Die Bedeutung der Glücksforschung für die Soziale Arbeit

Eine Untersuchung am Beispiel der Bewältigung von Arbeitslosigkeit


Thèse de Bachelor, 2010

190 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1 Einleitung

2 Wesentliche Theorien und Stand der Arbeitslosenforschung
2.1 Definition und Bedeutung von Arbeit und Erwerbsarbeit
2.1.1 Definition von Arbeit und Erwerbsarbeit
2.1.2 Subjektive Bedeutung der Erwerbsarbeit
2.2 Definition von Erwerbslosigkeit und Langzeitarbeitslosigkeit
2.3 Subjektive Bedeutung der Erwerbslosigkeit und Langzeitarbeitslosigkeit
2.3.1 Unbefriedigte Bedürfnisse durch Mangel an Erlebniskategorien
2.3.2 Reaktionsmöglichkeiten auf die Erlebnisleere
2.3.3 Haltungstypen, Phasenmodelle und Verlaufsmuster in der Erwerbs-losigkeit
2.3.4 Stigmatisierung und Distanzierung
2.3.5 Distanzierung als Abwehrreaktion auf Stigmatisierung
2.3.6 Erwerbslosigkeit in der Familie: Rollenverständnis, Territorien, Kinder und Geschlecht
2.3.7 Erwerbslosigkeit und gesundheitliche Folgen
2.3.8 Erwerbslosigkeit und Identität
2.3.9 Fazit: zahlreiche notwendige Veränderungen durch Erwerbslosigkeit

3 Wesentliche Theorien und Stand der Glücksforschung in Bezug auf Erwerbslosigkeit
3.1 Glücksforschung und Glück - Einordnung und Definitionen
3.1.1 Definition und Einordnung der Glücksforschung
3.1.2 Definition und Messung von ‚Glück‘
3.2 Strukturmodell, Haupttheorien und –befunde zum subjektiven Wohlbefinden
3.2.1 Affektives Wohlbefinden: Positive und negative Affekte
3.2.2 Kognitives Wohlbefinden: Lebenszufriedenheit und Lebensbereichs-zufriedenheit
3.2.3 Subjektives Wohlbefinden und Persönlichkeit – Extraversion und Neurotizismus
3.2.4 Kognitives Wohlbefinden – Aufwärts-, Abwärtsvergleiche und soziale Norm
3.2.5 ‚Happiness Set Point‘ und ‚Hedonic Adaption‘
3.3 Steigerung des subjektiven Wohlbefindens – Coping by happiness?
3.3.1 Sustainable Happiness Model
3.3.2 Studien mit gezielten glückssteigernden Aktivitäten
3.3.3 Optimismus und positive Illusionen
3.3.4 Stimmungsinduktion
3.3.5 Freunde, Computer und Fernsehen
3.3.6 Soziales Engagement, aktive Freizeitgestaltung und Sport
3.3.7 Therapieziel Glück
3.3.8 Humor
3.3.9 Erwerbslosigkeit und Glück – möglicher Nutzen
3.3.10 Zusammenfassung ‚happy coping‘

4 Bedeutung der Glücksforschung für die Soziale Arbeit
4.1 Bedeutung der Glücksforschung für die Klienten
4.1.1 Ausschlussgründe und Hindernisse
4.1.2 Bedingungen für die intrinsische Motivation
4.1.3 ‚Happy coping‘ vs. soziale Arbeitsnorm
4.2 Bedeutung der Glücksforschung für die Praxis der Sozialen Arbeit
4.2.1 Erstes Beispiel: Glücksbezogene Beratung von Klienten
4.2.2 Zweites Beispiel: Glücksbezogenes Empowerment
4.2.3 Drittes Beispiel: Glücksbezug bei Sozialarbeitern
4.3 Bedeutung der Glücksforschung und Positiven Psychologie für die Soziale Arbeit als Profession
4.3.1 Glück als erweiterter Wissenschaftsbezug der Sozialen Arbeit
4.3.2 Glück als berufsethische Herausforderung
4.4 Zusammenfassung: Bedeutung der Glücksforschung und Positiven Psychologie für die Soziale Arbeit

5 Internetbefragung zum Thema ‚Erwerbslosigkeit und Glück‘
5.1 Entwurf des Fragebogens
5.2 Durchführung der Befragung
5.3 Auswertung der Befragung
5.3.1 Erwerbslosigkeit und maximale Lebenszufriedenheit
5.3.2 Deskriptive Datenanalyse
5.3.3 Kritische Beurteilung der Gültigkeit der Daten
5.3.4 Ergebnisse
5.4 Zusammenfassung und Interpretation der Studie

6 Fazit

7 Ausblick: Positiv in die Zukunft

8 Quellenverzeichnis

9 Anhänge
Anhang 2-1: Mangel an Erfahrungen in verschiedenen Erlebniskategorien
Anhang 2-2: Reaktionsmöglichkeiten auf Erlebnisleere
Anhang 2-3: Stigmatisierung durch Sozialpolitik und Behördenalltag
Anhang 3-1: Definition und Selbstverständnis der Positiven Psychologie
Anhang 3-2: Erwerbslosenwitze aus dem österreichischen Arbeitslosenforum
Anhang 5-1: Fragebogen in Printform
Anhang 5-2: Understanding scores on the SWLS
Anhang 5-3: Fragebogen zu Selbstwirksamkeit-Optimismus-Pessimismus Kurzform (SWOP-K9)
Anhang 5-4: Freundschaftsbezogene Items als modifizierende Ergänzung zum SWOP-K9
Anhang 5-5: Begründungen für die Ablehnung von Internetbefragungen in Erwerbs-losenforen
Anhang 5-6: Liste der unterstützenden Foren und Forumsbeitrag
Anhang 5-7: Teilnehmerfeld mit individuell sehr unterschiedlichen objektiven Lebensumständen
Anhang 5-8: Glück und Lebenszufriedenheit
Anhang 5-9: Stellenbewertung, Stellenwahl und Solidarität
Anhang 5-10: Korrelationsanalyse

10 Abkürzungen

11 Erklärung / Versicherung

Vorwort

„Jeder ist seines Glückes Schmied.“

(Appius Claudius Caecus)

„Auf das Glück darf man nicht warten, man muss daran arbeiten.“

(Volksweisheit)

„Tätigkeit bringt vielleicht nicht immer Glück, aber es gibt kein Glück ohne Tätigkeit.“

(Benjamin Disraeli)

„Always look on the bright side of life.“

(Abschlusslied aus Monty Python’s Life of Brian)

Über das Glück gibt es viele Sprüche und unzählige Ansichten. Offensichtlich möchte jeder Mensch Glück erleben – und wer ist schon freiwillig unglücklich?

Die Frage nach dem Glück hat mich in den letzten zwei Jahren intensiv beschäftigt und weitere Fragen aufgeworfen:

a) Welche Gültigkeit besitzen all diese Meinungen und Weisheiten?

b) Wenn einerseits Glück das Leben lebenswert erscheinen lässt und andererseits Erwerbsarbeit notwendig für die Existenzsicherung ist, welche Bedeutung hat dann Glück am Arbeitsplatz?

c) Wenn Menschen keinen Arbeitsplatz haben und erwerbslos sind, welche Bedeutung hat dann Glück im Leben?

Auslöser für diese Fragen waren sehr unterschiedliche Erlebnisse:

- Wachsende ökologische und soziale Probleme und der subjektive Eindruck einer zunehmenden politischen Hilflosigkeit,
- die Finanzkrise mit der steigenden Erwerbslosigkeit und Armut,
- die enormen Belastungen und teilweise dramatischen Folgen für ein Familiensystem, wenn hauptverdienende Väter ihre Erwerbsarbeit verlieren,
- die Erfahrung weniger, dass Erwerbslosigkeit nicht nur deprimierend ist, sondern auch positive Seiten haben kann: ‚Die Krise als Chance‘,
- das Leiden, das durch anhaltend hohe psychische Belastungen am Arbeitsplatz entsteht,
- der subtile und zugleich mächtige Anpassungdruck, der von sozialen Normen ausgeht,
- der Boom, den die Glückspsychologie gegenwärtig in Deutschland erfährt.

Je intensiver ich diesen Fragen und Erfahrungen nachging, desto stärker wurde der Eindruck, dass all diese Aspekte auf verschiedenen Ebenen miteinander in Wechselwirkung stehen. Trotz beunruhigender Entwicklungen und Prognosen verfestigte sich die Hoffnung zu einem Verständnis, dass es in diesem komplexen Wirkungsgefüge entscheidende Ansatzpunkte dafür geben muss, dass das Krisengefüge zugleich auch ein Chancengefüge sein kann. Die Beobachtung gegenwärtiger Tendenzen führt zu folgenden Annahmen:

1. Wenn es in einer Krise tatsächlich Chancen gibt, dann lassen sie sich nur mit einer positiven Orientierung finden, d. h. die störungszentrierte Frage ‚Wie kann ich Schaden abwenden oder vermeiden?‘ muss mit der zielorientierten Perspektive ‚Wie will ich bzw. wollen wir eigentlich leben?‘ kombiniert werden.
2. Wenn aber die meisten Menschen glücklich leben wollen, dann wäre als nächstes zu klären: ‚Was genau ist denn Glück, und welche Strategien führen dorthin und zugleich aus dem Problem heraus?‘
3. Wenn die Politik beim Lösen zentraler sozialer Probleme weitestgehend hilflos sein sollte, weil vielleicht ihre Distanz zu den Problemlagen und Lebenswelten vieler Menschen eine verzerrte Wahrnehmung begünstigt oder weil vielleicht Machtverhältnisse ihre Handlungsspielräume einschränken, dann sollte den Betroffenen, den Mitbetroffenen, den professionell Helfenden sowie den wissenschaftlich Forschenden mehr Aufmerksamkeit geschenkt und eine größere Bedeutung zugesprochen werden, weil sie letztlich die Experten der Problemlage sind und als solche fähig sind, Chancen zu entdecken.

Entsprechend obiger Annahmen führe ich in dieser Arbeit drei Themenkomplexe zusammen:

a) die Erwerbslosigkeit als ein Beispiel für ein zentrales und zugleich umfassendes individuelles und gesellschaftliches Problem,
b) die allgemeine auf ‚Glück‘ bezogene Psychologie und die problemspezifische Glücksforschung,
c) die Soziale Arbeit als Profession zur Lösung sozialer Probleme und als Akteur sozialen Wandels.

In dieser Trias nimmt meiner Meinung nach die Soziale Arbeit die Schlüsselrolle ein, weil sie sich ‚einmischt‘, weil sie auf unterschiedlichen Ebenen organisiert und aktiv ist, weil sie wissenschaftlich arbeitet und auch eigenständig forscht und weil sie in den unterschiedlichsten Bereichen der Gesellschaft tätig ist, um Probleme zu lösen, um sie erst gar nicht entstehen zu lassen und um in Krisen Ansatzpunkte für einen sozialen Wandel zu entdecken.

Die Bearbeitung der Frage ‚Wie nützlich und sinnvoll ist es, wenn sich Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen intensiver mit der Glücksforschung beschäftigen?‘ bekam allerdings in theoretischer und praktischer Hinsicht eine unvorhergesehene Breite und auch Tiefe, so dass das Problem der Vereinbarkeit mit dem sonst üblichen Rahmen einer Bachelorarbeit entstand:

- Die kritisch-reflektierte Ermittlung des gegenwärtigen Stands der Glücksforschung war schwierig und aufwändig, weil in Bezug auf Erwerbslosigkeit eine eigene Basis erarbeitet werden musste.
- ‚Arbeitslosigkeit‘ und ‚Glück‘ sind sehr emotionale Themen, die in ihrer Zusammenführung zudem soziale Normen berühren und in Frage stellen.
- Die Fokussierung auf Einzelaspekte vernachlässigt wichtige Querbezüge, während die breite oberflächliche Betrachtung keinen wissenschaftlichen Wert schafft.
- Die Analyse der Thematik führt zu durchaus ungewöhnlichen Ergebnissen und Hypothesen, die kritisch diskutiert werden müssen.
- Sowohl ‚Arbeitslosigkeit‘ als auch ‚Glück‘ sind Themen, die in Zukunft auch für Sozialarbeiter wichtiger werden könnten. Somit bedarf es einer besonders sorgfältigen und präzisen Darstellung.

Diese Bachelorarbeit stellt daher einen mutigen Kompromiss dar, der einerseits immer noch viele Fragen und Aspekte offen lässt und andererseits die übliche Textlänge zwangsläufig überschreiten muss, um überhaupt zu fundierten und kritisch reflektierten Aussagen kommen zu können.

Weitere Anmerkungen:

- Der Rückgriff auf Quellen der Arbeitslosenforschung aus den 1980er Jahren erscheint mir angemessen, weil das Erleben psychosozialer Belastungen bedingt durch Erwerbslosigkeit im Wesentlichen gleichgeblieben ist. Bemerkenswert ist allerdings die Weiterentwicklung der Arbeitslosenforschung mit ihren theoretischen Erklärungsmodellen (z. B. Identitätskonzept) und Forschungsmethoden (z. B. Auswertung des SOEP).
- Um den Text zu vereinfachen und lesbarer zu gestalten, verwende ich im Allgemeinen nur die männliche Form, wenngleich beide Geschlechter gemeint sind.
- Zitierte Aussagen von Betroffenen sind kursiv dargestellt.
- Mit Hilfe von Zusammenfassungen versuche ich die komplexe Materie wieder zu vereinfachen, um die Übersichtlichkeit zu erhöhen und die Orientierung zu fördern.
- Die Glücksforschung ist originär angloamerikanisch und in hohem Maße interdisziplinär und international. Somit sind die meisten Quellen in englischer Sprache verfasst. Die Übersetzung ins Deutsche kann möglicherweise den ursprünglichen Sinn verfälschen und ist bei spezifischen Fachbegriffen auch gar nicht möglich. Eine sprachliche Durchmischung und englische Zitate sind daher unvermeidbar.

