Musiktheoretische Grundlagen in der Bläserklasse?

Eine Studie zu unterschiedlichen Unterrichtskonzepten


Examensarbeit, 2009

261 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

Vorwort

2 Einleitung
2.1 Zur Versuchsschule
2.2 „Klassenmusizieren“, „Musikpraxis“ und „Musiktheorie“
2.3 Bläserklassenpraxis am Carl-Bosch-Gymnasium mit Blick auf den Disput zwischen „Theorie“ und „Praxis“

3 Unterricht in der Bläserklasse im ersten Halbjahr des fünften Schuljahres am Carl-Bosch-Gymnasium Ludwigshafen
3.1 Voraussetzungen für den Unterricht in den Bläserklassen am Carl-Bosch-Gymnasium
3.2 Anfangsunterricht: Ausprobierphase
3.3 Erste Töne und Stücke
3.4 Erster Auftritt und Ausblick

4 Planung und Durchführung der Studie
4.1 Studiendesign
4.2 Studientests
4.3 Studienerwartungen
4.4 Durchführung der Studie
4.5 Problematiken bei der Durchführung der Studie

5 Erhobene Daten
5.1 Allgemeine Daten
5.2 Der erste Studientest
5.3 Der zweite Studientest
5.4 Musikalische Bewertungen
5.5 Auswertungen der Einzeltests
5.6 Die Bewertung des Unterrichts der Studie durch die Schüler

6 Diskussion der erhobenen Daten
6.1 Diskussion der allgemeinen Daten
6.2 Diskussion der Daten des ersten Studientests
6.3 Diskussion der Daten des zweiten Studientests
6.4 Diskussion der musikalischen Fähigkeiten
6.5 Diskussion der Evaluation der Schüler
6.6 Studienergebnisse

7 Schlussworte

8 Anhang
8.1 Quellen- und Literaturangaben
8.2 Arbeitsblätter
8.3 Notenbeispiele
8.4 Die Studientests
8.5 Die erhobenen Daten im Detail
8.5.1 Die allgemeinen Daten
8.5.2 Der erste Studientest
8.5.3 Der zweite Studientest
8.5.4 Musikalische Bewertungen
8.5.5 Beurteilung der Schüler
8.6 Weitere schuljahresspezifische Aufzeichnungen

Vorworte

Nachdem ich selbst während meiner gesamten Schulzeit Bläserklassen besucht habe, erkannte ich im Laufe meines Studiums nicht nur Vorteile in dem ausschließlich praktischen Musikunterricht. Der Gedanke einer wissenschaftlichen Arbeit über das während meiner Schulzeit im Musikunterricht Erlebte, das sich sehr von den Erlebnissen meiner Kommilitonen unterschied, koppelte sich mit den Verbesserungsvorschlägen, die sich aus den universitären Seminaren und Erfahrungen ergaben. Nachdem mein Schulunterricht zu Beginn des Studiums als fortschrittlich und besser angesehen wurde, bemerkte ich schnell die Schwächen: Wenn ich beispielsweise auf verschiedene, eigentlich gut bekannte Werke angesprochen wurde, verneinte ich stets diese zu kennen, bis mir ein Melodieausschnitt vorgesungen oder gespielt wurde. Gespielt hatte ich die Stücke oft schon, aber woher sollte ich denn wissen, dass sie von diesem Komponisten oder aus dieser Epoche waren? So erging es mir allerdings nicht nur mit dem Themenbereich der Musikgeschichte, denn auch andere Grundlagen, wie Notenlesen oder Rhythmenerkennen, lernte ich erst, nachdem ich einige Jahre mein Instrument gespielt hatte. Immerhin habe ich noch die Chance gehabt, es zu lernen, während viele meiner Klassenkameraden, die früher auch Instrumente spielten, keine Gelegenheit dazu oder kein Interesse daran hatten. Die Überlegungen, musikalische Grundlagen im Bläserklassenunterricht parallel zum Erlernen des Instrumentes zu vermitteln, faszinierten mich sehr, aber einige Projekte, in denen beispielsweise eine Theorie und zwei Praxisstunden pro Woche angeboten werden, begeisterten mich wenig. Als ich im Schuljahr 2007/2008 die Möglichkeit bekam, selbst Bläserklassen zu leiten, versuchte ich Theorie und Praxis nicht so streng zu trennen, sondern theoretische Unterrichtsabschnitte mit in die instrumentalen Stunden einzubauen. Da ich mir nicht sicher war, ob diese Mühen notwendig und sinnvoll sind, führte ich im folgenden Schuljahr in den fünften Klassen eine Studie durch, deren Auswertung Inhalt der vorliegenden Examensarbeit sein soll.

An der Durchführung einer empirischen Studie sind immer sehr viele Personen beteiligt und so möchte ich mich als Erstes bei den Schülerinnen und Schülern der fünften Bläserklassen im Schuljahr 2008/2009 für die tatkräftige Mitarbeit, ihre Geduld und Unterstützung, sowie bei deren Eltern und Erziehungsberechtigten bedanken.

Mein Dank gilt natürlich auch der Schulleitung und dem Kollegium des Carl-Bosch- Gymnasiums in Ludwigshafen, die mir die Durchführung der Studie erst ermöglichten. Ein besonderer Dank gilt dabei Severin Geißler, der die Studie mit mir durchführte und mich stets unterstützte.

Insbesondere für die Hilfe bei der Auswertung der erfassten Daten möchte ich mich bei Peter Scholz bedanken, denn ohne ihn hätten die Daten einen sehr viel umständlicheren Weg gehen müssen.

Der vorletzte Dank gilt allen fleißigen Lesern der Arbeit, die viele Fehler gefunden haben, wobei hier vor Allem meine Familie zu nennen ist.

Zuletzt bleibt mir noch, mich für die intensive und hilfreiche Betreuung der Arbeit durch Herrn Prof. Dr. Ludwig Striegel und Herrn HD Dr. Christoph Hust zu bedanken und allen Lesern viel Spaß und hoffentlich neue Erkenntnisse zu wünschen.

Im Juli 2009

Britta Kreisel

2 Einleitung

2.1 Zur Versuchsschule

Das Carl-Bosch-Gymnasium in Ludwigshafen liegt direkt im Zentrum der Stadt und ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln von allen Stadtteilen und vielen Orten aus dem Landkreis sehr gut zu erreichen. Die Schule hat einen naturwissenschaftlichen Schwerpunkt, der sich in jährlichen Umweltwettbewerben und fächerübergreifendem Unterricht der Naturwissenschaften äußert, einen sprachlichen Schwerpunkt, der bilingualen Unterricht ab der Mittelstufe ermöglicht, und einen musikalischen Schwerpunkt. Weiterhin ist eine Verkürzung der Schulzeit über das Projekt „BeGyS“1 möglich und, quasi selbstverständlich, sind für die Schüler auch verschiedene Praktika im Lauf der Schulzeit vorgesehen.

Im betrachteten Schuljahr 2008/2009 hatte die Schule ungefähr 1400 Schülerinnen und Schüler2, die von einem ca. 100 Personen starken Kollegium unterrichtet wurden. Der Unterricht fand in Ganz- und Halbtagesform statt und es bestanden neben musikalischen Aktivitäten knapp dreißig weitere Arbeitsgemeinschaften. Das breite Angebot ging dabei von sportlichen Aktivitäten, wie Golf, Hockey oder Basketball, über Sprach-, Literatur- und Theatergruppen bis hin zu Streitschlichtern, Schulsanitätern und Raumschiffbauten.

Im Rahmen dieser zahlreichen Arbeitsgemeinschaften und Gruppierungen kam der Musik am Carl-Bosch-Gymnasium eine große Bedeutung zu, denn seit dem Schuljahr 1993/1994 konnten Schüler ab der fünften Klasse Orchesterinstrumente im regulären Musikunterricht erlernen. Die Instrumente konnten in der Unterstufe gegen einen Kostenbeitrag von der Schule geliehen werden und die Instrumentalklassen wurden dabei von einem Lehrer an den verschiedenen Blas- bzw. Streichinstrumenten unterrichtet. Die einzige Ausnahme bildeten hierbei Oboe und Fagott, die aus klanglichen Gründen ab der fünften Klasse mit dazu genommen wurden, da für die Schüler, die diese beiden Instrumente erlernen, von Anfang an zusätzlicher Unterricht an der Musikschule oder bei einem privaten Musiklehrer notwendig wurde. Wenn eine Fortsetzung des instrumentalen Musikunterrichts in der siebten Klasse gewünscht wurde, mussten die Instrumente jedoch selbst angeschafft werden und ein zusätzlicher Einzel- oder Kleingruppenunterricht, der außerhalb der regulären Schulzeit stattfand, wurde für alle Schüler verpflichtend.

Seit dem Schuljahr 2005/2006 war diese instrumentale Unterrichtsform für alle Schüler der Unterstufe verpflichtend, was einen sehr praktischen Musikunterricht, der auch zu einer großen Gemeinschaftsbildung der Schüler beitrug3 und das Erleben eines Orchesterklangs ermöglichte. Andererseits verursachten die Instrumentalklassen aber Kosten für den regulären Musikunterricht, was im Widerspruch zu einer für alle zugänglichen allgemeinbildenden Schule steht.

Knapp 900 Schüler musizierten im betrachteten Zeitraum in den sechs großen Orchestern des Gymnasiums und auch viele Nichtinstrumentalisten beteiligten sich beispielsweise im Rahmen von Gesangsgruppen, der Technik-AG oder des Moderationstheaters an den Konzerten. Das größte und aufwändigste Konzert war die so genannte „CBG-Sommernacht“, die jeweils am Ende eines Schuljahres vor ca. 4000 Zuschauern stattfand und einen großen Teil der Motivation der übenden Schüler ausmachte.

Neben diesem alle Schüler betreffenden Anlass trugen auch die pro Orchester drei Tage dauernden Orchesterfreizeiten ab der siebten Klasse in jedem Schuljahr zur Begeisterung der Schüler bei. Der Aufenthalt in einer Jugendherberge war mit vielen Proben verbunden, aber die Faszination für die Schüler lag neben den musikalischen Aktivitäten in den freien Zeiten und den langen gemeinsamen Nächten. Diese Form des Musikunterrichts konnte seit 2001 für die Schüler des Gymnasiums bis zum zehnten Schuljahr an Instrumenten stattfinden, was neben der Arbeit und Mühe den Erfolg des Klassenmusizierprojektes am Carl-Bosch-Gymnasium zeigt. Ebenfalls für diese Form des Musikunterrichts sprach die große Zahl an Neuanmeldungen, die für die Instrumentalklassen in jedem Jahr am Gymnasium eingingen.

