Chancen und Risiken von True-Sale-Transaktionen (Kreditportfolioankäufen) in Anbetracht der US-amerikanischen Immobilienkrise aus Sicht eines Pfandbriefinstitutes


Mémoire (de fin d'études), 2008

101 Pages, Note: 2,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis Abbildungsverzeichnis

1 Einführung

2 Grundlagen der globalen Finanzkrise
2.1 Subprime-Krise
2.1.1 Immobilienblase am US-amerikanischen Häusermarkt
2.1.2 Zusammenbruch des Verbriefungsmarktes
2.1.3 Wertberichtigungen und Abschreibungsbedarf bei Banken
2.2 Ausweitung zur Bankenkrise
2.2.1 Vertrauensverluste im Interbankenhandel
2.2.2 Zentralbankinterventionen und staatliche Gegenmaßnahmen
2.2.3 Auswirkungen auf andere Märkte und Marktteilnehmer
2.3 Folgen und Lehren aus der Krise

3 Der Weg aus der Krise
3.1 Schwierigkeiten der Bankenfinanzierung
3.1.1 Liquiditätsmanagement
3.1.2 Refinanzierungsmöglichkeiten und Liquiditätsquellen
3.1.3 Kritische Betrachtung der Effektivität in Krisenzeiten
3.2 Die Krise als Chance
3.2.1 Krisenfestigkeit des Pfandbriefes
3.2.2 Relativer Wettbewerbsvorteil der Pfandbriefinstitute
3.3 Bilanzstrukturmanagement in Notsituationen
3.3.1 Verkauf von Aktiva in Form von Kreditportfolios
3.3.2 Motivation und Anforderungen an Käufer

4 Kreditportfolioankauf
4.1 Marktentwicklung/-situation
4.2 Attraktivität und Nutzen von Portfolioankäufen
4.3 Risikoeinschätzungen und besondere Anforderungen
4.3.1 Regulatorische Anforderungen nach Basel II
4.3.1.1 KSA vs. IRBA
4.3.1.2 Solvabilitätsverordnung (SolvV)
4.3.1.3 Mindestanforderungen für angekaufte Forderungen (§§ 142-146 SolvV)
4.3.1.4 Behandlung von Veritätsrisiken (§ 71 SolvV)
4.3.2 Rechtliche Anforderungen
4.3.2.1 Erhöhter Schuldnerschutz
4.3.2.2 Refinanzierungsregister als Schutz vor Verkäuferinsolvenz
4.3.2.3 Beachtung umsatzsteuerlicher Vorschriften
4.4 Transaktionsablauf
4.4.1 Teilnehmer und Funktionen
4.4.2 Dokumentation eines Standardablaufs
4.4.2.1 Anbahnung und Vorbereitung
4.4.2.2 Indikation
4.4.2.3 Due Diligence
4.4.2.4 Kaufpreiskalkulation
4.4.2.5 Zuschlag und Umsetzungsphase
4.5 Zukunftspotentiale

5 Fazit

6 Zusammenfassungen in Deutsch und Englisch
6.1 Zusammenfassung
6.2 Summary

Literaturverzeichnis Anlagen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1 Entwicklung des US-Leitzinses

Abb. 2 ABX-Index für Subprime-Hypothekenanleihen

Abb. 3 Wertberichtigungen der Banken

Abb. 4 Euribor und Euro-Leitzins

Abb. 5 Risikoprämie für schwache Kredite

Abb. 6 Vereinfachte Chronologie der Subprime-Krise

Abb. 7 Vergleich von Finanzkrisen

Abb. 8 Asset Backed Commercial Papers im Umlauf

Abb. 9 Risikoprämien im Vergleich

Abb. 10 Motive für Kreditportfolioankäufe

Abb. 11 Transaktionsablauf eines Kreditportfolioankaufs

Abb. 12 Kaufpreiskalkulation

1 Einführung

Das globale Finanzsystem wird derzeit einer außerordentlichen Bewährungsprobe unter- zogen, ausgelöst durch die Schwierigkeiten am US-amerikanischen Häusermarkt seit Sommer 2007. Die unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen erhitzen die Diskussion darüber, ob es sich um eine ausgedehnte Immobilienkrise, eine Liquiditätskrise, eine systemische Krise des Bankensystems oder sogar eine drohende (Welt-)Wirtschaftskrise handelt.

Insbesondere die schwerwiegenden Probleme am internationalen Bankenmarkt sind in den Fokus der Öffentlichkeit getreten und zwingen die betroffenen Häuser zu enormen Wertberichtigungen und empfindlichen Einschnitten. Die Finanzinstitute verhalten sich abwartend aufgrund der teils eigenen Ideenlosigkeit, Wege aus der Krise zu finden, oder vertrauen auf die Selbstheilungskräfte der Märkte, die notfalls durch die in ertragreichen Zeiten so ungeliebten staatlichen Eingriffe oder Maßnahmen der Zentralbanken unter- stützt werden sollen.

Ausgehend von der Aktualität der Ereignisse am globalen Finanz- und Kapitalmarkt werden mit der kritischen Analyse der Entstehung der Immobilienkrise die Grundlagen für die vorliegende Arbeit geschaffen. Auf den Ursachen aufbauend erfolgt dann ein differenzierter Blick auf die weitreichenden unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen und deren Ausweitung auf internationale Märkte, die durch das bestehende Misstrauen der Marktteilnehmer untereinander künstlich bewirkte Liquiditätskrise und den in seiner Funktionsfähigkeit gefährdeten Interbankenhandel.

Der Umgang mit den Liquiditätsschwierigkeiten und die Notwendigkeit des Entgegenwirkens soll durch die Betrachtung der verfügbaren Refinanzierungsmöglichkeiten erreicht werden, wobei explizit deren Effektivität in Krisenzeiten analysiert wird. Die Darstellung notwendiger Bilanzstrukturmaßnahmen in Form von Kreditportfoliomanagementstrategien mündet in der Überlegung, inwiefern im speziellen Pfandbriefinstitute aus ihrer strategischen Stellung einer stabilen Refinanzierungsform bestehende Marktturbulenzen nutzen können, um aus der Not der Krise eine Tugend zu machen.

Die zentrale Frage dieser Arbeit ist daher, unter welchen Voraussetzungen und mit Hilfe welcher Maßnahmen Finanzinstitute an den vorherrschenden Marktungleichgewichten partizipieren und die Krise als Chance nutzen können.

Als ein möglicher Lösungsansatz soll die strategische Überlegung von Kreditportfolioankäufen entwickelt und kritisch analysiert werden. Aufbauend auf einem Risiko/Nutzenprofil erfolgt nach einer empirischen Analyse des vorhandenen Marktpotentials die Konzeption einer ausformulierten Handlungsempfehlung in Form einer standardisierten Ablaufrichtlinie, die entsprechenden Finanzinstituten als Orientierungshilfe bei der Behandlung von Kreditportfolioankäufen dienen soll.

