Language Contact - Der Einfluss englischer Lehnwörter auf die chinesische Sprache


Diplomarbeit, 2009

132 Seiten, Note: 1,8


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Begründung zu Themenwahl und Aufbau der Arbeit

2. Inhaltlicher Kommentar Teil 1
2.1 Aims and Significance of this Thesis
2.2 Loanword Adaption into Chinese: A Review of Related Literature
2.3 Language Contact - A Conceptual Account

3. Übersetzungwissenschaftlicher Kommentar Teil 1
3.1 Einleitung - Theoretische Grundlagen
3.2 Der Äquivalenzbegriff in der Übersetzungswissenschaft
3.3 Texttypen - Ein übersetzungsorientiertes Modell
3.4 Funktionales Übersetzen
3.5 Analyse und Charakteristika der Ausgangstexte
3.6 Verfremden oder Einbürgern - Die (Un-)Sichtbarkeit des Übersetzers

4. Übersetzung
4.1 Das Fremdwort im Chinesischen 汉语外来词 - Shi Youwei 史有为
4.1.1 Gliederung der übersetzten Auszüge
4.1.2 Auszug 1: S. 4 - 24
4.1.3 S. 62 - 69
4.1.4 S. 78 - 79
4.2 Die Fremdwortforschung im modernen Chinesisch 现代汉语外来词研究 - Gao Mingkai 高名凯 & Liu Zhengtan 刘正琰
4.2.1 Auszug 1: S. 34 - 41

5. Übersetzungswissenschaftlicher Kommentar Teil 2
5.1 Übersetzungorientierte Terminologiearbeit
5.2 Linguistische Terminologie der Fremdwortforschung
5.3 Übersetzungsprobleme - Lexik
5.4 Glossar zur Fremdwort-Terminologie (Deutsch / Englisch / Chinesisch)

6. Inhaltlicher Kommentar Teil 2
6.1 Lexical borrowing into Chinese - A Theoretical Study
6.1.1 Lexical Borrowing and the Definition of Loanword
6.1.2 Motivation Behind Lexical Borrowing and Function of Loanwords
6.2 Lexical Borrowing - Loanword Adaption in Modern Chinese
6.2.1 Types of Loanwords
6.2.2 Classification of Loanwords in Chinese
6.2.2.1 Phonetic/Phonemic Loans
6.2.2.2 Semantic Loans
6.2.2.3 Graphic Loans
6.2.2.4 Hybrids
6.2.3 Adapting English into Chinese - Translating Loanwords
6.3 Impact of English Loanwords on Chinese - A Sociolinguistic Perspective
6.3.1 A Brief History of the Chinese Language
6.3.2 Foreign Language Influences on Chinese - A Lexical Periodization
6.3.3 English Language Influence and Linguistic Imperialism
6.4 Chinese and English
6.4.1 Linguistic Outcomes of Language Contact - Chinglish and China English
6.4.2 Status of Chinese in the International World of Tomorrow
6.5 Conclusion

Literaturverzeichnis

Anhang
1. Abbildungen
2. Ausgangstexte
2.1 史有为:《汉语外来词》. 北京:北京商务印书馆, 2000 年
2.2 高名凯/ 刘正琰 :《现代汉语外来词研究》. 北京:文字改革出版社, 1958 年

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

1.1 Begründung zu Themenwahl und Aufbau der Arbeit

Das Thema der vorliegenden Diplomarbeit wurde angeregt durch mehrere Faktoren. Im Sommersemester 2008 besuchte ich an der Universität Bonn zum einen ein Seminar des Anglistischen Instituts unter der Leitung von Herrn Professor Dr. Schneider mit dem Titel Applied Linguistics and Translation Studies und zum anderen ein Seminar unter der Leitung von Herrn Professor Dr. Kubin im Sinologischen Institut mit dem Titel Modernes Chinesisch: Die Schule der posthermetischen Dichter. Beide Seminare führten mir vor Augen, unter welch schwierigen Bedingungen Übersetzer arbeiten, aber gleichzeitig weckten sie mein Interesse an der Fremdwortforschung und Terminologiearbeit. Darüber hinaus war mir besonders während meines Auslandsaufenthalts in Taiwan bereits aufgefallen, wie viele Anglizismen sich auch in der chinesischen Sprache verbreitet haben, und ich wollte mehr und Genaueres in Erfahrung bringen darüber, wie diese Fremd- und Lehnwörter auf eine Sprache wirken. Daher entschloss ich mich, eine Diplomarbeit zu schreiben, die alle vier Komponenten meines Studiums an der Universität miteinander kombiniert: die Sprachen Chinesisch und Englisch, das Fach Sinologie und den Bereich der Übersetzungswissenschaften. Ziel der Arbeit war es, den Einfluss der englischen Sprache auf die chinesische Sprache zu untersuchen und zwar ausgehend von beiden Perspektiven, der westlich orientierten Fremdwortforschung und der chinesischen Fremdwortforschung.

Damit es während der Lektüre der vorliegenden Diplomarbeit zu keinerlei Missverständnissen kommt, seien einige erklärende Worte vorausgeschickt. Gleich zu Beginn der Recherchearbeiten für das von mir gewählte Thema habe ich mich dazu entschieden, den inhaltlichen Kommentar dieser Arbeit auf Englisch zu verfassen. Dies hat mehrere Gründe: Einerseits möchte ich die Ergebnisse des inhaltlichen Kommentars als mögliche Basis für ein Forschungsvorhaben in einem weiterführenden Studiengang verwenden und mich in diesem Zusammenhang vorwiegend im Ausland um einen solchen Studienplatz bewerben. Andererseits ist Englisch die gegenwärtig am häufigsten verwendete Sprache in wissenschaftlichen Publikationen. Darüber hinaus war das Englische - wie bereits erwähnt - als von mir gewählte Zweitsprache auch Teil meines Studiums an der Universität Bonn.

Im Bereich der Fremdwortforschung lässt sich keine einheitliche Terminologie ausmachen, daher habe ich mich im Rahmen dieser dreisprachigen Arbeit dazu entschlossen, den sonst üblichen Aufbau (Übersetzung, sprachbezogener und inhaltlicher Kommentar) zu modifizieren und den übersetzungswissenschaftlichen wie auch den inhaltlichen Kommentar zu teilen und einen Teil des jeweiligen Kommentars der Übersetzung voranzustellen. Diese Art der Modifikation soll für das spätere Verständnis wichtige Grundinformationen liefern, die in den jeweils zweiten Teilen der Kommentare vertieft und mit Beispielen veranschaulicht werden.

Dank gilt an dieser Stelle meinen Prüfern Herrn Professor Dr. Kubin und Herrn Dr. Zimmer, die mir bei Fragen zur Seite standen und sich darüber hinaus dazu bereit erklärt haben, meine Diplomarbeit auch mit einem auf Englisch verfassten inhaltlichen Kommentar entgegenzunehmen. Ebenso danke ich Herrn Professor Dr. Genenz, der mir Titel und Sprachwahl genehmigte, Herrn Dr. Faulhaber für die Hilfe bei der Literaturforschung und Frau Huang für die Hilfe bezüglich der Formalia meiner Arbeit. Weiterhin bedanke ich mich bei Herrn Sebastian Vötter vom Goethe-Institut Peking und Herrn Yao von der Chinese Language Society of Hong Kong, die mir freundlicherweise per E-Mail Fragen zu Literatur und Methodik beantwortet haben.

Dank gilt auch allen, die bei der Korrektur der Arbeit geholfen haben: Annelie Menke Lentz, Ingrid Menke-Höglund, Yang Yaoqing, Nina Zhang und Zhou Dandan. Abschließend möchte ich mich noch ausdrücklich bei Frau Stemmer bedanken, die den Studenten des SOS jederzeit mit Rat und Tat zur Seite steht.

