Zwischen Liberalismus und Republikanismus

Die deliberative Perspektive und deren Verständnis der demokratischen Rechtsstaatsprinzipien


Hausarbeit, 2009

16 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

I. Unterschiede zwischen Liberalismus und Republikanismus
Der Begriff des Staatsbürgers
Der Begriff des Rechts
Der Begriff des politischen Prozesses

II. Der interne Zusammenhang zwischen Rechtsstaat und Demokratie 5 Recht als Legitimation und Legitimiertes
Das Modell der Deliberation – Die Diskurstheorie
Staat und Gesellschaft in den drei Modellen

III. Der Einfluss der Vorstellungen von Bürger, Staat, Freiheit und Recht in der heutigen Zeit

IV. Ausblick

Literaturverzeichnis

Eigenständigkeitserklärung

Einleitung

Die Antworten der modernen Politischen Theorie auf Fragen nach gerechter Demokratie und der Legitimation ihres Rechts sind vielfältig und werden intensiv diskutiert. So grenzen sich die zwei großen Strömungen des Liberalismus und des Republikanismus im Rechtsbegriff und dem Verständnis der Gesellschaft und ihrer Glieder stark voneinander ab. Diese Gegensätze werde ich anhand des Textes „Drei normative Modelle der Demokratie“ von Jürgen Habermas gegenüberstellen(I), anschließend sein Verständnis des internen Zusammenhangs von Rechtsstaat und Demokratie anhand seines Textes „Über den internen Zusammenhang von Rechtsstaat und Demokratie“ einarbeiten(II) und anschließend für diese drei Modelle die in der heutigen Zeit prägenden Einflüsse darstellen(III) sowie einen Ausblick auf die weiteren Entwicklungsmöglichen unter diesen Bedingungen(IV) vorstellen.

I. Unterschiede zwischen Liberalismus und Republikanismus

Liberalismus und Republikanismus stehen sich auf der normativen Ebene als Gegensätze gegenüber. Für Habermas ist diese Darstellung idealtypisch verstanden, zumal seine Erläuterungen über diese Strömungen ihren Realbezug in der Debatte amerikanischer Politikwissenschaftler finden. Um diese Gegensätzlichkeit aufzuzeigen, sind die normativen Aufladungen der Begriffe „Staatsbürger“, „Recht“ sowie „Prozess der politischen Willensbildung“ und die daraus resultierenden Vorstellungen über die Ausprägung derselben zu betrachten.

Der Begriff des Staatsbürgers

Im Liberalismus ermisst sich der Status des Staatsbürgers am Umfang der ihm gewährten subjektiven Rechte; der negativen Rechte, die innerhalb einer gewissen Sphäre um den Rechtsträger Interventionen von Staat oder Mitbürgern abwehren und somit Handlungsspielraum garantieren. Die Intention hierbei ist die Eröffnung der Möglichkeit, die „privaten Interessen so zur Geltung zu bringen, dass diese sich am Ende [...] zu einem auf die Administration einwirkenden politischen Willen aggregieren können“[1]. Diese Vorstellung findet sich bei John Locke in der Lösungskonzeption der Frage nach Legitimation und Einschränkung von Herrschaft. Er stellt aus der Bibel folgernd die „natürliche Vernunft“ des Menschen an die Seite der Tatsache, dass die Natur allen Menschen zum Lebenserhalt verfügbar ist. Hieraus folgt das Recht jedes Einzelnen auf Besitz und Selbstbesitz.[2] Damit legt Locke die Grundlagen für ein Gemeinwesen, das vorrangig Schutz der persönlichen Rechte gewähren soll. Damit der entstandene politische Wille der Einzelnen nun auch tatsächlich auf die Administration einwirken kann, suggeriert Locke nun die Notwendigkeit des Schutzes der Bürger voreinander und im Besonderen vor dem Staat selbst. Hier fordert er Toleranz der Bürger untereinander und eine klare Gewaltenteilung. Mit diesen Mitteln lässt sich nun der liberalen Ansicht nach „kontrollieren, ob die Staatgewalt im Interesse der Gesellschaftsbürger ausgeübt wird“[3]

Im republikanischen Paradigma verkehrt sich nun diese Vorstellung des Status eines Staatsbürgers. Anstelle negative Rechte und daraus entstehende Freiheiten einzusetzen, sollen Staatsbürgerrechte hier vielmehr positive Rechte, Teilnahme- und Kommunikationsrechte sein, die den Staatsbürger nicht zur Aktivität zwingen, ihn jedoch dazu anregen. Es entsteht der politisch verantwortliche Bürger, wodurch der politische Prozess nicht mehr eine reine Kontrollinstanz des staatlichen Handelns durch die Bürger darstellt, sondern als Verständigung der Staatsbürger über gemeinschaftliche Ziele und Normen eine weitere Dimension erhält, die eines „inklusiven Meinungs- und Willensbildungsprozesses“[4], in der Bürger über ihre Privatinteressen hinaus agieren. Rousseau konzipiert hier den volonté générale als Gemeinwillen, der die Überschneidungen des volonté de tous darstellt auf eine Weise, die eben diese prozedurale Erweiterung des politischen Prozesses darstellt. Den Gemeinwillen, der auch ohne Beratung der Bürger darüber schon existiert, gilt es in der Gesellschaft nun zu finden und gesetzlich zu fixieren. Die Schwierigkeit liegt dabei in der gleichzeitigen Garantie von Mehrheitswillen und Durchsetzbarkeit von Partikularinteressen, die Rousseau in der Natur des Gemeinwillens als Ausdruck der Freiheit des Bürgers und der damit entstehenden Orientierung am Gemeinwillen[5] ermöglicht sieht. Hier hebt sich der Republikanismus vom Liberalismus ab, dem Staatsbürger wird die Befähigung zu nicht völlig selbstbezüglichen Entscheidungen zugesprochen.