Die gewonnenen Erkenntnisse werden abschließend in einem Fazit zusammengefasst und ein Ausblick auf vorhandene Zukunftspotentiale gegeben.

2 Grundlagen der globalen Finanzkrise

2.1 Subprime-Krise

2.1.1 Immobilienblase am US-amerikanischen Häusermarkt

In Folge des Börseneinbruchs des Jahres 2000, der Terrorangriffe vom 11. September 2001 und der Angst einer daraus resultierenden Deflation senkt die amerikanische Noten- bank Fed (Federal Reserve System) den US-Leitzins kontinuierlich ab - bis auf 1 Prozent. Bei einer Senkung des Leitzinses verfolgt eine Notenbank eine sog. expansive Geldpoli- tik. Die aus einer Niedrigzinspolitik resultierende erhöhte Liquidität fördert durch „billiges“ Geld das Konsum- und Investitionsverhalten in einer Marktwirtschaft und somit auch die Kreditaufnahmen. Amerikanische Eigenheimbesitzer haben zudem das Recht, Festzins- Hypotheken jederzeit ohne Zahlung eines Strafzinses vorzeitig zu kündigen. Von diesem Recht machen Millionen Haushalte in den USA Gebrauch, um am niedrigen Zins teilzuha- ben. Ein weiterer Effekt eines niedrigen Zinsniveaus ist die Nachfragesteigerung nach Wohnimmobilien. Aufgrund der erhöhten Nachfrage steigen die Eigenheimpreise Jahr für Jahr mit zweistelligen Raten.1

Um einem noch größeren Käuferkreis einen Immobilienerwerb bei weiter steigenden Im- mobilienpreisen zu ermöglichen, kreieren US-Banken zahlreiche sog. „Affordability“- Produkte, etwa mit tilgungsfreien Zeiträumen bis zu zehn Jahren oder „Teaser-Rates“ (engl.: to tease = jmd. anlocken) im Bereich von einem Prozent in Verbindung mit minima- ler Tilgung.2 Damit können auch schwache Schuldner, die eigentlich nicht kreditwürdig sind, ein Haus erwerben und an der Immobilienhausse teilhaben. Die Spekulation dar- über, dass die Häuserpreise zukünftig weiter steigen werden, wird als Basis für Kreditent- scheidungen genutzt. Hypotheken werden aufgestockt, um Kreditkartenschulden zu be- zahlen und neuen Konsum finanzieren zu können. Dabei werden Hypotheken derart auf- gebläht, dass sie den aktuellen Wert des Hauses übersteigen. Dieser Effekt führte zu einer immensen Expansion der Kreditmärkte bei gleichzeitiger Überbewertung der als Sicherheiten unterlegten Immobilien, während die Sparquote gegen Null tendierte.3 Das Resultat war eine künstlich geschaffene Immobilienblase.

Die Literatur hält eine Vielzahl an Varianten bereit, um das Phänomen einer Blase (Bubb- le) zu erläutern. “Asset price bubbles represent a mispricing of asset values by the mar- ket4, beschreibt Kroszner das Entstehen einer Blase, während Kindleberger schreibt: “One element of a bubble is that prices increase faster than can be explained by market fundamentals5. Eine Überbewertung von Vermögenswerten (insbesondere Aktien und Immobilien) führt zu erhöhtem Konsum und gleichzeitig zu erhöhten Investitionen. Wenn diese Überbewertungen jedoch auf Spekulationen beruhen, die nicht zutreffen werden, dann „platzt“ die Blase und kann nachhaltig die Finanz- und Realwirtschaft negativ beein- trächtigen. Während Boom-Phasen von sog. Blasen einen relativ kurz andauernden wirt- schaftlichen Einfluss besitzen, haben die Risiken meist langfristige Auswirkungen.6

Das seit Mitte 2004 wieder ansteigende Zinsniveau (siehe auch Abb. 1) führt dazu, dass die monatlichen Raten vieler Kreditnehmer so stark steigen, dass diese nicht mehr in der Lage sind, ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen.7

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1 Entwicklung des US-Leitzinses

Quelle: Eigene Darstellung

Da gerade Subprime-Hypotheken oft zu anfangs besonders niedrigen Festzinssätzen angeboten werden und nach einer gewissen Kreditlaufzeit (i. d. R. nach 1-2 Jahren) eine variable Phase mit Anpassung der Zinssätze nach oben erfolgt, werden Haushalte mit geringeren Einkommen doppelt getroffen. In der Folge der sich ergebenden zunehmen- den Zahlungsausfälle kommt es zu einer Verkaufswelle im US-Immobiliensektor. Dies geht mit einem deutlichen Preisrückgang, verbunden mit einem entsprechenden Wertver- lust der Sicherheiten, einher und bringt die Immobilienblase zum Platzen.

Die Vergabe von Krediten ist ein unentbehrlicher Bestandteil der Finanzwirtschaft und Grundvoraussetzung wirtschaftlichen Wachstums. Positive Effekte von Fremdfinanzierun- gen kehren sich allerdings in Blasensituationen ins Gegenteil, denn ein rapides Ansteigen von Vermögenswerten kann in der Kombination mit ebenso rapide steigenden Fremdkapi- talaufnahmen einen negativen Einfluss auf die Wirtschaftssysteme haben. Die Kreisläufe der Kreditwirtschaft und der Vermögenswerte korrelieren miteinander und heizen sich daher gegenseitig auf. Steigende Vermögenswerte stimulieren die Wirtschaft und reduzie- ren gleichzeitig die Kosten der Kreditaufnahme. Dies resultiert dann in einer rasanten Kreditexpansion im Finanzsystem, ein Indikator für mögliche zukünftige Krisen.8

Plötzliche Preisanpassungsprozesse auf den Märkten für Finanzaktiva sind jedoch Be- standteil des üblichen Marktgeschehens.9 Der Grund, warum eine kritische Zuspitzung an einem nationalen Teilkreditmarkt im Endeffekt zu einer weltweiten Krise des Finanzsys- tems werden konnte, liegt daran, dass Finanzinstitute in erheblichem Umfang Wohnbau- kredite sowie viele andere Arten von Kreditforderungen zwecks Verbriefung (Schaffung von handelbaren Wertpapieren aus Forderungen) aufgekauft haben. Im Juni 2007 kündi- gen die großen Rating-Agenturen Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch jedoch an, die bis dahin vergleichsweise günstigen Bewertungen komplexer Verbriefungsprodukte von Banken kritisch prüfen zu wollen. Dies führt letztlich zu massenhaften Ratingherabstufun- gen. Sie reagieren damit auf einen dramatischen Preisverfall von verbrieften US- Wohnungsbaukrediten vor allem im US-Subprime-Markt, bei dem die zugrunde liegende Sicherheit nicht aus den finanzierten realen Immobilien besteht, sondern aus den gedeck- ten US-Hypothekendarlehen zweitklassiger Bonität (subprime).10