2. Inhaltlicher Kommentar Teil 1

Abstract

“The Babel fish is small, yellow and leech-like, and probably the oddest thing in the Universe. It feeds on brainwave energy received not from its own carrier but from those around it. It absorbs all unconscious mental frequencies from this brainwave energy to nourish itself with. The practical upshot of this is that if you stick a Babel fish in your ear you can instantly understand anything said to you in any language. […] Meanwhile, the poor Babel fish, by effectively removing all barriers to communication between different races and cultures, has caused more and bloodier wars than anything else in the history of creation.”1 - Douglas Adams' “ Hitch-Hikers Guide to the Galaxy ”

Languages have always changed and evolved over the course of time. This somewhat organic process of change can neither be stopped, nor controlled. It is also a process that is quite difficult to monitor because it happens very subtle and on many different levels. One of the levels where it is possible to monitor and study language change is the phenomenon of lexical borrowing. Lexical borrowing is an inevitable result of language contact, because people will always utilize whatever communication tools they have to achieve mutual understanding and exchange. From this exchange new ideas and concepts may result that can enrich and sometimes change languages.

The present thesis aims at giving a comparatively thorough analysis of lexical borrowing between two of the most widely spoken languages with worldwide distribution: International English and Standard (or Mandarin) Chinese. It therefore analyses different aspects of lexical borrowing between English and Chinese, including a historical survey of foreign language influences on Chinese, different channels of borrowing, loanword classification, adaptation methods for lexical borrowing and the cultural and linguistic impacts of the English language.

2.1 Aims and Significance of this Thesis

From the estimated 5000-6000 different languages that are spoken in the world today there are about 1,200,000,000 people who speak Chinese (that is Standard Mandarin Chinese or one of the Chinese sublanguages) and about 340,000,000 people who speak English as their native language.2 These two languages alone are spoken by almost a quarter of the world´s population as their respective native language, and this estimated figure does not include individuals who speak either of the two languages as a second language.

Even though Chinese and English are not neighboring speaker groups, there is a brisk exchange of language, culture and ideas. Given todays rapid development of the world there is no need for a particular geographical locality or situation for languages to be in contact because there are more and more opportunities for countries and their people to communicate with each other. Intercultural communication is becoming one of the issues as we go forward. In this process of intercultural communication, the borrowing of words from one language by another is an inevitable result of communication. Both Chinese and English possess a large stock of loanwords in almost every realm of social life. In the fields of politics, international relations, science, global economy, technology and entertainment English has become the world´s dominant and most frequently used language. With the use of English as the current international “lingua franca“3 (cf. Ostler 2005, Deutscher 2005, Thomason 2001), not only the language itself but also cultural concepts are being exported from native English- speaking countries. In order to express these concepts, words are borrowed from English into other languages. As discussed in this thesis, the study of English loanwords in Chinese is closely related to the study of translation strategies, theories of intercultural communication, language change and sociolinguistics. This thesis therefore has both theoretical and practical value in that it offers insights regarding the influence English loanwords have on Chinese language and culture.

2.2 Loanword Adaption into Chinese: A Review of Related Literature

In the literature on loanwords in Chinese there are two distinct trends that have emerged among scholars: The “narrow approach” and the “broad approach”. The narrow approach in studying loanwords is concerned with phonetically adapted lexical items, while excluding semantically adapted items, which are seen as new lexical items in the language resulting from influence by items from another language. The broad approach argues from a wider perspective and involves the addition of non-linguistic methods, such as sociological, intercultural communication and translation methods. These methods consider that lexical items reflect their foreign origin and assume similarities in denotation, not necessarily including phonological similarities in one specific lexical item. In contrast to a narrow approach - limited to phonetic adaptations - this thesis adopts a broad approach and suggests that any lexical item reflecting foreign origin should be considered in order to measure the nature and extent of cultural impact.

Chinese is noted to be very resistant to lexical borrowing from other languages (e.g. Chen 1999: 99-106, Lippert 2001: 58, Norman 1988: 16-22) and especially for its disfavor against loan adaptation through phonemic/phonetic transliteration. This resistance is due to the major differences in the writing systems of Chinese and Indo- European languages (cf. Masini 1993). But works such as those of Cheng (1985) also emphasize the importance of national or social attitudes towards loan integration, as contributing to the intolerance towards foreign borrowings. In the study of loanwords this is of major interest, because these loanwords may change social or cultural aspects of one specific nation.

Most of the first works on English borrowings were written by foreigners who lived in China, such as Even Morgan´s Chinese New Terms & Expressions (1913), Chinese New Terms (1926) and Chinese New Terms (revised and enlarged, 1932), and Ada Haven Mateer´s New Terms for New Ideas (1924)4. The Chinese language and its writing system was seen by them as an obstacles to the integration of foreign words expressing modern ideas and concepts. For a long time foreign scholars played an important role but the Chinese soon took full responsibility of terminologies in lexical borrowing. One of the earliest dictionaries on the topic of loanwords was by Chinese scholar 胡行之 Hu Xingzhi, 外来语词典 (engl. Dictionary on Foreign Words), in 1936. Especially after the foundation of the People´s Republic of China in 1949 Chinese scholars started to pay more attention to the occurrence of loanwords (cf. Masini 1993: 155). The first systematic research on lexical importation in terms of historical, etymological and sociolinguistic aspects by 高名凯 Gao Mingkai and 刘正琰 Zhengtan Liu, 现代汉语外来词研究 (engl. Foreign Loans in Modern Chinese), was published in 1958 and the 汉语外来词词典 (engl. Dictionary of Loanwords in Chinese) by 高名凯 Gao Mingkai, 刘正琰 Zhengtan Liu, 麦永乾 Yongqian Mai and 史有为 Youwei Shi was published in 1984. In their analysis from 1958 Gao and Liu proposed a first typology of borrowing, giving priority to the formal relations between the source word and the new Chinese word: 音译词 (engl. phonetic loan), 意译词 (engl. translation of the meaning), 翻译词 (engl. transposition of the pattern), 混血词 (engl. hybrid words).

Modern scholars in the field of linguistics and the research on contemporary loans in Chinese are mainly concerned with sociolinguistic aspects of adapting English into Chinese (Shi 2003). Exceptions here are for example the works of Italian scholar Frederico Masini (1993), The Formation of Modern Chinese Lexicon and its Evolution towards a National Language: The Period from 1840 to 1898, and the anthology edited by Lackner, Amelung and Kurtz (2001), New Terms for New Ideas: Western Knowledge and Lexical Change in Late Imperial China. Both works focus on linguistic exchanges between China and Western nations from the late 19th to the early 20th century. Also significant is the study by Zdenka Hermanová-Novotná published in 1967 under the title Linguistic Factors of the Low Adaptability of Loanwords to the Lexical System of Modern Chinese5.

Even though the study of loanwords has now become an important field within Chinese linguistics (Shi 2000, Yang 2007, Lu 2008) and Chinese lexicography, it still has not reached the significance the field has in Western linguistics.

2.3 Language Contact - A Conceptual Account

“In the simplest definition, language contact is the use of more than one language in the same place at the same time” (Thomason 2001: 1).