2.2 „Klassenmusizieren“, „Musikpraxis“ und „Musiktheorie“

Schüler auf ihrem Wissensstand abzuholen und möglichst handlungsorientiert Wissen und Fähigkeiten zu erweitern ist eine der Empfehlungen für guten Unterricht. Der aufbauende Musikunterricht, der beim Klassenmusizieren mit Orchesterinstrumenten notwendig wird, beginnt im speziellen Fall der Bläserklassen mit dem Vorstellen der Instrumente. Mit dem gemeinsamen Erlernen der ersten Töne und der Grundlagen des (gemeinsamen) Musizierens, für das kein Vorwissen benötigt wird, aber durchaus von den Schülern eingebracht werden kann, wird eine gemeinsame Arbeitsbasis geschaffen, die im Folgenden erweitert werden soll. Zu welchem Wissen und welchen Fähigkeiten dieser Unterricht führen soll, muss jedoch zunächst geklärt werden. Hierbei hilft der aktuelle Lehrplan4 des Faches Musik, der als ersten konkreten Ansatzpunkt der Ziele des allgemeinbildenden Musikunterrichts „Produktion und Reproduktion von Musik“ nennt. „Erwerb, Aufbau und Speicherung musikalischen und musikbezogenen Wissens [verspricht] nur auf Basis musikalischen Handelns Erfolg und Nachhaltigkeit“5, sodass das Klassenmusizieren mit Orchesterinstrumenten einen richtigen Weg einzuschlagen scheint. Das zurzeit bei Eltern, Schülern und Lehrern angesehene Unterrichtskonzept kann aber auch einige im Lehrplan vorgesehene Bestandteile des Musikunterrichts, wie beispielsweise Bewegung/Tanz, szenisches Spiel oder Computermusik nicht abdecken. Das „Synonym für einen zugleich musik- und schülerorientierten Unterricht, während rezeptions- oder gesprächsorientierten Lehr-Lernverfahren leicht der Verdacht der Theorielastigkeit und Lebensferne anhaftet“6, soll also nicht den ganzen Musikunterricht bestimmen, sondern ihn ergänzen und auflockern. Theorie sollte jedoch bei der am Gymnasium ausgebildeten Schülerschaft nicht abgetan, sondern als Hintergrundwissen für das Verständnis von Musik genutzt werden können und damit nicht als lebensfern aus dem Unterricht verbannt werden.

Im Rahmen der Diskussion zwischen „praktischem“ und „theoretischem“ Musikunterricht bleiben die Fragen, ob durch einen ausschließlich praktischen Unterricht alle Umgangsweisen mit Musik erlernt werden können und ob ein solcher Musikunterricht dem Ideal eines handlungsorientierten Lernens und Lehrens entspricht, zunächst offen. Zwischen den beiden Polaritäten finden sich jedoch einige Integrationsparameter, die im Zusammenspiel von Multiperspektivität, subjektiver Relevanz, Heterogenität und Situationsbedingtheit der musikalischen Erfahrung und der daraus entstehenden Lernsituation7 liegen. Das Produzieren von Musik darf nicht zum Selbstzweck werden, aber beispielsweise Schönherr8 sieht durchaus Chancen und Notwendigkeiten das Klassenmusizieren mit „als essenziell erachteten Inhalten des Musikunterricht“9 zu verbinden.

Zahlreiche Schriften, Materialien und Studien zum Thema Klassenmusizieren zeigen neben dem Bläserklassenboom der letzten Jahre, dass die Ideen bei Schülern, Lehrern, Eltern und Wissenschaftlern ankommen und diskutiert werden. Untersucht wurde in den bisherigen Studien das musikalische und soziale Verhalten von Schülern aus solchen Klassen oder Projekten, Einflüsse von Musik auf die Bildungschancen der Schüler oder beispielsweise der Bezug zu Schule und Klasse10. Veröffentlichte Studien zu Instrumentalklassen gibt es jedoch nur sehr wenige, da die meisten im Rahmen von Examensarbeiten durchgeführt und nicht weiter an die Öffentlichkeit getragen werden. In den USA und Kanada, wo vor allem bläserklassenähnliche Projekte bereits seit den 1980er Jahren erfolgreich Schule machen, existieren dagegen bereits einige Studien zu Instrumentalklassen, die sich beispielsweise mit dem Persönlichkeitsvergleich von Instrumental- und Nichtinstrumentalschülern11 oder den Motivationsgründen der Schüler solche Klassen zu besuchen12, beschäftigen. Im Journal of Research in Music Education finden sich auch zahlreiche weitere Studien zum Instrumental(klassen)unterricht, aber es konnte keine Erhebung gefunden werden, die rein instrumentalen Unterricht mit Bläserklassenunterricht vergleicht, der mit Theoriethemen durchsetzt ist. Der Vergleich der Unterrichtsarten in den Bläserklassen, wie er mit dieser Studie erstellt werden soll, kann damit als Pilotversuch angesehen werden.

Die wissenschaftlichen Diskussionen um das Thema Bläserklassen mutmaßen zwar, dass ein ausschließlich instrumentaler Unterricht nicht den gewünschten Erfolg eines allgemeinbildenden Musikverständnisses bringt, aber ein empirischer Nachweis fehlt.

2.3 Bläserklassenpraxis am Carl-Bosch-Gymnasium mit Blick auf den Disput zwischen „Theorie“ und „Praxis“

„Am Carl-Bosch-Gymnasium kann Ihr Kind im Rahmen des regulären Musikunterrichts in der fünften und sechsten Klasse das Spielen eines Orchesterinstrumentes erlernen.“13 Dieser Satz beinhaltet mehrere Komponenten des Musikunterrichts an diesem Gymnasium, die so bereits seit einigen Jahren nicht mehr zutreffen:

Aus dem „Kann“ des Instrumentenlernens ist seit dem Schuljahr 2005/2006 ein „Muss“ geworden, denn der instrumentale Musikunterricht ist für alle Schüler der Unterstufe verpflichtend. Das bringt neben den Vorteilen der Gemeinschaftsbildung, des Erlebens von Musik und des praktischen Unterrichts auch Nachteile, wie Kosten für den regulären Musikunterricht, nur geringfügig oder gar nicht besprochene musikalische Grundlagen, Musikgeschichte oder weitere handlungsorientierte Unterrichtsmethoden und der Balance zwischen „Masse“ und „Klasse“ mit sich.

Auch der zweite Teil des zitierten Satzes trifft nur noch bedingt zu, da ein „regulärer Musikunterricht“ in der Unterstufe neben praktischen Elementen auch Musik und Programm, Musik und Fantasie und Musik aus verschiedenen Epochen beinhaltet, ebenso wie Komponist und Komposition, Rock-, Pop- und Vokalmusik und Tanzen, Spielen und Singen14 gelernt werden sollen.

Da der Musikunterricht in den Instrumentalklassen jedes Jahr zum Ziel hat, die Schüler bestmöglich auf das große Jahreskonzert vorzubereiten, werden so gut wie alle Stunden auf das Üben der oft schwierigen Stücke verwendet. So bleiben bei diesem Unterrichtsstil die meisten anderen im Lehrplan vorgeschriebenen Bereiche des Musikunterrichts unberücksichtigt oder werden nur inadäquat und beiläufig erwähnt, wovon die Schüler selten profitieren. Des Weiteren hat diese Unterrichtsstrategie einen meist frontalen Unterricht zur Folge, in dem das primäre Ziel ist, den Schülern das möglichst exakte Abspielen der vorgegebenen Noten beizubringen, aber Kreativität, Erforschen und Ausprobieren, die ebenfalls eine wichtige Rolle im Musikunterricht spielen, keinen Platz haben. Aufgrund des großen Zeitaufwands für die Vorbereitung des Jahreskonzerts und dem Arrangieren von Werken bleibt die Unterrichtsvorbereitung auf der Strecke und damit auch die Schulnotenfindung, die sich meist ausschließlich aus den Vorspielen der Schüler, die von einem subjektiven Einfluss der Lehrperson nicht befreit sind, zusammensetzt. In dem nur auf eine entsprechende Außenwirkung ausgerichteten Musikunterricht sind die Schüler nur mehr oder weniger auswechselbare Ausführende, deren musikalische Bildung erst sekundär interessiert, bzw. im möglichst perfekten Instrumentalspiel besteht.

Diese Darstellung soll keineswegs den Bläserklassenunterricht an sich oder die Arbeit der Lehrkräfte am Carl-Bosch-Gymnasium abwerten, aber für einen guten Musikunterricht, der das Versprechen der Informationsbroschüre einlöst, sind andere Bereiche, die hier zu kurz kommen, wichtiger als ein perfekt von Lehrern durchgeplantes Konzert. Die musikalische Bildung der Schüler muss gerade in den Instrumentalklassen möglichst umfassend sein, da hier theoretische Gesichtspunkte durch praktisches Ausprobieren mit einem anderen, intensiveren Verständnis gekoppelt werden können. Nichtinstrumentale Handlungen im Musikunterricht, wie Bewegung, szenisches Spiel oder die Erstellung eines Videoclips können den Musikunterricht für alle Beteiligten abwechslungsreicher gestalten. Die Musikerziehung soll schließlich als ganzheitlicher, durch kognitives Wissen und eigene Erfahrungen belebter Bildungsbereich zum Erwachsenwerden der Schüler positiv beitragen. Die Praxis, die direkte und persönliche Erfahrungen bei den Schülern auslöst, wird in den Bläserklassen intensiv durch das gemeinsame Erlernen der Instrumente weitergegeben, aber die Ergänzungen sind Schul- und Lehrerabhängig sehr individuell gestaltet und an der Versuchsschule nur in sehr geringem Maß vorhanden.

Die zwei verschiedenen Unterrichtskonzepte, die im Folgenden dargestellt, evaluiert und verglichen werden sollen, folgen beide der Praxis eines Bläserklassenunterrichts, an der im ersten Schuljahr nur wenig veränderlich ist. Der Unterschied liegt daher nicht in der Praxis, sondern in den weiteren, theoretischen und handlungsorientierten Ergänzungen des Musikunterrichts, die in den Klassen im Studienzeitraum verfolgt werden. Es soll gezeigt werden, dass es bereits im ersten Schulhalbjahr der fünften Klasse, also im ersten Jahr des Bläserklassenunterrichts, einen Unterschied macht, ob der praktische Unterricht durch, kognitive, psychomotorische und spielerische Sequenzen ergänzt wird oder nicht.

Dazu folgt nun zunächst eine Beschreibung des Musikunterrichts im Studienzeitraum in den verschiedenen Klassen (Abschnitt 3), wobei die Gliederung hier der Chronologie der Unterrichtsgestaltung in den Bläserklassen folgt. Die entsprechenden außerinstrumentalen Elemente und methodischen Unterschiede zwischen den Klassen werden hervorgehoben, während nur an für die Studie relevanten Stellen auf instrumentenspezifische und bläserklassenorganisatorische Problematiken eingegangen wird.

Im folgenden Abschnitt der Arbeit soll es explizit um die Studie gehen, wobei hier die Abschnitte der Planung, Durchführung und Probleme der Erhebung dargestellt werden. Die Ergebnisse der verschiedenen Tests und Beobachtungen werden unter Punkt Fünf betrachtet und eine ausführliche Diskussion der erhobenen Daten unter der Berücksichtigung verschiedener Parameter und mit dem Ziel, die Ergebnisse zufrieden stellend zu erklären, findet sich wiederum einen Abschnitt später.

