Die Figur des L. Iunius Brutus bei T. Livius

Wird Brutus hier als tragischer Held dargestellt?


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2009

14 Pages, Note: 2,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der tragische Held nach Aristoteles

3. Textanalyse: Die Figur des L. Iunius Brutus bei T. Livius
3.1 Die Gründung der Republik und ihre Vorgeschichte
3.2 Die Verschwörung im ersten Jahr der Republik
3.3 Brutus’ Tod

4. Zur Historizität und antiken Rezeption der Figur
4.1 Überlieferung und Geschichtskonstruktion
4.2 Erste Rezeption des Stoffes: Die Tragödie des Accius

5. Fazit

Literaturverzeichnis

Quellen

Sekundärliteratur

1. Einleitung

Die vorliegende Hausarbeit beschäftigt sich mit einem Phänomen, auf welches man bei sorgfältiger Livius-Lektüre zwangsläufig stößt. Einige Passagen in Livius‘ Geschichtswerk, in denen der Fokus auf wenige handelnde Personen gerichtet ist, erinnern inhaltlich an gewisse Elemente eines Dramas. Formal können wir natürlich nicht von einem Drama sprechen, da der Text in Prosa abgefasst ist und keine Dialoge stattfinden, jedoch sind oft entsprechende Bausteine vorhanden. Diesem Phänomen wird die folgende Hausarbeit exemplarisch auf den Grund gehen. Aus den Büchern 1 und 2 wird die Figur des L. Iunius Brutus1 herausgenommen. Es soll untersucht werden, ob man ihn in der Folge seines politischen Handelns als tragischen Helden im Sinne der antiken Vorstellung bezeichnen kann.

Die Arbeit beginnt deshalb mit der antiken Definition eines tragischen Helden. Wegweisend hierfür ist die Poetik von Aristoteles, in deren Abhandlung über den tragischen Helden kurz eingeführt wird. Erläutert werden dabei die Werkzeuge, mit denen ein Tragödiendichter nach Aristoteles‘ Vorstellung arbeiten sollte.

Im dritten Kapitel wird daraufhin erläutert, wie Livius versucht, diese Vorstellungen umzusetzen und entsprechende Werkzeuge zu benutzen. Er bleibt dabei seiner Gattung der Geschichtsschreibung zwangsläufig nicht immer treu, worauf in diesem Teil der Arbeit der Fokus gesetzt wird. Unterteilt ist das Kapitel in die einzelnen Handlungsstränge, die für das Wirken des Brutus entscheidend sind. Zuerst wird die Passage über die Gründung der römischen Republik und deren Vorgeschichte herangenommen. Brutus steht hier im Zentrum der Handlung, wodurch man sehr viel über seinen Charakter und seine Rolle erfährt. Auch im folgenden Unterkapitel, welches die Passage über die Verschwörung im ersten Jahr der Republik zum Thema hat, ist er als Konsul die entscheidende Person, die die Handlung vorantreibt. Schließlich handelt das letzte Teilkapitel von seinem Tod, wie dieser zustande kommt und welche Wirkung dies beim Leser erzielt.

Im vierten Kapitel soll eine wissenschaftliche Untersuchung stattfinden, inwieweit die Figur des Brutus historisch belegbar ist. Ebenfalls untersucht wird, welche Rolle sie zu Livius‘ Zeit gespielt hat und welche Konsequenzen sich daraus für Livius als Historiographen ergeben.

Die Arbeit schließt mit einem Fazit über die vorangegangen Untersuchungen. Hier findet eine abschließende Beantwortung der Fragestellung statt, ob, wie und warum Brutus im Geschichtswerk des Livius als tragischer Held dargestellt wird.

2. Der tragische Held nach Aristoteles

„In einen Engel können wir uns ebensowenig hineinversetzen, wie in einen Teufel, nur mit einem Menschen, wie wir selbst sind, können wir in der Furcht verschmelzen.“

(Laehr 1896, S. 140)

Bereits in diesem Zitat kommt die Absicht, die laut der Kapitel 13 und 14 in Aristoteles‘ Poetik eine Tragödie haben sollte, sehr gut zum Ausdruck. Der Protagonist, der in diesem Fall die Funktion eines tragischen Helden einnimmt, soll weder nur gute noch ausschließlich böse Charakterzüge zeigen. Der Zuschauer soll sich durch dessen Handlungsweise in den Helden hineinversetzen können, um Empathie zu entwickeln.2

Die Gefühle, welche durch die Handlung selbst und deren Konsequenzen hervorgerufen werden sollen, dürfen allerdings gemäß Aristoteles nicht durch übertriebene Inszenierung oder Steigerung impliziert werden. Sie sollen nicht dargestellt, sondern erregt werden. Es geht um eine Mimesis3 einer nachvollziehbaren Alltagshandlung, ohne Übertreibungen.4