Language contact refers to the interaction between two languages and the effects over time of such interaction on the basic linguistic structures (phonology, morphology, syntax, and semantics) of each language. There are only a few societies that are isolated from others, and even fewer languages that are totally isolated from others (cf. Sapir: 1921, Thomason 2001: 8). And in some cases contact-induced or externally-induced changes do not even require actual social contact. Lexical borrowing for example can also arise through corpus-based studies of L2 (second language) scholars, especially those who pass on new vocabulary to L2 learners such as teachers, lexicographers etc. There are various kinds of cultural contacts and different periods of time in which they occur, which have a large variety of linguistic outcomes. Some result in the only slight borrowing of lexical items, of vocabulary, while others result in the creation of new languages. The term “language contact” itself is a shortened abstraction, always referring to contact situations between speakers of different lects (i.e. dialects, sociolects, idiolects etc.). This means that we always have a L1 (first language) speaker and a L2 speaker in contact situations. With this restriction we can differ between three types of language interference (Haugen 1950: 212, Wiemer 2006):

1. L1 x L2 > L2'

In this first type the structure of L2 has changed due to the L1 influence

2. L1 x L2 > L1'

In the second type the structure of L1 has changed due to the L2 influence

3. L1 x L2 > L1'xL2' (or L3)

In the third type a mixed L3 type has arisen through the fusion of the two L1 and L2 source languages. This third type is, opposed to code-switching, substrata, or lexical borrowing, quite rare and only occurs under extreme conditions. Examples for this third type are Pidings, Creoles and other mixed languages (cf. Thomason 2001: 157 - 222). It therefore can be deducted that the interaction between members of different language communities result in varying degrees of change in one or the other of the languages involved. As an essential reflection of language contact, the borrowing of new words and expressions is not only an important method of metabolizing vocabulary, but also an important approach to the creation and evolution of language and culture. Words and expressions borrowed from one language by another instill freshness and innovation by enriching an existing language system. To a large degree, words from a source language (henceforward SL) enliven the interaction and exchange with a target language (henceforward TL) by building a bridge between the SL and TL culture and language.

3. Übersetzungwissenschaftlicher Kommentar Teil 1

3.1 Einleitung - Theoretische Grundlagen

Zur Festlegung von Zielsetzung und Adressatenkreis der vorliegenden Übersetzung müssen zunächst Umfeld und Funktion der Ausgangstexte sowie einige theoretische Grundlagen der Übersetzungswissenschaft analysiert und definiert werden.

Betrachtet man die Übersetzungswissenschaft ausgehend von der Definition des Begriffs „Übersetzen“, so erkennt man, wie sich diese noch recht junge Wissenschaft im Verlauf der Jahre verändert hat. Beispielsweise findet man im Brockhaus von 1974: „Übersetzung, die Übertragung von Gesprochenem oder Geschriebenem aus einer Sprache (Ausgangssprache) in eine andere (durch einen Übersetzer oder Dolmetscher)“ (Stolze 2001: 13).

Im 1994 erschienen Brockhaus hieß es dann bereits:

„1. Computerlinguistik: das Übersetzen eines größeren gesprochenen oder geschriebenen Sprachkomplexes aus einer natürl. Sprache (Quellsprache) in eine andere (Zielsprache) mit Hilfe eines Computers. Man unterscheidet dabei grundsätzlich zw. (voll-)automat. maschineller Ü. und maschinen- oder computerunterstützter Ü- (…)
2. Philologie: schriftl. Form der Vermittlung eines Textes durch Wiedergabe in einer anderen Sprache unter Berücksichtigung bestimmter Äquivalenzforderungen. Zu differenzieren sind einerseits die interlinguale (Ü. von einer Sprache in eine andere), die intersemiot. (Ü. von einem Zeichensystem in ein anderes, z.B. vom Text ins Bild) und die intralinguale Ü. (Ü. von einer Sprachstufe in eine andere, z.B. vom Althochdeutschen ins Neuhochdeutsche, vom Dialekt in die Standard- oder Hochsprache), andererseits umfaßt der Oberbegriff die unterschiedlichsten Typen von Ü., z.B. Glossen, Interlinearversion, Übertragung (Bearbeitung), Nachdichtung (Adaption) oder auch Neuvertextung (z.B. Filmsynchronisation) (...)“ (Stolze 2001: 14). Im Folgenden soll der Grund für diesen Wandel der Definitionen genauer untersucht werden.

Übersetzen, „zweitältestes Gewerbe der Welt“ (Snell-Hornby 1994:43), vereint als eigenständige Wissenschaft eine Reihe von verschiedenen Disziplinen, darunter Linguistik, Sprachwissenschaft, Literaturwissenschaft und Geschichte, aber auch Disziplinen wie Anthropologie, Psychologie und Wirtschaft. Durch diesen interdisziplinären Charakter der Übersetzungswissenschaft sind eine Vielzahl verschiedener Theorien zur Problematik des Übersetzens und seiner Methoden und Vorgänge entstanden. Jedoch ist auch ein gemeinsames Interesse mehrerer Disziplinen an einem bestimmten Themenbereich keine Garantie dafür, dass die Diskussion und die Ergebnisse über diesen Bereich hinaus auch für andere gültig sind. In der westlichen Geschichte der Translation fallen theoretische Äußerungen generell in die bereits definierten Bereiche von Sprache und Kultur, wozu insbesondere die Literaturwissenschaft und Literaturkritik, aber auch Rhetorik, Grammatik und Philosophie zählen. Wichtige Persönlichkeiten in der Geschichte der Translation sind unter anderem der griechische Geschichtsschreiber Hieronymos (ca. 360 - 272 v. Chr.), der römische Politiker und Philosoph Cicero (106 - 43 v. Chr.), der römische Dichter Horaz (65 - 8 v. Chr.), der deutsche Theologe und Bibelübersetzer Martin Luther (1483 1546), der deutsche Dichter Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832) und der deutsche Theologe und Philosoph Friedrich Schleiermacher (1768 - 1834).6

Obwohl das Übersetzen eine sehr lange Tradition in der Geschichte der Menschheit einnimmt, wurde erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts damit begonnen, es als wissenschaftliche Disziplin anzuerkennen und zu erforschen; bis dahin wurde Übersetzen meist als Teil des Erlernens von Sprachen betrachtet. Das 20. Jahrhundert jedoch hat die Übersetzungswissenschaft um vieles bereichert, da man unter Übersetzungswissenschaft nun nicht mehr nur die Diskussion über Literatur, Linguistik und Philosophie fasste, sondern auch Kulturwissenschaft, Anthropologie und vor allem auch eine umfassende Diskussion über die Art der Ausbildung von Übersetzern und Dolmetschern hinzufügte. Gegenstand der heutigen Übersetzungswissenschaft ist demnach auf der einen Seite der Übersetzungsprozess und zum anderen das Produkt der Übersetzung (Kautz 2002: S.30). Diese neue Betrachtungsweise und wissenschaftliche Disziplin lässt sich in zwei Teilbereiche unterscheiden: den linguistischen und eher systematischen Analyseansatz der 50er- und 60er-Jahre (Vinay und Darbelnet, Nida) und den eher funktionsorientierten und kulturorientierten Analyseansatz der 70er- und 80er-Jahre (Reiß, Koller etc.). Der Begriff „Wissenschaft“ wurde im Zusammenhang mit Übersetzung zum ersten Mal in Nidas 1964 erschienenem Werk Toward a Science of Translating verwendet und bald darauf auch von der deutschen Übersetzungsschule übernommen, darunter vor allem von Wolfram Wilss, Werner Koller und Otto Kade. Von der Betrachtungsweise der 70er- Jahre, in denen Übersetzung als Umkodierung oder Substitution galt, in deren Prozess Elemente a1, a2, a3 etc. des Sprachzeicheninventars einer Sprache L1 durch Elemente b1, b2, b3 etc. des Sprachzeicheninventars einer Sprache L2 ersetzt werden (Koller 1972: 69), ging man in den 80er- und 90er-Jahren über zu einer Betrachtung der Übersetzung als transkulturelle Handlung. Eine Betrachtungsweise, in der eine Übersetzung nicht mehr als „heiliges Orignal“ (Snell-Hornby 1994: 45) betrachtet wird, sondern die Funktion des Zieltextes im Vordergrund steht. In den 90er-Jahren hat sich die Übersetzungswissenschaft völlig als eigenständige Wissenschaft etabliert mit dem Ziel, Übersetzungs - und Problemlösungsstrategien für die Übersetzungstätigkeit zu finden.