Abschließend sollen die Studienergebnisse in den wissenschaftlichen Diskurs eingeordnet werden, aber auch Erweiterungsmöglichkeiten der vorliegenden Studie unter Berücksichtigung der erhaltenen Ergebnisse aufgezeigt werden.

3 Unterricht in der Bläserklasse im ersten Halbjahr des fünften Schuljahres am Carl-Bosch-Gymnasium Ludwigshafen

3.1 Voraussetzungen für den Unterricht in den Bläserklassen am Carl-Bosch- Gymnasium

Das Carl-Bosch-Gymnasium besaß im untersuchten Schuljahr sieben Klassensätze für den Unterricht mit Blasinstrumenten sowie zahlreiche auch nach der sechsten Klasse verliehene Instrumente (Tuba und Fagott). Die Instrumente wurden in den ersten beiden Jahren in der Regel von der Schule geliehen und viele Blasinstrumente standen den Schülern doppelt zur Verfügung, sodass Wald- und Tenorhörner, Posaunen und Tuben nicht mit in die Schule gebracht, sondern nur die persönlichen Mundstücke eingepackt werden mussten. Als Unterrichtsräume standen drei große und drei kleinere Musiksäle zur Verfügung, die jeweils mit einem Klavier und einer Musikanlage ausgestattet waren, sodass die drei Unterrichtsstunden pro Woche und Klasse problemlos stattfinden konnten. Die Einteilung der Schüler in die verschiedenen Klassen folgte keinen musikalischen Gesichtspunkten, sondern die Schulleitung richtete sich neben der Wahl zwischen Halb- oder Ganztags-, Bläser- oder Streicherklasse nach den von den Schülern angegebenen Wünsche, mit bereits bekannten Freunden in eine Klasse zu kommen. Um die passende Klasse für die Schüler zu finden, erfolgten im Rahmen des Tags der offenen Tür oder in Einzelfällen auch persönliche Beratungen.15

Die elf Klassen der Unterstufe werden in Musik von insgesamt drei Lehrkräften, welche die zusätzliche Ausbildung der Akademie für Musikpädagogik für Klassenmusizieren mit Orchesterinstrumenten absolviert haben, unterrichtet. Die Instrumentalstunden fanden nur im ganzen Klassenverband und nicht in Kleingruppen oder im Einzelunterricht16 statt, sodass die Schüler nur die Wünsche eines und nicht mehrerer Lehrkörper erfüllen mussten und die Kosten für den Musikunterricht gering gehalten werden konnten. Dass dabei die Instrumentaltechniken der einzelnen Schüler nicht so intensiv wie in einer kleineren Gruppe oder im Einzelunterricht betrachtet werden konnten, musste in Kauf genommen werden, wobei sich die Summe der Fehler in Grenzen hielt. Da der Unterricht überwiegend an den Instrumenten stattfand, gab es kein Musikbuch, sondern nur eine Instrumentalschule, die in Kombination mit Arbeitsblättern und weiteren Stücken das Spektrum des Musikunterrichts in der Unterstufe abdecken konnte. „CenterStage“, so der Name der in diesem Schuljahr am Carl-Bosch-Gymnasium verwendeten Instrumentalschule, war ursprünglich als reine Technikschule, die durch Stücke und außerinstrumentale Grundlagen ergänzt werden soll, gedacht. Das heißt die Schüler sollen auf den nur sechzehn Seiten zunächst Töne und Notenwerte kennen lernen, im Folgenden aber fast ausschließlich instrumentaltechnische Probleme der verschiedenen Instrumente im Klassenverband üben können. Die jeweils drei Doppelseiten, die dabei für ein Schuljahr gedacht waren, entstanden im Lauf des vorangegangenen Schuljahres und wurden mit den Fünft-, Sechst- und Siebtklässlern erprobt, sodass einige Fehler bereits korrigiert wurden. Dennoch fielen vor allem den Schülern immer wieder Stellen auf, an denen Vorzeichen fehlten, Noten in falscher Oktavlage standen oder Überschriften nicht stimmten. So passierte es beispielsweise auch, dass beim Heften in das Altsaxophondeckblatt die Fagottnoten rutschten, was dem Schüler, der dieses Heft bekam, erst nach einem knappen Viertel des Schuljahres auffiel. Die Vorzeichen waren zwar verwirrend, der Notenschlüssel wurde nicht beachtet und die Lage der Noten im System stimmte zufälligerweise.

Die ersten Töne der Bläserklasse waren einstimmig in klingend B-Dur notiert und die ersten Übungen ließen den Schülern nach einer ganzen Note die gleiche Zeit zum Luftholen.17 Recht schnell wurden im Folgenden die Pausenzeiten verkürzt und bereits nach den ersten acht Übungen sollten die Schüler ein einstimmiges acht- taktiges Stückchen spielen können. Im Anschluss wurden Viertel- und Halbenoten eingeführt und schon die Übungen sechzehn und siebzehn trainieren bei gleichzeitigem Üben eine leichte Mehrstimmigkeit. Das Einfügen von Volksliedern und die kleinen Anmerkungen zu verschiedenen Stücken passen nicht mehr zum Charakter einer Technikschule, lockern aber das Heft auf und fördern das Nachdenken über die gespielte Musik. Die ersten sechs Seiten der Schule, das Programm für das fünfte Schuljahr, umfassen sieben Töne und bearbeitet Rhythmen mit Ganzen, Halben und Viertelnoten.

Obwohl die Instrumentalschule auf den Unterricht am Carl-Bosch-Gymnasium zugeschnitten werden sollte, fehlten bereits im ersten Halbjahr für die Aufführung des ersten Stückes benötigte Töne und Notenwerte. Außerdem waren aufgrund des platzsparenden Drucks sowohl die Noten als auch die Anmerkungen relativ klein geschrieben, sodass Verwechslungen oder Lesefehler regelmäßig vorkamen und den Schülern die Unterscheidung der einzelnen Notenlinien relativ schwer fiel. Auch die eingefügten Grifftabellen passten beispielsweise bei den Bassklarinetten nicht zu den vorhandenen Instrumenten, was die Arbeit hiermit deutlich erschwerte. Bei den Schülern entstand durch verschiedene Griffmöglichkeiten und falsche Angaben leicht Verwirrung. Trotz dieser nicht idealen Bedingungen, die auch die Aufmerksamkeit der Schüler förderten, war der Unterricht mit CenterStage für die Schüler, die hiermit neue Töne und Melodien gemeinsam erarbeiten und zum Klingen bringen konnten, motivierend.

Die Schüler mussten für den Bläserklassenunterricht am Carl-Bosch-Gymnasium keinerlei musikalisches Wissen mitbringen, aber bereits vorhandene Instrumentalkenntnisse konnten in den Unterricht mit eingebracht werden. Dabei war es nicht verpflichtend ein bereits gespieltes Instrument fortzusetzen, dies aber möglich und wurde nach den Wünschen des Schülers und seiner Eltern eingerichtet. Ein bestimmtes Vorwissen zu fordern, hätte das Lernen eines Instrumentes von jedem Schüler der Unterstufe bei der Größe der Schule unmöglich machen. Das Einzige, was von den Schülern vorausgesetzt wurde, war Spaß am Musizieren und der Wille regelmäßig zu üben und an den Aufführungen teilzunehmen.

Der Kontakt der Schüler zur Musik vor dem Bläserklassenunterricht gestaltete sich sehr unterschiedlich, denn während einige Schüler bereits aktiv musizieren und auch die Eltern oder Geschwistern musikalisch tätig waren, hatten andere Schüler nur wenig oder gar keinen Kontakt zu selbst gestalteter Musik. Ebenso war anzunehmen, dass sich der Musikunterricht in der Grundschule sehr different gestaltete, da die Schüler von nahezu allen Grundschulen im Bereich in und um Ludwigshafen kamen. Um dieses unterschiedliche Wissen auszugleichen, startete der Unterricht nicht direkt mit den ersten Tönen auf den Instrumenten, sondern es wurden zunächst die Instrumente vorgestellt und ausprobiert.

3.2 Anfangsunterricht: Ausprobierphase

Diese für Schüler und Lehrer wichtige Phase des Musikunterrichts startete für die Schüler der drei Bläserklassen des Jahrgangs, die als Ganztags-, Versuchs- und Kontrollklasse unterschieden werden, in der zweiten Unterrichtsstunde, nachdem in der ersten Stunde Ablauf und Inhalt der folgenden zwei bis drei Wochen erklärt wurde und die Schüler ihre dringlichsten Fragen gestellt hatten. Die Lehrkraft stellte jede Stunde ein bis zwei Instrumente vor, die die Schüler in den kommenden Jahren erlernen konnten. Zur Instrumentenvorstellungen gehörte einerseits das Erzählen von etwas Wissenswertem, Kuriosem oder Lustigem zu dem Instrument, das es ganz besonders und einzigartig machte. Andererseits spielte der Lehrer ein kleines Stück, idealer Weise sogar ein Wunschstück der Schüler, auf dem Instrument vor. Im Anschluss an die Beantwortung der Schülerfragen zu dem vorgestellten Instrument durfte jedes Kind versuchen, einen Ton zu produzieren. Dabei ging es neben Ausprobieren aller Instrumente vor Allem um die Suche nach einem für den Schüler passenden Instrument. Diese Einschätzung der Lehrkraft erfolgte am Carl-Bosch- Gymnasium mündlich, da ein schriftliches Fixieren in Form von Punkten sofort einen Leistungsdruck bei den Schülern auslösen würde, der in dieser Unterrichtsphase auf keinen Fall gewollt war. Der Nachteil, nach dem Abschluss der Ausprobierphase nicht mehr genau zu wissen, welches Instrument am besten passte, wurde in der Regel durch ein im Bedarfsfall folgendes Lehrer-Eltern-Schüler-Gespräch behoben. Während es in den Testklassen für jeden Schüler Pflicht war, alle Instrumente auszuprobieren, durften die Schüler der Kontrollklasse einzelne Instrumente auslassen, was einerseits Zeit sparte, andererseits zu später Reue führen konnte. Ein weiterer Unterschied bestand darin, dass sich alle Schüler der Versuchsklassen die entstehenden Leerzeiten, während der Lehrer sich nur mit einem einzelnen Schüler, der gerade das Instrument probiert, beschäftigen konnte, mit Arbeitsblättern zu musikalischen Grundlagen wie beispielsweise Notennamen, Rhythmen oder Instrumenten beschäftigten. Die Arbeitsblätter wurden spätestens am Ende dieses ersten großen Unterrichtsabschnitts in den Bläserklassen besprochen. So konnten die langen Wartezeiten, die in der Kontrollklasse von Stillsitzen und Zuhören geprägt waren, für die kommende Bläserklassenarbeit genutzt werden. Dazu kamen in den Versuchsklassen erstes Atemtraining zu Beginn und leichte rhythmische Übungen am Ende der Unterrichtsstunden, sodass die Kinder neben dem Erlebnis des neuen Instruments auch eine Kleinigkeit zum Üben mit auf den Weg bekamen und eine andere Begegnung mit Musik hatten als nur über Instrumente. Die Atemübungen kamen aus dem Bereich des Einsingens und führten von der Zwerchfellaktivierung bis hin zu leichten Summspielen, während die Übungen am Ende des Unterrichts den vollen Körpereinsatz, im Sinne von Gehen, Klatschen, Schnipsen und Sprechen, von den Schülern forderten.18

