die geringen Ausbildungszahlen auf die Organisation haben. Die Auswirkungen der niedrigen Ausbildungszahlen auf die Ausbildung und der Umgang mit jenen, kann zunächst nur durch Aufstellen von Hypothesen erschlossen werden. Ziel ist es, diese Annahmen durch eine explorative Studie mit den tatsächlich vorherrschenden Begebenheiten zu vergleichen.

Der Beruf des Elektronikers für luftfahrttechnische Systeme zählt, aufgrund der niedrigen An-zahl an Auszubildenden, zu den sogenannten Splitterberufen. Dies führt dazu, dass die Anzahl der Berufsschulen und der Ausbildungsbetriebe ebenfalls gering sind. Laut „Rahmenverein-barung über die Bildung länderübergreifender Fachklassen für Schüler/Schülerinnen in an-erkannten Ausbildungsberufen mit geringer Zahl Auszubildender"5, herausgegeben von der Kultusministerkonferenz, ist geregelt, dass: „Sofern einzelne Lander einen fachlich differenzierten Unterricht nicht sicherstellen können, soll auf der Grundlage der schulrecht-lichen Regelungen für die betroffenen Berufsschüler aus diesen Ländern ein Unterrichtsangebot an Berufsschulen mit länderübergreifendem Einzugsbereich eingerichtet werden." (Kultusministerkonferenz, 1984) In der dazugehörigen, zwischenzeitlich aktualisierten Anlage6 aus dem Jahre 2008, ist der Beruf des Elektronikers für luftfahrttechnische Systeme aufgeführt. Für Auszubildende aus den Bundesländer Brandenburg, Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen ist in Hamburg eine länderübergreifende Berufsschule eingerichtet.

Ziehen wir auch an dieser Stelle einen Vergleich zwischen den statistischen Daten der Aus-bildungszahlen des Elektronikers für luftfahrttechnische Systeme und des Elektronikers für Be-triebstechnik (Industrie), als repräsentativer Vertreter des Berufsfeldes Elektrotechnik (vgl. Fußnote 4). Auf die regionale Verteilung haben die geringen Ausbildungszahlen auch einen starken Einfluss, zumal es auch nur 26 Ausbildungsbetriebe gibt. In den Bundesländern Berlin, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen wird kein Jugendlicher zum Elektroniker für luftfahrttechnische Systeme ausgebildet. Auch die Bundesländer Baden-Württemberg, Bremen und Brandenburg mit ledig-lich jeweils drei Auszubildenden sind gering vertreten. Die restlichen Bundesländer Bayern, Hamburg, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen verbuchen die restlichen Auszu-bildenden, wobei in Hamburg mit 194 Auszubildenden, das 60,1 % aller Auszubildenden in diesem Beruf entspricht, ausgebildet werden.

Die Regionale Verteilung der Ausbildungsberufe Elektroniker für luftfahrttechnische Systeme und Elektroniker für Betriebstechnik (Industrie) ist in Abbildung 4 nochmals grafisch dar-gestellt. Dabei wurde der prozentuale Anteil, der in dem Bundesland ausgebildeten Jugendlichen in dem jeweiligen Beruf dividiert durch den Anteil, aller Auszubildenden aller Berufe im jeweiligen Land. Man erhält mit dieser Rechnung eine relative Verteilung. Während das bei dieser Rechnung entstandene Verhältnis beim Elektroniker für Betriebstechnik (Industrie) durchgehend einen Wert um die Eins annimmt, das für eine regionale Gleichverteilung dieses Ausbildungsberufes steht, so ist dies beim Elektroniker für luftfahrttechnische Systeme nicht der Fall. Hier ergibt sich eine relative Häufung im Bundesland Hamburg.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Regionale Verteilung der beiden vergleichenden Ausbildungsberufe (Quelle vgl. Fußnote 4)

Der exemplarisch untersuchten Betrieb liegt in einem der oben genannten Bundesländer, die eine länderübergreifende Fachklasse bilden. Daher ist der Berufsschulstandort Hamburg. Obwohl die oben genannte Rahmenvereinbarung in Kapitel 1.3 Blockunterricht vorsieht, bleibt trotzdem zu hinterfragen, ob es eventuell doch Sonderregelungen gibt. Die Tatsachen, dass der Betrieb relativ hohe Ausbildungszahlen in diesem Beruf hat und sich räumlich nah am Berufs-schulstandort befindet, legt diese Vermutung nahe.