3.2 Der Äquivalenzbegriff in der Übersetzungswissenschaft

Nidas Ausrichtung zum Übersetzen als Wissenschaft hatte großen Einfluss auf die Übersetzungswissenschaft in Deutschland. Neben Wolfram Wills und den Übersetzungswissenschaftlern der Leipziger Schule, darunter Otto Kade und Albert Neuber, war es vor allem Werner Koller mit seinem Werk Einführung in dieübersetzungswissenschaft, der einen der wichtigsten Beiträge zur Analyse der Relation zwischen Ä quivalenz und Korrespondenz (Koller 1979: 176-191) bei Übersetzungen lieferte. Eine Übersetzung im eigentlichen Sinn liegt laut Koller nur dann vor, wenn Ausgangstext und Zieltext in einer besonderen Beziehung zueinander stehen, in einer „Äquivalenzrelation“ (Koller 1979: 176 ff.). Davon ausgehend macht Koller eine Unterscheidung zwischen dem übersetzungswissenschaftlichen Begriff „Äquivalenz“ und dem kontrastiv linguistischen Begriff „Korrespondenz“ geltend.

Korrespondenz als Teil der kontrastiven Linguistik, bei der Gemeinsamkeiten und Unterschiede zweier verschiedener Sprachsysteme kontrastiv miteinander verglichen werden, beschreibt die „formalen Ähnlichkeiten“ bei korrespondierenden Strukturen und Sätzen (Koller 1979: 183 f.) . Ä quivalenz hingegen als Teil der Übersetzungswissenschaft beschreibt einander äquivalente Elemente in bestimmten Ausgangstext/Zieltext-Paaren und -Kontexten:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Parameter dieser Untersuchung entstammen Saussures Cours de linguistique générale (1916), der zwischen langue und parole, d.h. zwischen einem sprachlichen System und dem Sprechakt, unterscheidet.

Der Schluss, den Koller aus seiner Analyse von Korrespondenz und Äquivalenz zieht, ist, dass während Wissen über Korrespondenz ein deutliches Anzeichen für fremdsprachliche Kompetenz ist, Wissen und Umgangsgeschick mit Äquivalenz die Anzeichen für übersetzerische Kompetenz sind (Koller 1979: 185). Um die Frage nach den genauen Bezugsrahmen dieser Äquivalenz zu beantworten, beschreibt Koller folgende unterschiedliche Äquivalenztypen7:

1. Denotative Äquivalenz - bezieht sich auf die Äquivalenz, die sich am außersprachlichen Sachverhalt, d.h. an einer Invarianz auf der Inhaltsebene orientiert
2. Konnotative Äquivalenz - bezieht sich auf die Äquivalenz, die sich an der Art der Verbalisierung orientiert. Darunter fasst Koller insbesondere lexikalische Unterschiede zwischen verschiedenen Stilschichten, d.h. Soziolekten, geographischen Dimensionen, Frequenz etc.
3. Textnormative Äquivalenz - bezieht sich auf die Äquivalenz, die sich an Texttypen und textgattungsspezifischen Merkmalen orientiert (Diese Art der Orientierung ist vergleichbar mit der Vorgehensweise von Übersetzungswissenschaftlerin Katharina Reiß.)
4. Pragmatische Äquivalenz - bezieht sich auf die Äquivalenz, die sich am Empfänger orientiert, daher auch kommunikative Äquivalenz genannt
5. Formale Äquivalenz - bezieht sich auf die Äquivalenz, die sich an formal ästhetischen oder individualistischen Eigenschaften des Ausgangstextes orientiert

Diese Art der Herangehensweise begründet Koller mit der Forderung, einen Ausgangstext in einem Zieltext mit seinen Besonderheiten adäquat abzubilden, wobei diese fünf Bezugsrahmen dem Übersetzer helfen sollen der Forderung, „[...] die Qualität(en) X des AS-Textes muß (müssen) gewahrt werden“ (Koller 1979: 187), nachzukommen. Die Festlegung einer Reihenfolge dieser Äquivalenzen geschieht mit Hilfe einer ausführlichen Ausgangstextanalyse (Koller 1979: 191 u. 211 ff.), die vor dem eigentlichen Übersetzungsprozess durchgeführt werden soll. Es wird also eine Hierarchie (Koller 1979: 191) von „in der Übersetzung zu erhaltenden Werten“ aufgestellt, da der Übersetzer im Zieltext nur schwer alle textimmanenten Werte erhalten kann und er sich entscheiden muss, welche Elemente essentiell und welche zweit- oder drittrangig zu berücksichtigen sind. In der Übersetzungswissenschaft sind diese Forderungen Kollers oft in Kritik geraten, da andere Übersetzungswissenschaftler (darunter auch Christiane Nord) der Meinung sind, dass sie in der Praxis kaum miteinander vereinbar seien.

3.3 Texttypen - Ein übersetzungsorientiertes Modell

Eine den Forderungen Kollers entsprechende Ausgangstextanalyse ist zudem eng verknüpft mit der Analyse des vorliegenden Texttyps, für die Katharina Reiß ein entsprechendes Modell lieferte. Die von ihr entwickelte und übersetzungsorientierte Texttypologie ordnet Texttypen in Anlehnung an das von Karl Bühler vorgelegte Organon-Modell entsprechend ihrer Sprachzeichenfunktionen an (Stolze 2001: 121), d.h. nach Bezeichnung, Ausdruck und Appell. Davon ausgehend vertritt Reiß den Standpunkt, dass dem Texttyp entsprechend die Methode der Übersetzung zu wählen sei und entwickelt folgendes Schema (Stolze 2001: 123):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Diesen Grundsätzen gemäß soll im folgenden Kapitel 3.4 zunächst der Texttyp der für diese Diplomarbeit zu übersetzenden Ausgangstexte geklärt werden, um vor dem eigentlichen Übersetzungsprozess eine bestimmte Übersetzungsstrategie formulieren zu können. Im später folgenden zweiten Abschnitt des übersetzungswissenschaftlichen Kommentars (Kapitel 5) wird anhand von Beispielen auf besondere Eigenheiten der AT (syntaktischer, grammatikalischer und lexikalischer Art) eingegangen, die aus dem Texttyp hervorgehen. Insbesondere die Problematik bei der Übertragung von terminologischen Begriffen und die Frage nach der Wahl der passenden Übersetzungsmethode sind hier von großem Interesse. Anhand von Beispielen sollen die Vor- und Nachteile der jeweiligen Übersetzungsmethode für die vorliegenden AT aufgezeigt werden. Der letzte Abschnitt des ersten Teils des übersetzungswissenschaftlichen Kommentars vergleicht dann die auch in der heutigen chinesischen Übersetzungswissenschaft viel diskutierten Übersetzungsmethoden „Verfremden“ oder „Einbürgern“.