Eine Unterrichtsstunde in diesem Abschnitt gestaltete sich beispielsweise folgendermaßen: Der Unterricht startete nach der Begrüßung mit kurzen Einsingübungen, die zunächst eine gezielte Luftführung, die Aktivierung der Atemmuskulatur und leichte Tonbildungen im Blick hatten. Nach gemeinsamem, tiefem Einatmen wurden Zischlaute („S“, „Sch“, „Z“) auf das Zeichen des Lehrers leise oder laut, an- oder abschwellend ausgehalten, sodass auch die Konzentration auf den Lehrer als Dirigenten geübt wurde. Direkt im Anschluss folgten Zwerchfellübungen, wie das Sprechen von „p-t-k“ oder „f-s-sch“ im schnellerwerdenden Gleichklang. Zum Abschluss des ca. zehnminütigen Abschnitts wurde noch kauender Weise gesummt, um ein Bewusstsein für Tonveränderungen im Mundraum sowie für Tonhöhen zu wecken und als letzte Herausforderung sollten sich die Schüler durch aufeinander Hören im Lauf der Übung auf einen Summton einigen. Nach dieser auflockernden Phase stellte der Lehrer die Posaune vor, indem er zunächst den Aufbau und Klang des Instrumentes präsentierte. Nach dem folgenden Vortrag, der von Schülerfragen, beispielsweise zur Schwierigkeit des richtigen Zuges oder zu Vorspielstücken, immer wieder unterbrochen werden durfte, wurden die Arbeitsblätter zum Thema Pausen19 bearbeitet. Währenddessen ging die Lehrkraft mit der Posaune durch die Klasse und ließ die Schüler einen Ton produzieren. Nach ca. 20 Minuten hatte jeder Schüler seine Kostprobe genossen und es wurden die Arbeitsblätter, die leider ein wenig zu leicht und vom Zeitaufwand für die Schüler zu knapp waren, in knappen zwei Minuten besprochen. Es folgte das Wegpacken der Schreibutensilien und das Aufräumen der Stühle, da zum Abschluss der Stunde ein Rhythmusspiel anstand: Im Kreis stehend wurde ein Vier-Viertel-Takt durch Hin- und Hertreten markiert und ein durch den Lehrer initialisierter Rhythmus durch den Kreis gegeben, ähnlich der Stillen Post nur eben laut mit Klatschen oder Schnipsen. Leider verliefen nicht alle Stunden im Anfangsunterricht unproblematisch, da einige der Arbeitsaufträge auf den Arbeitsblättern zu kurz oder ungenau formuliert waren, sodass das Ausprobieren der Instrumente gestört wurde. Auch waren nicht alle Instrumentenfragen in der dafür vorgesehenen Zeit zu beantworten und das Ausprobieren einzelner Instrumente dauerte länger als geplant. In wenigen Stunden konnten auch die Fragen zu den Arbeitsblättern nicht ausreichend geklärt werden und in anderen mussten aus organisatorischen Gründen mehrere Instrumente vorgestellt und getestet werden. In manchen Stunden hatten die Schüler auch nur wenig Lust die gestellten Aufgaben zu bearbeiten und einige Schüler versuchten bereits bei dem geringsten nicht sofort lösbarem Problem aufzugeben, statt ein wenig zu knobeln und doch noch auf die Lösung zu kommen. Das geforderte selbständige Arbeiten und Gestalten kannten scheinbar einige Schüler aus ihrer Grundschulzeit nicht und auch das Arbeiten in kleinen Lerngruppen bereitete einigen Schülern Probleme. Die entstehende Lautstärke sobald die ersten Fragen auftraten oder einige Schüler bereits mit den Aufgaben fertig waren, steigerte das Interesse der Schüler an den Arbeitsblättern nicht. Im Großen und Ganzen konnten die Schüler aber mit der Anleitung durch die Arbeitsblätter weite Bereiche des Notenlesens erarbeiten und erleichterten sich und dem Lehrer die ersten Stunden am Instrument.

3.2.1 Instrumentenvergabe

Der Unterricht, in dem jede Stunde etwas für die Schüler gänzlich Neues passierte, endete, als das letzte Instrument vorgestellt war, mit der Ausgabe der Wahlzettel.20 Die Schüler wählten weitgehend unabhängig von der Meinung des Lehrers drei Instrumente aus, wobei diese nach Prioritäten sortiert werden mussten und nicht alle Kombinationen möglich waren. Die Wahl Klarinette schloss die Instrumente Saxofon und Bassklarinette aus den weiteren Wünschen aus und es musste mindestens ein Blechblasinstrument gewählt werden. Die Erinnerung an die verschiedenen Instrumente wurde in den beiden Versuchsklassen durch zwei Arbeitsblätter21 gefördert. Die Eltern konnten sich so zumindest ein visuelles Bild der Instrumentenwahl ihrer Schützlinge machen.22 Die Schüler gaben die von den Eltern durch eine Unterschrift bestätigten Wahlzettel in der folgenden Unterrichtsstunde ab und die Lehrkraft versuchte alle vorhandenen Instrumente mit möglichst vielen Erstwünschen zu besetzen. Meistens gelang es nicht, allen Schülern das angegebene Trauminstrument zuzuteilen, aber nur selten bekam ein Schüler seine Drittwahl.

Aufgrund der vorhandenen Instrumente konnten die drei Bläserklassen nicht gleich besetzt werden. In der Kontrollklasse fanden sechs deutsche Klarinetten, je zwei Tenor- und Altsaxofone, eine Oboe und drei Trompeten einen neuen Spieler. Die Ganztagsklasse wurde mit vier Böhm-Klarinetten, zwei Bassklarinetten, zwei Altsaxophone sowie zwei Oboen und vier Trompeten besetzt, während in der Halbtagsklasse von den Schülern drei Böhm-Klarinetten, zwei deutsche Klarinetten, zwei Bassklarinetten, zwei Tenorsaxophone, eine Oboe sowie vier Trompeten erlernt werden sollten. In allen Klassen spielen außerdem zwei Schüler Tuba, drei Posaune und zwei Tenorhorn bzw. Euphonium. Zudem fanden auch drei Hörner, ein Fagott, sowie fünf Querflöten in jeder der drei Klassen einen Platz.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bevor die Instrumente in den Klassen vorgestellt wurden, hätte eine Klassenbesetzung aus Klarinetten, Querflöten und Trompeten bestehen A23 ) angegebenen Instrumentenwünsche wurden in der ersten Musikstunde der Klassen von den Schülern angegeben und zeigen in weiten Teilen Übereinstimmungen mit verbreiteten Erfahrungen der unterrichtenden Lehrer. Diese Angaben, die auch den Wissensstand der Schüler repräsentieren, zeigen viele Stimmen für Querflöte, Klarinette, Saxophon und Trompete. Die weniger bekannten Instrumente wie Posaune oder Fagott wurden von Schülern aus musikalisch interessierten Familien angegeben, wogegen die Schüler, die andere Instrumente als Blasinstrumente wählten sich noch nicht mit der Problematik einer Bläserklasse auseinandergesetzt hatten.

Nach der Vorstellung der Instrumente zeigt sich zwar immer noch die Klarinette als am meisten gewünschtes Instrument24, aber die anderen, in der Bläserklasse zu besetzenden Instrumente sind ebenfalls im ersten Wünsch der Schüler in einer meist adäquaten Anzahl vertreten, wie die folgende Grafik (Bild 3.2.1 B25 ) veranschaulicht. Trotz des scheinbar passenden Gesamtbildes aller Klassen wählte in der Ganztagsklasse beispielsweise keiner Posaune, sodass das Instrument in Absprache mit den Schülern durch Benennen besetzt werden musste. In der Versuchsklasse entschied sich ein Schüler erst spät für die Oboe und es gab nur zwei nicht ganz passende Drittwahlen für Tuba. In der Kontrollklasse kam ein Schüler erst am Tag der Instrumentenwahl in die Schule, sodass er nach einer knappen Einführung des Lehrers unter deutlich anderen Voraussetzungen ein Instrument wählen musste. Diese kleineren Unpässlichkeiten bei der Instrumentenwahl wurden zumindest im Gesamtbild durch die Vergabe von insgesamt 59 Erstwahlen (65,5%) (N=59) an die Schüler ausgeglichen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3.3 Erste Töne und Stücke

Nachdem alle Instrumente verteilt waren, folgte die für die Schüler spannendste Stunde, in der die Klasse vom Lehrer in die entsprechende Sitzordnung des entstehenden Orchesters gebracht und die Instrumentenkoffer zum ersten Mal von den neuen „Besitzern“ geöffnet wurden. Die nächsten Unterrichtsstunden beinhalteten das Training des richtigen Aufbauens der Instrumente, das sich neben dem Finden des richtigen Sitzplatzes und dem sortierten Verstauen der Instrumente in der Schule am schwierigsten gestaltete. Vor allem bei den Holzbläsern beanspruchte das Aufbauen der Instrumente viel Zeit und eine gute Kontrolle durch die Lehrkraft. In der Kontrollklasse gestalteten die Schüler das Aufbauen der Instrumente nach kurzer Zeit selbstständig, während in der Halbtags- und Ganztagsklasse ein Aufbauritual mit festen Regeln und unter angemessener Kontrolle durch den Lehrer eingeführt wurde, dass bis fast zum Ende der fünften Klasse den Beginn des Unterrichts bestimmte. Dabei wurde neben dem kontrollierten Aufbauen auch direkt der instrumentale Ansatz mitgeübt und gegebenenfalls verbessert. Zunächst wurden die Stühle und Notenständer von den Schülern an ihren Platz gebracht und die Klasse begrüßt. Erst danach öffneten die Schüler gemeinsam ihre Koffer und entnahmen ihre Mund- bzw. Kopfstücke. Während Klarinetten und Saxofone die Blättchen im Mund anweichen, starten die Blechbläser einzeln mit der Produktion eines in der Tonhöhe dem Instrument angepassten Ton auf ihrem Mundstück. Sobald alle Blechbläser diese Aufgabe zur Zufriedenheit der Lehrkraft bewältigt haben, durften sie aufbauen und die Klarinetten und Saxofone spannten ihre Blättchen auf den zusammen gesteckten Teil aus Schnabel und Birne. Das dauerte genau so lange, wie die Flöten brauchten, um drei Töne auf ihren Kopfstücken zu produzieren, sodass abschließend die Blattbläser durch das viermalige Anstoßen eines Tones auf dem Mundstück, den Aufbauritus zum Abschluss brachten. Der Lehrer, der sich für jeden Schüler individuell Zeit nahm, beurteilte die jeweilige Luftführung, Haltung, Stütze, Ansatz und im Fall der Blattbläser auch den Anstoß der Schüler, sodass hier Fehler schnell erkannt werden konnten. Die Einzigen, die von dem Aufbauritual ausgenommen waren, sind Oboe und Fagott, da bei ihnen die Kontrolle im Einzelunterricht sehr viel effektiver und individueller stattfand.