Besuchen Ihre Auszubildenden den Unterricht im Block- oder Teilzeitmodell?

Ergeben sich aufgrund der Besonderheit der niedrigen Ausbildungszahlen organisatorische Probleme
oder sonst. besondere Begebenheiten, welche die Ausbildung beeinflussen?

3 Inhalte der Ausbildung unter Berücksichtigung der beruflichen Hand-lungskompetenz

Folgendes Kapitel soll Aufschluss darüber geben, welche Inhalte während der Ausbildung den Auszubildenden vermittelt werden. Zu Beginn wird die Begrifflichkeit des „Ganzheitlichen Lernens" und der damit zusammenhangende Aspekt der „beruflichen Handlungskompetenz" anhand gegebener Literatur zusammengefasst dargestellt. Im weiteren werden konkrete Inhalte der Ausbildung zum Elektroniker für luftfahrttechnische Systeme anhand der Curricula für Be-trieb und Schule genauer beschrieben.

3.1 Ganzheitliches Lernen

„Hauptintention ganzheitlicher Berufsbildung ist es, die berufliche Handlungskompetenz und Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen zu fördern." (Ott, 1995, S. 13)

Durch die Einführung neuer Technologien und dem damit bedingten technischen Struktur-wandel, war von den Arbeitern fachliche Flexibilität und lebenslange Lernbereitschaft gefragt. Wissen, das bisher in der Berufsausbildung erlernt wurde, war schnell veraltet. Ziel der „neuen" Berufsausbildung, wie sie heute in Schule und Betrieb stattfindet, ist es eine „Ebene hoher" aus-zubilden, wo Wissen nicht so schnell veraltet. Es soll das „Erschliegen von Problemen bzw. das Herstellen von Bezfigen" (Ott, 1995, S. 15) in neuen methodischen Ansätzen näher gebracht werden. Dazu passt auch folgende Aussage: „Eine berufliche Erstausbildung reicht nicht mehr aus, um jemanden für die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit ausreichend auszustatten. Notwendig ist vielmehr eine kontinuierliche Weiterbildung. Berufstätigkeit wird so zu einem kontinuierlichen Lernprozess." (Arnold/Krämer-Stürzel, 1999, S. 43)

Die eine und einzig richtige Theorie der ganzheitlichen Berufsbildung gibt es nicht. Die vier Theorieansätze, emanzipatorischer Ansatz (vgl. Ott, 1995, S. 27-32), antizipatorischer Ansatz (vgl. Ott, 1995, S. 32-37), subjektorientierter Ansatz (vgl. Ott, 1995, S. 37-42) und die Theorie der arbeitsorientierten Exemplarik (vgl. Ott, 1995, S. 43-45), sind „Leitmaxime [..] auf einer Meta-Ebene"(Ott, 1995, S. 46). Das heißt, dass sie zu eng auf ihre Position fixiert und keine Antwort auf die Ausbildungs- und Unterrichtsebene geben. Erst durch Reflexion und Kombination der Theorieansätze lässt sich ein Lernstruktureller Ansatz entwicklen, der es er-laubt ganzheitliche Berufsbildung zu definieren.

Der Lernstrukturelle Ansatz nennt zwei Bedingungen für ganzheitliches Lernen:

- die Fähigkeit zur Wahrnehmung des Ganzen
- neue didaktisch-methodische Unterrichtsgestaltung mit dem Ziel, Schülern selbst-organisatorische Lernprozesse zu ermöglichen

Bei der Bedingung der Fähigkeit zur Wahrnehmung des Ganzen, kommt es „darauf an, ganzheit-lich wahrzunehmen, was sich in Beruf und in den Betrieben ereignet und die Illusion der Plan-barkeit zu fiberwinden" (Ott, 1995, S. 47).