3.4 Funktionales Übersetzen

Neben den oben aufgeführten Modellen, in denen Übersetzen als Ersetzen von ausgangssprachlichen Wörtern durch zielsprachliche Äquivalente betrachtet wird, gibt es sogenannte Handlungsmodelle, bzw. die funktionale Translation (Stolze 2001: 197 ff.). Die funktionale Translation macht das Übersetzen selbst zu einer kommunikativen Handlung zwischen einander verschiedenen Kulturgemeinschaften und berücksichtigt neben sprachlichen Strukturen insbesondere handlungstheoretische und kulturelle Aspekte. Hier ist neben dem Modell der interkulturellen Kommunikation von Reiß und Vermeer (Stolze 2001: 197-201) vor allem Christiane Nord mit ihrem funktionalen Übersetzungsmodell zu nennen: „Translation ist die Produktion eines funktionsgerechten Zieltextes in einer je nach der angestrebten oder geforderten Funktion des Zieltextes (Translatskopos) unterschiedlich spezifizierten Anbindung an einen vorhandenen Ausgangstext. Durch die Translation wird eine kommunikative Handlung möglich, die ohne sie aufgrund vorhandener Sprach- und Kulturbarrieren nicht zustande gekommen wäre“ (Nord 1991: 31). Die früher üblichen sprachlichen und textuellen Übersetzungsmodelle zeigten stets nur in eine Richtung, d.h. der Übersetzer hat einen Ausgangstext, aus dem er einen Zieltext produziert. Das von Christiane Nord vorgestellte Modell, das Zirkelschema (Stolze 2001: 211), bildet nun einen Kreis8:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1 - Zirkelschema

Beginnend mit der Interpretation des Übersetzungsauftrages bewegt sich der Übersetzer kreisförmig weiter zur Analyse des AT, zum Entwurf der Übersetzungsstrategie und zur Produktion des ZT. Alle Elemente dieses Übersetzungsprozesses stehen durch rekursive Schleifen (Vergleich, Entscheidung, Umsetzung, Qualitätssicherung) miteinander in Verbindung, wodurch ein ständiger Abgleich gesichert wird. Durch diesen ständigen Abgleich wird die „Loyalität“ des Übersetzers gegenüber dem ZT-Empfänger wie auch seine „Loyalität“ gegenüber dem Ausgangsautor gesichert. Dies ist ganz im Sinne einer funktionsgerechten Übersetzung, die die Intention des Ausgangsautors nicht verfälschen darf (Stolze 2001: 209). Besonders hilfreich für Übersetzer bei der übersetzungsrelevanten Textanalyse sind die von Nord (1991: 44 ff.) formulierten „W-Fragen“, orientiert an der Laswell-Formel („ Wer sagt was mit welchen Mitteln zu wem mit welcher Wirkungsabsicht?“), die sich zum einen an textexternen und zum anderen an textinternen Kriterien orientieren:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Nord formuliert daher: „Der Translator ist demnach bilateral gebunden: an den Ausgangstext und an die Ziel(text)situation, und er trägt Verantwortung sowohl gegenüber dem AT-Sender (oder dem Inititator, sofern dieser Senderfunktion übernimmt) als auch gegenüber dem Zieltextempfänger. Diese Verantwortung bezeichne ich als „Loyalität“ - „Loyalität“ ist eine ethische Qualität im Zusammenleben von Menschen; die „Treue“ einer Übersetzung bezeichnet ein Abbildungsverhältnis zwischen Texten“ (Nord 1991: 342).

3.5 Analyse und Charakteristika der Ausgangstexte

Bei den vorliegenden Ausgangstexten handelt es sich um Auszüge aus zwei bedeutenden Werken der chinesischen Fremdwortforschung, zum einen um das im Jahr 2000 erschienene Werk von Shi Youwei 史有为 mit dem Titel 汉语外来词 (dt. Das Fremdwort im Chinesischen) und zum anderen um das im Jahr 1958 erschienene Werk von Gao Mingkai 高名凯 und Liu Zhengtan 刘正琰 mit dem Titel 现代汉语外来词研 究 (dt. Die Fremdwortforschung im modernen Chinesisch), welches eines der grundlegenden Werke der chinesischen Fremdwortforschung ist. Anhand der von Christiane Nord entwickelten und im vorangegangenen Kapitel vorgestellten W-Fragen soll nun der Übersetzungstext von Shi Youwei als Beispiel einer übersetzungsrelevanten Textanalyse unterzogen werden, wobei in den Klammern auf die jeweilige W-Frage Rückbezug genommen wird.

Shi Yowei 史有为 (Wer?), geboren 1937, ist ein chinesischer Linguist, der lange an der japanischen Meikai Universität als Mitarbeiter des chinesischen Sprach- und Kulturinstituts tätig war. Sein Werk (Welches Medium?), 汉 语 外 来 词 - Das Fremdwort im Chinesischen (der primäre Ausgangstext der vorliegenden Übersetzung), erschien im Jahre 2000 (Wann?) in Peking (Wo?). In seinem Werk befasst sich Shi Youwei eingehend mit der Fremdwortforschung in China, d.h. mit Herkunft, Art und Einfluss von fremdsprachlichen lexikalischen Einheiten in der chinesischen Sprache (Wozu?). Dabei richtet er seinen Text eindeutig an einen fachwissenschaftlich vorgebildeten Adressatenkreis, insbesondere natürlich an Linguisten (Wem?), um diese an seinen Studien des Fachgebietes teilhaben zu lassen und damit auch weitere Diskussionen anzuregen (Warum?).

Beide vorliegenden Quellen haben insbesondere durch die systematische Analyse der Fremdwortforschung und das Aufstellen einer Fremdworttypologie Ansehen gewonnen. Shi Youwei baut dabei seine Typologie auf den Erkenntnissen von Gao und Liu aber auch auf den Erkenntnissen anderer wichtiger chinesischer Linguisten (z.B. Wang Li 王力) auf. Zusätzlich dazu stützt sich Shi stark auf die typologischen Begriffe der Fremdwortforschung im Englischen, ganz im Gegensatz zu Gao und Liu, die eine eigene Typologie entwickelt haben. Gao und Liu setzen dabei Prioritäten bei der Analyse der formellen Beziehungen zwischen Quell- und Zielwort. Die von Shi vorgestellte Typologie ist weitaus detaillierter, zugleich aber auch sehr viel stärker von westlichen Analyseansätzen geprägt. Ohne Zweifel handelt es sich bei beiden vorliegenden AT um wissenschaftliche Texte, die sich eindeutig an Linguisten und Wissenschaftler der Fremdsprachenforschung richten. Gemäß dem von Katharina Reiß entwickelten Schema und unter Anwendung der von Nord vorgestellten AT-Anaylse kann anhand der Senderintention der AT gesagt werden, dass es sich bei den Texten um informative, wissensvermittelnde Texte handelt, d.h. um wissenschaftliche Arbeiten. Diese Wissenschaftlichkeit lässt sich zum einen aus den Titeln 汉 语 外 来 词 (dt. Das Fremdwort im Chinesischen) und 现代汉语外来词研究 (dt. Die Fremdwortforschung im modernen Chinesisch) aber besonders auch aus dem formalen Textaufbau ableiten. Wissenschaftliche Texte zeichnen sich durch Sachorientiertheit und Objektivität aus und dienen der Darstellung von Sach- oder Fachwissen. Gemäß dieser allgemeinen Qualitäten lassen sich die vorliegenden AT-Texte der Unterkategorie der linguistischen Fachtexte zuordnen. Anhand folgender Textbeispiele soll dies nun belegt werden, wobei dabei primär auf Textbeispiele aus dem Werk von Shi Yowei zurückgegriffen wird.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Allein durch die große Anzahl der im Text verwendeten Fachbegriffe wird deutlich, dass sich Shi Youwei an ein fachlich vorgebildetes Publikum wendet. Dabei setzt er Grundkenntnisse der Fremdwortforschung voraus, wie im oben aufgezeigten Beispiel deutlich wird. Da es sich bei dem vorliegenden Text um einen wissenschaftlichen Text handelt, der von einem chinesischen Linguisten verfasst worden ist, hat sich der Autor der vorliegenden Diplomarbeit dazu entschieden, die chinesischen Terminologien mit in den deutschsprachigen Zieltext einzubringen. Dies ist zum einen für die spätere Unterscheidung der Begriffe und zum anderen zur Verdeutlichung des Analyseansatzes des AT-Autors von großer Wichtigkeit.

