Pancho Barnes. Amerikas erste Stuntpilotin


Libro Especializado, 2010

61 Páginas


Extracto


Pancho Barnes (1901-1975) gewidmet

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Thaddeus Sobieski Coulincort Lowe (1832-1913),

Großvater von Pancho Barnes,

Foto: Library of Congress, Prints and Photographs Division,

Brady-Handy Photograph Collection, Washington

(digital ID cwpbh.04811),

Urheber: Mathew Brady (1823-1896) und

Levin Corbin Handy (1855-1932)

Die erste amerikanische Stuntpilotin war die Fliegerin Flo- rence „Pancho“ Barnes (1901-1975), geborene Florence Leontine Lowe. In der goldenen Zeit der Fliegerei in den USA genoss sie einen glänzenden Ruf als Pilotin. Nicht wenige Amerikaner betrachten sie als eine der wichtigsten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts.

Florence Leontine Lowe wurde am 29. Juli 1901 in San Mario (Kalifornien) geboren. Ihr Vater war Thaddeus Lowe II (1870- 1955), ihre Mutter hieß Florence Max (Dobbins) Lowe. Ihr Großvater Thaddeus Sobieski Coulincort Lowe (1832-1913) hatte sich während des Amerikanischen Bürgerkrieges (1861- 1865) mit der Gründung des „Union Army Balloon Corps“ hervorgetan. Das Corps war die erste militärische Luftwaffen- einheit.

Die Lowes waren eine wohlhabende Familie in Pasadena (Kalifonien). Florence sollte zu einer Dame der Gesellschaft erzogen werden, entwickelte sich aber immer mehr zu einem regelrechten Wildfang. Sie war ein sehr sportliches Mädchen, das gerne jagte, campte, angelte und ritt, was ihr alles vom Vater beigebracht wurde.

1919 heiratete die lebhafte 18-jährige Florence Leontine Lowe den Reverend C. Rankin Barnes aus South Pasadena. Aus der Ehe ging der Sohn William E. Barnes hervor. Das ruhige Leben als Ehefrau eines Geistlichen behagte Florence nicht beson- ders. Nach dem Tod ihrer Mutter 1924, welche die Ehe mit dem Reverend sehr befürwortet hatte, und einer Erbschaft führte Florence ab 1928 wieder ihr extravagantes und eigen- sinniges Leben, was später (1941) zur Scheidung führte.

Florence verließ 1928 Ehemann und Kind und versteckte sich als Mann verkleidet auf einem Frachtschiff, das nach Mexiko fuhr. In San Blas (Mexiko) verließ sie mit einem Besatzungs- mitglied das Frachtschiff. Mit diesem Mann zog sie auf dem Rücken eines Esels durch Mexiko. Ihr damaliger Gefährte nannte sie „Pancho“. Dabei unterlief ihm allerdings ein kleiner Irrtum, denn die entsprechende Person in der Novelle „Don Quichote“, an die er sich erinnert fühlte, hieß „Sancho Pansa“. Trotzdem behielt sie den Spitznamen „Pancho“ ihr Leben lang. Nach einigen Monaten auf den Straßen von Mexiko kehrte Pancho Barnes 1928 nach San Mario zurück.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Amelia Earhart (1897-1937),

Foto: Library of Congress,

Prints and Photographs Division, Washington

(Reproduction Number: LC-USZ62-112514)

Im Frühling 1928 lernte Pancho Barnes von ihrem Cousin Dean Banks das Fliegen. Nach sechs Stunden Unterricht hob sie noch am ersten Übungstag in die Luft ab. Als sie Pilotin wurde, gab es in den USA nur etwa zwei Dutzend Fliegerinnen. Bald flog sie so gut, dass sie sich an Wettbewerben betei- ligte.