Falls alle Schüler einer Instrumentengruppe in Lauf des Schuljahrs die geforderten Leistungen ohne Probleme erbringen konnten, wurden die Aufgaben erweitert, z. B. durch das Hinzufügen eines zweiten Tones bei den Blechbläsern oder durch Anstoßen in den Flöten, da so neue, instrumentalspezifische Probleme ohne komplizierte Griffe oder die Verknüpfung an Notenwerte oder -bilder trainiert werden konnten. Ebenso wie die Mundstücktöne des Aufbaurituals in den Versuchsklassen wurden auch die ersten Töne in der Bläserklasse ohne Noten erarbeitet und entwickelten sich einstimmig den Bereich der klingenden B-Dur-Tonleiter. Nach der Absprache der Musikkollegen begannen alle Klassen in diesem Schuljahr mit dem Grundton klingend „B“. Die Bläserklassen mit theoretisch ergänztem Musikunterricht lernten diese Töne mit Hilfe von Solmisationssilben, während in der Kontrollklasse direkt mit Tonnamen und Hilfskonstruktionen wie z.B. erster und zweiter Ton gearbeitet wurde. Die verschiedenen Darstellungsmöglichkeiten der Solmisation konnten dabei in den Versuchsklassen in verschiedenen Übungen ausgenutzt werden. Die klare Unterscheidung der Töne durch die Silben bot gerade am Anfang des Unterrichts große Vorteile, das Singen der Silben ermöglichte eine außerinstrumentale aber von den Schülern akzeptierte Musikgestaltung, während die entsprechenden Handzeichen die Orientierung zum Dirigenten weiter ausbauten.

In der Kontrollklasse fanden in der Unterrichtsphase bis zu den Weihnachtsferien für einige Instrumentalisten oder Instrumentengruppen immer wieder Sonderproben statt, in denen die Töne und Griffe wiederholt oder schwierige Stellen ohne den Rest der Klasse geklärt wurden, was in den Versuchsklassen aus organisatorischen und pädagogischen Gründen unterlassen wurde.

Neben dem gemeinsamen Beginn und Ende der richtigen Töne bei allen Schülern der Klasse bestimmten Luftführung und Anstoß die ersten instrumentalen Stunden der Bläserklassen. Das Aushalten eines gemeinsamen Tones und das langsame Erarbeiten kleiner Melodien fand dabei ohne Notenbild, sondern mit Hilfe der „Papageienmethode“26 und den abgesprochenen Tonbezeichnungen statt. So lernten die Schüler auch einander zuzuhören und sich im Orchesterklang zu orientieren. Das Spielen in einzelnen Instrumentengruppen, in Kombinationen einzelner Schüler oder Gruppen faszinierte die Schüler. Sobald das Aushalten einzelner Töne bei der Mehrzahl der Schüler einer Klasse gut klappte, gingen die Stücke in erste Volks- und Kinderlieder, wie „Bruder Jakob“, „Hänschen klein“ oder „Kuckuck“, über. Auch dabei gab es wieder einen Unterschied zwischen den Unterrichtsmodellen, denn während in der Kontrollklasse schnell zum Abspielen eines Notenbildes übergegangen wurde, lernten die beiden Versuchsklassen ihre ersten Lieder und Stücke auswendig. Weihnachtslieder ließen aufgrund der Jahreszeit ebenfalls nicht lange auf sich warten und die meisten Schüler konnten zu Weihnachten bereits vier passende Lieder spielen und in den Familien einen ersten Erfolg erleben. Während das Einstudieren der Weihnachtslieder in der Kontrollklasse wiederum mit Notentexten passierte, lernten die Schüler in den anderen beiden Klassen auch diese auswendig, was ebenfalls mit neuen Noten und Rhythmen verbunden war.

Bereits bis zu den Weihnachtsferien waren die Töne der klingend B-Dur- und B- Moll-Tonleitern bis jeweils zum sechsten Ton in allen Instrumentengruppen geübt, wobei die theoretische Ergänzung zu Dur und Moll aus Zeitgründen erst im zweiten Schulhalbjahr erfolgte. Die rhythmischen Werte bis zu Achtelnoten sollten zu diesem Zeitpunkt allen Schülern bekannt sein und auch das Registrieren von instrumentenspezifischen Vorzeichen sollte möglich sein. Neben den einstimmigen Weihnachts- und Volksliedern wurde in den Klassen das Üben von „Rock-A-Saurus- Rex“27 begonnen, mit dem der erste Auftritt der Schüler am Tag der offenen Tür gestaltet werden sollte. Einzelne Instrumentengruppen lernten für das Stück noch neue Töne kennen und das bis zu dreistimmig ablaufende Stück verlangte von den Schülern höchste Konzentration. Die eingängige Melodie im Moll-Fünftonbereich kam bei allen Instrumenten bereits am Anfang des Stückes vor und konnte gemeinsam einstudiert werden, während einige Ergänzungen, Veränderungen und Dehnungen nur in einzelnen Gruppen gespielt wurden. Besonders die Stellen, an denen mehrere rhythmisch unterschiedliche Melodien übereinander lagen, brauchten viel Zeit, bis das Zusammenspiel ausreichend exakt gelang.

Parallel zu den ersten Tönen und Stücken entwickelte sich der nicht instrumentale gemeint, eben genau die Art in der beispielsweise Papageien sprechen lernen. Unterricht weiter. Dabei gab es keine reinen Theoriestunden, sondern die theoretischen Elemente wurden in den überwiegend instrumentalen Stundenablauf miteinbezogen. Die Grundlagen der ersten Arbeitsblätter wurden durch weitere rhythmische Übungen mit dem instrumentalen Lernen erweitert. Notennamen und Notenschlüssel wurden hauptsächlich in der Notation des gespielten Instrumentes trainiert, da es zunächst einmal wichtiger ist, dass jeder seine Noten lesen kann, als dass die Schüler alle Schlüssel parallel lernen. Die Zuordnung von Solmisationssilben zu Notennamen erfolgte über ein kleines Arbeitsblatt, während in der Kontrollklasse der Übergang von der Hilfskonstruktion zu den Notennamen durch das stetige Austauschen der Begrifflichkeiten durch die Lehrkraft realisiert wurde.

Während der schriftlichen Abiturprüfungen, die aus organisatorischen Gründen in den Musiksälen stattfanden, ergab sich aufgrund der Raumsituation eine Intensivphase des theoretischen Unterrichts, da in den normalen Klassensälen bedingt durch den enormen Geräuschpegel nicht musiziert werden konnte. Da diese Räume nicht für Musikunterricht gedacht waren, fehlte auch die entsprechende Ausstattung, sodass der Unterricht in den Versuchsklassen von Tafelbildern und Spielen geprägt war. Während dieser Stunden wurde kein neuer Stoff erarbeitet, sondern bereits Gelerntes, wie Noten lesen oder Rhythmen erkennen, wiederholt und beispielsweise durch Mannschaftsspiele für die schwächeren Schüler, die in den Gruppen von besseren unterstützt wurden, verständlich. Ein besonderes Augenmerk galt dabei der Unterscheidung von Solmisationssilbe und Notenname, was allerdings auch später noch häufig verwechselt wurde. Da die Lehrkraft der Kontrollklasse in die parallel stattfindenden Orchesterfreizeiten eingebunden war, hatte die Klasse in dieser Phase für ca. eineinhalb Wochen keinen Musikunterricht. Nach Abschluss der Abiturprüfungen konnte der Bläserklassenunterricht wieder aufgenommen und in den Proben für das erste Konzert gearbeitet werden.

3.4 Erster Auftritt und Ausblick

Kurz nach dem Ende des ersten Schulhalbjahres und des Studienzeitraums, fand der erste Auftritt der Klassen im Rahmen des „Tag der offenen Tür“ vor dem Vortrag des Direktors bzw. in Form einer kurzen Unterrichtsdemonstration in einem Klassensaal statt. Ziel des Auftrittes war es - neben der Präsentation des Projektes für die Eltern und Schüler der vierten Klassen - den Schülern ein erstes Erfolgserlebnis zu schaffen und die eventuellen Stressreaktionen eines solchen Auftrittes in überschaubarem Rahmen auszuloten. Die Eltern der Schüler waren angehalten, sich ihre Kinder zwar anzuhören, dann aber den interessierten Eltern und Kindern der vierten Klassen Platz zu machen, damit das Projekt auch im nächsten Schuljahr wieder starten konnte. Die Präsentation von „Rock-A-Saurus-Rex“ erfolgte in der Halbtags- und der Ganztagsklasse auswendig, während die Kontrollklasse für den Auftritt Noten benötigte. Die Zuhörerschaft schwankte von Stunde zu Stunde stark, sodass die Klassen unterschiedlich häufig spielen durften, aber alle erfolgreich ihr erstes kleines Konzert gaben.

Die folgende Unterrichtszeit, die von den Vorbereitungen der CBG-Sommernacht geprägt war, erweiterte den Tonumfang der jungen Instrumentalisten auf ungefähr eine Oktave, wobei je nach Instrument Schwankungen unumgänglich waren. Die musikalischen Grundlagen wurden in den Versuchsklassen weiter gefestigt und um musikgeschichtliche Themen erweitert, denn die Konzertvorbereitungen waren wichtig, aber es nutzt den Schülern nichts, die tollsten Stücke spielen zu können, ohne ein kleines bisschen Hintergrundwissen dazu zu haben. Zur Feststellung der Schulnoten, die nicht ausschließlich auf den subjektiven Vorspielnoten beruhen können, wurde ein Test mit musiktheoretischem und -geschichtlichem Inhalt geschrieben. Leider wurde der Unterricht der Kontrollklasse jedoch nicht an die handlungsorientierte Unterrichtsweise angepasst.

4 Studie

Seitdem Bläserklassen in Deutschland existieren, gibt es Diskussionen, ob zusätzlich zum instrumentalen Unterricht auch ein theoretischer Musikunterricht, also Unterricht in dem geschichtliche und allgemeine Grundlagen des Faches erlernt werden, an allgemeinbildenden Schulen stattfinden soll. Im Schulfach Musik soll es nach dem Lehrplan, wie in der Einleitung dargestellt, nicht primär um das Erlernen eines Instrumentes gehen, sondern es sollen altersentsprechende geschichtliche und ästhetische Bezüge zu Musik hergestellt werden, was im reinen Instrumentalunterricht nicht erreicht werden kann. Schon den Schülern in der fünften Klasse kann dabei klar werden, dass es Musik vor dem iPod gab und dass Musik mehr als ein dudelndes Radio ist. In dieser empirischen Erhebung soll für die musikalischen Grundlagen eine neue Diskussionsbasis geschaffen werden, da es hierbei nicht so klar wie den genannten Aspekten ist, dass der rein instrumentale Unterricht die nötige Vertiefung nicht erreicht.