An dieser Stelle muss für den Deutschen ZT eine Unterscheidung bei der Übersetzung des chinesischen 词 in „Wort“ und „Begriff“ getroffen werden. In der Übersetzung wurde deutlich zwischen „Wörtern“, die lediglich als vorwissenschaftliche Ausdrücke für Lexeme, Begriffe oder lexikalische Morpheme dienen, und „Begriffen“ unterschieden. Gemäß der DIN 2342 ist Begriff definiert als „Denkeinheit, die aus einer Menge von Gegenständen unter Ermittlung der diesen Gegenständen gemeinsamen Eigenschaften mittels Abstraktion gebildet wird“9, so zum Beispiel in den Überschriften zu Beginn der gewählten Textauszüge:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Darüber hinaus geht Shi Youwei allerdings nicht nur davon aus, dass die Bedeutungen fachspezifischer Begriffe dem Adressaten klar sind, sondern er setzt auch voraus, dass der Adressat mit der verwandten Literatur vertraut ist. Dies wird im folgenden Beispiel deutlich:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das Beispiel zeigt deutlich, dass sich der Autor an einen fachkundigen Adressatenkreis wendet, da ohne entsprechendes Wissen Verständnisschwierigkeiten aufkommen würden. Solche Präsuppositionen, d.h. vom Autor als bekannt vorausgesetztes Wissen, müssen vom Übersetzer richtig eingeschätzt werden. Dabei muss abgeschätzt werden, welches Wissen beim Zieltextrezipienten als vorausgesetzt angesehen werden kann und welche Informationen möglicherweise vom Übersetzer hinzugefügt werden müssen. Die Herangehensweise an ein solches übersetzerisches Problem liegt entweder im Ermessen des Übersetzers selbst oder aber wird vorher eindeutig mit dem Auftraggeber abgesprochen. Im Beispiel Nr. 3 hat sich der Übersetzer dazu entschlossen, den chinesischen Titel Cíhǎi 辞 海 explikatorisch ins Deutsche zu übersetzen, um die gegensätzliche Auffassung bestimmter Begriffsdefinitionen zwischen dem Cíhǎi 辞 海 und dem im Satz vorher angeführten Werk Gro ß e chinesische Enzyklop ä die - Sprache und Schrift (中国大百科全书.语言文字) deutlicher hervorzuheben.

Gemäß der Definition aus „Der Brockhaus von A bis Z“ (1990: 989) müssen wissenschaftliche Texte vor allem sachlich-informativen Charakter haben, denn sie sind der „[...] Inbegriff dessen, was überlieferter Bestand des Wissens einer Zeit ist, sowie v.a. der Prozeß methodisch betriebener Forschung und Lehre als Darstellung der Ergebnisse und Methoden der Forschung mit dem Ziel, fachliches Wissen zu vermitteln und zu wissenschaftlichem Denken zu erziehen“.

In Shi Yoweis Text finden sich allerdings Beispiele mit appellhaftem Charakter:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Diese sind allerdings die Ausnahme und stellen keine allzu starke Abweichung von den von Christiane Nord aufgestellten Textsortenkonventionen dar. Allerdings ist insbesondere in Beispiel 5 das zu finden, was Nord (1991: 203) definiert als „[...] gemeinsprachlicher Wortschatz mit zahlreichen ausdrucksstarken und konnotativen Adjektiven“, die als solche hier auch mit übersetzt werden, um die Klangfarbe des AT zu erhalten. Diese Erhaltung der Klangfarbe des AT ist ohne konkreten Übersetzungsauftrag ohne weiteres möglich und liegt im eigenen Ermessen des Übersetzers. Im direkten Vergleich zwischen dem ersten AT von Shi Youwei und dem zweiten AT von Gao Mingkai und Liu Zhengtan kann man erkennen wie unterschiedlich der Schreibstil der jeweiligen Zeit ist. Und nicht nur in der Klangfarbe des Textes lassen sich interessante Unterschiede erkennen. Zusätzlich dazu wurde zwei Jahre vor der Veröffentlichung des Werkes 现 代 汉 语 外 来 词 研 究 - Die Fremdwortforschung im modernen Chinesisch, 1956 also, in der noch sehr jungen Volksrepublik China eine vom Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas geplante Reform der chinesischen Schrift durchgeführt. Am AT erkennt man, dass diese Reform noch nicht überall Einzug gehalten hatte, selbst in wissenschaftlichen Arbeiten nicht. Auch der Umgang mit der Thematik war offensichtlich noch ein ganz anderer.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3.6 Verfremden oder Einbürgern - Die (Un-)Sichtbarkeit des Übersetzers

An dieser Stelle muss die Rolle des Übersetzers zwischen AT und ZT hinterfragt werden. Beispiel Nr. 6 hat deutlich gezeigt, dass dem Übersetzer oft eine besondere Rolle zugewiesen wird, da er entscheiden muss über Methodik, Stil und Sprache (Koller 1979: 51). Genauso gut hätte argumentiert werden können, dass in dem Beispiel der Begriff wǒɡuó 我 国 nicht mit „unsere Nation“, sondern mit „China“ hätte übersetzt werden müssen, um die Sachlichkeit des Werkes zu wahren.

Diese Art der Methodik wird in der heutigen Übersetzungswissenschaft in „Verfremdendes Übersetzen“ und „Einbürgerndes Übersetzen“ aufgeteilt. Die Diskussion über diese beiden Methodiken hat eine sehr lange Tradition und reicht zurück bis zu Martin Luthers Sendbrief vom Dolmetschen aus dem Jahr 1530 und Friedrich Schleiermachers Ueber die verschiedenen Methoden des Uebersetzens aus dem Jahr 181310. Je nach gewählter Methodik ist es für den Leser erkenntlich, ob es sich bei dem aus dem AT produzierten ZT um eine Übersetzung handelt oder nicht. Beide für diese Diplomarbeit übersetzten Quellen wurden - mit einigen wenigen Ausnahmen (siehe Beispiel Nr. 7) - nach der Methode des „Einbürgernden Übersetzens“ bearbeitet:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Hier wurde das Zitat des AT in chinesischer Sprache beibehalten. Einerseits, weil der Inhalt des Zitats für das Verständnis des Kontextes nicht notwendig ist und andererseits, um den im vorangegangenen Satz aufkommenden Begriff „ 译 语 ” im Zitat deutlicher kenntlich zu machen.

4. Übersetzung

4.1 Das Fremdwort im Chinesischen 汉语外来词 - Shi Youwei 史有为

4.1.1 Gliederung der übersetzten Auszüge

Auszug 1 - Seite 4 bis 24:

Kapitel 1 - Fremdwörter und äußere Einflüsse auf Sprache

11 Begriffsinhalt: Fremdwort
11.1 Abgrenzung des Begriffs „Fremdwort”
11.1.1 Definition
11.1.2 Grundlegende Ebenen
11.1.3 Fremdsprachliche Morpheme
11.2 Entstehungsweisen von Fremdwörtern
11.2.1 Typ Eins: Entlehnung
11.2.2 Typ Zwei: Substrat
11.2.3 Kommunikationstypen

12 Ein Rückblick auf die Geschichte der Fremdwort-Terminologie
12.1 Veränderungen in der Fremdwort-Terminologie
12.2 Herkunft des Begriffs wàiláiyǔ 外来语

13 Fremdwörter-Terminologiesystem
13.1 Terminologie im Englischen und die entsprechende Terminologie im Chinesischen
13.2 Bedeutungen der chinesischen Termini und deren Unterschiede

14 Der Stellenwert der ursprünglich aus dem Chinesischen stammenden japanischen Kanjis in der Chinesischen Sprache

15 Andere Fremdeinflüsse auf Sprachen
15.1 Auf Sprachen wirkende fremde Konzepte und äußere Einflüsse
15.1.1 Begriffe, die fremdsprachliche Konzepte transportieren
15.1.2 Fremdeinflüsse auf Wörter
15.2 Äußere Einflüsse, die über den Wortschatzumfang hinausgehen
15.2.1 Äußere Einflüsse auf Phonetik
15.2.2 Äußere Einflüsse auf Grammatik
15.2.3 Äußere Einflüsse auf den Gebrauch von Wörtern