Laut Ott ist das Ziel einer ganzheitlichen Berufsausbildung, „den Auszubildenden eine Hand-lungskompetenz zu vermitteln, bei der die fachliche und allgemeine (soziale, ethische und politische) sowie die praktische und theoretische Dimension gleichermaßen integriert sind. Demnach ist ganzheitliche Berufsausbildung eine Symbiose aus beruflicher Handlungs-kompetenz und Persönlichkeitsentwicklung" (Ott, 1995, S. 48).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Strukturmerkmale ganzheitlicher Berufsbildung
(Ott, 1995, S. 49)

Auf den Punkt gebracht (vgl. Ott, 1997, S. 180):
Ganzheitliches Lernen = Wissen x Können x Wollen

Für die Auszubildenden ist eine ganzheitliche Berufsausbildung sicher von Vorteil. Denn durch die zusätzlichen Kenntnisse und Fertigkeiten, die über das Fachwissen hinausgehen, sind sie eher in der Lage einen lebenslangen Lernprozess zu vollziehen und sich auf neue berufliche Situationen schneller anzupassen. Diese Argumentation mag sicher für den Teil der beruflichen Handlungskompetenz zutreffen. Doch auf welchen Theorien basiert der zweite Teil des ganz-heitlichen Prozesses, die Persönlichkeitsentwicklung? Warum ist dieser Teil, auch für die Wirtschaftlichkeit der Betriebe, notwendig?

In der Geschichte etwas weiter zurück, zu den Zeiten von Henry Ford und dem damit eng ver-knüpften Taylorismus7, also der strikten Trennung von Kopf- und Handarbeit, wurden die Hand-lungsspielräume der Arbeiter vehement eingeschränkt. Arbeiten waren nach einem zuvor fest-gelegten Schema durchzuführen. Auswirkungen unter den Arbeitern dadurch waren Un-zufriedenheit, mangelte Motivation und Krankheit, aufgrund immer gleicher Bewegungen. Eigenständiges Denken war zur Ausführung der Arbeit nicht notwendig, sodass sich schlussend-lich die Arbeiter mit der Firma und dem hergestellten Produkt nicht mehr identifizieren konnten und als Konsequenz daraus die Qualität eben dieser Produkte abnahm.

Wolfgang Klafki nennt in seiner ersten Studie - „Die Bedeutung der klassischen Bildungs-theorien für ein zeitgemages Konzept allgemeiner Bildung" - drei Momente von Bildung. Der erste Moment umschreibt Bildung mit: „Selbstbestimmung, Freiheit, Emanzipation, Autonomie, Mündigkeit, Vernunft, Selbststandigkeit." (Klafki, 1996, S. 19) Ziel von Bildung und insbesondere der beruflichen Bildung ist es, einen selbstständigen, emanzipierten und mündigen Menschen zu schaffen. Da Lernen und damit auch Bildung, als ein lebenslanger Prozess zu sehen ist, hat der Taylorismus in Bezug auf dieses erste Moment der Bildung auf ganze Linie versagt. „Demzufolge sind in Arbeitssystemen diejenigen Handlungsfreiräume in quantitativer und qualitativer Hin-sicht von Bedeutung, die es den Mitarbeitenden gestatten, selbst tatig zu werden." (Richter, 2007, S. 4). Da die genannten Aspekte des ersten Moments allesamt Merkmale der Persönlich-keitsentwicklung sind, ist alleine dieser Moment ein Plädoyer für ganzheitliche Bildung.

Doch Klafki nennt des weiteren auch noch das sogenannte Moment der Bildung als Subjektent-wicklung. Die wichtigen Begriffe zu diesem sind: „Humanitat, Menschheit und Menschlichkeit, Welt, Objektivitat, Allgemeines." (Klafki, 1996, S. 21) Den Begriff der „Allgemeinen Bildung" verwendet Klafki in der Bedeutung von „Bildung für Alle" (Klafki, 1996, S. 21). Arbeitssysteme, die sich Aneignungs- und Auseinandersetzungsprozesse in betrieblich-beruflichen Situationen nicht verschliegen, sind für „die Entwicklung von Fahigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnissen, der Aufbau von Wissen sowie die Förderung von Kompetenzen ein zentrales Moment und immanentes Anliegen des Arbeitssystems" (Richter, 2007, S. 5).