Im Verlauf des rein instrumentalen Musikunterrichts, wie er am Versuchsgymnasium seit Beginn des Bläserklassenunterrichts stattfand, waren die Schüler in der Lage neue Stücke abzuspielen, Rhythmen zu erkennen oder bestimmte Instrumentengruppen zu benennen. Zu der Frage des Sinnes eines quasi immer gleich und meistens frontal ablaufenden Unterrichts28, kommen auch inhaltliche Überlegungen, die, wenn man von dem auf diese Weise nicht vermittelbaren historischen und ästhetischen Teilen des Unterrichts absieht, vor Allem die musikalischen Grundlagen betreffen. Gerade in der Anfangszeit des Bläserklassenunterrichts bestand die Möglichkeit, dass die Vermittlung der notwendigen musikalischen Grundlagen im praktischen Unterricht mitgelernt ausreichend geschah. Dennoch war es fraglich, ob sich durch das Abspielen von Noten der Abstraktionsschritt zu den Notennamen, Rhythmuswerten und Ähnlichem automatisch einstellte. Die Gefahr war viel mehr, dass Rhythmen zwar gut abgespielt wurden, sich aber kein altersentsprechendes Rhythmusgefühl entwickelte und dass die Tonhöhen durch das Zuordnen bestimmter Griffe und Lippenspannungen zu einem Zeichen richtig erfasst, aber nicht auf andere Instrumente oder Notentexte übertragbar wurden. Diese kleinen Schritte, die eventuell durch theoretische Ergänzungen weniger problematisch und für den weiteren Unterricht sehr förderlich waren, sollten bereits in den ersten Wochen des Bläserklassenunterrichts eingeführt und gefordert werden.

Die Idee der Studie besteht darin herauszuarbeiten, inwieweit theoretische Ergänzungen zu den praktischen Teilen den Bläserklassenunterrichts im ersten Halbjahr der fünften Klasse für das Erlernen der musikalischen Grundlagen notwendig sind.

4.1 Studiendesign

Die prospektive Kohortenstudie, die mit dem Schuljahr 2008/2009, also am 04. August 2008, begann und das erste Schulhalbjahr lang, bis zum 31. Januar 2009, dauerte, gestaltete sich als überwiegend schulinterne Evaluation29. Das Ziel war ein Qualitätsvergleich zweier Unterrichtsmethoden, was überwiegend am Produkt festgemacht werden sollte. Der Prozess, der von der Studienleitung beeinflusst werden konnte, spielte eine untergeordnete Rolle, da dieser nicht direkt festgehalten, sondern nur nachvollzogen wurde. Die Auswertung der Selbstevaluation sollte überwiegend summativ erfolgen, aber durch die Personalunion von einer Lehrkraft und der Studienleitung blieb es unvermeidlich, dass Zwischenstände des Evaluationsgeschehens den Fortgang des Unterrichts beeinflussten und damit formative Elemente mit einbrachte. Das Ergebnis der Studie hatte eine Optimierungsfunktion für die angewandten Unterrichtsmethoden nicht nur in den an der Studie beteiligten Klassen, sondern auch in anderen instrumentalpraktisch geführten und bei nicht an der Studie beteiligten Kollegen des Gymnasiums. Neben der Qualitätssteigerung sollte aber auch eine gewisse Legitimation bei Lehrern und Schülern für nichtinstrumentale Elemente im Unterricht geschaffen werden, da einige Bereiche des Musikunterrichts, wie bereits erwähnt, anders nicht abgedeckt werden können.

Erfasst wurden die drei fünften Bläserklassen des Carl-Bosch-Gymnasiums, wobei eine Klasse als Kontrollklasse fungierte und mit den beiden anderen der theoretisch ergänzte Unterricht erprobt wurde. Die Kontrollklasse und eine der Versuchsklassen sind Halbtagsklassen, für die der Unterricht in der Regel spätestens gegen dreizehn Uhr endete, sodass die Schüler maximal sechs Unterrichtsstunden pro Tag hatten, während die zweite Versuchsklasse eine Ganztagsklasse war, die mit Ausnahme des Freitags, an dem nur sechs Unterrichtsstunden stattfanden, immer bis ca. 16 Uhr in der Schule war; also mit einer Mittagspause, Lern- und Spielzeiten zehn Stunden unterrichtet wurde. Die Schüler wurden von zwei Lehrkräften unterrichtet, wobei eine die Kontrollklasse und eine die beiden Versuchsklassen jeweils nur in Musik lehrte. Nach der Erhebung studienrelevanter Ausgangsdaten in der ersten Stunde des gymnasialen Musikunterrichts, fand die Überprüfung des Gelernten für alle Schüler in zwei Tests statt, die in der Mitte und am Ende des Studienzeitraumes angesetzt waren. Der Fragebogen aus dem statistische Werte wie Alter, Geschlecht oder die Größe der Familiengemeinschaft hervorgingen, forderte von den Schülern auch Selbsteinschätzungen zum musikalischen Vorwissen und Angaben zu musikalischer Aktivität der familiären Umgebung. Neben den beiden schriftlichen Tests für alle Schüler fand für eine Auswahl von je sechs Schülern pro Klasse, eine mündliche und instrumentale Überprüfung des Gelernten statt. Die Auswahl der Schüler wurde dabei nach dem Abschneiden im ersten Studientest getroffen, wonach jeweils die drei besten und die drei schwächsten Schüler jeder Klasse zu dem zehn Minuten dauernden strukturierten Gespräch ausgewählt wurden. Eine weitere Bewertung der musikalischen Fähigkeiten der ganzen Klassen wurden mit Hilfe von Aufnahmen im Oberseminar des musikwissenschaftlichen Instituts der Johannes-Gutenberg- Universität in Mainz durch die anwesenden Studierenden und Professoren vorgenommen, die durch das vorherige Einspielen der Aufnahme desselben Stückes einer sechsten Klasse auf das entsprechende Niveau eingestimmt wurden.

Zusätzlich zu den musikalischen Tests wurden auch die Noten der Kernfächer aus den drei Klassen miteinander verglichen, um ein Gesamtleistungsbild der Klassen zu erhalten. Auch die Beobachtung der Klassen sowie der Lern- und Unterrichtsabläufe durch die Lehrkräfte wurde mit einbezogen, da dadurch auch andere Faktoren, wie soziales Verhalten oder individuelle Auffälligkeiten mit berücksichtigt werden konnten, die anders nicht erfasst würden.30

Sollte ein Schüler während der Laufzeit der Studie die Schule oder den Musikunterricht verlassen, scheidet er aus der Studie aus. Die Überprüfungen werden außerdem nur geschrieben, wenn mindestens 90% (N=27) der Schüler pro Klasse anwesend sind. Fehlende SchülerInnen schreiben den Test nicht nach, sondern werden für den betroffenen Test aus der Bewertung genommen.

Alle erhobenen Daten wurden mit der Software SPSS erfasst, anonymisiert und ausgewertet. Indem den Schülern Nummern zugeordnet werden, ist ein Nachvollziehen nicht mehr möglich, sodass nur von einem Vergleich besonderer Schülergruppen gesprochen werden kann.

4.2 Studientests

Die produktorientierten Ergebnisse der Studie wurden durch verschiedene schriftliche und mündliche Erhebungen im Lauf des Musikunterrichts im Studienzeitraum festgehalten. Die Inhalte und Bewertungen dieser Schulleistungstests und der strukturierten Gespräche stellten sich wie folgt dar:

Der erste Fragebogen31 diente ausschließlich der Erhebung wichtiger Confounder, die für die Studie benötigt wurden. Festgestellt wurden neben dem Alter und Geschlecht der Schüler auch die Anzahl und das Alter der Geschwister. Auch die musikalischen Erfahrungen und eine Selbsteinschätzung zur Fähigkeit des Notenlesens durch die Schüler sowie die instrumentalen Fähigkeiten im direkten familiären Umfeld wurden erfragt. Die Noten wurden aus den Schulzeugnissen entnommen und der Migrationshintergrund ergab sich durch das Zusammenrechnen der überwiegend im familiären Umfeld der Schüler gesprochenen Sprache und der Nationalität der Schüler.

Der erste Studientest32 untersuchte verschiedene Bereiche der musikalischen Grundlagen, die zu diesem Zeitpunkt bereits in beiden Unterrichtsformen vorkamen.

In der ersten Aufgabe wurde das bisherige Kennenlernen der Blasinstrumente überprüft, indem die Schüler sechs selbst genannte Instrumente den hohen oder tiefen Instrumenten und als zweiten Teil das Horn zur Instrumentenart Blechblasinstrument zuordnen sollten. Die folgenden beiden Aufgaben beschäftigen sich mit Notenwerten, die von den Schülern bereits im Unterricht erarbeitet und angewendet wurden. In der ersten dieser Aufgaben wurden musikalische Rechenaufgaben gegeben, die die Schüler durch ändern der Notenwerte oder der Rechenzeichen verbessern sollen, während in der dritten Aufgabe des Tests fehlende Notenwerte im Viervierteltakt ergänzt werden sollten. Als letzte Aufgabe unterschieden die Schüler, ob von zwei Tönen in einem Notensystem (Violin- oder Bassschlüssel) der folgende Ton höher, tiefer oder gleich als der voran gegangene Ton klingt. Die drei Bereiche Instrumentenkunde, Rhythmus und Tonhöhen, die dabei von den Schülern bearbeitet wurden, umfassten weitgehend alle zu diesem Zeitpunkt in den Bläserklassen bearbeiteten Unterrichtseinheiten und sollten sowohl von den Schülern ohne als auch von denjenigen mit theoretisch ergänztem Unterricht gelöst werden können.

Der zweite Studientest33 fand am Ende des Studienzeitraums statt und berücksichtigte ebenfalls Bereiche, die aus dem instrumentalen und dem handlungsorientiert ergänzten Unterricht hervorgehen sollten. Kenntnisse über die in der Klasse vorkommenden Instrumente wurden dabei einerseits durch die Zuordnung zu Holz- und Blechblasinstrumenten und die Nennung zweier weiterer Instrumentenarten, andererseits über das skizzenhafte Zeichnen eines Orchestersitzplanes abgefragt. Die Aufgabe zum Thema Rhythmus gestaltete sich aus einem Teil, in dem wie im ersten Test fehlende Noten ergänzt und im zweiten Schritt die jeweiligen Zählzeiten des Taktes notiert werden sollten. Der Bereich der Notennamen stellte den größten Teil des Tests da, wobei hier neben der Zuordnung der Tonnamen und der jeweiligen Griffe der Töne zu den bisher am Instrument kennen gelernten Noten auch das selbstständige Notieren von Noten, die eventuell noch nicht auf dem Instrumenten bekannt waren überprüft wurde. Die überprüften Bereiche, die den im ersten Test abgefragten gleichen, umfassten die im ersten Halbjahr der fünfte Klasse möglichen Themen, wobei mit Rücksicht auf das Nichtvorkommen im rein instrumentalen Unterricht auf geschichtliche Unterrichtseinheiten bewusst verzichtet wurde.