Beim legendären „Powder-Puff-Derby“ vom 18. bis 26. August 1929 von Santa Monica (Kalifornien) nach Cleveland (Ohio) hatte Pancho Barnes noch Pech und stürzte ab. Als „Powder- Puff-Derby“ hat man das erste „Cleveland Women’s Air Derby“, den ersten Überlandflug-Wettbewerb für Pilotinnen, bezeichnet. Der Start erfolgte in Santa Monica (Kalifornien), Ziel war Cleveland (Ohio). Die gesamte Flugstrecke betrug mehr als 2.700 Meilen (rund 4.500 Kilometer). Insgesamt gingen 20 Pilotinnen an den Start, von denen 18 aus den USA stammten: Florence („Pancho“) Barnes, Marvel Crosson, Amelia Earhart, Ruth Elder, Claire Fahy, Edith Foltz, Mary Haizlip, Jessie Keith-Miller (Australien), Opal Kunz, Ruth Nichols, Blanche Noyes, Gladys O’Donnell, Phoebe Omlie, Neva Paris, Margaret Penny, Thea Rasche (Deutschland), Louise Thaden, Bobbi Trout, Mary von Mach und Vera Dawn Walker. Davon erreichten 13 Frauen das Ziel. Siegerin wurde die amerikanische Pilotin Louise Thaden (1905-1979). Den scherzhaften Begriff „Powder-Puff-Derby“ („Puderquastenrennen“) hat der Komiker Will Rogers (1879-1935) geprägt. Er beruht auf dem Kosmetik-Utensil, mit dem sich die Pilotinnen nach den Landungen puderten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Howard Hughes (1905-1976),

Foto: Library of Congress,

Prints and Photographs Division, Washington

(Reproduction Number: LC-USZ62-63333)

Bei einem anderen Wettbewerb am 4. August 1930, bei dem die „Union Oil Company“ ihr Sponsor war, hatte Pancho Bar- nes mehr Glück als beim „Powder-Puff-Derby“ und gewann. Dabei brach sie mit ihrem Flugzeug „Mystery Ship“ mit 315,7 Stundenkilometern den Geschwindigkeitsrekord der legen- dären amerikanischen Fliegerin Amelia Earhart (1897-1937). Damals bezeichnete man Pancho als „schnellste Frau der Welt“. Diesen respektvollen Titel erkämpften sich später mit immer höheren Geschwindigkeiten auch andere Pilotinnen. In der Folgezeit arbeitete Pancho Barnes als erste amerikani- sche Stuntpilotin in großartigen Stumm- und Tonfilmen. Oft erwähnt wird ihre Rolle als Stuntpilotin in dem Film „Hell’s Angels“ („Höllenflieger“) des legendenumwobenen amerika- nischen Industriellen, Filmproduzenten und Erfinders Howard Hughes (1905-1976). Dieser Streifen schildert die Abenteuer von Flugpionieren des „Royal Flying Corps“ im Ersten Welt- krieg (1914-1918) und hatte am 27. Mai 1930 Premiere in Los Angeles.

Für die Flugszenen dieses Films wurden ehemalige Kampfpiloten verpflichtet, die sich nach drei Todesfällen weigerten, die von Hughes geplante Schlussszene zu drehen. Aus diesem Grund übernahm Hughes diese Aufgabe selbst, verunglückte dabei, erlitt aber nur leichte Verletzungen. Der Film „Hell’s Angels“ beeindruckt weniger durch seine Handlung als durch die perfekten Luftaufnahmen.