An dieser Stelle möchte ich allen danken, die diese Arbeit mit viel Verständnis und großer Geduld unterstützt haben und die mir immer wieder Mut gemacht haben, die Themen Glück und Arbeitslosigkeit trotz ihrer endlos erscheinenden Größe und trotz der damit verbundenen emotionalen Widersprüchlichkeit zu erforschen.

Des Weiteren möchte ich diese Arbeit allen widmen, deren Leben durch soziale Normen unnötig erschwert wird, sowie auch all denjenigen, welche die Betroffenen unterstützen und sie darin ermutigen, Stärken und Ressourcen zu entdecken und ihre Fähigkeiten kreativ in das eigene Leben sowie in die Gesellschaft einzubringen.

Borchen, im Januar 2010

Kirsten Vieth

1 Einleitung

Der Gewalt- und Konfliktforscher Heitmeyer erforscht seit 2002 „ Deutsche Zustände “ und untersucht hier Zusammenhänge zwischen den subjektiven Wahrnehmungen der Deutschen und objektiven Trends in der gesellschaftlichen Entwicklung insbesondere hinsichtlich des Umgangs mit Minderheiten. 2007 wurden erstmals auch Langzeitarbeitslose in die Untersuchungen einbezogen: „Unsere Analysen zeigen, dass diese Gruppe als weiteres, neues Element des Syndroms der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit betrachtet werden muss. [...] Wir können zunächst feststellen, dass die statistische Arbeitslosigkeit abgenommen hat, während die soziale Spaltung weiter existiert und zum Teil sogar zugenommen hat. Die Konsolidierung der Wirtschaft läuft nicht parallel zur gesellschaftlichen Konsolidierung; Aufträge und Gewinnmargen mögen steigen, die soziale Spaltung bleibt. So hat die Zahl der Menschen, die von Hartz-IV-Leistungen abhängig sind, einen neuen Höchststand erreicht, im April 2007 waren es 7,4 Millionen. Arbeitslosigkeitsziffern sind also kein hinreichender Indikator für die Verbesserung der sozialen Lebenslage, denn der Lohn von Arbeit reicht immer seltener zur Sicherung der Existenz“ (Heitmeyer 2007). Zwar nehme die allgemeine Angst vor Arbeitslosigkeit ab, jedoch empfänden potentiell Betroffene eine große Angst vor einem „harten sozialen Abstieg“.

Des Weiteren sei die „Prekarität am Arbeitsmarkt“ ein Prädiktor für Fremdenfeindlichkeit und für eine ablehnende Haltung gegenüber sozial Schwachen. Über ein Drittel der Deutschen wäre der Meinung, „die Gesellschaft könne sich wenig nützliche Menschen (33,3 Prozent) und menschliche Fehler nicht (mehr) leisten (34,8 Prozent). Etwa 40 Prozent der Befragten sind der Ansicht, in unserer Gesellschaft würde zu viel Rücksicht auf Versager genommen. [...] Dabei zeigt sich, dass die ökonomistischen Auffassungen eher von jenen Personen vertreten werden, die eine ausgeprägte Aufstiegsorientierung haben und/oder denen es nicht gelungen ist, ihre beruflichen Ziele zu realisieren und die deshalb in unteren sozialen Lagen verblieben sind“ (ebd.).

Es fällt auf, dass 29% der Befragten mit niedriger Soziallage Langzeitarbeitslosigkeit als selbstverschuldet werten, während diese Haltung nur von 20% der Befragten aus der oberen Soziallage vertreten wird. Daraus könne abgeleitet werden, dass vor allem Menschen mit geringem sozialen Status – entgegen der Vermutung, dass diese eigentlich mehr Verständnis für Arbeitslose aufbringen müssten – das Bedürfnis hätten, sich „von Personen am untersten Rand der Sozialhierarchie abzugrenzen, indem man diesen eine negativere Arbeitshaltung zuschreibt als sich selbst“ (ebd.). Heitmeyer empfiehlt daher einen Diskurs darüber, inwieweit gesellschaftliche Eliten in den Medien ein Bild erzeugen, welches abwertende Muster gegenüber aus „ökonomistischer“ Sicht ‚Nutzlosen‘ oder ‚Überflüssigen‘ generieren. Hinter einer angeblich sachlichen Darstellung könnten sich „Ideologien der Abwertung“ verbergen (ebd.).

Von dem „moralischen Niedergangs“ der Gesellschaft sind laut Heitmeyer Kinder besonders betroffen. Die wachsende Kinderarmut seit Einführung der Hartz-IV-Gesetze würde eine frühe soziale Desintegration bewirken, wodurch ein Ausweg aus der Armut immer unwahrscheinlicher wird.

Dieses Studien-Ergebnis wird durch folgende Untersuchungsergebnisse bzgl. des Missbrauchs beim Arbeitslosengeld 2-Bezug ergänzt:

- Eine 2008 vom Nachrichtensender N24 bei EMNID in Auftrag gegebene Untersuchung zeigt, dass 63% der Deutschen häufige Leistungsmissbräuche vermuten und 71% stärkere Kontrollen durch die Behörden für notwendig halten (Groß 2008).
- Dagegen hat die Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Sächsische Schweiz-Osterzgebirge im Jahr 2008 bei 22.000 Hilfebedürftigen in nur 2% Leistungsmissbrauch aufgedeckt. 98% der Leistungsempfänger werden als ehrlich eingeschätzt (Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit Pirna 2009).

Es zeigt sich, dass ‚Arbeitslosigkeit‘ für Betroffene und Mitbetroffene eine in mehrfacher Hinsicht belastende Erfahrung ist und für die Gesellschaft und für ihren Zusammenhalt ein zentrales Thema darstellt, welches höchst unterschiedlich wahrgenommen und bewertet wird und eine eingehende ethische Reflexion zu erfordern scheint.

Demgegenüber wollen die meisten Menschen glücklich und zufrieden leben, und allein die Beschäftigung mit ‚Glück‘ ist in der Regel eine erfreuliche Erfahrung. In Deutschland scheint dieses Thema immer mehr Menschen zu interessieren, wenn man den Erfolg gegenwärtiger Unterhaltungsprogramme und zunehmender Literaturveröffentlichungen zum ‚Glück‘, nicht nur geschickten Marketingstrategien zuschreibt.

Arbeit und Glück können somit als zwei zentrale Lebensthemen gewertet werden, die von ganz unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen – insbesondere Psychologie, Soziologie und Wirtschaftswissenschaften – erforscht werden. Während die Arbeitslosigkeit schon seit den 1930er Jahren Untersuchungsgegenstand sozialpsychologischer Forschungen ist, ist die Glücksforschung noch relativ jung und verzeichnet in Deutschland erst seit ca. zehn Jahren unter anderem im Gefolge der ‚Positiven Psychologie‘ ein steigendes Interesse (vgl. Bucher 2009: XIIIf.). ‚Glück‘ lädt zu einer positiven Sicht ein, richtet den Fokus auf wünschenswerte Zustände und angenehme Gefühle, kann das Kredo einer ganzen Nation repräsentieren (amerikanische Unabhängigkeitserklärung) und auch ein ethisches Prinzip darstellen (Utilitarismus). Arbeitslosigkeit bedingt dagegen eine störungszentrierte Sicht, ist ein „unangenehmes Thema“ (Truniger 1990: 1), ein immer drängenderes nationales Problem und in Verbindung mit Glück eine besondere moralische Herausforderung.

Die Soziale Arbeit hat geschichtlich und gegenwärtig in vielfältiger Weise zum Thema Arbeitslosigkeit direkte und vor allem indirekte Bezüge – das Thema Glück ist dagegen relativ neu. Daher untersucht diese Bachelorarbeit tatsächliche und mögliche Berührungspunkte und diskutiert die Frage ‚Welche Bedeutung hat ‚Glück‘ für die Soziale Arbeit?‘ vor dem Hintergrund des wichtigen und weitläufigen Problemthemas Arbeitslosigkeit.

In der Regel wird der Arbeitsauftrag eines Sozialarbeiters mit der Existenz eines Problems begründet. Dieser Problemzentriertheit der Sozialen Arbeit folgend werden in dieser Ausarbeitung zunächst wesentliche Ergebnisse und Erklärungsmodelle der Arbeitslosenforschung vorgestellt. Im Fokus stehen sozialpsychologische Aspekte, wenngleich die ökonomische und rechtliche Diskussion ebenfalls bedeutsam ist, jedoch den Rahmen der Bachelorarbeit übersteigen würde.

Als nächstes wird die Glücksforschung vorgestellt – ebenfalls mit sozialpsychologischem Schwerpunkt. Dazu werden allgemeine Ergebnisse mit Beispielen auf der Ebene betroffener Erwerbsloser veranschaulicht. Des Weiteren werden die Grundlagen um ausgewählte problembezogene Ergebnisse ergänzt.

In einem dritten Schritt werden die Ergebnisse der Arbeitslosen- und der Glücksforschung zusammengeführt und aus der Perspektive der Sozialen Arbeit hinsichtlich eines möglichen Nutzens auf verschiedenen Ebenen kritisch reflektiert und diskutiert.

Einen Teil der dabei auftretenden Fragestellungen versuche ich mit einer selbst durchgeführten Studie zu beantworten. Die mit Hilfe einer Internetbefragung von Erwerbslosen gewonnen Ergebnisse werden diskutiert.

Zuletzt werden die entscheidenden Erkenntnisse zusammengefasst und Schlussfolgerungen in Bezug auf die Bedeutung der Glücksforschung für die Soziale Arbeit gezogen. Die Bachelorarbeit wird mit wesentlichen offenen Fragen und möglichen Perspektiven für die Zukunft abgeschlossen.

2 Wesentliche Theorien und Stand der Arbeitslosenforschung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Studie „Die Arbeitslosen von Marienthal“ (1933) durchgeführt von Lazarsfeld et al., wird als Beginn der modernen sozialwissenschaftlichen Forschung und insbesondere der Arbeitslosenforschung angesehen (vgl. Wacker 2001: 2). Seitdem sich die Arbeitslosigkeit beginnend in den 1970er Jahren bedingt durch die wirtschaftliche Entwicklung zu einem anhaltenden Massenphänomen und sozialpolitischen Dauerkonflikt entwickelt hat (siehe Abbildung 2.1), stellt sie allerdings nicht nur für die betroffenen Menschen und ihren Familien, sondern auch für die gesamte Gesellschaft ein ungelöstes Problem dar.

Abbildung 2-1: Entwicklung der Erwerbslosigkeit in Deutschland von 19050 bis 2008 (Bundesagentur für Arbeit 2009: 45).

Für das Phänomen einer mit der Zeit wachsenden ‚Sockelarbeitslosigkeit‘ gibt es sehr unterschiedliche Erklärungsansätze, von denen zwei zueinander kontrovers liegende Auffassungen im Folgenden grob aufskizziert werden:

A. Vollbeschäftigung ist möglich

Miegel (vgl. 2001: 11ff.) behauptet, es gäbe ausreichend Arbeit. So würden je sechs Mio. Menschen Schwarzarbeit und Eigenarbeit im Umfang von Vollzeitstellen leisten. Auch würden ca. zwei Milliarden Überstunden in Deutschland erbracht, aber nicht in Arbeitsplätze umgewandelt. Eine Million Nicht-EU-Ausländer seien in Deutschland vorübergehend beschäftigt, weil kein Deutscher diese Arbeiten machen wolle. Und es gäbe zudem einen beachtlichen Arbeitskräftemangel, weil Erwerbspersonen zu unflexibel wären und lieber an gewohnten industriegeprägten Sicht- und Verhaltensweisen festhielten, statt sich dem beschleunigten Wandel anzupassen. Menschen wollen arbeiten, doch die meisten würden arbeiten um zu leben, statt in der Erwerbsarbeit aufzugehen. „Eine Bevölkerung, die Erdbeeren essen, aber nicht ernten, in Hotelbetten schlafen, aber sie nicht machen will, und zugleich über Arbeitslosigkeit klagt, hat ein Problem mit sich selbst“ (a.a.O.: 27). Statt eine Erwerbsarbeit zu suchen, sei es besser, selbst unternehmerisch tätig zu werden und Arbeitsplätze zu schaffen – aber „der Sozialstaat hat die Menschen entwöhnt, Verantwortung zu tragen“ (a.a.O.: 28). Schwarz- und Eigenarbeit, hauswirtschaftliche Tätigkeiten und Nachbarschaftshilfe sollten dem Arbeitsmarkt zugänglich gemacht werden. Und Erwerbstätige sollten sich als „Unternehmer ihres Wissens und Könnens sowie ihrer Arbeitskraft“ verstehen (a.a.O.: 30).