Nach dem letzten Studientest folgte für die Schüler noch ein anonymer Evaluationsbogen,34 in dem der subjektive Eindruck der Schule und der Klasse, sowie des erfahrenen Unterrichts dargestellt wurde. Auch die Zufriedenheit mit dem zugeteilten Instrument und den Stücken sowie das persönliche Empfinden zu Vorspielen und das eigene Übeverhalten wurden erhoben. Abschließend durften die Schüler noch Verbesserungswünsche für den zukünftigen Musikunterricht äußern. Die mündlich-praktischen Überprüfungen35 der sechs ausgewählten Schüler pro Klasse ließ die Schüler zunächst zwei Rhythmen nachklatschen, die alle bis zu diesem Zeitpunkt im Unterricht vorkommenden Notenwerte enthielten. Darauf folgte eine Höhenunterscheidung von zwei nacheinander auf dem Klavier vorgespielten Tönen. Als drittes spielten die Schüler das Volks- und Kinderlied „Der Mond ist aufgegangen“, das den Tonumfang der Schüler von sechs Tönen ausschöpft, vom Blatt und beantworteten abschließend noch zwei Fragen zum Thema „Musik machen“, wobei die erste Momente des Musizierens verlangte und die folgende das persönliche Interesse an Musik und der Bläserklasse zum Inhalt hatte. Die Bewertung der Tests erfolgte mit Punkten, wobei im ersten Test maximal 34 Punkte, die sich mit jeweils acht auf die Aufgaben eins, zwei und vier und zehn für die dritte Aufgabe verteilen. Im zweiten Studientest konnten maximal 55 Punkte erreicht werden, wobei hier in der ersten Aufgabe zwölf, in der zweiten fünfzehn, in der dritten acht, der vierten elf und in der letzten Aufgabe neun Punkte erreicht werden konnten. Der mündlich-praktische Test hatte eine Maximalpunktzahl von zwanzig Punkten. In der ersten Aufgabe dieser Erhebung waren fünf, in der zweiten vier und der letzten drei Punkte möglich. Das richtige Vorspielen wurde mit maximal acht Punkten bewertet, wobei sich hierbei das Einfließen subjektiver Gesichtspunkte in das Bewertungsschema nicht vermeiden lässt. Die persönlichen Anmerkungen im mündlichen Prüfungsgespräch wurden selbstverständlich nicht mit Punkten oder ähnlichem bewertet, sondern nur zur Kenntnis genommen. Die Evaluation der Schüler und die Feststellung der musikalischen Leistungen der Klassen im Oberseminar36 erfolgten nach der Einfachheit halber nach Schulnoten. So wurden Erklärungen gespart, aber es musste mit einer recht ungenauen Einschätzung vorlieb genommen werden.

Die einzelnen Aufgaben wurden vorher erklärt und während der Überprüfungen konnten Verständnisfragen gestellt werden. Somit ist davon auszugehen, dass die Aufgaben von den Schülern verstanden und entsprechend gut bearbeitet wurden. Die Motivation der Schüler, an der Prüfung mit entsprechend guten Leistungen abzuschneiden, verlor sich im Laufe des Halbjahres, da in den Stunden nicht musiziert werden konnte und die Aufgaben sich für einige Schüler schwerer als erwartet gestalteten. Dennoch schrieben alle die Tests mit und kein Schüler weigerte sich. Bei den Prüfungsgesprächen war erstmal die Angst vor Fehlern sehr groß, aber da die Schüler in der Pause im Schulgebäude bleiben durften und sich als etwas Besonderes fühlen konnten, wurden sie weitgehend beneidet. Im Oberseminar fühlten sich nicht alle Teilnehmenden in der Lage, die Klassen zu beurteilen, was die Teilnehmerzahl drastisch minimierte.

4.3 Studienerwartungen

Ein reibungsloser Ablauf der Studie, aus der kein Schüler ausscheiden musste, war in der Studienplanung zu erwarten. Da die Zuteilung der Klassen unabhängig vom Leistungs- oder Persönlichkeitsbild der Schüler erfolgte, sollten in etwa gleiche Klassen entstehen, wobei aus der Erfahrung einiger Kollegen das Leistungsbild der Ganztagsklassen ein wenig schlechter lag. Auch die musikalischen Leistungen, Erfahrungen und die Musik im familiären Umfeld wurden in den Klassen ebenso wie alle weiteren Confounder als normal verteilt angenommen. Als einzige relevante Unterscheidung der Klassen wurden die Unterrichtsmethode und die Lehrkräfte angenommen, was einen unmittelbaren Vergleich möglich machte.

Auf dieser Basis wurde angenommen, dass die Schüler, in deren Musikunterricht theoretische und praktische Elemente vorkamen, in den Erhebungen wesentlich besser als die ausschließlich praktisch unterrichteten Schüler abschnitten. Die instrumentalen Leistungen sollten die gleichen oder im Idealfall sogar bessere Ergebnisse zeigten. Auch zu erwarten war, dass alle Schüler am Ende des Studienzeitraumes in der Lage waren, eine ihren Instrumentalkenntnissen angepasste unbekannte Melodie zu musizieren. Die mindestens instrumental gelernten Noten sollten umgesetzt werden können, was ebenso für entsprechende Rhythmen galt. Die Übertragbarkeit des am Instrument gelernten Wissens wurde bei den Schülern aus den Versuchsklassen höher als bei den Kontrollschülern erwartet, da diese Unterrichtsmethode eine höhere Abstraktionsebene und damit auch eine größere Flexibilität des Wissens zum Ziel hatte.

Die Nullhypothese der Studie meinte, es gäbe keinen Unterschied zwischen Klassen, die zusätzlich zum Bläserklassenunterricht theoretische Unterrichtseinheiten haben, und Klassen mit rein instrumentalem Bläserklassenunterricht. Die Alternativhypothese hielt dagegen, dass ein Unterschied zwischen Klassen, die zusätzlich zum Bläserklassenunterricht theoretische Unterrichtseinheiten haben, und Klassen mit rein instrumentalem Bläserklassenunterricht bestand. Neben der Unterscheidung waren die Auswirkung der Unterrichtsblöcke ohne Instrument auf die musikalischen Grundlagen und die instrumentalen Fähigkeiten der Schüler von Interesse. Auch das Zusammenwirken mit instrumentalen Erfahrungen vor dem Bläserklassenunterricht und der familiären Musikausübung sollten untersucht werden. Inwieweit der Migrationshintergrund oder das Geschlecht sich auf das Abschneiden der Unterrichtsarten auswirkte, sollte ebenfalls betrachtet werden. Die Rahmenbedingungen des Musiklernens sollen durch Einbeziehen der schulischen Leistungen in den Kernfächern abgerundet werden.

Für die einzelnen Aufgaben der Studientests wurden nicht immer sehr gute Ergebnisse erwartet, da vor allem im zweiten Test einige Aufgaben das Leistungsvermögen der Fünftklässler bis an deren Grenzen forderten. Für die ersten Aufgabe des ersten Studientests wurde ein gutes bis sehr gutes Abschneiden aller Schüler erwartet, da die Unterscheidung in hohe und tiefe Instrumente einerseits in der Ausprobierphase immer wieder angesprochen wurde, andererseits beim Erlernen der ersten Töne eine große Rolle spielte. Die rhythmischen Rechenaufgaben sollten sowohl von den Schülern mit musikalischem Vorwissen als auch von denen der Versuchsklassen gut gelöst werden können, während in der Kontrollklasse das Sichtbarwerden der ersten Defizite erwartet wurde. Ebenso sollten in der folgenden Aufgabe die Schüler aus den Versuchsklassen besser als die Schüler der Kontrollklasse abschneiden, da eine Untermauerung der instrumental angewendeten Rhythmen im Viervierteltakt als unumgänglich angesehen wurde. Zur letzten Aufgabe des Studientests, die als eine der einfachsten der Studie angelegt war, sollte es in keiner Klasse größere Probleme geben, da den Schülern der Umgang mit Tonhöhen im Notensystem, falls es nicht vor Beginn des Bläserklassenunterrichts schon vorhanden war, in den ersten instrumentalen Stunden mit Noten verdeutlicht werden sollte.

Für den zweiten Studientest wurden ähnlich gute Ergebnisse erwartet, wobei sich aber die unterschiedlichen Unterrichtskonzepte mit deutlich verschiedenen Ergebnissen voneinander abheben sollten. In der ersten Aufgabe wurde erwartet, dass überwiegend die Schüler, die bereits vor dem Bläserklassenunterricht mit Notentexten vertraut waren und diejenigen, die den handlungsorientiert ergänzten Bläserklassenunterricht besuchten, mit hohen Punktzahlen abschnitten, während die anderen Schüler nur die richtigen Griffe zu den Tönen ordnen konnten. Dieser kleine Abstraktionsschritt zwischen Griff, Notenbild und Notenname sollte ein Kerninhalt der Studie sein und wurde daher in der letzten Aufgabe des Studientests erneut überprüft, wobei hier neben dem Zuordnen der Notennamen erkannt werden sollte, welcher Ton bereits am Instrument gespielt werden konnte und welcher nicht. Da diese Aufgabe für die Schüler recht schwierig war, war das Ziel in der Versuchs- und der Ganztagsklasse in die oberen bis mittleren Punktzahlen zu gelangen, während in der Kontrollklasse mit wenigen bis keinen Punkten gerechnet wurde. In der zweiten Aufgabe des Studientests, die nur eine leichte Erweiterung der dritten Aufgabe des ersten Tests darstellte, sollten wiederum recht gute Ergebnisse erzielt werden, wobei deutliche Unterschiede zwischen Versuchs-, Ganztags- und Kontrollklasse angenommen wurden, die zugunsten der Klassen mit handlungsorientiertem Bläserklassenunterricht ausfallen sollten. Die dritte Aufgabe sollte nach einem halben Jahr Bläserklassenunterricht eine leichte Übung darstellen, da das Unterscheiden von Blech- und Holzbläsern alle Musikstunden bestimmte. Allein im zweiten Aufgabenteil sollten sich die Klassen wiederum unterscheiden, weil Instrumentenarten keinen direkten Eingang in den Unterricht in praktischen Bläserklassen hatten. Alle Klassen sollten auch in der vierten Aufgabe gut abschneiden, da das richtige Hinsetzen in den Klassen ebenso wie die verschiedenen Instrumente zum täglichen Unterrichtsinhalt gehörte. Einzig die Frage der Abstraktion und des Verständnisses der Klassen, warum die im Unterricht gewählte Sitzordnung sinnvoll war, ließt hier Unterschiede erwarten.

Die mündlichen Gespräche mit den aus den drei Klassen ausgewählten Schülern sollten ähnliche Ergebnisse aufweisen. In der ersten Aufgabe, in der Rhythmen möglichst genau nachgeklatscht werden sollten, wurde ein besseres Abschneiden der Versuchs- und der Ganztagsklasse erwartet, da das Nachklatschen bereits im Unterricht trainiert worden war und so die Grobmotorik besser ausgebildet sein sollte.