Zu guter Letzt beschreibt Klafki das Moment der Individualität und Gemeinschaftlichkeit. Die im zweiten Moment geforderte „Humanitat kann nur je individualisiert verwirklicht werden!" (Klafki, 1996, S. 26). Individualitat bildet sich laut Klafki „nicht in der Isolation der einzelnen [..], sondern in der Kommunikation mit ihnen, in der sie sich als individuell herausbilden" (Klafki, 1996, S. 26). Für das Arbeitsleben, bei der der Berufstätige ständig Teil einer Gesellschaft ist, bedeutet dies, dass die Kommunikation mit eben dieser, ein wichtiger Beitrag ist und somit Teil der Bildung sein muss.

Mit Sorge ist jedoch zu beobachten, dass ein großer deutscher Automobilhersteller wieder einen Schritt zurückmacht8. Wozu eintönige Arbeit, ohne Freiheitsgrade und selbstständiges Denken, führen kann, hat die Geschichte uns gelehrt. Es bleibt abzuwarten, welche Konsequenzen dieser Rückschritt nach sich zieht.

3.1.1 Berufliche Handlungskompetenz

Neben der Persönlichkeitsentwicklung ist ein weiteres Ziel von beruflicher Ausbildung die Ent-wicklung beruflicher Handlungskompetenz. „Berufliche Ausbildung soll sowohl zu beruflicher Tüchtigkeit führen, gleichzeitig aber auch zur Entwicklung beruflicher Mündigkeit beitragen"

(Richter, 2007, S. 1). Den Begriff der beruflichen Tüchtigkeit verbindet man die Zieldimensionen „Wissen" und „Fertigkeiten". Zum Erreichen beruflicher Handlungskompetenz zählt aber auch die berufliche Mündigkeit. Diese berufliche Mündigkeit erweitert die Zieldimensionen noch um den Punkt „Verhaltensweisen".

Kompetenz und Qualifikation? Der Laie wird sich fragen, wo der Unterschied zwischen beiden Begriffen ist. Leitziel der Berufsausbildung ist es berufliche Handlungskompetenz zu vermitteln. Qualifikation - das war gestern. An dieser Stelle sollen diese beiden Begriffe nach einer Definition des Deutschen Bildungsrates (Bader/Müller, 2002, S. 176) voneinander abgegrenzt werden.

- Unter Qualifikation wird der Lernerfolg in Bezug auf die Verwendbarkeit, d. h. aus der Sicht der Nachfrage in beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Situationen ver-standen.
- Kompetenz bezeichnet den Lernerfolg in Bezug auf den einzelnen Lernenden und seine Befähigung zu eigenverantwortlichem Handeln in beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Situationen.

Die berufliche Handlungskompetenz geht also weit über Kenntnisse und Fertigkeiten hinaus. Vergleicht man die Definitionen des Deutschen Bildungsrates mit den Begriffen der beruflichen Tüchtigkeit und der beruflichen Mündigkeit, so zielt der Qualifikationsbegriff lediglich auf die berufliche Tüchtigkeit. Die berufliche Handlungskompetenz indes beinhaltet beides: berufliche Tüchtigkeit und berufliche Mündigkeit. Es verlangt vom Ausführenden zusätzlich die Befähigung zum eigenverantwortlichen Handeln. Angesichts immer rascheren Veränderungen am Arbeits-platz, bedingt durch den technologischen Fortschritt, ist es nötig, dass neben dem Fachwissen auch „Fahigkeiten vermittelt werden, die es ermoglichen, auch auf lange Sicht ftir die Berufs- und Arbeitswelt gertistet zu sein" (Ott, 1997, S. 30). Diese Fähigkeiten werden als Schlüssel-qualifikationen bezeichnet und beinhalten beispielsweise Kommunikations- und Kooperations-fähigkeit oder Entscheidungs- und Gestaltungsfähigkeit. Selbstständigkeit im Denken und Handeln, zwischenmenschliche Kooperation und Sachinteresse sind laut Ott Faktoren beruf-licher Handlungsfähigkeit.