B. Auf dem Weg zur postindustriellen Tätigkeitsgesellschaft

„‘Jobless growth‘ ist das Stichwort, das eine neue historische Qualität in der kapitalistischen Entwicklung markiert: Ökonomisches Wachstum ist unter den Bedingungen der mikroelektronischen Revolution und der Globalisierung trotz und sogar wegen des gleichzeitigen Abbaus der Erwerbsarbeit möglich. Massenentlassungen, die längst zu den gewohnten Medienmeldungen gehören, fallen zeitlich mit unternehmerischen Riesengewinnen zusammen, - ein eindeutiges Signal dafür, dass der Kapitalismus zu seiner Erhaltung des vormals unverzichtbaren Arbeitsvolumens nicht mehr bedarf [...]“ (Weiß 2008: 93, Hervorhebungen wie im Original). Dieser Effekt sei auch schon im ‚tertiären Sektor‘ beobachtbar. Mittlerweile können auch eine höhere Schulbildung und berufliche Qualifikation keinen Arbeitsplatz garantieren. Die Gesellschaft, insbesondere die Arbeitsgesellschaft, stünde somit vor gravierenden Veränderungen. Wer nicht mehr aktiver Teilnehmer am Arbeitsmarkt ist, sei im Prinzip zur Muße gezwungen. Wenn aber Müßigkeit „kein Privileg mehr ist, kann Arbeitsbereitschaft nicht mehr eo ipso als sozial ‚nützlich‘ betrachtet werden, so dass der Gerechtigkeit beanspruchende Aspekt, ‚die Müßigen‘ seien an der Ausnutzung ‚der Arbeitenden‘ zu hindern, kaum mehr greift. Eher verhindert heute die Lebensform der Arbeitenden die Entfaltung der gezwungenermaßen Müßigen“ (a.a.O.: 103).

Diese Positionen zeigen, dass die Bedeutungsinhalte von Arbeit und Arbeitslosigkeit voneinander abhängen und dass diese sehr unterschiedlich interpretiert werden. Daher „ist die Diskussion von Arbeitslosigkeit vor dem Hintergrund des Arbeitsverständnisses zu führen“ (Truniger 1990: 15).

Betrachtet man die Ebene der Betroffenen und ihrer sozialen Umfelder, so wird deren Arbeitsverständnis in hohem Maße von der öffentlichen Meinung beeinflusst, welche sich einerseits aus dem aktuellen sozioökonomischen und sozialpolitischen Diskurs, wie er oben kurz angerissen wurde, heraus bildet und andererseits einer Kultur und Tradition entstammt, die in protestantischer Ethik und industriellem Kapitalismus verwurzelt sind (vgl. Kehrer 1993: 9ff., Truniger 1990: 8).

Damit sich die weiteren Ausführungen und Diskurse nicht im „Karneval der Begriffe“ (Engler 2005: 101) verlieren, ist es erforderlich, zentrale Bezeichnungen zu klären.

2.1 Definition und Bedeutung von Arbeit und Erwerbsarbeit

Im alltäglichen Sprachgebrauch bedeutet ‚arbeiten‘ sich körperlich oder geistig anstrengen, um ein Ziel zu erreichen (z. B. Gartenarbeit, Trauerarbeit). Wer ‚arbeiten geht‘ reduziert seine ‚Freizeit‘, um in zumeist fremdbestimmten konzentrierten Handlungen Produkte oder Zustände herzustellen, die für andere Menschen einen finanziellen Tauschwert besitzen. Wer ‚Arbeit hat‘, der strengt sich an, der kann etwas, der ordnet sich ein und ist nützlich, hat Geld und hat sich die Erholung und Zerstreuung in der Freizeit redlich verdient. Und wenn man keine Arbeit hat? Was ist das genau für eine Form von Arbeit, die ‚dem Arbeitslosen‘ fehlt?

2.1.1 Definition von Arbeit und Erwerbsarbeit

Die an der Marienthal-Studie beteiligte Sozialpsychologin Jahoda erkennt als gemeinsame Basis unterschiedlicher Auffassungen von Arbeit „zweckgerichtetes Handeln oder das Produkt solchen Handelns. In diesem Sinn ist Arbeit nicht nur ein unveräußerliches Recht (wie die amerikanische Verfassung das unveräußerliche Recht auf Streben nach Glück garantiert), sondern das innerste Wesen des Lebendigseins“ (Jahoda 1983: 24). Im Unterschied dazu stellt die Erwerbs- oder Berufstätigkeit eine ganz bestimmte Form der Arbeit in Industriegesellschaften dar, die „unter vertraglichen Bedingungen, zu denen eine materielle Entlohnung gehört“, erfolgt (a.a.O..: 25). Somit werden andere Arbeitsformen, wie z. B. „die selbständige Arbeit, ein Großteil der Hausarbeit, die Arbeit in der ‚Schattenwirtschaft‘ oder freiwillige Arbeiten für soziale Zwecke und Do-it-yourself-Aktivitäten“ von der Erwerbsarbeit abgegrenzt (ebd.).

Entsprechend schlussfolgert Jahoda, dass „die Erwerbslosigkeit im Kontrast zur Erwerbstätigkeit und nicht zur Arbeit gesehen werden sollte“ (a.a.O.: 28f.) – Erwerbslosigkeit bedeutet also nicht zwangsläufig ohne Arbeit zu sein: „[...] viele Arbeitlose bezeichnen noch heute die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz als die härteste Arbeit, die sie je verrichtet hätten [...]“ (Wacker 1984: 98).

2.1.2 Subjektive Bedeutung der Erwerbsarbeit

Jahoda sieht in der Erwerbstätigkeit ein Charakteristikum, welches alle Industriegesellschaften prägt und welches für die dort lebenden Menschen zu einer „sozialen Notwendigkeit“ geworden ist: „Gleichgültig, ob man die Arbeit liebt oder haßt, sie ist in modernen Industriestaaten so organisiert, daß sie das tägliche Leben und Erleben der Beschäftigten notwendigerweise zutiefst beeinflußt; und weil die Erwerbstätigkeit in unserer Gesellschaft eine so zentrale Institution ist, geht dieser Einfluß über die in ihr Aktiven hinaus, formt Aspekte des Familienlebens, die Gestaltung der Freizeit und somit die normalen Lebensformen der gesamten Gesellschaft“ (1984: 11f.).

Auch Atteslander konstatiert: „Zwischen Arbeit und Gesellschaftsform bestand seit je eine untrennbare Wechselwirkung.“ (1984: 126). Somit ist die Erwerbstätigkeit eine Folge des technologischen Fortschritts und gilt heutzutage als wichtigste Bedingung des „psychosozialen Überlebens“ (ebd.).

Die außerordentliche Bedeutung der Lohnarbeit im Leben erwerbstätiger Menschen führt Jahoda auf das in hohem Maße durch Sozialisationsprozesse erzeugte Bedürfnis zurück, in den folgenden fünf Kategorien Erlebnisse zu sammeln (vgl. Jahoda 1984: 12ff.):

1. Zeiterleben: Die Erwerbsarbeit gibt dem Tag, der Woche, dem Jahr eine Struktur, in welche Freizeit und Urlaub integriert sind. Die Gliederung der Zeit sei eine Voraussetzung für sinnvolle Zukunftspläne und reiche Erinnerungen.
2. Erweiterte Kontakte: Durch die Arbeitskollegen entstehen engere Kontakte jenseits von Familie und Freundeskreis, die das eigene Leben und Erleben bereichern können und Vergleiche ermöglichen.
3. Kollektiverleben: Durch Arbeitsteilung und kooperatives Handeln können Aufgaben bewältigt und Ergebnisse erzielt werden, zu denen der einzelne Mensch nicht fähig wäre. Als Teil des Kollektivs ist das Individuum erfolgreicher, und das Bedürfnis, gebraucht zu werden, wird befriedigt.
4. Soziale Identität und Statuserleben: Mit dem Beruf, seinem Ansehen und Einkommen erlebt der erwerbstätige Mensch, welchen Status er in der Gesellschaft besitzt.
5. Regelmäßige sinnvolle Aktivität: Wer arbeitet, erlebt sich als leistungsfähig und wächst durch die aktiven Beiträge für andere Menschen bzw. für die Gesellschaft über die eigene Person hinaus.

Andere Forscher ermittelten als weitere Funktionen der Erwerbsarbeit Einkommenserwerb, Selbstwertbildung, Abwechslung, kreatives Schaffen und Sinnerfahrung, wobei der Bedeutungsgehalt jeweils individuell bewertet werden muss (vgl. Truniger 1990: 21).

Für die subjektive Bedeutung des Arbeitens ist neben der individuellen Definition von Arbeit und den Arbeitsmotiven auch die „Zentralität von Arbeit“ (wie wichtig ist die Arbeit in Relation zu anderen Lebensbereichen?) sowie die „individuelle Wahrnehmung gesellschaftlicher Normen“ (wird Arbeit eher als Pflicht oder eher als Chance wahrgenommen?) bedeutsam (a.a.O.: 16f.).

Die Behauptung, es gäbe einen generellen, die gesellschaftliche Norm beeinflussenden Wertewandel in Richtung Hedonismus, müsse angezweifelt werden. Es ist fraglich, ob die These stimmt, dass vor allem jüngere Menschen weniger auf Erwerbsarbeit zwecks Befriedigung von Erlebniskategorien angewiesen sind, da ihnen doch ein ständig anwachsendes Freizeitangebot vielfältige Alternativen verspricht. Eine betont hedonistische Lebenseinstellung könnte vielmehr auch als Anpassungsreaktion auf deutlich verschlechterte Berufschancen verstanden werden (vgl. ebd.). Außerdem ergab eine Metaanalyse von Moser & Paul (2001), dass jüngere Menschen stärker unter Erwerbslosigkeit leiden (vgl. Berth et al. 2006a: 80). Und selbst wenn „Arbeit nicht mehr als der alleinige oder vorrangige Bereich der Sinnstiftung angesehen wird“, so ist doch zumindest für die meisten Menschen Erwerbsarbeit erforderlich, um „sich den anderen wichtigen Seiten des Lebens, den Freizeitaktivitäten, der persönlichen Weiterbildung, der Muße, auch den anderen Arbeitsformen, angemessen widmen zu können“ (Strasser 1999: 58f.).

Im Weiteren soll das Grundverständnis von Arbeit und Erwerbsarbeit Jahodas Auffassung folgen, jedoch mit der Abänderung, dass selbständige Arbeit ebenfalls zur Erwerbsarbeit zugeordnet werden soll. Auf der einen Seite gibt es Selbständige, die in Quasi-Beschäftigungsverhältnissen arbeiten (Scheinselbständigkeit), und auf der anderen Seite müssen Arbeitnehmer immer häufiger unternehmerische Qualitäten entwickeln – sowohl aufgrund moderner Arbeitsorganisation sowie auch in der Inszenierung und Vermarktung der eigenen Arbeitskraft. Neben dieser Unschärfe in der Abgrenzung zwischen selbständig und nichtselbständig ermöglicht auch die Selbständigkeit Erfahrungen in den genannten Erlebniskategorien: Auch diese Form der Arbeit zielt darauf, aus eigener Kraft den Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Genauso ergeben sich hier enge Kontakte zu Geschäftspartnern, Mitarbeitern und Kunden. Es sind durchaus auch engere Kooperationen mit anderen Dienstleistern erforderlich, um die eigenen Unternehmensziele zu verwirklichen.

Wenn also die selbständige oder nichtselbständige Erwerbsarbeit bis in die Gegenwart derart vielfältige Erlebnisse und Funktionen bereitstellt und Menschen ihr die unterschiedlichsten subjektiven Bedeutungen geben, welche Konsequenzen entstehen dann für diejenigen, die von der Arbeit ausgeschlossen sind? Was bedeutet Arbeitslosigkeit?

2.2 Definition von Erwerbslosigkeit und Langzeitarbeitslosigkeit

Wenn man an das im alltäglichen Sprachgebrauch verwendete Verständnis von ‚Arbeit haben‘ anknüpft, dann ergibt sich für den Arbeitslosen dementsprechend das Bild eines faulen, nutzlosen Tunichtguts und Habenichts, dem es auch nicht zusteht, Freizeit intensiv zu genießen.

Dem steht die offizielle und an objektiven Kriterien ausgerichtete Definition von Arbeitslosigkeit gegenüber, welche bei Erfüllung zum Empfang von Unterstützungsleistungen berechtigt:

So gilt nach § 119 SGB III sinngemäß als arbeitslos, wer:

1. in keinem Beschäftigungsverhältnis steht bzw. insgesamt weniger als 15 Wochenstunden selbständig oder in einem oder mehreren Beschäftigungsverhältnissen erwerbstätig ist,
2. sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden, und zugleich den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht und
3. wer nicht an „Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik“ teilnimmt.

Wer zudem ein Jahr und länger arbeitslos ist, gilt als langzeitarbeitslos (§18 SGB III).

Arbeitslosigkeit setzt nach §8 SGB II voraus, erwerbsfähig zu sein, d. h. mindestens drei Stunden täglich „unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes“ einer Erwerbstätigkeit nachgehen zu können. Arbeitslosigkeit oder nicht ausreichendes Erwerbseinkommen kann in die Hilfebedürftigkeit führen (§9 SGB II), also zum Bezug von Arbeitslosengeld 2 (ALG 2, „Hartz IV“).