2.1.2 Zusammenbruch des Verbriefungsmarktes

Der zunehmende Wettbewerb hat dazu geführt, dass Finanzinstitute angesichts schwa- cher Margen im Heimatmarkt höhere Erträge in anderen Märkten suchen. Diese sind allerdings nur um den Preis der Eingehung höherer und auch andersartiger Risiken er- zielbar, die wiederum nicht ausreichend in ihren Bilanzen abgesichert werden. Die welt- weit hohe Liquidität infolge der lang andauernden Niedrigzinsphase sowie eine hohe Ban kendichte in einigen Ländern haben dazu geführt, dass die Nachfrage nach Anlagemöglichkeiten in den vergangenen Jahren größer war als das Angebot und damit die Preise für Kredite gesunken sind.11

Subprime-Hypotheken weisen aufgrund des Bonitätsaufschlags für die Kredit gebenden Institute höhere Renditen und damit Erträge auf als andere Hypotheken. Dies ist u. a. ein Grund, warum Investmentbanken Subprime-Hypotheken entweder selbst vergeben oder aber Pools kleinerer Retail-Banken (Privatkundenbanken) aufkaufen. Die Rückzahlungs- und Zinszahlungsansprüche dieser Hauskredite werden in einem Pool gebündelt und verbrieft. Anschließend werden sie als komplexe, strukturierte Wertpapiere, beispielswei- se in Form sog. Asset Backed Securities (ABS), an institutionelle Investoren, wie Kreditin- stitute, Pensionsfonds, Fondsgesellschaften oder Versicherungen weltweit weiterver- kauft.12 Diese institutionellen Investoren suchen nach Anlagealternativen zu den am Markt für klassische Unternehmensrisiken niedrigen Spreads (Risikoaufschläge) und Erträgen. Um die Profitabilität ihrer Vermögensanlagen zu optimieren, erfolgen diese oftmals über sog. Special Purpose Vehicle (SPV / Zweckgesellschaften), die sich zum Teil günstiger refinanzieren können. Dieser Form der Desintermediation liegt das sog. Originate-to- Distribute-Modell zugrunde. Die Refinanzierung der SPVs erfolgt regelmäßig durch die Emission von gedeckten Wertpapieren (ABS oder Collateral Debt Obligations / CDO) am Geld- und Kapitalmarkt.13 Da die SPVs fast ohne Eigenkapital ausgestattet sind und grundsätzlich nicht zu einem gemeinsamen Konzernabschluss mit der Bank zusammen- gefasst/konsolidiert werden müssen, spart die Bank als Originator (Urheber) einerseits weitgehend das Vorhalten teuren Eigenkapitals und erzielt andererseits durch die indirek- te Bilanzverlängerung zusätzliche und fortlaufende Provisionserträge.

In der aktuellen Finanzkrise spielen vor allem CDOs eine zentrale Rolle. Das Grundprinzip dieser Finanzinnovation basiert wie bei anderen strukturierten Anleihen auf der Bündelung von Hypothekenkrediten zu einem milliardenschweren Portfolio. Dieses dient wiederum als Sicherheit für ein handelbares Wertpapier, das die Bank emittiert. Der entscheidende Unterschied zu anderen strukturierten Anleihen besteht in den besonderen Vorkehrungen für den Fall, dass einer der Kreditnehmer oder mehrere ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen. Bei einer normalen Anleihe würde ein Zahlungsausfall auf alle Inha- ber gleichmäßig in Form einer verminderten Tilgung verteilt. Ein strukturiertes Wertpapier dagegen ist in mehrere Tranchen aufgeteilt. Kommt es zum Zahlungsausfall, muss diesen zunächst die „unterste“ Tranche bewältigen. Das Verlustrisiko dieser Tranche ist daher hoch, aber um das Interesse von Investoren zu erhalten auch dementsprechend hoch verzinst. Weiter anfallende Verluste übernehmen dann nacheinander die nächst höheren Tranchen, bis auch sie aufgebraucht sind. Durch diese Regelung schützen die unteren Tranchen die höheren gegen Verluste. Die Ratingagenturen geben daher der obersten Tranche regelmäßig die Bestnote AAA für höchste Ausfallsicherheit, sogar als die unter- liegenden Hypothekenkredite im Durchschnitt nur eine mäßige Qualität von BBB hatten, weil sie an schwache Schuldner vergeben worden waren.14 Die Nachfrage nach derarti- gen Finanzierungsmöglichkeiten in den vergangenen Jahren war hoch, da beispielsweise Pensionsfonds einen Großteil ihrer Mittel in Papieren mit hoher Sicherheit anlegen müs- sen. Die übrigen Tranchen wurden oft an renditeorientierte Investoren wie Hedge-Fonds abgesetzt oder von den Banken selbst gehalten. Durch die Ausfälle der Subprime-Kredite und weil die untersten Tranchen vergleichsweise klein sind, befürchten Pensionsfonds, dass auch ihre AAA-Tranche ebenfalls von Verlusten betroffen sind. Auch der Mangel an Transparenz und Informationen haben dazu geführt, dass der Handel versiegte und als Folge daraus die Kurse dieser Papiere und Fonds fielen.15

Basierend auf einer Vielfalt von möglichen Kombinationen und Variationen derartiger Geschäfte können zwei Grundmodelle herausgestellt werden - die Verbriefung über eine Zweckgesellschaft und das Verbriefungsmodell mittels einer Emissionsgesellschaft (Con- duit). In dem ersten erwerben die SPVs, wie bereits erwähnt, Kreditforderungen unter- schiedlicher Art, Laufzeit und Kreditqualität und refinanzieren sich überwiegend durch mittelfristige Schuldverschreibungen, sog. Medium Term Notes (MTN) mit Laufzeiten von