Eine weitere Definition von Handlungskompetenz bietet Bader: „Handlungskompetenz ist die Fähigkeit und Bereitschaft des Menschen, in beruflichen, privaten und gesellschaftlichen Situationen sach- und fachgerecht, persönlich durchdacht und in gesellschaftlicher Ver-antwortung zu handeln, d. h. anstehende Probleme zielorientiert auf der Basis von Wissen und Erfahrungen, sowie durch eigene Ideen selbstständig zu lösen, die gefundenen Lösungen zu be-werten und seine Handlungsfähigkeit weiterzuentwickeln. Sie ist einerseits (vorläufiges) Ergeb-nis von Lern- und Entwicklungsprozessen, andererseits auch Voraussetzung für die Entwicklung individueller Kompetenz. Entwicklung von Handlungskompetenz ist als ein lebenslanger Prozess zu begreifen, den Berufsbildung in einer bestimmten Phase zu strukturieren und zu unterstützen hat." (Bader/Müller, 2002, S. 176-177)

Vergleicht man beide Autoren, Ott und Bader, so stellt man einen Unterschied bezüglich der so-genannten individuellen Kompetenz bzw. Individualkompetenz fest. Während bei Ott sich die berufliche Handlungskompetenz aus den Dimensionen Fach-, Methoden- und Sozialkompetenz zusammensetzt, definiert Bader dies aus den Dimensionen Fach-, Sozial- und Human(Selbst)kompetenz. Die Human(Selbst)kompetenz9 bezeichnet Ott als Individual-kompetenz, die zwar Teil des ganzheitlichen Lernprozesses ist, jedoch nicht Teil der beruflichen Handlungskompetenz. Alle folgenden Ausführungen werden sich auch das Modell von Bader beziehen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6 zeigt die von Bader erwähnten Dimensionen der Handlungskompetenz:

- Fachkompetenz: „Die Fahigkeit und Bereitschaft, Aufgabenstellungen selbststandig, fach-lich richtig und methodengeleitet zu bearbeiten und das Ergebnis zu beurteilen. Hierzu gehoren auch ,extrafunktionale Qualifikationeng wie logisches, analytisches und abstrahierendes Denken sowie das Erkennen von System- und Prozesszusammen-hängen. Bezogen auf die Ausbildungsordnungen für die betriebliche Berufsausbildung, korrespondiert fachliche Kompetenz mit dem Ziel der Befähigung zur Ausübung einer beruflichen Tatigkeit, die, (...) insbesondere selbststandiges Planen, Durchfiihren und Kontrollieren einschließt."
- Humankompetenz: „Die Fahigkeit und Bereitschaft des Menschen, als Individuum die Entwicklungschancen, Anforderungen und Einschränkungen in Beruf, Familie und öffentlichem Leben zu klären, zu durchdenken und zu beurteilen, eigene Begabungen zu entfalten sowie Lebenspläne zu fassen und fortzuentwickeln. Hierzu gehören ins-besondere auch die Entwicklung durchdachter Wertvorstellungen und selbstbestimmte Bindung an Werte."
- Sozialkompetenz: „Die Fahigkeit und Bereitschaft, soziale Beziehungen und Interessen-lagen, Zuwendungen und Spannungen zu erfassen und zu verstehen sowie sich mit anderen rational und verantwortungsbewusst auseinander zu setzen und zu ver-ständigen. Hierzu gehört insbesondere auch die Entwicklung sozialer Verantwortung und Solidaritat" (Bader/Müller, 2002, S. 178).

Anders als teilweise Ott versteht Bader die Akzentuierungen innerhalb der Dimensionen, Methoden-, Lern- und kommunikative Kompetenz, nicht als eigene, unabhängige Dimensionen. Alle Akzentuierungen sind Bestandteil und Voraussetzung für Fach-, Human- und Sozial-kompetenz.