Der mit einem angeborenen Hörleiden (Otosklerose) zur Welt gekommene Hughes war bereits im Alter von 18 Jahren Vollwaise, vorzeitig für volljährig erklärt und Haupterbe der „Hughes Tool Company“ geworden. Seine florierende und sehr einträgliche Firma hatte ein Monopol auf Erdöl-Bohr- köpfe. Freunde wunderten sich schon in den 1930-er Jahren über die ungewöhnliche Vorliebe von Hughes für ein be- stimmtes Erbsengemüse. Dieses Gemüse sortierte er mit einem speziellen Besteck nach der Größe der einzelnen Erbsen, be- vor er es verzehrte. Wegen seiner fast unerträglichen Pedanterie wurde er zum Schrecken für Filmemacher. Als Produzent schickte er beispielsweise dem amerikanischen Regisseur Richard Fleischer (1916-2006) seitenlange Memos. Fleischer wunderte sich später darüber, wie die Filme trotz des ständi- gen Eingreifens von Hughes überhaupt fertig werden konnten. Nicht mehr gänzlich erholt hat sich Hughes von seinem schweren Fliegerunfall bei einem Testflug im Juli 1946. Es wird spekuliert, aus seiner Schmerztherapie könne sich eine Medikamentenabhängigkeit zu Codein und Valium entwickelt haben. Mitte der 1950-er Jahre zog sich Hughes immer mehr aus der Öffentlichkeit zurück. Fortan duldete er nur noch einen kleinen Stab von Mormonen, die bizarre Rituale einhielten, um sich. Zum Beispiel mussten sieben Mormonen jeden Ge- genstand, den Hughes anfassen wollte, mit Papiertüchern ab- decken. Vielleicht hatte er eine paranoide Angst vor Bakterien entwickelt, die auf seinen vermuteten Drogenkonsum seit seinem Fliegerunfall zurückgeführt wird, der sein Wesen merklich verändert haben soll. 1947 schloss sich Hughes vier Monate lang in einen Kinosaal ein und sah dort nonstop Filme an. Dabei war er umgeben von Schachteln voller Papierta- schentücher. Anweisungen gab er meistens nur noch schrift- lich. Niemand durfte ihn ansprechen. Irgendwann hörte Hughes auf, sich zu waschen. Auch seine Haare und seine Nägel wurden wochenlang nicht mehr geschnitten. Von 1966 bis 1970 verließ Hugh seine gemieteten Räume im „Desert Inn Hotel“ in Las Vegas nicht mehr. 1968 soll er den Film „Eisstation Zebra“ zwischen 100- bis 150-mal gesehen haben. Als Hughes 1976 im Flugzeug über Texas an Nierenver- sagen starb, war er bei 1,93 Metern Körpergröße bis auf 46 Kilogramm abgemagert und verwahrlost. Seine Finger waren mit Zellophan umwickelt.

Pancho Barnes hatte gute Kontakte zur Filmwelt in Holly- wood. Ihr enger Freund George Hurrell (1904-1992) beispielsweise arbeitete als Leiter für Porträtfotos bei den Studios von „Metro Goldwyn Mayer“ („MGM“). Ihn hatte sie zunächst nur engagiert, damit er ein Foto von ihr für ihre Pilotenlizenz anfertigen sollte. Aber Hurrell machte auch weiterhin gern Fotos von ihr, besonders jene, die sie glamourös aussehen ließen. Pancho hat Hurrell in seiner Anfangszeit als Fotograf gefördert und bei vielen Freunden in Hollywood empfohlen. Ein weiterer guter Freund von Pancho war der mexikanisch-amerikanische Schauspieler Ramón Novarro (1899-1968), der erste Latino-Superstar des amerikanischen Films. Sie schloss schnell Freundschaften mit berühmten Filmstars.

Von Zeitgenossen wurde Pancho Barnes wegen ihrer Indivi- dualität, ihrer Kreativität, ihrem Unternehmungsgeist und wegen ihres Humors sehr geschätzt. Ihr Lebensmotto hieß sinngemäß: „Wenn Sie die Wahl haben, wählen Sie das Glück“.

Die clevere Pancho Barnes gründete im September 1931 zusammen mit anderen Piloten eine der ersten Gewerkschaften in Hollywood. Diese erhielt den Namen „Associated Motion Picture Pilots“ („AMPP“) und existiert heute noch.

Während der „Großen Depression“, der schweren Wirt- schaftskrise in den USA, die am 24. Oktober 1929 begann und die 1930-er Jahre dominierte, sowie wegen Streitigkeiten mit ihrer Familie verlor Pancho Barnes viel Geld. Im März 1935 verkaufte sie ihr Apartment in Hollywood und erwarb noch im selben Jahr 32 Hektar Land in der Mojave-Wüste im Antelope Valley in Südkalifornien. Dort gründete sie den „Happy Bottom Riding Club“ - auch bekannt als „Rancho Oro Verde Fly-Inn Dude Ranch“. Außer ihrer 380 Hektar großen Ranch betrieb Pancho auch eine florierende Rinder- und Schweinezucht. Unweit ihres Clubs entstand ein Flugplatz (Air Base), wo bald frühere Testpiloten arbeiteten, die Pancho gut kannte.

Mitglieder des noblen „Happy Bottom Riding Club“ konnten mit dem eigenen Flugzeug auf dessen Landebahn an- und abreisen, im Rodeo-Stadion reiten, in einem großen Pool schwimmen, in der Dance Hall tanzen sowie im Restaurant beste Steaks essen und an der Bar trinken. Dem Club traten mehr als 9.000 Mitglieder bei. Gäste des Clubs waren Politiker, hohe Militärs, Schauspieler und Schauspielerinnen, die gerne das Leben genossen.

