Knechtschaft in der Moderne? Die These vom Freiheitsverlust bei Alexis de Tocqueville und Max Weber


Presentation (Elaboration), 2003

15 Pages


Excerpt


INHALTSVERZEICHNIS

1. Tocquevilles Weg in die Knechtschft

2. Webers Weg in die Knechtschaft

3. Vergleich Weber – Tocqueville

4. Bezug zur Gegenwart

5. Der Weg aus der Knechtschaft bei Weber und Tocqueville

6. Persönliche Lösungsvorschläge

Literaturverzeichnis

Mein Vortrag bezieht sich auf das Thema:

Knechtschaft in der Moderne? – Die These vom Freiheitsverlust bei Alexis de Tocqueville und Max Weber.

Das die ‚Knechtschaft’ in Frage stellende Zeichen bezieht sich auf die Zweigliedrigkeit des Vortrags. Zuerst werde ich die These des Freiheitsverlusts bei Alexis de Tocqueville und Max Weber aus deren Theorien entwickeln. Darauf möchte ich mich mit der Frage auseinandersetzen, wie es denn in unserer Gegenwart tatsächlch um unsere Freiheit bestellt ist, also ob die Prognosen der beiden Theoretiker eingetroffen sind oder ob sie modifiziert werden müssen.

Neben den beiden Theoretikern Tocqueville und Weber werde ich mich als Denkanstoß auf die Diplomarbeit „Die These vom Freiheitsverlust bei Alexis de Tocqueville und Max Weber“ von Robert Schwind (1997) beziehen.

Ich Beginne mit der Vorstellung der beiden Theoretiker Tocqueville und Weber aus ihrem jeweiligen historischen Kontext heraus. Ich werde die Grundzüge ihrer Theorien darstellen, damit verständlich wird, auf welchen Wegen sie zu dem Schluss eines Freiheitsverlustes in modernen Gesellschaften gelangen.

1. Tocquevilles Weg in die Knechtschaft

Alexis de Tocqueville wurde 1805 geboren. Er ist ein Französischer Adeliger aus der Normandie. Der Vater ist Präfekt und restaurativer Royalist für das Haus von Orléan.

Alexis de Tocqueville reist 1830/31 gemeinsam mit einem Freund nach Amerika, mit dem Auftrag, das dortige Gefängniswesen zu studieren. Der Auftrag dient ihm aber nur als Vorwand für die Reise. Was ihn wirklich interessiert ist das amerikanische politische System.

Er kommt als Teil eines an Auflösungserscheinungen leidenden französichen Feudalsystems in Amerika an. Und was ihn dort am meisten fasziniert, besonders im Vergleich zum feudalaristokratischen Europa, ist die Gleichheit der sozialen Bedingungen, d.h. Klassen und Stände existieren dort nicht. Die Menschen sind alle vor dem Gesetz gleich. Es existiert soziale Mobilität und Chancengleichheit in der Form eines gleichen Wahlrechts, der Meinungsfreiheit und einer freien Presse. Darüber hinaus kann und muss sich jeder Bürger teilweise am politischen System beteiligen. Der Staat ist dort nicht eine top-down zentral durchorganisierte Zwangsanstalt (i.e. Anstaltsstaat), wie er es seit dem Absolutismus Ludwig XIV. in Frankreich ist. Im Gegenteil: Die Bedeutung der amerikanischen Zentralregierung dieser Zeit ist marginal. Und auch die Regierungen der einzelnen Bundesstaaten sind keine reinen Zentralinstanzen von bürgerfernen Funktionseliten. Sondern sie rekrutieren ihre Beamten aus erfahrenen Bürgern der autonom verwalteten Geneinden und Grafschaften (counties). Die Gemeinde stellt dem Bundesstaat ihre Beamten auf Zeit zur Verfügung, es kommt zu einer Verzahnung von Bundesstaatlicher- und Gemeindeebene. Die Gemeinde ist das Herzstück des amerikanischen Staatswesens: Ihre Bürger verwalten sich nach ihren jeweiligen Bedürfnissen selbst. Alle ihre Amtsträger sind demokratisch und auf Zeit gewählt und das selbstverwaltete gemeinsame Handeln der Bürger auf Gemeindeebene schult sie in ihrer politischen Klugheit und ermöglicht ihnen das ferne politische Geschehen auf Zentralstaatsebene besser zu beurteilen und ihr Wissen bei Wahlentscheidungen anzuwenden. Sie erlernen politische Klugheit durch lokales gemeinsames politisches Handeln.

Tocqueville ist, soweit er das als feinsinniger Adeliger kann, fasziniert von dem demokratischen System in Amerika. Er wendet sich eben letztendlich auch deswegen nach Amerika, um die kommenden Vorgänge in Europa beurteilen zu können. Dort erblickt er aber erhebliche Schwierigkeiten für den kommenden Demokratisierungsprozess.