- Methodenkompetenz: „Die Fähigkeit und Bereitschaft zu zielgerichtetem, planmägigem Vorgehen bei der Bearbeitung beruflicher Aufgaben und Probleme. Hierbei werden ge-lernte Denkmethoden und Arbeitsverfahren bzw. Lösungsstrategien zur Bewältigung von Aufgaben und Problemen selbstständig ausgewählt, angewandt und ggf. weiter-entwickelt. Methodisches Arbeiten umfasst selbstständiges Gestalten und Bewerten; es erfordert Eigeninitiative und Kreativität."
- Lernkompetenz: „Die Fähigkeit und Bereitschaft, Informationen über Sachverhalte und Zusammenhänge selbstständig und gemeinsam mit anderen zu verstehen und in gedank-liche Strukturen einzuordnen. In Bezug auf die berufliche Arbeit entwickelt Lern-kompetenz sich in der geistigen Verarbeitung fachlicher Darstellungen sowie im Ver-stehen und Interpretieren sozialer Beziehungen und Handlungen von Gruppen und deren Dokumentation. Zur Lernkompetenz gehört insbesondere auch die Fähigkeit und Bereitschaft, im Beruf und über den Berufsbereich hinweg Lerntechniken und Lern-strategien zu entwickeln und fur diese Weiterbildung zu nutzen."
- Kommunikative Kompetenz: „Die Fahigkeit und Bereitschaft, Sachverhalte und Be-findlichkeiten auf dem Weg fiber verbale und formale Sprachen, aber auch fiber non-verbale Mittel auszutauschen. Hierzu gehört es, eigene Absichten und Bedfirfnisse sowie die der Partner wahrzunehmen, zu verstehen und darzustellen. Es geht demnach um das Verstehen und Gestalten kommunikativer Situationen" (Bader/Mfiller, 2002, S.178-179).

Es reicht demnach nicht aus, lernen zu können oder Methoden anwenden zu können. Man muss es auch wollen. Die Bereitschaft dazu muss auch da sein. Konkret kann man die Akzentuierung der Dimensionen so in Verbindung setzen: Jede der drei „Hauptkompetenzen", also Fach-, Sozial-und Humankompetenz, setzt die Methoden-, Lern- und kommunikative Kompetenz voraus und lässt sich direkt zueinander in Beziehung setzen. Als Beispiel eine mögliche Verknfipfung zwischen Fachkompetenz und Lernkompetenz wäre das Beschaffen von Informationen und die selbstständige Ausarbeitung derer.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Handlungskompetenz: Dimensionen und deren Akzentuierungen (Bader/Müller, 2002, S. 177)

3.1.1.1 Schlüsselqualifikationen/Extrafunktionale Qualifikationen

Schlfisselqualifikationen bzw. extrafunktionale Qualifikationen10 sind heute immer noch gerne verwendete Begriffe in der beruflichen Ausbildung, weshalb an dieser Stelle nochmals kurz darauf eingegangen werden soll. Das von Bader geprägte Modell der beruflichen Handlungs-kompetenz hat diese Begriffe jedoch mittlerweile verdrängt und integriert diese (vgl. Richter, 2007, S. 13).

„Ober Schlfisselqualifikationen zu verffigen bedeutet die Fahigkeit, einmal erworbene Hand-lungskompetenzen auch auf neue und ungewohnte Situationen fibertragen und selbstständig Losungen finden zu konnen" (Arnold/Krämer-Stfirzel, 1999, S. 226). Solche Schlfissel-qualifikationen gilt es in der Ausbildung zu fördern. Die notwendige Flexibilität, welche durch den schnellen technologischen Fortschritt notwendig wird, kann durch Schlfisselqualifikationen gesichert werden. „Die Forderung von Schlfisselqualifikationen dient also dem Zweck, die Inhalte beruflicher Bildung breiter und vielfältiger nutzbar zu machen." (Arnold/Krämer-Stürzel, 1999, S. 226)

Eine mögliche, oft verwendete, Einteilung von Schlüsselqualifikationen sieht vier Gruppen vor (nach Arnold/Krämer-Stürzel, 1999, S. 226f. und Ott, 1997, S. 187f.; Beide Quellen orientieren sich hierbei an Mertens):