Die Definition von Arbeitslosigkeit beeinflusst die Arbeitslosenstatistik und verändert somit einen wichtigen Parameter der sozialpolitischen Diskussion:

- Wer sich gerade in einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme (Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung, Brückenjob, „1-Euro-Job“) befindet, fällt aus der Statistik heraus.
- Wer mehr als 15 Wochenstunden erwerbstätig ist, gilt nicht als arbeitslos – auch wenn das erarbeitete Einkommen nicht zur Existenzsicherung reicht.
- Man kann auch mehreren Beschäftigungsverhältnissen gleichzeitig nachgehen („Multijobber“) und immer noch als arbeitslos gelten.

Die offizielle Definition beeinflusst grundsätzlich die Darstellung und Wahrnehmung der Arbeitslosigkeit als gesellschaftliches Phänomen. Des Weiteren vermutet Jahoda (1983) dass „die Erfahrungen der Erwerbslosigkeit höchstwahrscheinlich sogar noch weiter verbreitet sind als die steigenden offiziellen Zahlen in der industrialisierten Welt“ (a.a.O.: 31). Der vermeintlich reduzierten Bedrohlichkeit von definitionsbedingt reduzierten offiziellen Arbeitslosenzahlen würde jedoch entgegenstehen, dass „dann nach der sinkenden Zahl freier Stellen sowie nach der steigenden Zahl von Entlassungen, Konkursen und langfristig Erwerbslosen beurteilt“ werden würde (ebd.). Aus sozialpsychologischer Hinsicht könne man ihrer Meinung nach „all jene als Erwerbslose betrachten, die keine Stelle haben, aber gerne eine hätten, oder die für die Zeit, in der sie keine Stelle haben, auf finanzielle Unterstützung angewiesen sind, um überleben zu können“. (a.a.O.: 32). Mit dieser Definition bezieht sie auch diejenigen ein, die sich mit ihrer Beschäftigungslosigkeit abgefunden haben, die Suche nach Erwerbsarbeit eingestellt haben und sich mit der Sozialhilfe begnügen (vgl. ebd.).

Im Weiteren wird, insbesondere vor dem Hintergrund einer sozialpsychologischen Betrachtungsweise, von einem differenzierten Verständnis von Erwerbslosigkeit ausgegangen. Somit gibt es nicht ‚den‘ oder ‚die Arbeitslosen‘. Es wird unterschieden nach:

- ‚ erwerbssuchend ‘: Es wird eine Erwerbstätigkeit gesucht, weil keine oder zu wenig Erwerbsarbeit vorliegt.
- ‚ erwerbsfähig ‘: Gesundheitszustand und Alter erlauben es, einer Erwerbsarbeit nachzugehen.
- ‚ erwerbslos ‘: Trotz Erwerbsfähigkeit wird keine Erwerbsarbeit ausgeübt.
- ‚ unterstützungsbedürftig ‘: Es werden finanzielle Mittel benötigt, um den eigenen Lebensunterhalt zu gewährleisten. Diese Mittel können z. B. vom Staat oder von Angehörigen kommen.
- ‚ quasi erwerbslos ‘: Trotz Erwerbstätigkeit kann kein Zustand hergestellt werden, der in die ökonomische Unabhängigkeit führt. So können ‚Mini-Jobber‘ oder ‚1-Euro-Jobber‘ erwerbstätig und unterstützungsbedürftig zugleich sein (‚working poor‘).
- ‚ dauerhaft erwerbslos ‘: Die Erwerbslosigkeit oder auch ‚quasi Erwerbslosigkeit‘ dauert länger als ein Jahr an.
- ‚ wiederholt erwerbslos ‘: Die gegenwärtige Erfahrung der Erwerbslosigkeit wurde im Laufe der Erwerbsbiografie bereits mehrmals erlebt.
- ‚ ohne Erwerbserfahrung ‘: Die Erfahrung, in einem Beschäftigungsverhältnis zu stehen und insbesondere dadurch finanziell unabhänigig zu sein, wurde noch nicht gemacht; das betrifft vor allem erwerbslose Schulabgänger.

Diese Begriffe bezeichnen häufig anzutreffende Zustände und Situationen. Sie sollen nicht als starre Einteilung oder als ein System von Kategorien (s. Kap. 2.3.4) verstanden werden. Da Überschneidungen möglich sind: Jemand kann ‚dauerhaft erwerbslos‘ sein und zugleich ‚wiederholt erwerbslos‘, wenn zwischendurch kurzfristige Arbeitsverhältnisse eingenommen wurden, was auch als „perforierte Langzeitarbeitslosigkeit“ bezeichnet wird (Büchel zitiert nach Brinkmann & Wiedemann 1994: 175). Andererseits kann jemand ‚wiederholt erwerbslos‘ sein, ist aber nicht unbedingt ‚dauerhaft erwerblos‘, wenn das letzte Arbeitsverhältnis längerfristig war und erst vor kurzem beendet wurde.

Viele zitierte Quellen sind vom alltäglichen Sprachgebrauch ‚arbeitslos gleich erwerbslos‘ geprägt. Der Unterschied lässt sich durch den Zusammenhang klären, in dem die Begriffe verwendet werden.

Für die sozialpsychologische Perspektive, insbesondere für die affektiven Auswirkungen der Erwerbslosigkeit, ist entscheidend, wie sich die direkt und indirekt Betroffenen selbst wahrnehmen und wie sie meinen, von ihrem sozialen Umfeld wahrgenommen zu werden.

2.3 Subjektive Bedeutung der Erwerbslosigkeit und Langzeitarbeitslosigkeit

Mittlerweile gibt es hierzu eine kaum zu überschauende Anzahl empirischer Untersuchungen (vgl. Berth et al. 2006b: 1) und darauf aufbauend eine Vielzahl theoretischer Erklärungsversuche. Diese müssen im Kontext des jeweiligen historischen Entwicklungsstands der Wissenschaft und der zu diesem Zeitpunkt als gültig angesehenen sozialpsychologischen Modelle bewertet werden. Das Archiv des IPG (Institut für Psychologie der Arbeit, Arbeitslosigkeit und Gesundheit) umfasst ca. 6.000 Arbeiten zum Themenschwerpunkt ‚Psychosoziale Folgen von Arbeitslosigkeit‘ (Kieselbach 2009).

Zum Beispiel hat die Marienthal-Studie von 1933 gezeigt, dass mit dem Eintreten der Erwerbslosigkeit grundsätzlich die verschiedenen Funktionen, welche die Erwerbsarbeit in unterschiedlicher Intensität zuvor besaß, nicht mehr erfüllt werden. Dadurch kommt es ganz oder teilweise zum Ausschluss von Erfahrungen in den zuvor genannten fünf Erlebniskategorien.

2.3.1 Unbefriedigte Bedürfnisse durch Mangel an Erlebniskategorien

Jahoda resümiert als Konsequenz: „Wir wissen durch eine lange Reihe von Studien über Menschen, die nicht im Erwerbsleben stehen, daß viele von ihnen unter einem Gefühl der Leere, der Ausgeschlossenheit leiden.“ (1984: 13). Diese Erlebnisleere, die oft von dem Gefühl nicht gebraucht zu werden begleitet wird, betrifft nicht nur Erwerbslose. Sie kann auch Hausfrauen betreffen, insbesondere nachdem die Kinder das Elternhaus verlassen haben, oder Menschen, die aufgrund ihres Alters aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Dabei ist es für das Wahren der sozialen Identität von Bedeutung, wieviel Anerkennung die Gesellschaft der jeweiligen Lebenssituation beimisst (vgl. ebd.). Daher bilden die Erwerbslosen „die schwerst betroffene Gruppe von Menschen, die außerhalb des Erwerbslebens stehen“. Ihnen fehlen identitätsstiftende Erlebnisse, und sie sind zugleich um ihre finanzielle Situation besorgt (a.a.O.: 14).

Der Mangel an Erfahrungen in den einzelnen Erlebniskategorien führt zu psychologischen Belastungen. Außerdem bestimmt auch die Anzahl der betroffenen Kategorien die Erlebnisleere. So berichtet Jahoda von einer Studie, die nachwies, dass je mehr es den Erwerbslosen gelang, durch regelmäßige freiwillige Arbeit Erlebnisse in möglichst vielen Kategorien herbeizuführen, desto weniger litten sie (vgl. Jahoda 1984: 14). Im Anhang 2-1 wird der Erlebnismangel anhand von Ausschnitten aus einem Interview, welches Halbasch & Talaska (2008) mit einer betroffenen Frau durchgeführt haben, veranschaulicht.

Das Erleben der psychischen und ökonomischen Deprivation wird in hohem Maße von subjektiven Bewertungen beeinflusst und ist zudem in die individuelle Lebenssituation eingebettet. Dementsprechend fallen auch die Reaktionen sehr unterschiedlich aus.

2.3.2 Reaktionsmöglichkeiten auf die Erlebnisleere

Die mangelnde Befriedigung dieser psychischen Bedürfnisse, „die tief in den sozialen Normen dieser Gesellschaft verankert sind“, kann zu mehreren unterschiedlichen Reaktionen führen (Jahoda 1983: 149). Jahoda verwendet den Ausdruck ‚Reaktionstypen‘, welcher meiner Meinung nach zum Verständnis als starre Kategorien von Verhaltensweisen oder von erwerbslosen Personen verleiten kann (s. Kap. 2.3.4). Daher werden sie hier als Reaktionsmöglichkeiten aufgefasst:

1. Frustration und Resignation,
2. Alternative Bedürfnisbefriedigung,
3. Politisch organisierte Revolte und
4. Tumulte und Plünderungen.

Welche Verhaltensweisen bei erwerbslosen Menschen, die keiner Erwerbsarbeit nachgehen, dominieren, ist nach Jahodas Einschätzung schwer zu beurteilen. Denn jeder der genannten vielfältigen Faktoren ist Teil eines komplexen Wirkungsgefüges und kann den Verlauf der Erwerbslosigkeit und die damit erlebten psychischen Belastungen unterschiedlich beeinflussen (vgl. a.a.O.: 157f.). Jahoda hebt vor allem die Gruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen hervor: „Viele von ihnen haben keine Hoffnung, keine Pläne und keine Ambitionen, und sie legen nach und nach die Gewohnheiten und Erwartungen ab, die ihnen Familie und Schule mit auf den Weg zu geben versucht hatten. Das gilt sogar für diejenigen Jugendlichen, die mitten in einer Lehre entlassen wurden oder für ein paar Wochen schlecht bezahlte Gelegenheitsarbeiten angenommen hatten“ (a.a.O.: 149).

Zusammengefasst führt der Mangel in den durch Sozialisation bedingten Erlebniskategorien bei erwerbslosen Menschen und ihrem engeren Umfeld in hohem Maße zu psychischen Belastungen. Es gibt vielfältige Möglichkeiten, mit den unbefriedigten Bedürfnissen bedingt durch die Erlebnisleere umzugehen. Die Alternativen zur Erwerbsarbeit können in ihrer Wirkung unterschiedlich hilfreich, aber auch unterschiedlich schädlich sein.

Neben den Reaktionsmöglichkeiten wurden auch Phasen und Verläufe in der Bewältigung der Erwerbslosigkeit untersucht.

2.3.3 Haltungstypen, Phasenmodelle und Verlaufsmuster in der Erwerbslosigkeit

In der Marienthaler Studie wurden vier Haltungstypen ermittelt: Während „die Ungebrochenen“ alles daran setzten, ihre bisherige aktive Lebensweise zu erhalten, reduzierten „die Resignierten“ ihre Bedürfnisse und Erwartungen, pflegten aber noch ihren Haushalt und das Familienleben. „Die Verzweifelten“ ähnelten in ihrem Verhalten den „Resignierten“, allerdings mit einer hoffnungslosen, depressiven Stimmungslage und dem Empfinden von Sinnlosigkeit gegenüber der Arbeitssuche. Dagegen hatten „die Apathischen“ sich völlig aufgegeben, so dass es zur Verwahrlosung der häuslichen Umgebung und zum Verfall des sozialen Umfeldes kam (vgl. Jahoda et al. 1933 nach Halbasch & Talaska 2008: 43).

Gleichzeitig wurde darin ein typischer Verlauf von Einstellungsveränderungen erkannt: „Diese vier Haltungstypen beschreiben gleichzeitig eine Entwicklung. Sie sind als Phasen eines Prozesses zu verstehen, in dem die Arbeitslosen, je länger sie arbeitslos sind und über je weniger Geld und materielle Mittel sie verfügen, in die verschiedenen, aufeinander folgenden Phasen ‚gleiten‘: Es könne ein Haltungs-, Einstellungs- und Lebenswandel entlang dieser Kategorien ermittelt werden, von einer anfänglich ungebrochenen Haltung, über eine zunehmende Bedürfnisreduktion und Rückwärtsorientierung hin zu Depression, Verzweiflung, bis hin zur Bewegungslosigkeit, Apathie und zum gänzlichen Verfall“ (ebd.).

Eine weitere Phase ist die des emotionalen Schocks, der bereits vor der Erwerbslosigkeit einsetzen kann, wenn die Entlassung droht: „‚ Es ist, als ob man in einem Zimmer sitzt, und die Wände stürzen ein ‘“ (Wacker 1984: 98f.).

Eine andere qualitative Untersuchung in 69 englischen Arbeitslosenhaushalten erkennt lediglich drei ineinander übergehende Verarbeitungsstile:

- „die ‚ Entrepreneurs ‘, die sich regelmäßig und in gewissem Maße professionell durch Nebentätigkeiten, meist Schwarzarbeit, durchschlagen;
- die ‚ Sufferers ‘ mit größeren Verfallserscheinungen psychischer und sozialer Art sowie geringen arbeitsbezogenen Eigenaktivitäten;
- die ‚ Survivors ‘ mit aktiver Strukturierung des Tagesablaufs z.T. auch im Hinblick auf klare berufliche Perspektiven und Ziele sowie geringem Leidensdruck trotz des mit Arbeitslosigkeit verbundenen Geldmangels“ (Brinkmann & Wiedemann 1994: 187, Hervorhebungen wie im Original).

