Inwiefern spiegeln die kontrahierenden Figuren des Czentovic und des Dr. B. die grundlegenden Konstellationen der damaligen historisch-politischen Geschehnisse: in Österreich und im Europa von damals? Welche zeitgenössischen Strömungen, welche Mythen und welche kulturellen Konstruktionen haben dazu beigetragen, die Machtpositionen auf dem „Schachbrett“ historischer Ereignisse zu platzieren?
Die Interpretation befasst sich mit der hell-dunkel-Metaphorik des Schachbretts. Es geht in diesem Schachspiel um mehr als ein Spiel: es geht um das Weltgeschehen - mit einem Dampfer als Dreh- und Angelpunkt, auf einer Reise von einem zerstörten Europa in die "neue Welt" Amerikas, wobei sich unterwegs dramatische Dinge ereignen - im Salon beim Schachspiel. Wir reflektieren über den Mythos der Habsburger (Magris), mit dem traumatisierten Doktor B als die Figur des treuen Staatsdieners, und die aufkommenden Konflikte mit dem österreichischen "Orient", den slawischen Völkern, zu denen die Czentivic-Figur gehört, mit einem Exkurs zur Frage der Ost- und Westjuden. Mit der Dichotomie am schwarz-weissen Schachbrett hat Stefan Zweig die Konflikte seiner "Welt von Gestern" thematisiert: den Untergang der Donaumonarchie und des alten Adels, und die an immer mehr Terrain gewinnenden "Parvenüs" aus dem Bürgertum. Aber wer ist diese Czetovic-Figur, die wie ein dunkler Schatten aus der europäischen Peripherie auftaucht, eine Hand, die in das Spiel des Zeitgeschehens eingreift. - Diese Interpretation ist ein Versuch, die Metaphorik eines komplizierten Schachspiels zu entschlüsseln [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Fragestellung
- I Symbolik der Schachnovelle: Handlung, Kontext und Zeitgeist
- 1. Am Schachbrett: Die helle und die dunkle Figur
- 2. Auf dem Dampfer: Die alte und die neue Welt
- 3. Das Schachspiel: Weltgeschehen zur Zeit Stefan Zweigs
- II Der Habsburger Mythos und der österreichische „Orient“
- 1. Ein kaisertreuer Staatsdiener
- 2. Ein Barbar aus dem Slawenvolk
- 3. Europäer und Halb-Asiaten
- III Ost und West: Kontraste unter den Juden
- 1. Die Ostjuden: Massenflucht aus der Peripherie
- 2. Die Westjuden: Assimilation in den Zentren
- IV Theoretische Horizonte: „Die Schatten über Europa“
- 1. „Patriotischer Wahnsinn“ oder vereintes Europa?
- 2. Paria oder Parvenü sein? - Die Frage der Anpassung
- 3. Das politische Schachspiel: Konstruktionen der Feindschaft
- V Die Schwarz-Weiß-Dichotomie der Schachnovelle
- 1. Die Spieler am Schachbrett
- 2. Figuren im historischen Kontext
- 3. Das Spiel: Schachzüge eines Parvenüs
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der Interpretation der Schachnovelle von Stefan Zweig aus der Perspektive der europäischen Peripherie. Sie analysiert die Symbolik der Figuren und des Schachspiels im Kontext der europäischen Geschichte und Zeitgeschichte. Die Arbeit untersucht, inwiefern die Figuren die Machtpositionen auf dem „Schachbrett“ historischer Ereignisse widerspiegeln.
- Der Habsburger Mythos und die Position der Randgebiete des Vielvölkerstaates
- Der „Orientalismus“ und die Konstruktion des „anderen“ in der Donaumonarchie
- Die „Judenfrage“ und der Kontrast zwischen „assimilierten“ Westjuden und „zuwandernden“ Ostjuden
- Die Bedeutung von „Patriotismus“, „Anpassung“ und „Feindschaft“ im Kontext der europäischen Geschichte
- Die Rolle der „dunklen“ und „hellen“ Figuren und ihre Beziehung zum Weltgeschehen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einführung in die Fragestellung und die Symbolik der Schachnovelle. Anschließend werden die Figuren Dr. B. und Czentovic als „helle“ und „dunkle“ Figuren im Kontext des Habsburger Mythos, des „Orientalismus“ und der „Judenfrage“ analysiert. In einem weiteren Kapitel wird die „Schwarz-Weiß-Dichotomie“ der Schachnovelle in Bezug auf die Spieler am Schachbrett, ihre historische Einordnung und das Spiel selbst untersucht.
Schlüsselwörter
Die Arbeit widmet sich den zentralen Themen des „Orientalismus“, des „Habsburger Mythos“, der „Judenfrage“, des „Schachspiels“ als Metapher für das Weltgeschehen, der europäischen Peripherie und der historischen Konstruktion von „Feindschaft“.
- Arbeit zitieren
- Ilona Drivdal (Autor:in), 2019, Schachzüge einer schwarzen Hand. Die Czentovic-Figur in Stefan Zweigs "Schachnovelle", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1456793