1 bis 10 Jahren, und hochriskanten Capital Notes. Liquiditätsfazilitäten (Kreditlinien) der Originator-Bank, die zur Absicherung des Liquiditätsrisikos dienen, spielen bei diesen Zweckgesellschaften nur eine untergeordnete Rolle, da für den Fall eines unerwarteten Finanzbedarfs von der jederzeitigen Veräußerbarkeit kurzfristiger Finanzaktiva über den Sekundärmarkt ausgegangen wird.16 Diese Annahme wurde durch die Subprime-Krise widerlegt, da die Investments der Zweckgesellschaften als Sicherheit für deren Emissio- nen zur Verfügung stehen. Übertragen auf den amerikanischen Immobilienmarkt heißt das, dass die Sicherheiten der Emissionen an deren Erträge und Wertentwicklungen am US-Subprime-Markt gekoppelt waren. Aufgrund der zunehmenden Unsicherheit über die Werthaltigkeit der Investments dieser Zweckgesellschaften brach der Markt für diese kurz laufenden Wertpapiere nahezu zusammen. Um den akuten Refinanzierungsbedarf zu verringern, der sich aufgrund der notwendigen Anschlussfinanzierung auslaufender Emis- sionen ergab, versuchten SPV-, Fonds- und Portfoliomanager zunächst diejenigen Wert- papiere abzustoßen, die unmittelbar in die US-Immobilienkrise involviert waren. Es han- delte sich hierbei zumeist um Papiere, die Risiken des US-Immobilienmarktes verbriefen. In Folge dessen fielen die Kurse dieser Anleihen und die Handelbarkeit der Risiken nahm weiter ab. Der Sekundärmarkt kam zum Erliegen und machte eine jederzeitige Veräußer- barkeit unmöglich.

Diese Entwicklung belegt auch der sog. ABX-Index (siehe auch Abbildung 2), der die Entwicklung von Wertpapieren abbildet, die durch bonitätsschwache Hypothekendarlehen mit einem durchschnittlichen Rating von BBB besichert sind.17 Weil mit den im Index abgebildeten Wertpapieren kaum gehandelt wird, bestimmen die aktiv gehandelten CreditDefault-Swaps (CDS / Kreditderivate) die Richtung des Index. Die Bewertungen der Swaps basieren auf der Einschätzung der Investoren, wie groß das Ausfallrisiko bei den zugrundeliegenden Wertpapieren sein dürfte. Steigen die Ausfallrisiken, fällt der Index und umgekehrt. Der gesunkene ABX-Index dokumentiert durch das Repräsentieren der Marktkurse die negativen Auswirkungen des Subprime-Sektors.18

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2 ABX-Index für Subprime-Hypothekenanleihen

Quelle: Patterson, Scott (2007): o. S.

Die zweite Verbriefungsvariante mittels einer Emissionsgesellschaft namens Conduit ist noch risikoreicher und hantiert mit einer Hebelwirkung von 40- bis 70-mal Kredit gegen- über Eigenkapital, während bei normalen SPVs der Satz bei 12- bis 16-mal liegt.19 Condu- its unterliegen weniger strengen Diversifikationsregeln und investieren zum allergrößten Teil in US-amerikanische Wohnungsbauhypotheken. Wichtigstes Kennzeichen ist eine damit verbundene große Fristentransformation, die bei einem üblicherweise ansteigenden Verlauf der Renditestrukturkurve eine effektive Zinsmarge ermöglicht. Es werden länger laufende verbriefte Forderungen erster Qualität (z. B. lang laufende Kredite oder extern geratete Wertpapiere) über ein Conduit durch kurzfristige Commercial Papers (CP / Geldmarktpapiere) in einer Art Daueremission refinanziert. Diese Geldmarktpapiere kön- nen Wertpapiere mit kurzer Laufzeit (Asset Backed Commercial Papers / ABCP) oder Wertpapiere mit mittlerer Laufzeit (Medium Term Notes / MTN) sein. Zinsänderungs- und Liquiditätsrisiken werden durch eine Liquiditätsfaziliät (Kreditlinie) der Originator-Bank und etwaiger kooperierender Banken bis zu 100 % abgesichert. Die Bank bzw. Banken stellen notfalls die erforderliche Liquidität für die Zahlungsverpflichtungen bei Fälligkeit der CPs in Form einer speziellen Kreditlinie (Liquiditätslinie) bereit. Bei einem möglichen Käuferstreik der CP-Investoren, wie er durch die Immobilienkrise ausgelöst wurde, und einer dadurch ausgelösten Inanspruchnahme der Liquiditätsfaziliät, wird die Bilanz der Originator-Bank verlängert. Dies hat einen zum Teil erhöhten Liquiditätsverlust zur Folge und kann mit einem erheblichen Solvenzrisiko verbunden sein.20 Bekannteste Opfer dieser Variante sind die SachsenLB und die Mittelstandsbank IKB.

2.1.3 Wertberichtigungen und Abschreibungsbedarf bei Banken

Die Folgen des Erliegens der Verbriefungsmärkte sind enorme Wertverluste der hypothe- kenbesicherten Wertpapiere, die die Finanzinstitute in ihren Bilanzen berücksichtigen müssen.

Die internationalen Rechnungslegungsvorschriften „International Financial Reporting Standards“ (IFRS), die die meisten großen Finanzinstitute seit einigen Jahren anwenden müssen, schreiben für viele Vermögenswerte, wie z. B. Anleihen im Handelsbestand, eine

Bewertung zu den gerade aktuellen Marktkursen (Mark-to-Market) vor und nicht etwa zu Anschaffungskosten.21 Hinter der Mark-to-Market-Vorschrift steht die Idee, Aktionäre bes- ser über die tatsächliche Vermögenslage der Bank zu informieren und den Aktionären damit eine bessere Kontrolle zu ermöglichen. Jedoch blieb bei der Konzeption dieser Vorschrift die Möglichkeit einer Krisensituation nicht vollständig berücksichtigt. In derarti- gen Krisensituationen, wie sie sich derzeit am Finanzmarkt zeigen, wirkt die Mark-to- Market-Vorschrift prozyklisch und somit Krisen verschärfend. Als Konsequenz der Kurs- verluste bei Anleihen und anderen Aktiva fordern zahlreiche Banken ihre Kreditnehmer wie z. B. Hedge-Fonds auf, die Kredite mit zusätzlichen Sicherheiten zu unterlegen - sog. Margin Calls. Dies zwingt wiederum manche Fonds zu Notverkäufen und diese lassen die Marktkurse weiter absinken. Die Mark-to-Market-Vorschrift fordert dann von allen Markt- teilnehmern Wertberichtigungen, die in der Gewinn- und Verlustrechnung als Verluste ausgewiesen werden. Das kann weitere Notverkäufe auslösen, die die Kurse noch tiefer sinken lassen.22 Es entsteht eine Abwärtsspirale.

Angesichts der fallenden Häuserpreise in den Vereinigten Staaten drohen amerikanischen Banken zudem hohe Abschreibungen bei Hauskrediten.23 Abschreibungen beschreiben den endgültigen Verlust einer Kreditforderung. Daher liegen in der aktuellen Krise vor allem Wertberichtigungen vor. Hierbei handelt es sich um möglicherweise nur vorübergehende Wertverluste. Anders als bei einer Abschreibung muss dieser Verlust nicht endgültig sein, denn Erholungen der Preise sind nicht auszuschließen.

