In der umfassenden Menge der Gegenstände, die der surrealistischen Gruppe besonders interessant erscheinen, nimmt der Traum von Anfang an eine herausragende Stellung ein. Dabei gehen die Surrealisten sogar noch weiter als Sigmund Freud, dessen Traumdeutung sie gleichwohl stark beeinflusst, und schreiben dem Traum nicht nur Wichtigkeit zu, sondern messen ihm eine Bedeutung bei, die der des Wachzustands nicht nur gleichkommt, sondern sie sogar übertrifft. Diese Wertschätzung des Traumes hat zur Folge, dass die Surrealisten versuchen, die Inhalte von Träumen und die im Traum erfahrenen Bilder festzuhalten und zu reproduzieren, ohne sie dabei deuten zu wollen.
Im ersten Teil meiner Hausarbeit gebe ich einen kurzen Überblick über die verschiedenen Versuche der surrealistischen Gruppe, Traumbilder umzusetzen. Dabei gehe ich zuerst auf die Methode der Traumprotokolle und auf das verwandte Verfahren des automatischen Schreibens ein, dann auf diejenigen unter den surrealistischen Malern, die sich bei ihren Bildern von Träumen inspirieren lassen, und zuletzt auf die frühen surrealistischen Filme, deren Inhalte sich ebenfalls stark an Träumen orientieren, wobei ich darlege, dass es sich dabei um die wohl gelungenste Art der Umsetzung von Träumen in Bilder handelt.
Im zweiten Teil beschäftige ich mich dann speziell mit dem Filmregisseur Luis Buñuel, der sich schon vor seinem ersten Kontakt mit der surrealistischen Gruppe sehr für Träume interessiert. Zusammen mit Salvador Dalí entwickelt er aus zwei Träumen die Idee für seinen ersten Film. Auch später beinhalten seine Filme immer wieder Träume, für die er aber unterschiedliche Ausdrucksformen gefunden hat und die unterschiedliche Zwecke erfüllen. Das versuche ich exemplarisch am Beispiel von einer Untersuchung der Träume in zwei seiner Filme, Belle de Jour und Der diskrete Charme der Bourgeoisie, zu zeigen. Auf eine umfassende Analyse von Buñuels Art der Umsetzung von Träumen im Film bezogen auf sein Gesamtwerk muss leider verzicht werden, ebenso auf einen Vergleich damit, auf welche Art andere Filmemacher versucht haben, Träume in ihren Filmen wiederzugeben, da dies den Rahmen meiner Hausarbeit überschritten hätte.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Zu Träumen und ihrer Umsetzung durch die Surrealisten
2.1. Traumtexte
2.2. Bilder
2.3. Filme
3. Träume in Filmen von Luis Buñuel
3.1. Zu den Träumen in Belle de Jour
3.2. Zu den Träumen in Der diskrete Charme der Bourgeoisie
4. Schluss
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In der umfassenden Menge der Gegenstände, die der surrealistischen Gruppe besonders interessant erscheinen, nimmt der Traum von Anfang an eine herausragende Stellung ein. Dabei gehen die Surrealisten sogar noch weiter als Sigmund Freud, dessen Traumdeutung sie gleichwohl stark beeinflusst, und schreiben dem Traum nicht nur Wichtigkeit zu, sondern messen ihm eine Bedeutung bei, die der des Wachzustands nicht nur gleichkommt, sondern sie sogar übertrifft. Diese Wertschätzung des Traumes hat zur Folge, dass die Surrealisten versuchen, die Inhalte von Träumen und die im Traum erfahrenen Bilder festzuhalten und zu reproduzieren, ohne sie dabei deuten zu wollen.
Im ersten Teil meiner Hausarbeit werde ich versuchen, einen kurzen Überblick zu geben über die verschiedenen Versuche der Gruppe, Traumbilder umzusetzen, wobei ich zuerst auf die Methode der Traumprotokolle und auf das verwandte Verfahren des automatischen Schreibens eingehen werde, dann auf diejenigen unter den surrealistischen Malern, die sich bei ihren Bildern von Träumen inspirieren lassen, und zuletzt auf die frühen surrealistischen Filme, deren Inhalte sich ebenfalls stark an Träumen orientieren, wobei ich darlegen werde, dass es sich dabei um die gelungenste Art der Umsetzung von Träumen in Bilder handelt.
Im zweiten Teil werde ich mich dann speziell mit dem Filmregisseur Luis Buñuel beschäftigen, der sich schon vor seinem ersten Kontakt mit der surrealistischen Gruppe sehr für Träume interessiert und zusammen mit Salvador Dalí aus zwei Träumen die Idee für seinen ersten Film entwickelt und dessen Filme immer wieder Träume beinhalten, für die er aber unterschiedliche Ausdrucksformen gefunden hat und die unterschiedliche Zwecke erfüllen, was ich exemplarisch am Beispiel von einer Untersuchung der Träume in zwei seiner Filme, Belle de Jour[1] und Der diskrete Charme der Bourgeoisie, zeigen werde. Auf eine umfassende Analyse von Buñuels Art der Umsetzung von Träumen im Film bezogen auf sein Gesamtwerk muss ich leider verzichten, ebenso auf einen Vergleich damit, auf welche Art andere Filmemacher versucht haben, Träume in ihren Filmen wiederzugeben, da dies den Rahmen meiner Hausarbeit überschreiten würde.