- Basisqualifikationen: Qualifikationen höherer Ordnung mit vertikaler Übertragbarkeit auf spezielle Wissens- und Anwendungsgebiete. Beispiele: selbstständiges, logisches, kritisches Denken.
- Horizontalqualifikationen: Kenntnisse und Fähigkeiten in Bezug auf Vorgehensweisen zur effektiven Nutzung von Informationsquellen. Beispiele: Medienkunde, Fach-sprachenkunde, Umgang mit Plänen.
- Breitenelemente: berufsübergreifende Kenntnisse und Fertigkeiten der Allgemein-bildung. Fertigkeiten und Kenntnisse, die in zahlreichen Handlungsbereichen benötigt werden. Beispiele: Fremdsprachen, Arbeitsschutz, Messtechnik.
- Vintagefaktoren: Kenntnisse und Fertigkeiten, die Erwachsenen im Gegensatz zu jungen Menschen fehlen. Beispiele: Computerwissen, Programmiersprachen.

Schltisselqualifikationen „beziehen sich auf erweiterte berufliche Anforderungen und sind nicht ausschließlich und direkt auf einen speziellen Arbeitsplatz oder eine konkrete Arbeitshandlung zugeschnitten" (Richter, 2007, S. 22). Vergleicht man die von Mertens beschriebenen Aus-prägungen der Schlüsselqualifikationen mit Baders Modell der beruflichen Handlungs-kompetenz, so verteilen sich Schlüsselqualifikationen unter allen von Bader genannten Kompetenzen und deren Akzentuierungen.

3.1.2 Handlungsbegriff und Handlungsfelder

Die theoretische Basis, die berufliches Lernen begleitet, ist der handlungstheoretische Ansatz. Damit eng verbundenen ist das handlungsorientierte Lernen, welches aus der Kognitionstheorie hervorgeht. Kernaussage des handlungstheoretischen Ansatzes ist es, dass Lernprozesse durch eine Handlung bedingt werden. „Denken und Handeln bilden eine dialektische Einheit: Hand-lungen bilden den Ausgangspunkt für geistige Operationen." (Ott, 1997, S. 40)

Im gleichen Ansatz definiert Ott unter Zuhilfenahme von Aebli eine Handlung als „zielgerichtete, in ihrem inneren verstandene Vollztige, die ein fassbares Ergebnis erzeugen." Eine Handlung kann sowohl konkret sein, oder nur als Handlungsvorstellung vorliegen.

Das Beherrschen von sogenannten Handlungsschemata ist unabdingbar zur Ausführung von komplexen Handlungen. Unter Handlungsschemata versteht man zum einen elementare Arbeits-techniken wie z. B. Planen und Gestalten als auch geistige Grundtechniken wie Abstrahieren und Analysieren. Alle Handlungsschemata sind durch drei Eigenschaften definiert:

- „sie sind als Ganzes gespeichert
- sie sind reproduzierbar
- sie sind auf neue Situationen tibertragbar" (Ott, 1997, S. 40)

Um zu verstehen, was Ott mit „als Ganzes gespeichert" gemeint ist, ist es notwendig, den Begriff der Superierung zu verwenden. Unter Superierung versteht man das Zusammenfassen von einzelnen Handlungen zu einer neuen Handlung. Beispiel einer Superierung ist die Handlung „Autofahren". Ein getibter Fahrer wird sich keine Gedanken tiber die Einzelhandlungen „Motor starten", „Gang einlegen", „Kupplung kommen lassen" usw. mehr machen. Für ihn sind diese Handlungen zu einer einzigen Handlung als Ganzes verschmolzen. Das heißt also: Um komplexe Handlungen auszuführen, mfissen die Handlungsschemata „von der Hand laufen".

„Handlungsfelder sind zusammengehorige Aufgabenkomplexe mit beruflichen sowie lebens-und gesellschaftsbedeutenden Handlungssituationen, zu deren Bewältigung befähigt werden soll. Handlungsfelder sind immer mehrdimensional, indem sie stets berufliche, gesellschaftliche und individuelle Problemstellungen miteinander verknüpfen. Die Gewichtung der einzelnen Dimensionen kann dabei variieren. Eine Trennung der drei Dimensionen hat nur analytischen Charakter." (Bader/Schäfer, 1998, S. 229)