Die aus den IFRS-Bewertungsvorschriften resultierenden bisher bekanntgegebenen Wertberichtigungen von Banken belaufen sich nach Schätzungen des Finanzdatenanbie- ters Bloomberg Anfang April 2008 auf insgesamt 232 Mrd. Dollar. Bis zu 945 Mrd. Dollar könnten es nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) noch werden.24 Die nachfolgende Abbildung 3 dokumentiert die hohen Wertberichtigungen von Banken weltweit.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3 Wertberichtigungen der Banken (in Mrd. Euro / Euro-Umrechnung zum 31.12.2007)

Quelle: Bayer, Tobias (2008b): o. S.

Das Bankensystem beruht vor allem auf Vertrauen. Hohe Abschreibungen und Wertberichtungen gefährden dieses Vertrauen, da nicht bekannt ist, welche Positionen noch in den Bilanzen der Banken stecken. Auch die unterschiedliche Auslegung der Bewertungsvorschriften verstärkt das erhöhte Misstrauen unter den Banken, da es regelmäßig an international abgestimmten Anwendungsregeln fehlt.25

2.2 Ausweitung zur Bankenkrise

2.2.1 Vertrauensverluste im Interbankenhandel

Die Bereitschaft, anderen Banken kurzfristig Geld zur Verfügung zu stellen, fehlt seit dem bekannt wurde, dass zahlreiche Banken Darlehen an dem hochrisikoreichen US- Subprime-Markt außerhalb ihrer Bilanzen übernommen haben. Eine Reihe von US-Banken, die dieses Segment finanziert haben, ist in die Insolvenz gegangen. Das lässt die Befürchtungen der am Geldmarkt agierenden Banken steigen, dass Institute, denen sie bisher kurzfristig Geld geliehen haben, ebenfalls insolvenzgefährdet sind.26

Der Interbankenhandel, auf dem sich Banken untereinander ohne Stellung von Sicherhei- ten gegenseitig Geld leihen, ist zum Erliegen gekommen. Die Finanzierung gegen Sicher- heiten ist gleichzeitig extrem teuer geworden, weil das Risikopotential der Banken nicht einschätzbar ist.27 Es besteht keinerlei Transparenz über die noch vorhandenen Risiken, die in den Bilanzen der Banken stecken, und die Höhe weiteren Abschreibungsbedarfs und wie dieser die Gewinn- und Verlustrechnung der Marktteilnehmer beeinflussen wird.28

Banken bewahren außerdem Liquidität im eigenen Haus, da sie angesichts der Markttur- bulenzen nicht abschätzen können, welcher Refinanzierungsbedarf auf sie zukünftig zu- kommt. Dieses Misstrauen gepaart mit dem Horten von Geld entzieht dem Geldmarkt Liquidität und wird über den hohen Zins für Dreimonatsgeld, dem Euribor-Zins (European Interbank Offered Rate), dokumentiert. Es handelt sich dabei um den Zinssatz, den euro- päische Banken voneinander beim Handel von Einlagen mit einer festgelegten Laufzeit von einer Woche sowie zwischen einem und zwölf Monaten verlangen.29 Normalerweise liegen die Zinsen für Tagesgeld und Dreimonatsgeld nur unwesentlich über dem Leitzins, den die EZB (Europäische Zentralbank) derzeit bei 4 % hält. In der Differenz (siehe auch Abb. 4) drückt sich das große Misstrauen der Banken untereinander aus.30

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4 Euribor und Euro-Leitzins

Quelle: Ruhkamp, Stefan u. a. (2008): o. S.

Die Verknappung von Liquidität ist dahingehend bedeutend, da bereits bloße Gerüchte und Spekulationen über die Zahlungsfähigkeit eines Instituts dessen Gläubiger verunsi- chert. Die Gläubiger sehen sich aufgrund des Vertrauensverlusts in die Funktions- und Zahlungsfähigkeit der Bank veranlasst, ihre Guthaben abrupt abzuziehen. In diesen Stru- del können dann weitere Banken gezogen werden und man spricht von einer „systemi- schen Krise“.

Die Sorgen einer systemischen Krise im Bankensektor und die Verschärfung der Finanz- krise wurden durch den wirtschaftlichen Zusammenbruch der amerikanischen Invest- mentbank Bear Stearns offensichtlich. Ein erheblicher Liquiditätsengpass gepaart mit Spekulationen über die Zahlungsfähigkeit des Instituts hat Kunden und Geschäftspartner derart verunsichert, dass die fünft größte Investmentbank für 236 Mio. Dollar (vor Aus- bruch der Hypothekenkrise belief sich der Wert von Bear Stearns auf 20 Mrd. Dollar) verkauft werden musste.31 Dieser Moment wird von vielen Bankenexperten als bisher kritischster Moment bezeichnet. Die Folgen für den Bankenmarkt wären nicht vorherseh- bar gewesen, wenn Bear Stearns nicht mit Hilfe der US-amerikanischen Notenbank Fed von der konkurrierenden Investmentbank JPMorgan Chase übernommen worden wäre. Ein Zusammenbruch der Investmentbank hätte einen Sturm von Kunden auf ihre Banken auslösen können, der eine systemische Funktionsstörung des Bankenmarktes hätte ver- ursachen können.

Das Beispiel der Düsseldorfer Mittelstandsbank IKB hat gezeigt, dass Gerüchte und Miss- trauen auch in Deutschland Banken innerhalb kurzer Zeit an den Rand eines Zusammen- bruchs treiben können. Die IKB war wie die Investmentbank Bear Stearns im Markt aktiv, der im Zusammenhang mit den Subprime-Hypothekendarlehen steht, und stellte ihrer refinanzierenden Emissionszweckgesellschaft (Conduit) „Rhineland Funding Capital Cor- poration“ eine Kreditlinie von 8,1 Mrd. Euro zur Verfügung.32 Insbesondere wegen der sich daraus ergebenden Risiken sahen sich mehrere Banken - darunter die Deutsche Bank - gezwungen, der IKB Kredite zu kündigen, was bei einer Inanspruchnahme der Liquiditäts- linie durch die Zweckgesellschaft zur Zahlungsunfähigkeit der IKB hätte führen können. Die IKB konnte nur durch eine Kooperation privater und öffentlicher Banken sowie der Bundesregierung und einer Unterstützung in Millionenhöhe vor dem Zusammenbruch bewahrt werden.33

Auch der (Not-)Verkauf der SachsenLB (Landesbank Sachsen / heute: Sachsen Bank) an die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) im August 2007 erfolgte, weil die Sach- senLB kein ausreichendes Eigenkapital vorhalten konnte, um mögliche Kreditausfälle ihrer drei irischen Zweckgesellschaften in Höhe von insgesamt 26 Mrd. Euro abzude- cken.34

Von einer systemischen Finanzmarktkrise wird gesprochen, wenn ernsthafte Zweifel an der allgemeinen Funktionsfähigkeit wichtiger Finanzmärkte bestehen. Um einer möglichen systemischen Krise vorzubeugen, stellen Zentralbanken den Kreditinstituten in großem Umfang zusätzliche Liquidität zur Verfügung. Dies erfolgt allerdings nur für eine begrenzte Zeit, einen vergleichsweise hohen Zinssatz und nur gegen Hinterlegung von Wertpapieren oder anderen Sicherheiten.