2. Zu Träumen und ihrer Umsetzung durch die Surrealisten
Die Bedeutung, die der Traum für die Surrealisten besitzt, wird schon im 1.Manifest des Surrealismus von André Breton hervorgehoben:
Es ist in der Tat völlig unzulässig, daß dieser beträchtliche Teil der psychischen Tätigkeit [...], daß der Traum noch so wenig Aufmerksamkeit gefunden hat.[2]
Hier finden sich auch die Erwartungen formuliert, die die Surrealisten an die Traumwelt knüpfen. Einerseits wollen sie sich an den Traum als Manifestation des Unbewussten ausliefern[3], andererseits die Traumbilder festhalten und sie untersuchen[4], wobei letzteres für die Surrealisten eher zweitrangig ist. Dadurch setzen sich die Surrealisten deutlich von Freud ab, für den die Deutung der Träume ja gerade das Entscheidende ist. Mehr Gemeinsamkeiten besitzt die Traumtheorie der Surrealisten mit derjenigen des Schriftstellers Gérard de Nerval, der wie Breton den Traum als „eine dem Wachsein adäquate Daseinsform“[5] auffasst, jedoch den Traum mit einer „jenseitigen Welt“[6] verbindet, während Breton ihn als ein „innerweltliches Phänomen“[7] betrachtet. Die Surrealisten glauben daran, dass Träume bei der Lösung von Alltagsproblemen helfen und den Zugang zur menschlichen Psyche ermöglichen können. Zum Zwecke der Erforschung des Unbewussten beginnen sie damit, sich mit ihren eigenen Träumen zu beschäftigen und auseinanderzusetzen, wobei sie verschiedene Methoden der Protokollierung von Träumen anwenden, auf die ich im folgenden eingehen werde.
2.1. Traumtexte
Die zahlreichen Versuche der Surrealisten, Träume literarisch zu protokollieren, haben schon vor dem Bekenntnis zum Traum im 1.Manifest begonnen. Dem Erscheinen des 1.Manifestes vorangegangen ist bereits eine Phase, die man als „Periode der Schlafzustände“[8] bezeichnen kann und die von Louis Aragon in seinem Buch Une vague de rêves (1924) dokumentiert wird. Der Wunsch, das Unbewusste zu erkunden, hat zur Entdeckung des Verfahrens des ‚automatischen Schreibens’ geführt, wie es Breton zusammen mit Philippe Soupault erstmals in Les champs magnétiques (1920) anwendet. Mit diesem Verfahren, bei dessen Anwendung das Bewusstsein möglichst ausgeschaltet werden muss, zu welchem Zweck sich einige der späteren Surrealisten auch in Trance versetzen lassen, werden in den nächsten Jahren zahlreiche Texte produziert. Daneben entstehen die Traumprotokolle, durch die der Träumer versucht, seine Träume möglichst exakt wiederzugeben, wobei die Traumprotokolle jedoch gegenüber dem automatischen Schreiben den Nachteil haben, aus der Erinnerung heraus, das heißt nicht schon unmittelbar beim Erfahren des Unbewussten, aufgeschrieben worden zu sein.
Sowohl Traumprotokolle als auch mit der Methode des automatischen Schreibens produzierte Texte nehmen dann zunächst auch einen breiten Raum in der von der Gruppe veröffentlichten Zeitschrift La Révolution surréaliste ein. Allerdings werden die Grenzen beider Verfahren immer evidenter: Es handelt sich nicht wirklich um reine Transkriptionen des Unbewussten, vielmehr dient das Verfahren der automatischen Schreibweise beziehungsweise der zugrundeliegende Traum nur als Einstieg in das Verfassen des Textes, während der endgültige Text immer wieder Eingriffe des Autors in die sprachliche Gestaltung enthält, von diesem überarbeitet und in eine einheitliche grammatische Form gebracht worden ist. Zudem erweisen sich automatisches Schreiben und Traumprotokollierung als thematisch begrenzt. Als Wiedergabemittel des Unbewussten oder als wirklich gelungene Reproduktion von Traumbildern können die Traumtexte jedenfalls nicht überzeugen. Hier erweisen sich andere Methoden als erfolgreicher.