Diese Definition von Bader ist eine von wenigen zum Begriff „Handlungsfeld". Ein Handlungsfeld ist demnach eine Anzahl von miteinander mehr oder weniger komplex zusammenhängenden Handlungen, die zur Erledigung einer Aufgabe notwendig sind. Didaktisch reduziert im Bereich der Berufsschule werden Handlungsfelder als Lernfelder bezeichnet (vgl. Abs. 3.2.1.2). Die drei Momente von Handlungsfeldern - beruflich, gesellschaftlich und individuell - finden sich zudem wieder beim Erschließen der beruflichen Handlungskompetenz (vgl. Abs. 3.1.1). Die beruflichen Aspekte von Handlungsfeldern ergeben das Ausbildungsberufsbild, die Ausbildungsordnungen und die berufliche Realität (vgl. Bader/Schäfer, 1998, S. 230). Anhand des Ausbildungsbildes und der Ausbildungsordnungen, in Kombination mit den Rahmenlehrplänen, werden in Kapitel 4 die daraus gewonnen Handlungsfelder mit empirisch gewonnen Daten aus der beruflichen Realität verglichen.

In Anlehnung an Oesterreich (vgl. Oesterreich, 1981, S. 40 ff.), der ein beispielhaftes Handlungs-feld eines Hobbyanglers grafisch dargestellt hat, wird im folgenden dargestellt (vgl. Abbildung 7), wie ein beispielhaftes Handlungsfeld mit den einzelnen Handlungen und Entscheidungen aus dem Beruf des Elektronikers für luftfahrttechnische Systeme aussehen könnte. Das Beispiel könnte dem Handlungsfeld „Messen und Analysieren von elektrischen Funktionen und Systemen" zugeordnet sein, welches auch Teil der Ausbildungsordnung ist.

[...]


1 Auf die weibliche Bezeichnung werde ich zur besseren Schreib- und Lesbarkeit in weiteren Verlauf verzichten. Es soll jedoch ausdrficklich darauf hingewiesen werden, dass den hier behandelten Beruf durchaus auch Frauen wählen (vgl. Abbildung 3, S. 9).

2 vgl. http://bibb.skygate.de/z/genealogie/html/b0277.html Handlungsfelder des/der "Elektronikers/in für luftfahrttechnische Systeme"

3 aus: http://www.ihk-muenchen.de/internet/mike/ihk_geschaeftsfelder/ bildung/Anhaenge/Elektroberufe.pdf

4 vgl. Elektroniker für luftfahrttechnische Systeme: http://bibb.skygate.de/Z/B/30/31635010.pdf bzw. Elektroniker für Betriebstechnik (Industrie): http://bibb.skygate.de/Z/B/30/7196.pdf

5 http://www.kmk.org/beruf/split/split-rv.pdf (Beschluss vom 26.01.1984)

6 http://www.kmk.org/beruf/split/splitterliste_ganz.pdf (Fortschreibung vom 11.04.2008)

7 vgl. de.wikipedia.org/wiki/Taylorismus

8 vgl. http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,571270,00.html

9 Im Weiteren wies für die Bezeichnung Human(Selbst)kompetenz, wie Bader sie verwendet, nur noch den Begriff der Humankompetenz verwenden.

10 Beide Begriffe - Schlfisselqualifikationen und extrafunktionale Qualifikationen - sind hier synonym verwendet.

Ende der Leseprobe aus 76 Seiten

Details

Titel
Handlungsfelder des/der Elektronikers/in für luftfahrttechnische Systeme
Untertitel
Ausbildung und Anforderungen der beruflichen Praxis
Hochschule
Pädagogische Hochschule Freiburg im Breisgau
Note
2,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
76
Katalognummer
V145567
ISBN (eBook)
9783640564118
ISBN (Buch)
9783640564316
Dateigröße
5386 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Berufsausbildung, Elektroniker für luftfahrtechnische Systeme, Handlungskompetenz, Handlungsorentierung, vollständige Handlung, Berufsbildungswesen, Duales System, Handlungsfelder
Arbeit zitieren
Thomas Frietsch (Autor:in), 2008, Handlungsfelder des/der Elektronikers/in für luftfahrttechnische Systeme, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/145567

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