2.2.2 Zentralbankinterventionen und staatliche Gegenmaßnahmen

Notenbanken und Regierungen sehen sich angesichts der Gefahr einer Ausweitung der Hypothekenkrise zu einer unkontrollierbaren systemischen Krise und/oder massiver nega- tiver Folgen auf die weltweiten Volkswirtschaften veranlasst, regulierende Maßnahmen zu ergreifen.

Die Erweiterung des Zugangs nach zusätzlicher Liquidität steht im Fokus der Zentralbankinterventionen. Mit der Gewährung einer 30 Mrd. Dollar Kreditlinie an die Investmentbank JPMorgan Chase, die wie bereits beschrieben damit die in Liquiditätsnot geratene Bank Bear Stearns übernehmen konnte, hat die Fed einen entscheidenden Beitrag geleistet, um die Verwerfungen an den Finanzmärkten so gering wie möglich zu halten.35 Mögliche Kettenreaktionen konnten verhindert werden. Jedoch ist es nicht die Aufgabe einer Notenbank, Fehlspekulationen und Fehler im Risikomanagement einer einzelnen privaten Investmentbank zu tragen und sie vor der Insolvenz zu bewahren.

Die amerikanische Notenbank Fed hat aber auch mit ordnungsgemäßen geldpolitischen Maßnahmen auf die fortwährenden Anspannungen auf dem Geldmarkt reagiert. Sie senk- te den amerikanischen Referenzzinssatz (Federal Funds Rate) von 4,25 % Anfang des Jahres 2008 auf derzeitige 2 % (Stand 30.04.2008).36 Das Senken des Leitzinses soll die Gefahr verringern, dass sich solvente Banken wegen des Vertrauensverlusts nicht mehr am Geldmarkt refinanzieren können. Aber die Maßnahme der Fed ändert nichts an der Tatsache, dass immer höhere Verluste aus der Kreditkrise die Fähigkeit der Banken ein- schränken, Kredite zu vergeben. Es fehlt den Banken an Refinanzierungsalternativen. Des Weiteren hat die Fed ihre zweite geldpolitische Option, die vorübergehende Bereit- stellung von Geld gegen die Hereinnahme von Wertpapieren, erweitert und eine Reihe neuer Kreditfazilitäten geschaffen. In diesem Zuge weitet die Fed zum einen den Zugang zu Krediten von Geschäfts- und Investmentbanken auf Wertpapierhäuser aus, zum ande- ren akzeptieren sie nun als Sicherheit auch Wertpapiere minderer Qualität, die mit Forde- rungen aus riskanten Hypothekendarlehen hinterlegt sind. So soll die Liquidität im Handel der Banken untereinander verbessert und die Funktionsfähigkeit des Finanzsystems gesi- chert werden.37 Mit den geldpolitischen Maßnahmen der Leitzinssenkung und der vorü- bergehenden Bereitstellung von Geld kommt die Fed ihrer Aufgabe nach, in Krisenzeiten als „Kreditgeber der letzten Instanz“ (lender of last resort) bereitzustehen und einen Zu- sammenbruch des Finanzsystems aufgrund der übermäßigen Liquiditätsschwierigkeiten zu verhindern.

Um den Anstieg der längerfristigen Zinsen am Geldmarkt zu dämpfen und somit auf den Stillstand des Interbankenhandels zu reagieren, beschränkt sich die Europäische Zentral- bank EZB auf ihr geldpolitisches Mittel der zusätzlichen Liquiditätsbereitstellung. Die EZB bietet ein neues Refinanzierungsgeschäft an, wobei Banken erstmals Kredite mit sechs- monatiger Laufzeit gutgeschrieben werden. Diejenigen Banken, die die länger laufenden Kredite ersteigern, sind damit weniger auf die wöchentlichen Refinanzierungen mit unge- wissem Ausgang angewiesen. Ein Erfolg dieser Maßnahme ist jedoch nicht zu erkennen, sondern eher ein gegenteiliger Trend, denn seit Ankündigung des Geschäfts ist der Euri- bor-Zins für Sechsmonatskredite sogar leicht gestiegen. Darin spiegelt sich das weiter andauernde Misstrauen der Banken untereinander wider.38 Das Senken des Leitzinses ist aus Sicht der EZB kein adäquates Mittel, da die Wahrung der Preisstabilität (Stabilitätsnorm der EZB liegt bei 2 %) die Kernaufgabe der EZB darstellt. Eine Senkung des Zinsniveaus geht jedoch zumeist mit dem Anstieg des Preisniveaus einher und würde die aktuell im Euroraum herrschenden inflationären Tendenzen, die laut der europäischen Statistikbehörde Eurostat 2,4-2,5 % betragen, verstärken.

Auch staatliche Eingriffe haben weitreichende Folgen für Wirtschaftssysteme und Volks- wirtschaften. Die Vereinigten Staaten fordern mehr Regulierung, um die Risiken für das Finanzsystem zu verringern. Hypothekenbanken und die Vermittler von Immobiliendarle- hen sollen stärker beaufsichtigt werden und auch die Bewertungsagenturen für Kredite strengeren Kontrollmaßnahmen unterzogen werden. Auf diese Weise soll eine höhere Transparenz und Glaubwürdigkeit über die Sicherheit der Forderungen geschaffen wer- den.