Er hat, als Geschichtsschreiber des 19.Jh., immer ein geschichtsphilosophisches Topos im Kopf, das er als Vorsehung bezeichnet, und das einen automatisierten Prozess darstellt, der durch menschliches Handeln nicht aufgehalten werden kann: die Entwicklung zur und das automatische Fortschreiten der Gleichheit. Tocqueville stellt also auch für Europa eine unaufhaltsame Entwicklung zur Gleichheit fest. Er zeigt dies an der fortschreitenden politischen Entmachtung des Adels und an der frz. Revolution. Im Vordergrund seines Interesses steht das theoretische Ausloten der Möglichkeit einer gleichen Freiheit in den neu entstehenden demokratischen Gesellschaften Europas. Mit gleicher Freiheit meint er die Wahrung der Freiheit unter der Bedingung, dass alle Menschen rechtlich gleichgestellt sind. Das herkömmliche aristokratische Freiheitsverständnis – bei dem es sich schon zu Lebzeiten Tocquevilles um eine Ideologie der Vergangenheit handelt, da der Adel schon politisch entmachtet ist – kann wie folgt beschrieben werden: Es gibt eine kleine Zahl von Adeligen, die alle politischen Rechte haben, denen aber auf Grund ihrer Lehensverhältnisse auch einige Pflichten für ihre Untergebnen auferlegt sind. Der Rest der Gesellschaft ist unfrei und formell rechtlos.

Der Hauptunterschied zwischen Europa und Amerika liegt in der von vornherein in Amerika gegebenen Gleichheit der Menschen und der Bedingungen, während in Europa die faktische Ungleichheit im 19. Jahrhundert noch beseitigt werden muss. Die Amerikaner haben die Sicherung der politischen Freiheit in den Vordergrund ihrer institutionellen und juristischen Überlegungen gestellt. Als Beispiel soll hier die oben skizzierte Gemeindefreiheit reichen. Die Europäer stellen die Beseitigung der Ungleichheit in den Vordergrund. Dabei besteht jedoch die Gefahr, dass die politische Freiheit verlorengeht.

In Europa wird also das Hauptaugenmerk politischen Handelns auf Grund der aristokratischen Vorgeschichte auf die Beseitigung von sozialen Ungleichheiten gelegt. Man möchte frei sein von Ungleichheit und Bevormundung. Es handelt sich bei diesem „frei sein von“ um einen liberalen Freiheitsbegriff. Und diese Freiheit von Ungleichheit scheint am besten durch die Regelung der politischen Aufgaben über Institutionen, sprich nicht-personalisierte, abstrakte und staatliche Herrschaft zu funktionieren. Aus dem Streben nach Gleichheit kommt hiernach die Ursache für staatlich zentralistische Gewaltenkonzentration. Das Streben nach Gleichheit stellt die Rechte der Gesellschaft über die Rechte des Einzelnen. Der Grund hierfür liegt in dem summationstheoretischen Gedanken, der der Gesellschaft mehr Bildung und Weisheit zuschreibt als jedem anderen einzelnen Bürger. Es ist für den nach Gleichheit strebenden Menschen einfacher, eine unpersönliche, alles überragende Staatsmacht zu akzeptieren, als mit Vorrechten ausgestattete Mitbürger.

Das Präkäre an dieser Situation ist, dass das Streben nach Gleichheit die Freiheit der einzelnen Bürger bedroht: Sich von Ungleichheit zu befreien ist ein automatischer Prozess, der zum Selbstläufer wird. Sobald unter relativ gleichen Menschen eine Ungleichheit auftaucht, muss sie beseitigt werden. Der Erfolg ist unmittelbar sichtbar.

Die Freiheit hingegen ist das Ergebnis einer republikanischen Verfassung und vor allem eines republikanischen Geistes. Gemeint ist die republikanische Freiheit zu politischem Handeln und nicht nur die liberale Freiheit von etwas. Diese Freiheit muss erarbeitet werden und ihr Ertrag ist nicht unmittelbar, sondern erst längerfristig sichtbar.

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Details

Title
Knechtschaft in der Moderne? Die These vom Freiheitsverlust bei Alexis de Tocqueville und Max Weber
College
Humboldt-University of Berlin  (Institut für Sozialwissenschaften)
Author
Year
2003
Pages
15
Catalog Number
V14567
ISBN (eBook)
9783638199292
File size
488 KB
Language
German
Keywords
Knechtschaft, Moderne, These, Freiheitsverlust, Alexis, Tocqueville, Weber
Quote paper
Dominik Sommer (Author), 2003, Knechtschaft in der Moderne? Die These vom Freiheitsverlust bei Alexis de Tocqueville und Max Weber, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14567

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