Das Grundproblem bei allen Haltungs- und Verarbeitungstypen ist jedoch, dass sie zu starren Zuschreibungen führen können und für eine multifaktorielle Sichtweise individueller Lebenssituationen hinderlich sein können (vgl. Truniger 1990: 46).

Ähnliches gilt auch für häufig beobachtete Phasen und Verläufe, weil ihnen keine Allgemeingültigkeit zugeschrieben werden können. Denn „zu unterschiedlich sind die objektiven und subjektiven Vorbedingungen, die Bedürfnisse, Ängste und Erwartungen der Betroffenen, als daß sie sich in ein Schema pressen ließen“ (Wacker 1984: 99). So erleben manche Arbeitslose die Entlassung als „Befreiung vom Joch der Arbeit“ und erfreuen sich einer „Urlaubs- und Ferienstimmung“ (ebd.), während andere diesem Lebensmoment mit Gleichgültigkeit begegnen.

Unabhängig von Haltungen und Verläufen fühlen sich Erwerbslose häufig stigmatisiert. Halbasch & Talaska weisen darauf hin, „dass ‚Hartz IV‘ ein Schimpfwort geworden ist. Es ist nichts, was man bezieht, es ist etwas, was man ‚ist‘“ (2008: 58). Ein anderes, häufig auch in den Medien genanntes Schimpfwort ist ‚Sozialschmarotzer‘. Wie kommt es zu solchen Begriffen, und welche Wirkungen entfalten sie?

2.3.4 Stigmatisierung und Distanzierung

Es wurde bereits erörtert, dass ‚Arbeitslose‘ im Grunde gar nicht ‚arbeitslos‘ sind, sondern vielmehr ‚erwerbslos‘. Im alltäglichen Sprachgebrauch werden sie jedoch meist als ‚Arbeitslose‘ stereotypisiert, d. h. es werden alle Varianten erwerbsloser Personen in die allgemeine soziale Kategorie mit der Bezeichnung ‚Arbeitslose‘ eingeordnet. Diese definitionsähnliche Zuordnung (Etikettierung, Labeling) – z. B. „Hartz IV“ – geht mit der Zuschreibung unterschiedlicher Attribute einher und löst entsprechende Erwartungen aus. Wenn diese Merkmale und Erwartungen eine negative Wertung besitzen, wird von einem Stigma oder Stigmatisierung gesprochen, wodurch die Devianz von der gegenwärtig vorherrschenden sozialen Norm betont wird (vgl. Truniger 1990: 70ff.).

Die Stigmatisierung kann zu Diskriminierungen führen, sie kann aber auch sehr unterschiedliche Bewältigungsstrategien hervorrufen, z. B.:

- Diskriminierungen, d. h. Personen werden aufgrund einer Zugehörigkeit zu einer sozialen Kategorie benachteiligt: „Das Spektrum reicht dabei von Kontaktmeidung, verbalen Beleidigungen bis hin zu offener Aggression und Ausgrenzung“ (a.a.O.: 72). Es ist aber auch ein ambivalentes, weder eindeutig positives noch negatives Verhalten möglich (vgl. ebd.)
- „ Self-fulfilling prophecy “ bzw. Selbststigmatisierung, d. h. die betroffenen Personen übernehmen die negativen Fremdbewertungen mit der Zeit in ihr Selbstbild. Dies betrifft besonders Jugendliche, weil sie oft noch kein gefestigtes Selbstbild besitzen und sich dann selbst als ‚faul und dumm‘ bezeichnen (vgl. a.a.O.: 73).
- Abwehr der Zuschreibung durch „ Aufbegehren “ oder durch Distanzierung, z. B. durch einen Wechsel in eine andere Kategorie, die als weniger stigmatisierend erlebt wird, also beispielsweise ‚krank‘ statt ‚arbeitslos‘ (vgl. ebd.).
- Absicherung der alten Identität oder Aufbau einer neuen Identität, in deren Folge Betroffene Angst vor Aufdeckung der Fassade haben oder im anderen Fall das Gefühl der Zerrissenheit „zwischen der Zugehörigkeit zu den Erwerbstätigen und den Erwerbslosen, da sie sich weder mit der einen noch der andern Gruppe völlig identifizieren können oder wollen“ zu bewältigen versuchen (ebd.).
- Geringe Sichtbarkeit, d. h. „Arbeitslosigkeit kann verschwiegen, sozial verborgen oder überdeckt werden, was vielfach auch gemacht wird“ (a.a.O.: 74).

Truniger (1990: 77f.) berichtet über eine Studie von Fineman (1983) mit 100 ‚white collar‘-Erwerbslosen (Manager, Ingenieure, Lehrer usw.; 82% Männer, 74% erstmalig arbeitslos, Durchschnittsalter 41 Jahre), die an ein- bis zweiwöchigen Intensivkursen und Einzelberatungen teilnahmen. Es wurden mit Interviews und Fragebögen sowie auch unter Einbezug der Angehörigen unterschiedliche methodische Zugänge verwendet. Folgende wesentliche Ergebnisse werden aufgeführt:

- Meist wird Arbeitslosigkeit als Stigma empfunden, „basierend auf dem Gefühl, von Institutionen und sozialen Gruppen etikettiert, als inferior gebrandmarkt zu sein und als ‚Zweit-Klass-Bürger‘ behandelt zu werden“ (Truniger 1990: 78).
- Am schwersten fällt es den Betroffenen, mit dem von Medien, Politikern und Bekannten geäußerten Vorwurf umzugehen, sie würden sich bei der Jobsuche zu wenig bemühen oder wären arbeitsunwillig (vgl. ebd.).
- Es besteht die Gefahr eines ‚circulus vitiosus‘: „Arbeitslose, die sich verachtet, abgelehnt oder zurückgewiesen fühlen, sind besonders sensibilisiert auf diskriminierendes Verhalten. Die Beziehungen zu anderen Personen werden dadurch zusätzlich beeinträchtigt, Gespräche werden schwierig, belastend, Arbeitslosigkeit wird tabuisiert“ (ebd.).

Die Stigmatisierungserfahrung wirke bei den Betroffenen zudem über das Ende der Arbeitslosigkeit hinaus

- als eine „permanente Narbe“: „Re-employment did not simply remove the stigma of unemployment“ (Fineman zitiert nach ebd.),
- als verständnisvolle Haltung gegenüber Arbeitslosen und
- als Desillusionierung, Verlust von Altruismus als „Gefühl, für vergangene Loyalität nicht belohnt, sondern bestraft worden zu sein“, woraus sich eine „instrumentelle Arbeitsorientierung“ entwickeln kann (ebd.).

Die Bewältigung von Stigmatisierungseffekten betrifft nicht nur den direkt Betroffenen, sondern ist die Aufgabe aller am Stigmatisierungsprozess Beteiligten, vor allem der Medien und der Sozialpolitik (vgl. a.a.O.: 78f.). Dass Sozialpolitik und Behördenalltag in hohem Maße stigmatisierend wirken können, zeigt der Erfahrungsbericht von Uhlig (2008, s. Anhang 2-3). Ihrer Meinung nach werden Erwerbslose übertrieben aktiv und erfolgreich dargestellt.

Das wirft die schwierige Frage auf, inwieweit es einerseits im Sinne einer „self-fulfilling prophecy“ für die Stellensuche erforderlich ist, eine derart positive positive Erwartungshaltung zu generieren, und inwieweit es andererseits hinsichtlich von Stigmatisierungseffekten noch verantwortbar ist: Denn es wird das besonders schwer zu bewältigende Kategorienmerkmal „man muss sich nur mehr anstrengen, um einen Job zu finden“ angesprochen. Es wird eine Identität aufgebaut, deren Stabilität hinsichtlich der objektiven Realität und erfahrenen Wirklichkeit durchaus in Frage gestellt werden kann und vielleicht auch muss.

Zumindest schafft das dargestellte Bild des ‚leistungsstarken Unternehmers der eigenen Arbeitskraft‘ eine Distanz zum Bild des ‚faulen Arbeitslosen‘ und kann dadurch helfen, diese Stigmatisierung emotional abzuwehren.

2.3.5 Distanzierung als Abwehrreaktion auf Stigmatisierung

Distanzierungen dienen der Abwehr von stigmatisierenden Zuschreibungen und somit ein wichtiger Aspekt der psychologischen Bewältigung (Coping) von Erwerbslosigkeit. Truniger (1990) hat in einer Studie die Distanzierungen von 20 erwerbslosen schweizer Lehrern und Lehrerinnen näher untersucht und dabei festgestellt, dass sie unterschiedliche Funktionen erfüllen, die im Folgenden beschrieben werden. Für Sozialarbeiter ist es wichtig, diese psychologische Abwehr zu verstehen, weil sie den Zugang zu Erwerbslosen erschweren können.

Zunächst wurde festgestellt, dass Distanzierungen häufig anzutreffen sind:

- 13 Personen ordnen sich gefühlsmäßig zu den Erwerbstätigen zu, aber nur eine zu den Arbeitslosen – die übrigen Personen sind unentschlossen,
- alle LehrerInnen distanzieren sich von den Kategoriemitgliedern, die meisten vom Kategorielabel und von zugeschriebenen Merkmalen; 16 Personen distanzieren sich von arbeitslosenzentrierten Angeboten und Aktivitäten, und
- sechs LehrerInnen distanzieren sich in allen Bereichen (vgl. a.a.O.: 202).

Aus den genannten Begründungen für die Distanzierungen leitet Truniger zwei Gruppen von Funktionen der Distanzierungen ab (vgl. a.a.O.: 202ff.):

1. individuumszentrierte Funktionen:

- Die eigene Persönlichkeit, Situation oder Rolle entspricht nicht dem Etikett ‚Arbeitsloser‘ (Kategorienmerkmale: ‚faul‘, ‚selber schuld‘, ‚zu wählerisch‘, ‚minderwertig‘).
- Man will nicht in der Öffentlichkeit als ‚arbeitslos‘ wahrgenommen werden aus Angst vor abwertenden Verhaltensweisen und Diskriminierung und wegen des Gefühls eines hohen Rechtfertigungsdruckes und der Erniedrigung.

2. gesellschaftszentrierte Funktionen:

- Durch die Distanzierung des Individuums als ‚Ausnahme‘ wird evtl. das im öffentlichen Diskurs vorherrschende Stigma weiter zementiert.
- Distanzierungen können lokale Selbsthilfeaktivitäten und übergeordnetes gemeinsames politisches Handeln erschweren und sorgen somit für Entsolidarisierung – „Arbeitslose verbleiben so eine relativ ohnmächtige soziale Kategorie“ (a.a.O.: 205).

Somit ergibt sich als Zusammenfassung der Funktionen: „Aufgrund der vorliegenden Ergebnisse ist anzunehmen, dass Distanzierungen für einzelne, von Arbeitslosigkeit betroffene Personen, einen wichtigen Copingmechanismus darstellen und zwar hinsichtlich der Belastungsprävention und -bewältigung“ (a.a.O.: 203). Distanzierungen können helfen, sich nicht abgestempelt zu fühlen, Sicherheit zu empfinden und aufgrund des Selbstwerterhalts leichter soziale Kontakte zu halten. So bietet beispielsweise das Label ‚Krankheit‘ „[...] – meist noch von außen legitimiert – eine bevorzugte Möglichkeit, Arbeitslosigkeit und ihre Beendigung als weniger dringlich erscheinen zu lassen: Wer krank ist, kann und darf nicht arbeiten“ (Wacker 1993: 31). Distanzierungen können aber auch das Stigma verfestigen und Solidarisierung erschweren.

Für die soziale Arbeit mit Erwerbslosen bilden die „subjektiven Repräsentationen über Arbeitslose“ eine fundamentale Bezugsgröße, denn es werden „Angebote verschiedenster Art, die sich an Arbeitslose richten, oft nicht genutzt, um in der Öffentlichkeit nicht als arbeitslos erkannt zu werden“ (Truniger 1990: 208). Zur stigmavermeidenden Adressierung schlägt Truniger beispielsweise „Kurse für LehrerInnen“ oder „arbeitslose Angestellte“ vor.

Die Schwellenängste und „das meist gering ausgeprägte Hilfesuchverhalten“ erfordern Methoden „aktiv zu den Betroffenen hinzugehen, ihre relevanten Orte aufzusuchen“, wie z. B. Cafes oder Arbeitsvermittlungsstellen (a.a.O.: 209).

Entstigmatisierend wirkt auch eine Betrachtungsweise, welche die Erwerbslosigkeit nicht als isoliertes Ereignis, sondern als Teil der beruflichen Entwicklung“ auffasst. Für die Beratung wäre es daher hilfreich, (a) die Lebensspanne zu betrachten und berufliche und nichtberufliche Lebensbereiche wahrzunehmen, (b) länger und intensiv zu begleiten und (c) den Umgang mit anderen kritischen Lebensereignisse einzubeziehen (vgl. a.a.O.: 210).