In der Kontrollklasse wurde dies zugunsten des Musizierens nicht erlernt. Auch das Hören unterschiedlicher Töne spielte im handlungsorientierten Bläserklassenunterricht eine Rolle, was sich positiv auf den Ausgang dieser Aufgabe auswirken sollte. Die instrumentalen Fähigkeiten, die durch das Blattspielen in der dritten Aufgabe festgestellt wurden, sollten in den Klassen ähnlich ausfallen, da die außerinstrumentalen Unterrichtsinhalte keine Verschlechterung des Instrumentalspiels zur Folge haben sollten. Es wurde erwartet, dass die Klassen ungefähr gleichgut abschneiden und nur mit schülerspezifischen Abweichungen zu rechnen war. Beim Nennen der verschiedenen Musiziersituationen sollten wieder die Schüler aus der Ganztags- und der Versuchsklasse weiter vorne liegen, da im Unterricht bereits drüber nachgedacht wurde und eine entsprechende Beantwortung nicht schwer fallen sollte. Bei der Frage nach dem Entscheidungsgrund für den Bläserklassenunterricht wurden einerseits praktisch-örtliche Gründe und andererseits sowohl für die Arbeit der Musikabteilung des Gymnasiums (z.B. Konzerte, Freizeiten, etc.) sprechende, aber auch Interessengründe angenommen.

Bei der Bewertung des Unterrichts durch die Schüler konnten, neben der großen Begeisterung für die Instrumentalpraxis im Musikunterricht, gute Ergebnisse für die Schul- und Klassenzufriedenheit erwartet werden, weil dies bereits in anderen Studien nachgewiesen werden konnte37. Für die theoretischen Bestandteile des Musikunterrichts wurden nur mäßige Ergebnisse erwartet, da die Schüler sehr auf die Instrumente fixiert wurden und damit andere Musikunterrichtsarten schlechter dastehen und, auch wenn sie den Schülern Spaß machten, nicht so gut bewertet wurden. Die Bereitwilligkeit zum Üben und zum Vorspielen sollte sich entgegen der bisherigen Punkte des Evaluationsbogens wiederum zwischen den Unterrichtsstilen deutlich unterscheiden, da das Trainieren und Präsentieren mehr Spaß machen sollte, wenn verstanden wurde, was und wie gespielt wurde. Die entsprechende Belohnung zu erhalten, was einerseits durch gute Noten in der schulischen instrumentalen Bewertung und andererseits durch Vorspiele vor begeistertem Publikum geschehen konnte, sollte in beiden Unterrichtsarten deutlich werden, aber in der handlungsorientierten Unterrichtweise sollte das Vorspielen ein Selbstverständnis und kein Muss sein. Damit wurde grundsätzlich das beste Abschneiden der Versuchsklasse, direkt gefolgt von der Ganztagsklasse erwartet, während die Kontrollklasse in den meisten Aufgaben hinten ansteht.

Schüler mit Migrationshintergrund sollten in der Ganztags- und der Versuchsklasse besser als diejenigen in der Kontrollklasse abschneiden. Neben dem monotonen und didaktisch einheitlichen Unterricht wurden andere Handlungsräume und Verständnislösungen geöffnet, die das Verständnis erleichtern und verbessern sollten. Besonders für Schüler, die zwischen Kulturen wechselten, sollte so ein effektives Lernen möglich werden.

Von Schülern, die vor dem Bläserklassenunterricht noch keine Instrumentalerfahrungen sammeln konnten und in deren Familie keiner musizierte, wurde mit den außerinstrumentalen Ergänzungen ein besseres Abschneiden erwartet. Da bei diesen Schülern nicht nur die Erfahrungen fehlten, sondern auch noch keine Notwendigkeit bestand, Noten zu lesen oder sich über Musik Gedanken zu machen, sollte mit den theoretischen Ergänzungen ein Aufholen zu Kindern mit instrumentalen Erfahrungen möglich sein. Die Testergebnisse von den Schülern der Kontrollklasse ohne musikalische Erfahrungen ließen gleich bleibend niedrige Punktzahlen erwarten und ebenso wie schwächere instrumentale Leistungen anzunehmen waren.

Auch das Verhältnis von schulischen Leistungen zur musikalischen Entwicklung der Schüler sollte zwischen dem ausschließlich praktischen und dem gemischten Unterricht einen deutlichen Unterschied erkennen lassen, da die Vielfältigkeit der Methoden mehr Schüler ansprechen sollte.

Neben den besseren Ergebnissen des handlungsorientierten Bläserklassenunterrichts sollen auch die Chancen für problematische Schülergruppen aufgezeigt werden.

[...]


1 „BeGyS“ steht als Abkürzung für „Begabtenförderung an Gymnasien mit Verkürzung der Schulzeit“, wobei die gymnasiale Schulzeit um ein Schuljahr in der Mittelstufe verringert wird.

2 Im weiteren Verlauf der Arbeit wird aus Gründen der leichteren Lesbarkeit der männliche Terminus für beide Geschlechter verwendet, falls es nicht ausdrücklich anders geschrieben ist.

3 Durch die gegenseitige Rücksichtnahme der Schüler untereinander und das gemeinsame Ziel, ein gut klingendes Stück zu spielen, geht es im Unterricht nicht nur darum besser zu sein, sondern die Schüler lernen gemeinsame Ziele zu setzen und einander unterstützend zu erreichen.

4 Vgl. Lehrplan Musik Rheinland-Pfalz, Sek. I

5 H.-U. Schäfer-Lembeck (2005), Seite 25

6 H.-U. Schäfer-Lembeck (2005), S. 36

7 H.-U. Schäfer-Lembeck (2005), S.36ff

8 H.-U. Schäfer-Lembeck (2005), S.95ff

9 H.-U. Schäfer-Lembeck (2005), S. 97

10 Siehe dazu beispielsweise die Arbeiten von J. Bahr (2005) oder N. Grüneberg (2008)

11 Der Studienbericht ist nachzulesen in: Robert A. Cutietta, Peter A. McAllister: (1997), S. 282-294

12 Der Bericht zur Studie findet sich in: C. Adderley, M. Kennedy, W. Berz: (2003), S. 190-205 8

13 Aus der „Informationsbroschüre für musikalisch interessierte Kinder der vierten Klasse und deren Eltern“, die seit mehreren Jahren der Information über die Bläserklassen beispielsweise am Tag der offenen Tür verwendet wird. Vgl. 8.6.1

14 Vgl. Lehrplan Musik Rheinland-Pfalz, Sek. I

15 Da bereits seit vielen Jahren der Kontakt zwischen der Schule bzw. der Musikabteilung des Gymnasiums und der Verfasserin besteht, werden hier viele Fakten erwähnt, die durch die Mitarbeit in der Abteilung im Laufe der Jahre zusammengetragen wurden und daher nicht mit einer genauen Quelle belegt werden können.

16 Die Ausnahme von Oboe und Fagott wurde unter 2.1 bereits erwähnt. 12

17 Da die Instrumentalschule unisono startet, finden sich aufgrund besserer Übersichtlichkeit nur einige Beispiele aus dem Schülerheft für Querflöte im Anhang 8.3.1.

18 Die Rhythmusübungen wurden nach Ideen von Prof. Dr. L. Dreyer zum Erarbeiten von Rhythmusgefühl im Rahmen einer Gruppenimprovisation durchgeführt, während als Grundlage der stimmlichen und der atemtechnischen Schulung K. Hofbauer (1987) gewählt wurde.

19 Dieses sowie ein weiteres Beispielarbeitsblatt finden sich im Anhang 8.2.1. 16

20 Vgl. Anhang 8.6.2

21 Vgl. Anhang 8.2.2.

Bild 3.2.1 A

können. Die in der Grafik (Bild 3.2.1

22 Viele der Eltern können sich zwar unter den bekannteren Instrumenten wie Trompete oder Querflöte etwas vorstellen, aber bereits der Unterschied zwischen Klarinette, Oboe und Fagott ist schwierig und auch Horn, Tuba oder gar Tenorhorn sind den vielen Erziehungsberechtigten nicht einmal vom Namen her bekannt, sodass hier eine Unterstützung nötig ist.

23 Leider wählten nicht alle Schüler Blasinstrumente, sondern Beispielsweise Gitarre oder Schlagzeug, sodass diese Schülergruppe unter „anderes“ gewähltes Instrument zusammengefasst werden musste.

24 Die Überzahl der Klarinettenwahlen kommt auch durch das Zusammenfassen von Klarinette und Bassklarinette zustande.

25 Repräsentativ für alle angegebenen Instrumentenwünsche steht hier nur die Erstwahl, die weiteren finden sich unter 8.5.1. Das dominante Instrumente der zweit und Drittwahl ist die Trompete. Die überzahl der Klarinettenwahlen kommt auch durch das Zusammenfassen von Klarinette und Bassklarinette zustande.

26 Mit der Papageienmethode ist das Vormachen durch die Lehrkraft und das Nachahmen der Schüler 21

27 Auszüge zu erwähnten Stellen finden sich im Anhang 8.3.2 22

28 Das Erarbeiten eines neuen Stückes geht meistens denselben, frontal gesteuerten Weg, bei dem die Musik den Schülern durch häufiges Spielen, Wiederholen, langsames Üben und Trainieren an schwierigen Stellen aufgezwungen wird, aber kein Verständnis und nur eine begrenzte Möglichkeit des Übertragens auf ein weiteres Werk geschaffen wird.

29 Eine kleine Fremdevaluation kommt im Angesicht der Bewertung der musikalischen Leistungen der Schüler in Betracht, wobei hier die Einschränkung, dass die Evaluierenden nicht direkt mit der Materie des (Bläserklassen-) Unterricht vertraut sind, diese schwierig einzubeziehen macht.

30 Hierzu fanden einige Gespräche während der Unterrichtstage mit der Lehrkraft der Kontrollklasse statt, die allerdings aufgrund des meist spontanen Zusammentreffens nicht dokumentiert wurden.

31 Ein Blankoexemplar des Fragebogens findet sich im Anhang 8.4.1

32 Ein Blankoexemplar des ersten Studientests findet sich im Anhang 8.4.2 28

33 Ein Blankoexemplar des zweiten Studientests findet sich im Anhang 8.4.3

34 Ein Blankoexemplar des Bewertungsbogens findet sich im Anhang 8.4.4

35 Ein Blankoexemplar des Lehrerblattes findet sich im Anhang 8.4.5

36 Die verwendete Bewertungshilfe für die Teilnehmer des Oberseminars findet sich unter 8.4.6 30

37 Vgl. Einleitung 2.2

Ende der Leseprobe aus 261 Seiten

Details

Titel
Musiktheoretische Grundlagen in der Bläserklasse?
Untertitel
Eine Studie zu unterschiedlichen Unterrichtskonzepten
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Musikdidaktik)
Note
1,7
Autor
Jahr
2009
Seiten
261
Katalognummer
V145924
ISBN (eBook)
9783640584758
ISBN (Buch)
9783640584666
Dateigröße
4553 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Studie, Bläserklassen, CBG, Ludwigshafen, Carl-Bosch-Gymnasium, Musik, Unterricht, Musikunterricht, Musiktheorie, Musikpraxis, Bläserklassen am CBG
Arbeit zitieren
Britta Kreisel (Autor:in), 2009, Musiktheoretische Grundlagen in der Bläserklasse?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/145924

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