Erhöhte Kontrollmaßnahmen sind auch für die Europäische Union (EU) die Quintessenz aus der Finanzkrise. Die EU-Finanzminister beschlossen Anfang April 2008, bis zu 30 europäische Finanzkonzerne durch öffentliche Expertengremien kontrollieren zu lassen.39

Staatliche Regulierungen in Form von Gesetzen wollen die Banken jedoch verhindern. Eine Ausnahme bildet die unumstrittene Verschärfung der Regeln für Hypothekenvermitt- ler. Vertreten durch das Institute of International Finance (IIF), einem internationalen Ban- kenverband mit mehr als 375 Mitgliedern, fordern die Banken, sich selbst bereinigen zu dürfen. Im Sommer 2008 soll ein Verhaltenskodex verabschiedet werden, der ein besse- res und schärfer kontrolliertes Risikomanagement vorsieht. Außerdem soll die Transpa- renz der verschachtelten Kreditprodukte verbessert werden.40 Der Erfolg eines derartigen Verhaltenskodex bleibt jedoch abzuwarten, denn im März 2007 veröffentlichte der IIF einen Bericht, der ein besseres Liquiditätsmanagement der Banken vorgab und daran einen Verhaltenskodex knüpfte.41 Die derzeit offenbar werdenden Liquiditätsschwierigkei- ten und Fehler im Risiko- sowie Liquiditätsmanagement der Banken lassen an der Einhal- tung der Verhaltensregeln zweifeln.

Die staatlichen Überlegungen über höhere Kontrollmaßnahmen sind vor allem zukunfts- gerichtet, während die Interventionen der Zentralbanken dem gegenwärtigen Ziel unterlie- gen, die weltweite Finanzkrise nicht zu einer Weltwirtschaftskrise ausweiten zu lassen.

2.2.3 Auswirkungen auf andere Märkte und Marktteilnehmer

Die derzeitige Finanzmarktkrise verdeutlicht einmal mehr, wie sehr die weltweiten Märkte miteinander korrelieren und sich gegenseitig - positiv wie negativ - beeinflussen. Globale Interdependenzen sind zwar nichts neues, wie beispielsweise bereits die Weltwirtschafts- krise von 1929 ausgehend von den Vereinigten Staaten veranschaulichte, jedoch sind die Auswirkungen durch Real-Time-Handel und -Kommunikation wesentlich schneller spür- bar.42 Bereits kleine Abweichungen im bestehenden System haben große Auswirkungen auf Märkte und Marktteilnehmer der ganzen Welt - ein Phänomen, das unter dem Begriff „Schmetterlingseffekt“ bekannt ist.43 Als Schmetterlingseffekt (Butterfly Effect) bezeichnet man den Effekt, dass in komplexen, dynamischen Systemen eine große Empfindlichkeit auf kleine Abweichungen besteht.

Die weitreichenden Auswirkungen der anfangs lokalen US-Subprime-Krise auf die globale Wirtschaft lassen sich an den verschiedensten Faktoren ablesen. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass die Finanzmarktkrise nicht der Grund allen Übels ist, sondern teilweise nur Tendenzen verstärkt bzw. Fehlspekulationen offenbart hat.

- Kursverluste des Dollar

Der Euro ist seit Ausbruch der Finanzkrise im Juli 2007 in Dollar um 14 % gestiegen. Auch zu anderen wichtigen Weltwährungen hat der Dollar kräftig verloren. Die amerikanische Notenbank hat jedoch durch ihre deutlichen Leitzinssenkungen von 5,25 auf 2 % zum Kursverlust des Dollars beigetragen, da Zinssenkungen einen kontraproduktiven Effekt haben. Je mehr die Fed die Zinsen senkt, desto mehr verliert der Dollar an Wert. Durch die gesenkten Leitzinsen will die Fed verhindern, dass die amerikanische Wirtschaft in eine Rezession fällt.

- Ölpreis

Neben rückläufigen Rohöllagerbeständen aufgrund restriktiver Ölfördermengen beeinflusst vor allem der Kursverlust des Dollar den Ölpreis, der seit Juli 2007 ra- pide angestiegen ist und weit über 100 Dollar je Barrel Öl (Nordseesorte Brent) liegt.44

- Edelmetalle

Anleger investieren aufgrund des schwachen Dollars und der Rezessionsängste vor allem in Edelmetalle wie Platin, Gold und Silber. Am 13. März 2008 erreichte die Feinunze Gold (31,1 Gramm) einen historischen Höhepunkt mit dem Überschreiten der 1000 Dollar-Marke.

- Aktienindizes / Konzerne

Die Folgen der Kreditkrise beeinflussen auch die Kurse an den weltweiten Börsen negativ, da sich die Ertragslagen von großen, zumeist internationalen Unterneh- men verschlechtern. Die 30 größten deutschen börsennotierten Unternehmen mussten laut Prognosen und Berechnungen im ersten Quartal Nettogewinneinbu- ßen von durchschnittlich 40 % gegenüber dem Vorjahr realisieren. Insbesondere Kreditausfälle, Zahlungsverzögerungen und steigende Refinanzierungskosten an den Kapitalmärkten als unmittelbare Folgen der Finanzkrise sowie die nachlas- sende Weltwirtschaft, höhere Ausgaben für Rohstoffe und der rasant steigende Euro als mittelbare Folgen belasten die Ergebnisse der internationalen Unterneh- men.45

- Weltwirtschaft

Der Internationale Währungsfonds (IWF) und das OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) prognostizieren für die Weltwirtschaft einen geringen, ungleichmäßigen Rückgang der realen Wachstumsraten für 2008 voraus, sowohl in Auswirkung der Turbulenzen an den Finanzmärkten als auch der stark gestiegenen Dollarpreise von Erdöl, Erdgas und anderen Rohstoffen sowie der Abschwächung am US-Immobilienmarkt.46

In den Vereinigten Staaten hat der Verfall der Eigenheimpreise jedoch bereits zu einem spürbaren Abschwung der Binnenwirtschaft geführt, der den Konsum und somit die Konjunktur hemmt. Gleichzeitig zeichnet sich ab, dass Banken bei der Kreditvergabe stärker darauf achten, ob der Schuldner eine hohe Bonität besitzt und ob Abnehmer für die Kreditforderungen bereitstehen. Insbesondere Unternehmen, die von geringer Bonität sind, werden unter diesen verschärften Bedingungen leiden, wenn die Banken Anschlusskredite wegen erhöhter Ausfallrisiken nicht genehmigen.47

Diese hohe Risikoscheu zeigt sich auch im Anstieg der Risikoprämien für die Versicherung dieser Unternehmenskredite an schwache Schuldner, den der iTraxx-Crossover- Index abbildet.48 Der iTraxx-Crossover-Index, der Risikoprämien für 50 schwache europäische Unternehmensschuldner darstellt, stieg von September 2007 bis März 2008 um etwa 100% an, wie Abbildung 5 belegt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5 Risikoprämie für schwache Kredite (in Prozent der versicherten Summe)

Quelle: Fehr, Benedikt / Ruhkamp, Stefan (2008): o. S.