Auszug 2 - Seite 62 bis 69:

25 Überblick über chinesische Fremdwörter in der neuen Zeit - Ende der Qing-Dynastie bis Anfang des 20. Jahrhunderts
25.1 Überblick
25.2 Übersetzung westlicher Werke
25.2.1 Beispiele von Fremdwörtern in den von Yan Fu 严复 übersetzten Werken
25.2.2 Fremdwörter verschiedener Herkunft

Auszug 3 - Seite 78 bis 79:

26 Überblick über Fremdwörter in der neuen und modernen Zeit - Die zweite Hälfte des
20. Jahrhunderts
26.1 Allgemeines

4.1.2 Auszug 1: S. 4 - 24

Kapitel 1 - Fremdwörter und äußere Einflüsse auf Sprache

11 Begriffsinhalt: Fremdwort
11.1 Abgrenzung des Begriffs „Fremdwort“
11.1.1 Definition

Im Chinesischen gleicht der Begriff für Fremdwort (w à il á ic í 外 来 词 ), auch Fremdsprache (wàiláiyǔ 外来语) genannt, gewissermaßen dem Begriff Lehnwort (jiècí 借词). Prinzipiell versteht man im Chinesischen unter Fremdwörtern die chinesischen Wörter, die erstens in ihrer Bedeutung von Wörtern aus einer anderen Sprache stammen und die zweitens ihre phonetische Form vollständig oder teilweise von den entsprechenden Wörtern aus anderen Sprachen übernommen haben und in verschiedenem Maße chinesisch geprägt sind. Streng genommen muss ein solches Wort über einen langen Zeitraum im Chinesischen verwendet werden, um als echtes Fremdwort gelten zu können.

Bedeutung und Aussprache des Begriffs jiāshā 袈 裟 beispielsweise gehen, obwohl chinesische Schriftzeichen verwendet werden, ganz offensichtlich aus dem Sanskrit-Begriff kasaya hervor. Noch ein Beispiel ist bīngqílín 冰淇淋. Bedeutung und Zusammensetzung gehen aus dem Englischen ice-cream hervor, wobei dies jedoch nur auf den Laut des hinteren Teils lín 淋 zutrifft, da beim vorderen Teil dem Chinesischen inhärente Morpheme zur Übersetzung verwendet werden, die den Begriff so zu einer Art Hybridwort machen. Ein weiteres Beispiel ist kǎchē 卡 车 , das nur teilweise aus einer anderen Sprache hervorgeht. Bedeutung und Aussprache von 卡 entstammen in der Form dem Englischen Wort car, wohingegen chē 车 ein traditionelles chinesisches Wort für Wagen ist, ein semantischer Marker, der das Wort von Chinesen leichter akzeptieren lässt.

Die oben genannten Beispiele werden bereits seit relativ langer Zeit im Chinesischen verwendet, haben dort Fuß gefasst und sind fester Bestandteil des chinesischen Wortschatzes.

11.1.2 Grundlegende Ebenen

Generell wird derzeit zwischen drei grundlegenden Arten von Fremdwörtern (siehe A bis C) und einer diesen ähnlichen Art (siehe D) von Fremdwörtern unterschieden:

A. Fremdwörter im engeren Sinne, die vollständig die phonetische Form des aus der anderen Sprache entlehnten Wortes übernehmen: z.B. Wörter wie bùdīng 布 丁 (engl. pudding) oder aber auch Wörter mit einem angefügten chinesischen Morphem wie kǎchē 卡车 (engl. car).

B. Fremdwörter im weiteren Sinne, die zum einen teilweise in der Aussprache den entlehnten Wörtern entsprechen und zum anderen jedoch die entlehnten Wörter paraphrasieren, z.B. bīngqílín 冰淇淋 (engl. ice-cream) oder mótuōchē 摩托车 (engl. motorcycle).

C. Darüber hinausgehend gibt es japanische Kanji, die nach der Übernahme in das Chinesische für Fremdwörter gehalten werden können. Allerdings übernehmen diese Fremdwörter nicht die Aussprache aus dem Japanischen, sondern die Form der Schriftzeichen. Beispielsweise sh ǒ ux ù 手 续 , das in der japanischen Kun-Lesung tetsuzuki ausgesprochen wird und lǐngkōng 领 空 , das in der japanischen Kun-Lesung ryokuy ausgesprochen wird. Diese aus anderen Sprachen stammenden „chinesischen Wörter“ sind direkt entlehnte Wörter in chinesischer Schreibweise, die von anderen Nationen erschaffen oder modifiziert worden sind. Es kann angenommen werden, dass es sich um „Quasi-Fremdwörter“ handelt, da diese nämlich einzig und allein die Schreibweise übernehmen und nicht die in der Herkunftssprache übliche Aussprache. Diese Wörter sind in ihrer Aussprache gänzlich dem Chinesischen entsprechend und verwenden den chinesischen Schriftzeichen entsprechende Bedeutungen und Wortbildungsmethoden. Aus Sicht der chinesischen Sprache handelt es sich daher bei diesen Wörtern um „dem Chinesischen quasi seit langem inhärente Wörter“ (siehe auch §14).

D. Außerdem gibt es noch sogenannte Calque- oder Lehnübersetzungen, bei denen die Morpheme der entsprechenden Fremdwörter Stück für Stück paraphrasiert oder verändert werden. Diese Lehnübersetzungen erhalten allerdings nur in ihren entsprechenden Morphemen und deren Anordnung wie auch in der Wortbildung die Form, die sie in der Ursprungssprache haben, so z.B. hēibǎn 黑板 (engl. blackboard). Diese kann man als Fremdwörter im weitesten Sinne betrachten. Man könnte sie theoretisch auch als „Quasi-Fremdwörter“ betrachten, wobei sie aber nicht fester Bestandteil des chinesischen Wortschatzes sind. Diese Interpretation wird auch in diesem Werk beibehalten.

11.1.3 Fremdsprachliche Morpheme

Es muss darauf hingewiesen werden, dass nicht alle Wörter, die Bestandteile einer fremden Sprache aufweisen, Fremdwörter sind. Obwohl diese Wörter phonetische Bestandteile einer anderen Sprache haben, sind sie jedoch semantisch nicht ganz aus dieser Sprache entlehnt und zählen daher nicht als Fremdwörter: shāfātào 沙 发 套 , lǘjípǔ 驴 吉 普 , dǎdí 打 的 , pīngtán 乒 坛 . Das Wort sh ā f ā 沙 发 entstammt dem englischen Wort sofa, das Wort j í p ǔ 吉 普 dem englischen Wort jeep. í 的 ist eine abgekürzte Form von díshì 的 士 und entstammt dem englischen Wort taxi (chin. chūzūqìchē 出 租 汽 车 ) . Pīng 乒 ist eine verkürzte Form von pīngpāngqiú 乒 乓 球 , welches dem japanischen Wort pinpon entstammt (engl. pingpong). Allerdings werden diesen Wörtern dem Chinesischen seit langem inhärente Bestandteile wie tào 套, 驴, 打 oder tán 坛 hinzugefügt, um so eigenen - chinesischen - gesellschaftlichen Dingen, Assoziationen oder Bedürfnissen zu entsprechen. In ihrer Form stammen diese Wörter also nicht ganz aus ihrer jeweiligen Fremdsprache, sondern werden durch die chinesisch-sprachigen Marker zu dem Chinesischen eigenen Wörtern. Die entlehnten fremdsprachlichen Bestandteile, und zwar nur die darunter befindlichen „fremdsprachlichen Morpheme“, dienen als Komponenten bei der Wortbildung.

11.2 Entstehungsweisen von Fremdwörtern

Fremdwörter haben zwei Hauptentstehungsweisen: Entlehnung und Substrat.

11.2.1 Typ Eins: Entlehnung

Entlehnungen können wiederum in zwei Typen unterschieden werden: Kontaktentlehnungen und Kulturentlehnungen.