1940 gründete Pancho Barnes die Firma „Barnes Aviation of Lancaster“. Dieses Unternehmen wurde später von ihrem erwachsenen Sohn Bill geführt. 1941 wurde die erste Ehe von Pancho mit dem Geistlichen C. Rankin Barnes geschieden. Pancho war danach noch dreimal verheiratet.

Wegen zunehmender Flüge auf der Air Base und der Landebahn des „Happy Bottom Riding Club“ gab es ab 1952 ständig Konflikte. Pancho weigerte sich, ihr Land an die Regierung zu verkaufen, um der Air Base eine Verlängerung der Start- und Landebahn zu ermöglichen. Es wurde sogar behauptet, der Club sei ein Bordell, obwohl die Bestimmungen Panchos für das weibliche Personal streng waren. Schließlich verbot die Air Base den Soldaten den Besuch des Clubs. Am 13. November 1953 brannten Club und Ranch nach einem mysteriösen Feuer nieder. Reste dieses Clubs kann man heute noch nahe der „Edwards Air Force Base“ in Kalifornien sehen.

Pancho war so empört über die Zerstörung ihres Clubs bzw. ihrer Ranch, dass sie an einem anderen Standort einen Neuanfang plante. Ein neuer Club bzw. eine neue Ranch sollte in Cantil (Kalifornien) entstehen. Weil sie sich von ihrem Grund und Boden bei der „Edwards Air Force Base“ vertrieben fühlte, reichte sie eine Klage vor Gericht ein und erhielt 375.000 Dollar Entschädigung. Ihre Verteidigung hatte unter anderem darauf hingewiesen, dass Panchos Großvater die „United States Air Force“ gegründet hat. Nach dieser für sie günstigen Entscheidung galt Pancho bald wieder als „Mutter der Edwards Air Force Base“ und bald heilten alle Wunden dieses Streites.

Pancho Barnes war beim alljährlichen „Antelope Valley Aero Museum’s annual Barnstormers Reunion“ am 5. April 1975 als Hauptrednerin vorgesehen. Doch als ein Freund bei ihr am 30. März 1975 anrief, konnte er sie nicht erreichen. Ihr Sohn Bill fand sie tot in ihrem Haus. Der Leichenbeschauer stellte fest, dass Pancho Barnes einige Tage früher einem Herzinfarkt erlegen war.

Panchos vierter Ehemann „Mac“ McKendry lebte nach dem Tod seiner Frau noch viele Jahre in Cantil. Ihr Sohn Bill verlor im Oktober 1980 nahe des „Happy Bottom Riding Club“ bei der Erprobung eines „P51 Mustang“ sein Leben. Seit 1980 gibt es alljährlich einen „Edwards Air Force Base Pancho Barnes Day“, bei dem gegrillt, gegessen, getrunken, musiziert und getanzt wird.

Das „Pancho Barnes Trust Estate Archiv“ bewahrt zahlreiche Fotos, Negative, Filme, Tonaufnahmen, Briefe und Dokumente auf, die das Leben dieser ungewöhnlichen Frau dokumentieren. Ihr Leben lieferte Stoff für den Film „The Right Stuff“ (1983) von Tom Wolfe. Darin wurde Pancho Barnes von Kim Stanley (1925-2001) sympathisch dargestellt. 2003 ehrte „Women in Aviation International“ sie als eine der 100 wichtigsten Frauen in der Luftfahrt.

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Final del extracto de 61 páginas

Detalles

Título
Pancho Barnes. Amerikas erste Stuntpilotin
Autor
Año
2010
Páginas
61
No. de catálogo
V145971
ISBN (Ebook)
9783640571468
ISBN (Libro)
9783656258162
Tamaño de fichero
1907 KB
Idioma
Alemán
Notas
Palabras clave
Pancho Barnes, Ernst Probst, Fliegerin, Pilotin, Fliegerinnen, Pilotinnen, Stuntpilotin, Stuntpilotinnen, Luftfahrt, Frauenbiografien, Biografien, Kurzbiografien
Citar trabajo
Ernst Probst (Autor), 2010, Pancho Barnes. Amerikas erste Stuntpilotin, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/145971

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