Der Begriff des Rechts

Es folgt nun aus der Perspektive des Dualismus zwischen positiven und negativen Rechten eine Betrachtung des Rechtsbegriffs als solchem. Während im Liberalismus die Rechtsordnung über das Zugeständnis von subjektiven Rechten an Privatpersonen in Streitfällen zu entscheiden hat, stellt sie nach republikanischer Auffassung eine Garantie der Integrität der Gesellschaft und ihrer einzelnen Teile dar, bleibt also objektiv und impliziert Gleichberechtigung, Autonomie und gegenseitige Rücksichtname[6]. Folglich erzeugen die Subjektivrechte der liberalen Anschauung erst die Rechtsordnung, wohingegen eine objektivrechtliche Orientierung im Republikanismus den Vorzug hat. Der Bezug auf das soziale Umfeld des Individuums, seine Einbettung in die Gesellschaft und die daraus resultierenden Verflechtungen werden in der liberalen Perspektive der rein subjektiven Rechte ignoriert. Dies veranlasst Michael J. Sandel, in seinem Werk „Liberalism and the Limits of Justice“[7] starke Kritik an John Rawls’ Theorien zu üben, indem er den veil of ignorance als realitätsfremde Vorstellung, welche die Grundlage ihrer Konsequenzen selbst aufhebt, beschreibt[8]. Rawls erklärt die Genese von Gesellschaften und deren immanenter Gerechtigkeitsgrundsätze aus dem Schleier des Nichtwissens, der vorhandene Ungleichheiten im Sinne der Schaffung eines „unencumbered self“, des unvoreingenommenen Individuums negiert und damit versucht, universalistische Kriterien der Gerechtigkeit auffindbar zu machen[9]. Sandel steht hier beispielhaft für die republikanisch-kommunitaristische Poisition, welche dem sozialen Gefüge der in der Gesellschaft vereinten Individuen eine für die Gerechtigkeit konstitutive Bedeutung zuspricht. So ist auch die Legitimität der entstandenen Gesetze an die ihrer Entstehung zugrundeliegende demokratische Verfahrensweise geknüpft, der Souverän schafft sich gerechte Gesetze durch gerechte Entscheidungsprozeduren.

Der Liberalismus befreit sich von jenen Zusammenhängen und betrachtet die subjektiven Rechte des Einzelnen als ausreichende Grundlage für rechtliche Verbindlichkeit und Gerechtigkeit.

Begriff des politischen Prozesses

In der liberalen Anschauung ist der politische Prozess im Kern ein Machtkampf um die Erringung von Ämtern und deren Privilegien. Willens- und Meinungsbildung sind folglich Instrumente im Konkurrenzkampf politischer Akteure um die Präferenz und Anerkennung bei den Wählern durch deren Wahlentscheidung. So entspricht der quantifizierte Zuspruch der Wähler dem daraus resultierenden Anteil verwertbarer Machtpositionen. Diese starke Anlehnung an das Paradigma des Marktes findet sich auch bei Adam Smith wieder, wo der Markt der Individualinteressen schließlich öffentliche Interessen bestmöglich befriedigt. Dem Staat fällt es nur noch zu, Rahmenbedingungen für diesen Markt zu erhalten.

[...]


[1] Drei normative Modelle der Demokratie, S. 279 Z. 5

[2] Vgl. Schaal, Gary S., Heidenreich, Felix, Einführung in die Politischen Theorien der Moderne, Opladen & Farmington Hills 2006, S. 83

[3] Drei normative Modelle der Demokratie, S. 279 Z. 10

[4] Drei normative Modelle der Demokratie, S. 280 Z. 9

[5] Vgl. Schaal, Gary S., Heidenreich, Felix, Einführung in die Politischen Theorien der Moderne, Opladen & Farmington Hills 2006, S. 148

[6] Vgl. Drei normative Modelle der Demokratie, S. 280 Z. 21

[7] Sandel, Michael J., Liberalism and the Limits of Justice, Cambridge 1982

[8] Jeder Mensch ist von Geburt an in soziale Umfelder eingebettet, somit können keine Gerechtigkeitsrichtlinien aus unwissenden, freiwillig Kooperierenden entstehen: „[...] the voluntarist nature of Rawls' contract view is bound up with the essential plurality of human subjects and the need to resolve conflicting claims. Without plurality, contracts, and for that matter principles of justice, would be neither possible nor necessary.” (Sandel 1982: 124)

[9] Vgl. Rawls, John, A Theory of Justice, Cambridge 1971

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Zwischen Liberalismus und Republikanismus
Untertitel
Die deliberative Perspektive und deren Verständnis der demokratischen Rechtsstaatsprinzipien
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Proseminar Einführung in die politische Theorie
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
16
Katalognummer
V145610
ISBN (eBook)
9783640558414
ISBN (Buch)
9783640558957
Dateigröße
429 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Habermas, Deliberative Theorie, Liberalismus, Republikanismus, Demokratisches Rechtsstaatsprinzip, Politische Theorie und Ideengeschichte
Arbeit zitieren
Arvid Kahl (Autor:in), 2009, Zwischen Liberalismus und Republikanismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/145610

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