Kontaktentlehnungen entstehen beim Auftreten einer dominanten Macht oder durch das Zusammenleben verschiedener Völker mit unterschiedlichen Sprachen. Kulturentlehnungen entstehen durch kulturellen Austausch. Die meisten Fremdwörter gelangen durch Kulturentlehnungen in das Chinesische. Allerdings gab es in der Geschichte auch in einigen wenigen Zeitepochen oder Gebieten Kontaktentlehnungen, z.B. zu Beginn der Yuan-Dynastie und unter der japanischen Besetzung Taiwans, aber auch an den Grenzen einiger Minderheitsgebiete. Durch die Entlehnungen entstehen „Lehnwörter“ (jiècí 借词) im engeren Sinne.

11.2.2 Typ Zwei: Substrat

Fremdwörter und Substrate sind unterschiedliche Ansichtsweisen der Terminologie, wobei „Substrat“ ein nicht rein linguistischer Begriff ist. Substratsprachen entstehen, wenn verschiedene Sprachen „ethnische Prozesse“ durchlaufen. Einige Sprachgruppen sind durch den Kontakt mit anderen Sprachen bis auf „Bruchstücke“ größtenteils verdrängt worden. Die überlebenden Substrate besitzen sprachliche und grammatikalische Merkmale, aber auch Wortschatzanteile. Ein Beispiel für solche Wortschatzanteile ist Kantonesisch. Dort finden sich Wörter und Ausdrücke des früheren Yue-Volkes (百越族) wie z.B. das la5 (im fünften Ton) von 寻找 (welches im ersten Ton in der Minderheitensprache der Jiang 状 语 und im fünften Ton in den Minderheitensprachen der Dong 侗 语 und Sui 水 语 ausgesprochen wird), tam6 踩 (welches ebenfalls so in der Minderheitensprache der Jiang 状语 ausgesprochen wird, dafür aber in den Minderheitensprachen der Dong 侗 语 tjam6 oder tom2 in der Minderheitensprache der Li 黎 语 aus der Hainanregion ausgesprochen wird) oder 蛙 kap7 (welches in den Minderheitensprachen der Jiang 壮, der Dai 傣 und in Thai 泰语 kop7 ausgesprochen wird). Der prinzipielle Unterschied ist, dass diese Sprache (Volksschicht) aktiv aus anderen Sprachen entlehnt, um die eigene Sprache so zu bereichern; dennoch sind beide Sprachen im Ergebnis gleich. Das heißt, dass einige Sprachen sich äußerlich nicht radikal verändern. Fremdwörter bestehen daher aus den Ergebnissen zweier verschiedener Prozesse, nämlich erstens als Ergebnis von Wortschatzentlehnungen, d.h. Lehnwörtern im engeren Sinne, und zweitens als Ergebnis von indirekten ethnischen Sprachvorgängen, d.h. von Substratwörtern. Diese können allerdings nicht als Lehnwörter bezeichnet werden. Einige Wörter durchlaufen möglicherweise beide Prozesse. So können z.B. Wörter, die aus der Mandschurischen Sprache 满语 stammen, vom Han-Chinesischen entlehnt werden, und gleichzeitig gibt es vielleicht Substrate aus dem Mandschurischen im Han-Chinesisch. Wenn man nicht weiß, durch welche Prozesse diese Wörter entstanden sind, werden sie einfach als Fremdwörter (wàiláicí 外 来 词 ) bezeichnet, und man untersucht sie dementsprechend unter den allgemein üblichen Analysekriterien für Fremdwörter.

11.2.3 Kommunikationstypen

Darüber hinaus kann man vom Standpunkt der sprachlichen Kommunikation, also vom Standpunkt der Beziehungen zwischen Kommunikationspartnern bzw. zwischen Fremdwörtern betrachtet, wieder zwischen zwei Entstehungstypen unterscheiden: den „Gleichströmigen-Fremdwörtern“ und den „Rückentlehnungen“

Eine sogenannte „Rückentlehnung“ ist ein Wort A aus einer Sprache A, welches als Wort A' in eine andere Sprache B eingeführt wird und nach kurzer Zeit von dieser assimiliert und zugleich integriert wird. Die ursprüngliche Identität des Wortes ist dabei nur noch schwer erkenntlich. Wenn dann wiederum dieses Wort A' von der Sprache A rückentlehnt und nach dem der Sprache A entsprechenden Sprachsystem verändert wird, so entsteht aus dem Wort A' ein Wort A''. Dies ist ein sehr deutlicher Wortschatzrücklauf, der sich in der chinesischen Geschichte wiederholt vorfinden lässt. Typische Beispiele für Rückentlehnung sind:

A. Taifun: táifēng 台风 (< engl. typhoon < chin. dàfēng 大风)

B. Antike Beamtenbezeichnungen aus der Liao-Dynastie: xiángwěn 详 稳 und chánggǔn 常衮 (< Kitan 契丹. s ä nggün < chin. xiànggōng 相公)

C. Hoher militärischer Rang in der Yuan-Dynastie, General: s ā ngkūn 桑昆 (< mongol. sänggün < chin.

[...]


1 Note: The in this quote quite differently depicted Bable story is very often used by scholars of

translation studies to symbolize the chaos of communication and the seeming impossibility of translation.

2 cf. Ethnologue - Languages of the World: „Languages of China“; Wikipedia: „Languages of China“, „English language“, Chinese language“

3 Note: The term comes from Latin, literally meaning Frankish language. In this thesis it is used with the meaning of a vehicular language, i.e. a language that goes beyond the boundaries of its original community, and is used as a second language for communication between communities. cf. Wikipedia: „Lingua franca“

4 cf. Chenggang/ Yajun 2004

5 cf. Monumenta Serica 26, 1967: 103-118

6 vgl. Stolze 2001: 13-23

7 vgl. Koller 1979: 187

8 Wikipedia: „Zirkelschema“

9 vgl. Wikipedia: „Begriff (DIN-Norm)“

10 vgl. Koller 1979: 51

Ende der Leseprobe aus 132 Seiten

Details

Titel
Language Contact - Der Einfluss englischer Lehnwörter auf die chinesische Sprache
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn  (Institut für Orient- und Asienwissenschaften)
Note
1,8
Autor
Jahr
2009
Seiten
132
Katalognummer
V145775
ISBN (eBook)
9783640563647
Dateigröße
14189 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Chinesisch, Linguistik, Englisch, Lehnwörter, loan words, Sinologie, Übersetzung, Sprachwissenschaften, Übersetzungswissenschaften
Arbeit zitieren
Jan Höglund (Autor:in), 2009, Language Contact - Der Einfluss englischer Lehnwörter auf die chinesische Sprache, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/145775

Kommentare

  • Jan Höglund am 19.2.2010

    Damit es während der Lektüre der vorliegenden Diplomarbeit zu keinerlei Missverständnissen kommt, seien einige erklärende Worte vorausgeschickt. Gleich zu Beginn der Recherchearbeiten für das von mir gewählte Thema habe ich mich dazu entschieden, den inhaltlichen Kommentar dieser Arbeit auf Englisch zu verfassen. Dies hat mehrere Gründe: Einerseits möchte ich die Ergebnisse des inhaltlichen Kommentars als mögliche Basis für ein Forschungsvorhaben in einem weiterführenden Studiengang verwenden und mich in diesem Zusammenhang vorwiegend im Ausland um einen solchen Studienplatz bewerben. Andererseits ist Englisch die gegenwärtig am häufigsten verwendete Sprache in wissenschaftlichen Publikationen. Darüber hinaus war das Englische als von mir gewählte Zweitsprache auch Teil meines Studiums an der Universität Bonn.

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Titel: Language Contact - Der Einfluss englischer Lehnwörter auf die chinesische Sprache



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