2.2. Bilder
Da die Surrealisten in erster Linie Literaten sind, überrascht es nicht, dass der bildenden Kunst in der Gruppe von Anfang an nur ein zweitrangiger Platz zugestanden wird. Dennoch ist es folgerichtig, dass sich nach dem Erscheinen des 1.Manifestes auch die Frage nach einer surrealistischen Malerei stellt. Dabei entwickeln sich innerhalb der Gruppe unterschiedliche Vorstellungen, wie surrealistische Malerei auszusehen habe. Breton vertritt die Ansicht, dass surrealistische Bilder auf dem Automatismus oder auf dem Traum beruhen müssten, während andere, vor allem Pierre Naville, Bretons Glauben an die „Allmacht des Traums“[9] nicht teilen. In der 3.Ausgabe der Zeitschrift La Révolution surréaliste erklärt eben jener Naville sogar, es gäbe überhaupt keine surrealistische Malerei, denn
weder die aus freiem Gebärdenspiel entstandenen Bleistiftlinien, noch Traumfiguren darstellende Bilder oder Phantasievorstellungen können als solche bezeichnet werden.[10]
Dieser Erklärung Navilles tritt Breton beginnend mit der folgenden Ausgabe der Zeitschrift entgegen, indem er die Existenz ebenso wie die Berechtigung einer surrealistischen Malerei bekräftigt, was durch die zunehmend erfolgreiche Produktion automatischer Zeichnungen durch Masson und Miró und die „erregenden Traumbilder“[11] Max Ernsts belegt wird. Ernst allerdings gibt seine illusionistische Phase eben zu dieser Zeit unter dem Eindruck des 1.Manifestes auf und wendet sich dem Automatismus und neuen Techniken zu, so dass es scheint, als ob der Illusionismus innerhalb der Gruppe an Bedeutung verliere und Naville zumindest mit seiner Skepsis gegenüber der Umsetzung von Trauminhalten in Bildern richtig gelegen habe. Die illusionistische Malerei steht allerdings nur vorübergehend nicht im Vordergrund und gewinnt spätestens 1927 mit den ersten von der Gruppe veröffentlichten Bildern René Magrittes und Yves Tanguys wieder große Bedeutung. Beide stehen dabei - wie auch Salvador Dalí, der 1929 zur Gruppe stößt - in der Tradition von Giorgio de Chirico, dessen Bilder aus der Zeit von 1910 bis 1917 von den Surrealisten überaus geschätzt werden, wobei de Chiricos Bilder „wirklichen Traumbildern ähnlicher [sind] als die Werke der von ihm beeinflußten Surrealisten, [da er] fast ganz das Phantastische [vermeidet]“[12]. Charakteristisch für de Chiricos Werke sind ein mysteriöses weißes Licht, die ungewöhnliche Kombination gewöhnlicher Dinge (analog zur Vermischung der Wirklichkeitsebenen im Traum) und die häufige Menschenleere und körperlose Schatten in seinen Bildern, die mit geheimnisvollen Titeln ausgestattet sind. De Chiricos stilistische Nachfolger Magritte, Tanguy und Dalí knüpfen an dessen Werk an, entwickeln dabei aber individuelle Ausdrucksformen, was dazu führt, dass ab 1927 den illusionistischen Malern wieder eine stärkere Bedeutung innerhalb der surrealistischen Malerei zukommt. Während Magritte jede Form von ‚Erfindung’ in seinen Werken ablehnt und einen dem Traum gleichkommenden verfremdenden Eindruck durch veränderte Größenverhältnisse und Verschmelzung von Gegenständen erreicht, stellen Tanguys Bilder in der Mehrzahl unwirkliche Einöden, „Seelenlandschaften“[13], dar. Dalí hingegen geht in seinem Werk, in dem sich sowohl unmittelbar auf de Chirico verweisende Elemente wie körperlose Schatten als auch sexuelle Symbole, mit denen er sich auf Freud bezieht, finden, noch einen anderen Weg, wobei allerdings zu bezweifeln ist, ob seine Bilder sich wirklich gänzlich auf konzentrierter Imagination begründen, wie Dalí behauptet. Jedenfalls mindert das Integrieren von allgemeinen Symbolen den Traumcharakter seiner Werke und steht nicht im Einklang mit den Vorstellungen der Surrealisten. Ohnehin gilt für die surrealistischen Bilder, dass sie lediglich eine Traum ähnlichkeit erreichen, aber im Grunde keine vollkommene Wiedergabe eines Traums liefern können, da ein Traum sich normalerweise nicht in einem einzigen Bild zusammenfassen lässt. Eine dem Gemälde überlegenere Methode der Umsetzung von Trauminhalten in Bilder stellt deswegen folgerichtig der Film dar.
[...]
[1] Ich werde auch im folgenden - soweit vorhanden - jeweils die deutschen Titel der Filme verwenden.
[2] André Breton: Erstes Manifest des Surrealismus [1924]. In: Ders.: Die Manifeste des Surrealismus. Reinbek 2004
(11. Aufl.), S. 16.
[3] Vgl. ebd., S. 17.
[4] Vgl. ebd., S. 15f.
[5] Peter Bürger: Der französische Surrealismus. Studien zum Problem der avantgardistischen Literatur. Frankfurt
a.M. 1971, S. 90.
[6] Ebd., S. 89.
[7] Ebd., S. 90.
[8] René Passeron (Hrsg.): Lexikon des Surrealismus. Köln 1976, S. 264.
[9] Ebd., S. 27.
[10] Pierre Naville: Beaux-Arts. In: La Révolution surréaliste, no. 3 (15.April 1925), S. 27; zitiert nach: William S.
Rubin: Surrealismus [1968]. Stuttgart 1979, S. 10.
[11] Rubin: Ebd.
[12] Ebd., S. 21.
[13] Ebd., S. 63.
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