Den bisherigen Ausführungen zu Stigmatisierung und Distanzierung sind noch weitere Aspekte zu ergänzen:

1. Eine weitere Möglichkeit, die Stigmatisierung ein Stück weit aufzulösen und Solidarität herzustellen, besteht in der gezielten Selbstetikettierung in Verbindung mit atypischen Einstellungen und Verhaltensweisen, welche die dem Stigma zugrundeliegenden Kategorien in Frage stellen. Dies könnte z. B. ein intensives ehrenamtliches Engagement für andere Erwerbslose oder für den Naturschutz sein mit öffentlichkeitswirksamer Berichterstattung in den Medien.
2. Denkbar sind auch Versuche, die der Stigmatisierung zugrunde liegende soziale Norm und die damit verbundenen Wertvorstellungen zu hinterfragen, siehe hierzu Strasser (1999) und Engler (2005). Ein anderen Weg schlägt die Initiative der „Glücklichen Arbeitslosen“ ein, die wesentliche Kategorienmerkmale wie ‚faul und glücklich‘ und ‚wählerisch‘ erfüllen und sich in ihrer Stigmakonformität emanzipieren: „Wenn der Arbeitslose unglücklich ist, so liegt es nicht daran, daß er keine Arbeit hat, sondern daß er kein Geld hat. Also sollten wir nicht mehr von ‚arbeitslos‘, sondern von ‚geldlos‘, nicht mehr von ‚Arbeitssuchenden‘, sondern von ‚Geldsuchenden‘ reden, um die Dinge klarer zu stellen“ (unbekannter Autor zitiert nach Engler 2005: 54). Einerseits wird hier die Vorstellung, man bräuchte Arbeit, um ein glückliches und erfülltes Leben führen zu können, ironisch provoziert. Andererseits wird auch ein Widerspruch zum Bild des frustrierten, resignierten, depressiven Arbeitslosen erzeugt, welcher andere Erwerbslose anregt, die eigene Situation und erlernte Werte und Wahrnehmungsmuster zu hinterfragen. Ob das Stigma dadurch aufgelöst oder nur eine Außenseiter-Kategorie geschaffen wird, weil viele Menschen in der Erwerbsarbeit Leistungsfähigkeit und Lebenssinn erfahren und sich darin als ‚gebraucht‘ und ‚nützlich für die Gesellschaft‘ist zu diskutieren.
3. Mit der allgemeinen Verbreitung des Internets stehen heutzutage neue, durch die Anonymität und die starke Verbreitung häuslicher Anschlüsse neue Kommunikationsmöglichkeiten zur Verfügung, welche als Diskussionsforen und als aktuelle Informationsquelle zur Organisation von Selbsthilfe benutzt werden. Das Internet bietet somit auch einen niederschwelligen Zugang für Beratungsangebote.
4. Da die Stigmatisierung auch nahestehende Personen der Erwerbslosen betrifft – einerseits als potentiell mitstigmatisierte Partner und Kinder, welche Ausgrenzung und Hänseleien erfahren, und andererseits evtl. auch als ungewollt Stigmatisierende, wenn die Betroffenen die Scham der Angehörigen spüren – erscheint es sinnvoll, das engere soziale Umfeld des direkt Betroffenen in die psychosoziale Beratung mit einzubeziehen.

Distanzierungen erlauben nicht nur die individuelle kognitive Abwehr der Stigmatisierung, sondern stellen auch für Familiensysteme eine systemstabilisierende Bewältigungsstrategie dar.

2.3.6 Erwerbslosigkeit in der Familie: Rollenverständnis, Territorien, Kinder und Geschlecht

Untersuchungen von Familien mit erwerbslosen Vätern verweisen auf häufige Distanzierungen: „ Sowohl die Münchener wie die Bremer Studie zeigen nachdrücklich, daß sich keine der Familien selbst als Familie mit einem arbeitslosen Vater definierte: Eine solche Kennzeichnung würde offenbar beinhalten, daß man sich mit der Situation abgefunden hat, bzw. daß die Situation von Dauer sein könnte“ (Wacker 1993: 31, Hervorhebung wie im Original). Somit ist es nicht nur für das Selbstbewusstsein des Mannes, sondern auch für den Zusammenhalt der Familie wesentlich, dass sich der Mann nicht als ‚arbeitslos‘, sondern als ‚arbeitssuchend‘ definiert (vgl. ebd.). Diese subjektive Repräsentation liefert einen Grund dafür, dass erwerblose Familienväter relativ selten eine psychosoziale Arbeitslosenberatung aufsuchen (vgl. a.a.O: 36).

Häufig nehmen die Frauen in Familien, in denen die Männer die Hauptverdiener sind, die Rolle des Krisenmanagers ein: „Viele Hinweise sprechen dafür, daß die in Arbeitslosenfamilien auftretenden Belastungen und Konflikte auf die Frauen und Mütter aktivierend wirken, während die Männer häufig passiv bleiben, sich abkapseln und auf destruktive Bewältigungsstrategien ausweichen (Demoralisierung)“ (a.a.O.: 34). Bleibt jedoch die andauernde Stellensuche des Partners ohne Erfolg, so löst dies dementsprechend bei den Ehefrauen meist emotionale Überforderung aus (vgl. a.a.O.: 32), und es kommt immer wahrscheinlicher zu Konflikten: „Da eine Anpassung an längerfristige Arbeitslosigkeit ohne eine Umdefinition oder doch flexible Handhabung klassischer Geschlechterrollen kaum möglich ist, greift Arbeitslosigkeit so potentiell die Grundlage einer Beziehung an“ (a.a.O.: 29).

Um so problematischer ist, dass sich Familienväter von Außenkontakten zurückziehen. Als Grund führt Wacker an: „Wir leben in einer Kultur, in der Unabhängigkeit und Selbständigkeit einen hohen Stellenwert haben. Deshalb werden nach Möglichkeit solche Situationen gemieden, die jemanden als hilfebedürftig und abhängig erscheinen lassen“ (a.a.O.: 36). Für die Männer, welche sich nun die meiste Zeit zu Hause aufhalten, ist die Beteiligung an der Hausarbeit – obwohl viele Frauen über Mehrarbeit im Haushalt klagen – jedoch aufgrund verfestigter geschlechtstypischer Verhaltensweisen und Territorien problematisch (vgl. a.a.O.: 30). Wenn dann noch neben finanziellen Schwierigkeiten „Veränderungen der Persönlichkeit und des persönlichen Wohlbefindens“ hinzukommen, „führen sie zu einer Zunahme von Spannungen, Streitereien und Konflikten“ und bei den Kindern zur Wahrnehmung ihrer „arbeitslosen Väter als reizbar, strafend und aggressiv“ (Wacker 1984: 104). Insbesondere wenn die beruflich erworbene Leistungseinstellung auf die ‚Familienarbeit‘ übertragen wird, können die „kompensatorischen Versuche, den Umgang mit Kindern als Quasi-Arbeit zu gestalten (Schularbeitenaufsicht u. ä.)“ zur Überforderung der Familienangehörigen führen (Wacker 1993: 35).

Wesentlich für die Bewältigung von Erwerbslosigkeit ist eine vertrauensvolle Beziehung, in der gegenseitige emotionale Unterstützung möglich ist. Entfällt die emotionale Zuwendung durch die Frau oder die Kinder, sei es aus mangelndem Verständnis oder aus dem Gefühl der Überforderung, fühlt sich der Partner zunehmend zurückgewiesen und für die Familie wertlos (vgl. a.a.O.: 32 u. ders. 1984: 100).

Diese Ergebnisse wurden aus Familien mit einem eher traditionellen Rollenverständnis gewonnen. Die Wirkung der Erwerbslosigkeit auf modernere Familien, z. B. mit Hausmännern oder in Strukturen, die einer Wohngemeinschaft ähneln, muss noch eingehender untersucht werden. Doch auch hier kommt es darauf an, (a) wie flexibel die Rollen und die Nutzung häuslicher Bereiche gehandhabt werden, (b) wie gut es gelingt, Gemeinsamkeiten und Beziehungssymbole zu erhalten und (c) inwieweit Erwerbslosigkeit als Chance oder als Belastung wahrgenommen und erlebt wird.

Sorgen und Konflikte zwischen den Eltern verstärken sich, wenn finanzielle Probleme andauern. Dieses zeigt auch bei den Kindern Wirkungen, vor allem dann, wenn neben dem familiären Stress auch noch Ausgrenzung und Hänseleien von Gleichaltrigen hinzukommen: Insbesondere „ökonomisch deprivierte Kinder, d.h. Kinder aus Familien, die starke finanzielle Einbußen meistens als Folge von Arbeitslosigkeit hinnehmen mußten, weisen ein deutlich geringeres Selbstwertgefühl auf, machen häufiger selbstabwertende Äußerungen, sind depressiver, einsamer, empfindlicher, weniger gesellig, mißtrauischer und weniger in der Lage, Streß zu bewältigen“ (Kieselbach 1994: 246). Wenn die Eltern spüren, dass sie den Verpflichtungen ihren Kindern gegenüber nicht in ausreichendem Maße nachkommen können und finanzielle Einschnitte nicht mehr verbergen können, erhöht sich ihre psychische Belastung (vgl. a.a.O.: 245).

Ansonsten haben Kinder auf die Eltern, insbesondere wenn sie jünger sind, einen „antidepressiven Effekt“: „Um sie muß man sich kümmern, für sie muß man gemeinsam sorgen – auf diese Weise wirkt die Existenz von Kindern als Kitt, manchmal sogar noch in massiv gestörten Familien, [...]“ (Wacker 1993: 34f.). Kinder fungieren außerdem als symbolstarke Identifizierungsobjekte für die Gemeinsamkeit in der Partnerschaft und können, wie auch Haustiere, eine persönlichkeitsstabilisierende Funktion besitzen und vor Suizid bewahren (vgl. a.a.O.: 32f.).

Des Weiteren erlauben Kinder auch einen Rollenwechsel, wie Schmitt (2008) in seiner Studie ‚Gender-specific effects of unemployment on family formation: A cross-national perspective‘ gezeigt hat: Vor allem solche Frauen, die sich wenig Chancen auf dem Arbeitsmarkt ausrechnen, haben häufiger Kinderwünsche, weil sie mit dem Wechsel in die traditionelle Hausfrauen- und Mutterrolle eine annehmbare Alternative zur kinderlosen Erwerbslosigkeit ansehen, während Männer die Familiengründung aufgrund finanzieller Unsicherheit grundsätzlich ablehnen würden (vgl. a.a.O.: 51). Bei einer hochqualifizierten Berufsausbildung und bei günstig bewerteten Chancen auf die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt sind dagegen beide Geschlechter wenig an einer Familiengründung interessiert (vgl. a.a.O.: 52).

Der auf das Geschlecht bezogenen Hypothese „Frauen werden seltener infolge von Arbeitslosigkeit krank, weil sie nicht einseitig auf Beruf und die öffentliche Sphäre fixiert sind“ (Schröter 2008: 148) sowie dem Befund von Paul & Moser (2001), dass Frauen grundsätzlich unter Erwerbslosigkeit weniger leiden, steht eine andere in den neuen Bundesländern durchgeführte Studie entgegen, nach der beide Geschlechter gleichermaßen unter stärkeren psychischen Belastungen leiden. Hier scheinen der hohe Stellenwert, den viele ostdeutsche Frauen der Berufstätigkeit beimessen und die Aussichten auf Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt ausschlaggebend zu sein (vgl. Berth et al. 2006a: 88f.).

Zusammengefasst spielt die Familie bei der Bewältigung der Erwerbslosigkeit eine große Rolle. Allerdings sind Familienangehörige nicht nur "Vermittler sozialer Unterstützung", sondern auch "Opfer-durch-Nähe" (Kieselbach 1994: 245). Daher ist es für die psychosoziale Beratung von erwerbslosen Menschen außerordentlich wichtig, immer auch die Familienangehörigen – insbesondere die Kinder – mitzuberücksichtigen und ggf. auch aktiv einzubeziehen.

Ähnliches gilt auch für Studien, die in der Benutzung von Fragebögen und Erhebung objektiver Daten Gefahr laufen, eine „methodische Vereinzelung“ Erwerbsloser – ohne Partner, Kinder und Verwandte – zu konstruieren (Sondergeld 1988: 5). Gleichermaßen gerät in der Fokussierung auf die offizielle Arbeitslosenquote aus dem Blick, dass hier weitaus mehr Menschen indirekt in hohem Ausmaß mitbetroffen sind.

Bei der Frage nach der Verarbeitung von Erwerbslosigkeit hinsichtlich der Geschlechtszugehörigkeit müssen weitere Bedingungen wie Bildungsstand, individuelle Erwerbsorientierung und Wiedereingliederungschancen berücksichtigt werden. Unter ähnlichen Rahmenbedingungen scheint Erwerbslosigkeit für beide Geschlechter gleichermaßen belastend zu sein und die Gesundheit zu gefährden, insbesondere bei dauerhafter Erwerbslosigkeit (Berth et al. 2006a: 80 u. 88).

2.3.7 Erwerbslosigkeit und gesundheitliche Folgen

Nach Berth et al. belegen eine Vielzahl von Studien „nahezu einhellig die negativen gesundheitlichen Folgen von Arbeitslosigkeit“ (a.a.O.: 78). Als objektive Gesundheitsfolgen sind „die Erhöhung des systolischen Blutdrucks, die erhöhte Chronifizierung von Krankheiten und die Notwendigkeit der Erhöhung von Medikamentendosen“ nachgewiesen (a.a.O.: 78f.).