Die ansteigende Risikoaversion der Investoren ist allerdings nicht nur bei Schuldnern mit schwacher Bonität sichtbar, sondern auch bei Schuldner mit gutem Rating. So stieg der iTraxx-Europe-Index, der die Kosten eines Portfolios von 125 europäischen Unternehmensanleihen mit gutem Rating gegen Zahlungsausfälle abbilde, von 20 Basispunkten Anfang Juli 2007 auf über 160 Basispunkte im März 2008.49

Die gestiegenen Risikoaversionen sind zwar nur ein Meilenstein im Verlauf der Finanzkrise, wie die Abbildung 6 veranschaulicht. Jedoch sind sie von entscheidender Bedeutung für das gesamte Bankensystem und somit für die weltweite Finanzmarktstabilität.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6 Vereinfachte Chronologie der Subprime-Krise

Quelle: Eigene Darstellung

2.3 Folgen und Lehren aus der Krise

Die Stabilität der Finanzmärkte fußt auf dem Vertrauen und den Erwartungen der Akteure. Unter Finanzmarktstabilität kann - technisch gesprochen - die stetige Entwicklung der Assetpreise an den Kapitalmärkten verstanden werden. Marktpreise bringen Angebot und Nachfrage auf Vermögensmärkten kurzfristig ohne abrupte Schwankungen zum Aus- gleich. Preisstetigkeit und Stabilität schließt mittelfristige Preisdynamiken und -korrekturen jedoch nicht aus. Die Fähigkeit der Finanzmärkte, jederzeit die Kreditversorgung der Fi- nanzinstitute und damit der Realwirtschaft zu gewährleisten, ist ein Merkmal für die Stabi- lität der Finanzmärkte.50

Mit dem Wachstum, der Globalisierung und der zunehmenden Liberalisierung der Finanzmärkte seit Ende der 1970er Jahre ist auch eine ansteigende Anfälligkeit für Ungleichgewichte und Finanzkrisen verbunden. Das Finanzsystem ist labiler als in früheren Zeiten, weil Krisen nicht mehr nur regional beschränkt sind.51

[...]


1 Vgl. Fehr, Benedikt (2008a): o. S.

2 Vgl. Cerveny, Frank (2007): S. 14.

3 Vgl. Renner, Matthias / Bechthold, Hartmut (2007): S. 3.

4 Kroszner, Randall S. (2003): zitiert nach Hunter, William u. a. (2003): S. 3 f.

5 Kindleberger, Charles P. (1987): zitiert nach Eatwell, John u. a. (1987): S. 281 f.

6 Vgl. Belke, Ansgar / Wiedmann, Marcel (2005): S. 7 f.

7 Vgl. Klein, Dietmar K. R. (2008): S. 36.

8 Vgl. Belke, Ansgar / Wiedmann, Marcel (2005): S. 10 f.

9 Vgl. Klein, Dietmar K. R. (2008): S. 35.

10 Vgl. Cerveny, Frank (2007): S. 14.

11 Vgl. Hagedorn, Dittmar (2007): S. 21.

12 Vgl. Klein, Dietmar K. R. (2008): S. 36.

13 Vgl. Klein, Dietmar K. R. (2008): S. 36.

14 Vgl. Fehr, Benedikt (2008c): o. S.

15 Vgl. Fehr, Benedikt (2008c): o. S.

16 Vgl. Klein, Dietmar K. R. (2008): S. 36.

17 Vgl. Klein, Dietmar K. R. (2008): S. 35.

18 Vgl. Patterson, Scott u. a. (2007): o. S.

19 Vgl. Klein, Dietmar K. R. (2008): S. 36.

20 Vgl. Klein, Dietmar K. R. (2008): S. 36.

21 Vgl. Fehr, Benedikt (2008b): o. S.

22 Vgl. Fehr, Benedikt (2008b): o. S.

23 Vgl. Fehr, Benedikt (2008b): o. S.

24 Vgl. Schäfer, Daniel (2008): o. S.

25 Vgl. Fehr, Benedikt (2008b): o. S.

26 Vgl. Hagedorn, Dittmar (2007): S. 20.

27 Vgl. Schulz, Bettina (2008): o. S.

28 Vgl. Hagedorn, Dittmar (2007): S. 20.

29 Vgl. Ruhkamp, Stefan u. a. (2008): o. S.

30 Vgl. Ruhkamp, Stefan u. a. (2008): o. S.

31 Vgl. Verlagsgruppe Handelsblatt GmbH (2007): Online im Internet.

32 Vgl. Süddeutsche Zeitung GmbH: Online im Internet.

33 Vgl. Süddeutsche Zeitung GmbH: Online im Internet.

34 Vgl. Verlagsgruppe Handelsblatt GmbH: Online im Internet.

35 Vgl. Verlagsgruppe Handelsblatt GmbH (2007): Online im Internet.

36 Vgl. Bayer, Tobias (2008a): o. S.

37 Vgl. Bayer, Tobias (2008a): o. S.

38 Vgl. Fehr, Benedikt (2008d): o. S.

39 Vgl. Schäfer, Daniel (2008): o. S.

40 Vgl. Schäfer, Daniel (2008): o. S.

41 Vgl. The Institute of International Finance (2007): Online im Internet.

42 Vgl. Moore, Matt (2007): o. S.

43 Vgl. Rummell, Nicholas (2007): o. S.

44 Vgl. Schulz, Bettina (2008): o. S.

45 Vgl. Sommer, Ulf (2008): o. S.

46 Vgl. Klein, Dietmar K. R. (2008): S. 35.

47 Vgl. Fehr, Benedikt / Ruhkamp, Stefan (2008): o. S.

48 Vgl. Fehr, Benedikt / Ruhkamp, Stefan (2008): o. S.

49 Vgl. Drescher, Ralf u. a. (2008): S. 21.

50 Vgl. Rasche, Henning (2008): S. 34.

51 Vgl. Drescher, Ralf u. a. (2008): S. 24.

Fin de l'extrait de 101 pages

Résumé des informations

Titre
Chancen und Risiken von True-Sale-Transaktionen (Kreditportfolioankäufen) in Anbetracht der US-amerikanischen Immobilienkrise aus Sicht eines Pfandbriefinstitutes
Université
University of Applied Sciences Osnabrück  (Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften)
Cours
Finanzwirtschaft
Note
2,0
Auteur
Année
2008
Pages
101
N° de catalogue
V145714
ISBN (ebook)
9783640563586
ISBN (Livre)
9783640563364
Taille d'un fichier
1393 KB
Langue
allemand
Mots clés
Chancen, Risiken, True-Sale-Transaktionen, Anbetracht, US-amerikanischen, Immobilienkrise, Sicht, Pfandbriefinstitutes
Citation du texte
Michael Frei (Auteur), 2008, Chancen und Risiken von True-Sale-Transaktionen (Kreditportfolioankäufen) in Anbetracht der US-amerikanischen Immobilienkrise aus Sicht eines Pfandbriefinstitutes, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/145714

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