Die gemeinten Gefühle, die Aristoteles in den Vordergrund stellt, sind Mitleid und Furcht5. Denn diese beiden Emotionen werden hervorgerufen, „wenn man das unverdiente Leiden eines Menschen miterlebt, der aus einer tragischen Hamartia6 scheitert“7. Mitleid entsteht, wenn man den Fehler des Helden nicht als eigenes Verschulden und als verdient ansieht, sondern seine Handlung und deren Folgen aus seinem Charakter und seinen Prinzipien resultieren, die der durchschnittliche Zuschauer nachvollziehen können muss.8 Dieser Fehler kann auch oft die Konsequenz einer Charakterschwäche sein, eines überzogenen Temperaments oder einer Eigenschaft, die an sich ehrenhaft ist, aber in diesem einen Fall zum Verderben führen muss.9

Aristoteles spricht hier von einer Katharsis10 von Mitleid und Furcht durch die Erregung derselben, die wiederum durch einen Umschwung der Handlung und ihrer Folgen geschieht. So soll der Zuschauer durch Mitleid und Furcht, also den eigenen Vergleich mit der handelnden Person, vermutlich moralisch gereinigt werden. Eine genaue Definition der Katharsis ist Aristoteles allerdings bis zuletzt schuldig geblieben.11 Sie ist in der Forschung weiterhin umstritten und wird hier nicht näher erläutert, da dies den Rahmen dieser Hausarbeit sprengen würde.

Zielführender für die Fragestellung dieser Hausarbeit ist, wie Aristoteles in Kapitel 13 seiner Poetik in einer sehr eng gefassten Definition darstellt, wie die Katharsis erreicht werden kann. Es werden zuerst Beispiele vorgestellt, die nicht zum erwünschten Ergebnis führen und somit einen schlechten Dichter auffliegen lassen können:

Nach seiner Auffassung sollte kein völlig integrer Mensch von einem Augenblick auf den anderen ins Unglück stürzen, da dies nicht Mitleid, sondern Ungerechtigkeitsempfinden hervorrufen würde. Des Weiteren soll nicht gezeigt werden, wie ein verbrecherischer, also vollkommen unsympathischer Mensch Glück erfährt, da auch dies keinen Vergleich des Zuschauers mit sich selbst einleitet. Auf der anderen Seite soll ein solcher Mensch auch nicht vom Glück ins Unglück stürzen, weil der Zuschauer mit einem solchen Menschen weder Mitleid noch Furcht empfindet. Mitleid hat man nur mit einer Person, die nicht aus eigenem Verschulden leidet. Furcht empfindet man nur um jemanden, der einem selbst sehr ähnlich ist.12 Durch diese extremen Beispiele soll aufgezeigt werden, wie schwierig es ist, einen tragischen Helden so darzustellen, dass der Zuschauer mit ihm leidet und sich um ihn fürchtet.

[...]


1 Im Folgenden häufig nur „Brutus“ genannt. Gemeint ist natürlich immer Lucius Iunius Brutus.

2 vgl. Laehr, S. 140.

3 gr. µίµησις: die Nachahmung.

4 vgl. Schmitt, S. 477.

5 gr.: τ λεος / φ βος

6 gr. µαρτία: die Verfehlung (gemeint ist der Fehler, den der Held durch seine Handlung begeht).

7 Schmitt, S. 477.

8 vgl. ebd.

9 vgl. Laehr, S. 140.

10 gr. κάθαρσις: die Reinigung.

11 vgl. Schmitt, S. 478f.

12 vgl. Poetik, 1452b35-1453a5.

Fin de l'extrait de 14 pages

Résumé des informations

Titre
Die Figur des L. Iunius Brutus bei T. Livius
Sous-titre
Wird Brutus hier als tragischer Held dargestellt?
Université
University of Constance  (Fachbereich Literaturwissenschaft)
Cours
Livius: Ab urbe condita
Note
2,0
Auteur
Année
2009
Pages
14
N° de catalogue
V145893
ISBN (ebook)
9783640549672
Taille d'un fichier
498 KB
Langue
allemand
Annotations
Kommentar des Dozenten: Ein insgesamt sinnvoller Ansatz mit überzeugender Durchführung. Allerdings ist das (inhaltlich gute) Kapitel zu Überlieferung und Geschichtskonstruktion an seiner Stelle nicht sinnvoll eingefügt.
Mots clés
Figur, Iunius, Brutus, Livius, Brutus, Held, Tarquinius, Collatinus, Sextus, Aristoteles, Dramatheorie, Dramentheorie, Tragödie
Citation du texte
Andreas Lins (Auteur), 2009, Die Figur des L. Iunius Brutus bei T. Livius, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/145893

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