Demgegenüber stehen vielfältige subjektive Gesundheitsfolgen: „Ein- bzw. Durchschlafstörungen, Herzbeschwerden, erhöhte Depressivität, Erschöpftheit und Angespanntheit, Erhöhung des Alkohol- und Nikotinkonsums, Verlust sozialer Bindungen und sozialer Identität, Statuseinbußen, pessimistische Zukunftseinstellungen oder die Verschlechterung der Familienbeziehungen“ (a.a.O.: 79). Des Weiteren geben Erwerbslose häufiger an, dass sie „unzufriedener mit ihrer Gesundheit, ihrer Ehe/Partnerschaft, ihrer eigenen Person, ihrer Sexualität und ihrer sozialen Integration sind; ihren Gesundheitszustand subjektiv als schlechter und weniger selbst beeinflussbar einschätzen und sich durch ihren aktuellen Gesundheitszustand stärker behindert fühlen“ (ebd.).

Erwerbslosigkeit kann auch die Persönlichkeit der Betroffenen verändern: Gegenüber Nichterwerbslosen klagen sie signifikant häufiger über Depressionen, Ängste, Neurotizismus und Introversion (vgl. ebd.). Des Weiteren neigen Erwerbslose in hohem Maße zur Verbitterung (vgl. Frese 1994: 204ff.).

Dass auch wirklich Symptome wie z. B. Durchschlafstörungen und gesteigerter Alkoholkonsum durch Erwerbslosigkeit verursacht werden und nicht das Ergebnis einer fehlinterpretierten statistischen Selektion durch häufigeres Ausscheiden von kränkeren Menschen aus dem Erwerbsleben sind, können Berth et al. mit Hilfe einer Sächsischen Längsschnittstudie (1996 bis 2004, N=153) nachweisen. Es scheint sogar eine Wechselwirkung im Sinne eines Teufelskreises zu existieren: „Psychisch belastetere Personen werden eher arbeitslos und leiden dann mehr unter den Folgen der Arbeitslosigkeit, was wiederum zu schlechteren Chancen auf dem Arbeitsmarkt führen kann“ (vgl. 2006b: 111).

Die in Erwerbslosenfamilien mitbetroffenen Kinder zeigen, bedingt durch den familiären Stress ebenfalls häufiger Erkrankungen wie Schlaf- und Essstörungen, „eine größere Unfallneigung und andere Verhaltensprobleme [...] Infektionskrankheiten und chronische Krankheiten, wie z.B. Erkältungskrankheiten, Magen-Darm-Erkrankungen, Störungen des Immunsystems (Asthma, Ekzeme) und Knochenbrüche“ (Kieselbach 1994: 246). Wird die Erwerbslosigkeit in der Familie jedoch gut bewältigt, so kann das Selbstwertgefühl der Kinder auch erhalten bleiben, so dass einer Verschlechterung ihrer Schulleistungen vorgebeugt ist (vgl. a.a.O.: 246f.).

Erwerbslosigkeit als Ursache für Armut ist offensichtlich. Die entstehende Armut führt zu einer schlechteren Gesundheitsversorgung, weil das Geld eventuell eher für Nahrungsmittel als für den Arztbesuch oder Arzneien ausgegeben wird. Außerdem können auch Schamgefühle davon abhalten, therapeutische Maßnahmen und Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch zu nehmen. Letztgenanntes weist darauf hin, dass Erwerbslosigkeit auch den Kern einer Person, die Identität, berührt und in Frage stellen kann.

2.3.8 Erwerbslosigkeit und Identität

Die große Bedeutung subjektiver Repräsentationen (s. Kap. 2.3.5) und daraus folgenden Abwehrreaktionen, die Wichtigkeit des Erhalts von Identifizierungsobjekten (s. Kap. 2.3.6), die beobachteten Veränderungen in der Persönlichkeit (s. Kap. 2.3.7) und durchaus auch die Geschlechtszugehörigkeit als soziale Kategorie (s. Kap. 2.3.6) zeigen, wie wichtig das Erleben von Identität ist. Betroffene beklagen häufig den Verlust ihrer Identität und ihres Selbstwertes (vgl. z. B. Uhlig 2008: 27).

Vor allem dann, wenn die berufliche Identität eine zentrale Position im Leben einnimmt, wird auch die gesamte Person und ihr Wert in Frage gestellt: „Wer nur in bezahlter Arbeit, sozialem Aufstieg und im Erwerb den Schlüssel zu einem sinnvollen Leben sieht, verliert mit dem Verlust der Arbeit auch sein Selbstwertgefühl. Arbeitslosigkeit kann so zum Auslöser tiefgreifender Identitätsstörungen werden, zumal Arbeits- und Familienorientierung eng verschränkt sind. Ein arbeitsloser Kraftfahrer: ‚ Also, praktisch habe ich mir eingebildet: Ich bin jetzt ein Nichts, meine Frau verdient, ernährt die Familie, was bist du dann noch? ‘“ (Wacker 1984: 101). In der jüngeren Arbeitslosenforschung gewinnt daher das Identitätskonzept an Bedeutung – auch in der Hoffnung, eine vereinende theoretische Basis für die unterschiedlichen Studienergebnisse zum Einfluss der Erwerbslosigkeit auf die psychische Gesundheit zu erhalten (vgl. Rogge 2007: 2). Daher soll es hier kurz vorgestellt werden.

Der Identitätsansatz orientiert sich im wesentlichen an drei Bezügen (Subjekt, Kontext und Handlung), anstatt die Person und ihr Verhalten zu kategorisieren (s. Kap. 2.3.4):

1. Subjektbezug: Hierzu gehören die für die Person „individuellen Relevanzsetzungen“ (z. B. subjektiv wichtige Lebensbereiche wie Beruf, Familie, Freunde, Hobbys) und wie diese wahrgenommen und gedeutet werden. Diese „Identitätsstandards“ dienen als Vergleichsmaßstab der Lebenssituation, indem das situativ Erlebte kontinuierlich bewertet wird. Bei Übereinstimmung (Kongruenz) stellen sich positive Emotionen ein, während Abweichungen (Inkongruenz) zu negativen Emotionen führen, z. B. Angst vor Statusverlust (vgl. Rogge 2007: 2f.).

2. Kontextbezug: Zwischen Identität und den subjektiv wichtigen sozialen Umwelten bestehen starke Wechselwirkungen, wie z. B. Stigmatisierungen deutlich zeigen. Daher muss das Individuum auch immer im Zusammenhang mit seinen zentralen Rollen und den herrschenden sozialen Normen betrachtet werden. Des Weiteren kann hier auch der „sozial ungleich verteilte Bestand finanzieller und kultureller Ressourcen“ erfasst werden (a.a.O.: 3).

3. Handlungsbezug: Im Identitätskonzept wird die Kongruenz zwischen Identität und dem Erleben einer Situation als „zentraler Auslöser von Bewältigungshandeln und Veränderung“ gewertet (ebd.).

Die Identität entsteht und entwickelt sich im wechselseitigen Zusammenwirken von Subjekt, Kontext und Handlung und ist daher als dynamisches Konstrukt zu begreifen (vgl. ebd.).

Für das psychische Wohlbefinden von Erwerbslosen sind dabei zwei Kriterien von zentraler Bedeutung: „1. das Empfinden von Identitätskongruenz; 2. das Empfinden von Kontrolle“ (ebd.). Je nach Ausgestaltung dieser Kriterien kann das Erleben von Erwerbslosigkeit durch vier Prozess-Typen beschrieben werden (vgl. a.a.O.: 3ff., s. Tab. 2-1):

A. „ Stabilität der Identität “ (Kongruenz + Kontrolle), wenn z. B. der Rolle im Erwerbsleben eine eher untergeordnete Bedeutung zugemessen wird, wenn die Normen der Arbeitsgesellschaft kaum verinnerlicht wurden und wenn es noch andere wichtige Rollen im Leben gibt, kann in der Erwerbslosigkeit Zufriedenheit erlebt werden.

B. „ Bedrohung der Identität “ (Kongruenz + fehlende Kontrolle), wenn z. B. die Identität wie bei A. kongruent ist mit der Erwerbslosenrolle, aber in der neuen Lebensphase nicht finanziert werden kann, erlebt dieser Typ häufig Angst.

C. „ Suspendierung der Identität “ (Inkongruenz + Kontrolle), wenn z. B. die Identität zentrale Bezüge zum Erwerbsleben hat und aufgegeben wird, weil in der Erwerbslosigkeit keine Alternativen gefunden werden, die ähnliche Anerkennung bieten, entsteht oft das Gefühl von Sinnlosigkeit, Langeweile, Leere und Niedergeschlagenheit.

D. „ Zerstörung der Identität “ (Inkongruenz + fehlende Kontrolle), wenn z. B. die Identität stark auf das Erwerbsleben ausgerichtet ist und zudem noch vorhandene Bezüge (v. a. Partnerschaft) wegbrechen, kann sich Kontrollverlust und Ohnmacht einstellen, was dann zu Verzweiflung, Depression und evtl. Suizidgedanken führen kann.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2-1: Übersicht der vier Prozesstypen laut Identitätsansatz

Mit diesem Ansatz wird eine verkürzte Sicht auf die Arbeitsorientierung vermieden. Stattdessen wird die Lebenssituation in ihrer Komplexität mitsamt allen identitätsbezogenen Interaktionen und emotionalen Prozessen wahrgenommen. Zudem kann die stärkere psychische Belastung bestimmter sozialer Gruppen vor dem Hintergrund einer ungleichen Verteilung „sozialer Identitätsressourcen“ wie z. B. Bildung, Finanzen, Deutungsmuster erklärt werden. Der Identitätsansatz kann in Therapie, Training und Beratung integriert werden (vgl. Rogge 2007: 7).

2.3.9 Fazit: zahlreiche notwendige Veränderungen durch Erwerbslosigkeit

Es wurden wesentliche Theorien und eine Vielzahl statistischer Zusammenhänge vorgestellt, die verstehen helfen, dass und wie zahlreiche Faktoren in vielfältiger Weise das subjektive kognitive und affektive Erleben und damit die Bewältigung von Erwerbslosigkeit beeinflussen.

Alles in allem erscheint der Verlust der Erwerbsarbeit als eine Erfahrung, welche die Betroffenen und das engere soziale Umfeld vor eine Vielzahl höchst unterschiedlicher Probleme stellt. Diese treten zudem nicht isoliert auf, sondern stellen Teile eines sehr komplexen Wirkungsgefüges sowohl in der objektiven Realität als auch in den subjektiven Wirklichkeiten der Beteiligten dar. Erwerbslosigkeit zwingt meist zu starken Veränderungen der intra- und interpersonellen alltäglichen Lebensprozesse, die außerdem in hohem Maße von gesellschaftlichen und sozialpolitischen Rahmenbedingungen beeinflusst werden, was aber den Beteiligten nicht immer bewusst ist. Die Notwendigkeit zur Neugestaltung der Biografie und vor allem des Alltags löst beim Erwerbslosen und ihm nahestehenden Personen in der Regel unterschiedliche psychische Belastungen aus, welche in ihrem Zusammenwirken vor allem bei einer hohen Problemdichte ein solches Ausmaß annehmen können, dass sogar auch die Gesundheit gefährdet ist.

Die Arbeitslosenforschung zeigt aber auch, dass es Erwerbslose und Familien gibt, die in dieser Situation nicht so stark leiden und in Ausnahmefällen sogar noch glücklicher als vorher sind: „Arbeitslosigkeit kann auch als unproblematische Lebenssituation (Rogge u.a., 2007), als Erleichterung im Anschluss an eine belastende Arbeitstätigkeit (Wheaton, 1990), als Zugewinn an freier Zeit (Luedtke, 2001) oder gar als Durchgangsstation auf dem Weg zur ‚wirklichen Identität’ (Ezzy, 2001) erlebt werden. Arbeitslosigkeit schlägt sich also in einer Vielfalt ganz unterschiedlicher Lebenswelten und Alltagswirklichkeiten nieder“ (Rogge 2007: 1).

Die Arbeitslosenforschung zeigt aber auch, dass Erwerbslose eine schwer erreichbare Gruppe bilden (vgl. Elkeles & Kirschner 2003: 221 u. Wacker 1993: 27). Eine finanzielle Anerkennung für die Mithilfe bei der Forschungsarbeit scheint den Zugang zu erleichtern; so haben Knabe et al. (2009) den teilnehmenden Erwerbslosen 10€ pro Interview gezahlt (vgl. a.a.O.: 8).

Wenn Erwerbslosigkeit im Allgemeinen eine belastende Erfahrung ist, dann erscheinen glückliche Lebensmomente um so wertvoller. Aber was ist eigentlich ‚Glück‘? Lässt es sich gezielt steigern? Mit welchen Methoden ist das möglich? Und, was hinsichtlich der Bedeutung für die Soziale Arbeit besonders wichtig ist: Welcher Nutzen kann dadurch entstehen?

3 Wesentliche Theorien und Stand der Glücksforschung in Bezug auf Erwerbslosigkeit

Im Folgenden werden wichtige Grundlagen der Glücksforschung beschrieben, wobei eine Auswahl von Schwerpunkten hinsichtlich der zu untersuchenden Fragestellung „Bedeutung für die Soziale Arbeit?“ getroffen wird. Desweiteren Außerdem wird untersucht, wie und inwieweit die Lebenszufriedenheit gesteigert werden kann und welcher potentieller Nutzen sich daraus ergibt.

