Die Berufsbildungspolitik der europäischen Union befindet sich seit gut zehn Jahren im Wandel. Mit dem Ziel der Angleichung der verschiedenen Bildungssysteme und Qualifikationsrahmen der Mitgliedstaaten entstand 1999 im Zuge des Bologna-Prozesses ein Paradigmenwechsel, der durch Beschäftigungsfähigkeit und lebenslanges Lernen auf nationaler und internationaler Ebene gekennzeichnet war und heute noch ist. (vgl. Le Mouillour/ Thiel 2009) An den verschiedensten Stationen wie Lissabon 2000, Stockholm 2001, Kopenhagen 2002 und Maastricht 2004 – um nur einige zu nennen – entwickelte sich ein Konzept zur Umsetzung des europäischen Qualifikationsrahmens (EQR), der für die Transparenz von Qualifikationen und Kompetenzen, die Anrechnung und Durchlässigkeit und die Anerkennung informell erworbener Kompetenzen mit besonderem Bezug zum lebenslangen Lernen einsteht. (vgl. ebd.)...
Zunächst muss ein Blick auf den Begriff der informellen Kompetenz gelegt werden, da insbesondere dieser für die weitere Darstellung eine entscheidende Rolle spielt. Peter Dehnbostel versteht darunter ein Erfahrungslernen während und durch Arbeit, das sich aus den jeweiligen Arbeits- und Handlungssituationen ergibt. Nach ihm entsteht es aus dem Prozess der „Situationsbewältigung und Problemlösung“ (Dehnbostel 2007, S.133) und unterliegt – außer im Rahmen formeller Lernorganisation – keiner professionellen pädagogischen Begleitung. (vgl. ebd.) Das Ergebnis stellt sich in dieser Lernform automatisch ein, „ohne dass es von vornherein bewusst angestrebt wird“ (ebd., S.49).
In Abgrenzung zu formalen und non-formalen Lernprozessen, bei denen das Lernen fremdorganisiert stattfindet, „das heißt Lernorte, Lernzeiten und Lerninhalte werden nicht allein durch das Individuum bestimmt“ (Annen/ Bretschneider 2009, S.189), werden „informelle Lernprozesse vom Individuum selbst bestimmt“ (ebd.), so Silvia Annen und Markus Bretschneider. Das dabei entstehende Lernen kann sich nebenbei ergeben, also unabhängig von Ziel und Absicht des Handelns auftreten, was auch als reflexives Lernen bezeichnet wird, aber auch unabhängig von institutionell organisierten Lernformen durch implizites, gezieltes und bewusstes Lernen erfolgen. (vgl. ebd., S.189 f.; Dehnbostel 2007, S.49 f.)...
Basierend auf einer umfangreichen Definition der infromellen Kompetenzen soll die Anerkennung dieser am Beispiel des Vereinigten Königreiches näher betrachtet werden.
Inhaltsverzeichnis
- EINLEITUNG
- NVQ - SYSTEM
- VERFAHREN ZUR ANERKENNUNG INFORMELL ERWORBENER KOMPETENZEN
- APL
- NVQ
- KRITIKFELDER
- ZUSAMMENFASSUNG
- LITERATURVERZEICHNIS
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Dieser Text befasst sich mit der Anerkennung informell erworbener Kompetenzen im europäischen Kontext und analysiert dabei die Verfahren im Vereinigten Königreich. Dabei liegt der Fokus auf dem Wandel in der Berufsbildungspolitik der Europäischen Union seit den 1990er Jahren, der durch den Bologna-Prozess geprägt ist und die Angleichung der Bildungssysteme und Qualifikationsrahmen der Mitgliedstaaten anstrebt. Das Vereinigte Königreich, als Vorreiter in der Anerkennung informeller Kompetenzen, wird als Beispiel für die Entwicklung und Umsetzung von Verfahren zur Dokumentation und Anerkennung informeller Kompetenzen vorgestellt.
- Die Bedeutung der informellen Kompetenz in der europäischen Berufsbildungspolitik
- Das NVQ-System im Vereinigten Königreich als Beispiel für die Anerkennung informeller Kompetenzen
- Die Rolle von APL (Accreditation of Prior Learning) bei der Validierung informeller Kompetenzen
- Die Herausforderungen und kritischen Punkte im Kontext der Anerkennung informeller Kompetenzen
- Die Bedeutung von Lebenslangem Lernen und Transparenz von Qualifikationen im europäischen Kontext
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung des Textes zeichnet den historischen Hintergrund der europäischen Berufsbildungspolitik nach und zeigt den Wandel hin zu einer stärkeren Betonung von Beschäftigungsfähigkeit und lebenslangem Lernen auf. Dabei wird das NVQ-System des Vereinigten Königreichs als Vorbild für den europäischen Qualifikationsrahmen (EQR) hervorgehoben. Die Entstehung des NVQ-Systems wird im Kontext der damaligen Bildungslandschaft des Vereinigten Königreichs erläutert, wobei die mangelnden Bildungsstandards und die unzureichenden Qualifikationen der Beschäftigten im Vordergrund stehen. Zudem werden die Bedeutung und Definition des Begriffs der informellen Kompetenz sowie die verschiedenen Lernorte und -formen im informellen Kontext beleuchtet.
Im zweiten Kapitel wird das APL-Verfahren (Accreditation of Prior Learning) als Grundlage für die Validierung non-formalen und informellen Lernens im Vereinigten Königreich vorgestellt. Das Ziel des APL-Verfahrens ist die Sichtbarmachung und Anerkennung erlernter Kompetenzen, die in der Vergangenheit erworben wurden, aber nicht formell zertifiziert sind. Die Vorteile des APL-Verfahrens werden dargestellt, wie zum Beispiel die Möglichkeit, den Hochschulzugang auch für diejenigen zu ermöglichen, die über relevantes Wissen verfügen, aber keinen formellen Abschluss besitzen. Die Portfolio-Methode wird als Instrument für die Reflexion und Dokumentation informell erworbener Kompetenzen erläutert.
Schlüsselwörter
Die zentralen Begriffe und Themen des Textes umfassen die Anerkennung informell erworbener Kompetenzen, den europäischen Qualifikationsrahmen (EQR), das NVQ-System, APL (Accreditation of Prior Learning), Lebenslanges Lernen, Berufsbildungspolitik, Kompetenzentwicklung, Qualifikationsvalidierung und Transparenz von Qualifikationen.
- Arbeit zitieren
- Michel Beger (Autor:in), 2009, Anerkennung informell erworbener Kompetenzen im europäischen Kontext, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/145747