3.1 Glücksforschung und Glück - Einordnung und Definitionen

Die Anfänge der Glücksforschung liegen in den 1960er Jahren, als in den USA Umfrageorganisationen damit begannen, nach Glück und Zufriedenheit zu fragen. Bald folgten internationale Umfragen sowie auch zunehmend Berichte über Glück und positive Emotionen in psychologischen Fachzeitschriften. Seit 1999 bringt Veenhoven das ‚Journal of Happiness Research‘ heraus (vgl. Argyle 2001: 6f.). Etwa seit 2000 formiert und emanzipiert sich die ‚Positive Psychologie‘ als eigenständiger Zweig innerhalb der Psychologie, zunehmend auch in Deutschland (vgl. Bucher 2009: XIV, Auhagen 2004: 2f.). Diese Entwicklung wirft die Frage nach der Rolle der Glücksforschung auf.

3.1.1 Definition und Einordnung der Glücksforschung

Ist jeder, der andere Menschen nach dem subjektiven Wohlbefinden oder der Zufriedenheit befragt, bereits ein ‚Glücksforscher‘? Leistet jeder Therapeut oder Berater, der ein Buch über ‚das Glück‘, positive Emotionen oder ‚glückliches Leben‘ schreibt, einen Beitrag zur Glücksforschung? Ist ‚Glücksforschung‘ ein Teilgebiet der Psychologie?

Glücksforschung wird hier als Forschung verstanden und verlangt ein wissenschaftlich fundiertes Vorgehen, welches in der Regel in empirische oder meta-analytische Studien mündet. Die psychologischen Fragestellungen in Bezug auf das Glück sind sehr vielfältig und betreffen die Definition, die Messung, Ursachen und Folgen (vgl. Kashdan et al. 2008: 221). Der wissenschaftliche Anspruch der Glücksforschung verlangt eine Distanzierung von philosophischen, religiösen oder esoterischen Ansichten über Glück.

Glücksforschung sollte aber nicht nur als Glückspsychologie verstanden werden, sondern kann durchaus Bestandteil unterschiedlicher Wissenschaftsdisziplinen sein, wie an folgenden Beispielen deutlich wird:

- Ökonomie: Welche Rolle spielt Geld für ein glückliches Leben? Welche Arbeitsmarktpolitik verspricht eine Steigerung von Glück für möglichst viele Menschen? Inwiefern ist Glück ein Erfolgsfaktor für Unternehmen?
- Neurobiologie: Welche Vorgänge im Gehirn lösen Glücksempfindungen aus? Wie verändert sich das Gehirn, wenn Menschen nachhaltig glücklich leben?
- Medizin: Inwiefern dient häufiges Glückserleben der Gesundheitsprävention? Inwieweit ist bei ‚depressiven Stimmungen‘ die Änderung des Lebensstils oder die Verschreibung von ‚glückssteigernden‘ antidepressiven Medikamenten zu empfehlen?
- Soziologie: Welche Gesellschaften sind aus welchen Gründen besonders glücklich? Welche Bedingungen müssen geschaffen oder verändert werden, damit möglichst viele Mitglieder einer Gesellschaft zufriedener leben können?
- Psychologie: Wie lässt sich Glück als Forschungsgegenstand definieren? Wie verhält sich Glück zu anderen Affekten? Welche Verhaltensänderungen wirken nachhaltig auf das Glück? Und wie wirkt gesteigertes Glück auf das Verhalten?

Diese Beispiele zeigen, dass Glücksforschung im Grunde sehr facettenreich sein kann und zu interdisziplinärer Zusammenarbeit einlädt. Demnach ist ein Glücksforscher jemand, der sich primär mit obigen Fragen wissenschaftlich beschäftigt, und das sind gegenwärtig vor allem Psychologen.

Da die psychologische Erforschung des Glücks mittlerweile der sogenannten ‚ Positiven Psychologie ‘ zugeordnet wird, soll auch sie kurz vorgestellt werden:

Die Psychologie war in ihrer Geschichte die meiste Zeit auf negative Emotionen ausgerichtet. So erschienen im Zeitraum 1887-1999 über 160.000 ‚psychological abstracts‘ über Depression, Angst und Ärger, aber nur ca. 13.000 über Lebenszufriedenheit, Glück und Freude (vgl. Bucher 2009: XI). Der Motivationsforscher A. Maslow, welcher u. a. die wunderbarsten Erfahrungen des Lebens (sog. Gipfelerlebnisse) erforscht hat, rief 1954 erstmalig dazu auf, dass sich die Psychologie stärker mit den positiven Seiten des Menschen beschäftigen müsse. Der entscheidende Durchbruch zu einer nachhaltigen Bewegung ging jedoch vom Depressionsforscher M. Seligman 1998 aus, der die bisherige Psychologie als „halb-backen“ bezeichnete, solange sie sich nicht intensiver mit dem Guten im Menschen und in der Welt beschäftige (vgl. Lopez & Gallagher 2009: 3).

Ähnlich wie die Glücksforschung versteht sich die Positive Psychologie als Wissenschaft und distanziert sich von nicht-wissenschaftlichen Glückskonzepten und Methoden, wie ein sinnvolles zufriedenstellendes Leben gelingen kann. Sie fokussiert die Stärken, Aufbauprozesse und Heilung, Sinn und Glück ohne jedoch die Schwächen, Krankheiten und Probleme zu ignorieren (vgl. Peterson 2009: XXIII, s. Anhang 3-1).

Die Positive Psychologie ist noch ein sehr junger Wissenschaftszweig und steht vor der Herausforderung, sich im Gesamtfeld der Psychologie zu etablieren und als eigenständig wahrgenommen zu werden (vgl. Argyle 2001: 7).

Ein weiteres Problem der Positiven Psychologie ist die Fragestellung, inwieweit sie sich der ‚amerikanischen Freiheitsideologie‘ unterordnen muss und inwieweit sie zu einem pädagogischen Auftrag verpflichtet ist, Menschen zu vermitteln, ‚gut und sinnvoll zu leben‘ (vgl. Schwartz 2000: 87, s. Anhang 3-1). Der Nutzen und Sinn von Vorschriften oder von ‚Standards vom guten Leben‘ soll hier nicht weiter diskutiert werden. Wichtig ist jedoch die Feststellung, dass die Positive Psychologie, ähnlich wie die Soziale Arbeit, einer ethischen Reflexion bedarf (vgl. Auhagen 2004: 4 u. 12f.).

Letzteres Zitat weist außerdem eindrücklich darauf hin, dass die Entwicklung der Positiven Psychologie als soziale Wissenschaft stark vom kulturellen Kontext beeinflusst wird. In diesem Zusammenhang fällt auf, dass sich die Glücksforschung vorwiegend in den USA entwickelt hat und dort auch entsprechend bekannte Vertreter hat, während es in Deutschland keine renommierten Glücksforscher gibt. Das kann einerseits daran liegen, dass der glücksbetonende Utilitarismus vorwiegend im englischsprachigen Raum verbreitet ist, andererseits können politische und historische Gründe diese Situation erklären: So sichert die amerikanische Verfassung jedem das Streben nach Glück zu „[...] with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the pursuit of Happiness“, während in der Bundesrepublik das Glück „aufgrund der weltgeschicht-lichen Katastrophen keine große Tradition“ habe (Bucher 2009: XVI). Dieser Blickwinkel wirft weitere Fragen auf:

1.) Welche Rolle und welchen Einfluss wird die Glücksforschung und Positive Psychologie in Deutschland haben? Dieses wird vermutlich in hohem Maße davon abhängen, wie ‚gut‘ es deutschen Psychologen gelingen wird, die ursprünglich amerikanische ‚Positive Psychology‘ dem deutschen Kontext anzupassen und in das hiesige Wissenschaftsgefüge zu integrieren, welche namhaften und einflussreichen Wissenschaftler und Förderer hierfür gewonnen werden können und wie intensiv diese Personen sich engagieren.

2.) Inwiefern wird das Verständnis von ‚Glück‘ von kulturellen Einflussen bestimmt? Viele Studien wurden in angelsächsischen Ländern durchgeführt und müssen hinsichtlich der Übertragbarkeit auf deutsche Verhältnisse hinterfragt werden: „[...]; some happiness may take a different form in different cultures, and there may also be different ways of answering questions“ (Argyle 2001: 7).

Als ein wesentliches Motiv der Glücksforscher kann die wissenschaftliche Neugier gegenüber eines spannenden ‚Naturphänomens‘ angesehen werden, welche durch ein allgemeines, weit verbreitetes Interesse verstärkt wird: Welcher Mensch möchte nicht glücklich sein und ein glückliches Leben haben?

Neben dem Aufbau eines grundlegenden Verständnisses von ‚Glück‘ zielt die Positive Psychologie auch auf Anwendungen in wesentlichen Bereichen menschlichen Lebens, insbesondere Erziehung, Psychotherapie, Familienleben, Arbeitszufriedenheit und förderliche Bedingungen für Organisationen und Gesellschaften (vgl. Lopez 2009: 690, s. Anhang 3-1). Die Verbesserungen in diesen Lebensbereichen dienen zudem einem übergeordneten Ziel: „The promise of positive psychology is in its success in rounding out the story of human nature“ (a.a.O.: 693).

Glücksempfindungen sind ein wesentlicher Bestandteil der ‚menschlichen Natur‘. Doch ist Glück „ein hochgradig subjektives Phänomen. Die Gefahr, persönliche Sichtweisen zu verallgemeinern, ist stets gegeben“ (Bucher 2009: XVI). Daher ist, besonders aus wissenschaftlicher Sicht, die Definition von Glück von zentraler Bedeutung.

3.1.2 Definition und Messung von ‚Glück‘

Wer in seinem Bekanntenkreis die Frage stellt „Was verstehst du unter Glück?“, bekommt sehr unterschiedliche Antworten, wie z. B. „ein zufriedenes Leben“, „ein starkes wunderschönes, aber leider kurzes Gefühl“ und „angenehme Zufälle“. Jeder beschreibt völlig unterschiedliche Situationen, wann er glücklich ist, und es scheint unmöglich zu sein, sich auf ein gemeinsames Verständnis von Glück zu einigen.

Auch in der Glückspsychologie gibt es sehr unterschiedliche Auffassungen von Glück, was zum Teil in philosophisch tradierten Glückskonzepten begründet ist. Während der Hedonismus das Glück durch Genuss betont, sieht der Eudaimonismus die Erfüllung in einem tugendhaften Leben (vgl. a.a.O.: 15). Allerdings ist eine scharfe Trennung zwischen hedonischem und eudaimonischem Wohlbefinden für den wissenschaftlichen Entwicklungsprozess nicht unproblematisch, weil sie eine künstliche moralische Hierarchie erzeugen könnte, indem sie ‚dem Hedonisten‘ traditionsgemäß eine niedere Moral attribuiert (vgl. Kashdan et al. 2008: 219). Jedoch dürfe die wissenschaftliche Erforschung durch solche Wertungen nicht behindert werden, weil die Frage danach, was denn ein gutes Leben ausmache, ein Grundanliegen der Menschheit darstelle (vgl. a.a.O.: 228). Diese Untersuchung folgt daher einem möglichst grundlegenden und wertfreien Verständnis von Glück, weshalb betont eudaimonisch orientierte Glückstheorien wie „psychological well-being“, „self-determination theory“, „flourishing“, „authentic happiness“, „selfrealization“, „flow“ u. a. im einzelnen nicht weiter ausgeführt werden (a.a.O.: 221).

Statt einer exakten Festlegung des populären Begriffes ‚Glück‘ hat sich in der Forschung das bewusst weit angelegte Konzept des ‚ subjektiven Wohlbefindens ‘ (SWB) bewährt, welches obige philosophische Trennung vermeidet: „Subjective well-being is defined as a person’s cognitive and affective evaluations of his or her life as a whole. These evaluations include emotional reactions to events as well as cognitive judgements of satisfaction and fulfillment. Thus, subjective well-being is a broad concept that includes experiencing high levels of pleasant emotions and moods, low levels of negative emotions and moods, and high life satisfaction“ (Diener et al. 2009: 187).

Lebenszufriedenheit (LS, life satisfaction) meint demgegenüber eine weit gefasste, reflektierte Bewertung des Lebens als Ganzes und kann sich sowohl auf die Summe aller Lebensbereiche zu einem bestimmten Zeitpunkt sowie auch auf die gesamte Lebensspanne beziehen. In Messungen empfiehlt sich, die Befragten zu informieren, in welchem Sinn Lebenszufriedenheit gemeint ist (vgl. Diener 2005: 3).

Die Zufriedenheit mit bestimmten Lebensbereichen (DS, domain satisfaction) bezieht sich auf konkrete zentrale Bereiche des Lebens wie z. B. Gesundheit, Arbeit, Familie, Finanzen. Es wird bewertet, wie zufrieden und erfüllend das eigene Leben in Bezug auf diese Lebensmittelpunkte ist (vgl. a.a.O.: 3f.).

Lebensqualität (LQ) bezieht sich dagegen meistens darauf, wie wünschenswert das Leben eines Menschen hinsichtlich äußerer, objektiver Faktoren wie Umweltbedingungen und Einkommen ist (vgl. a.a.O.: 4).

SWB kann nur indirekt gemessen werden. Für die Messung werden zahlreiche Verfahren verwendet; für eine ausführliche Darstellung sei auf die Literatur verwiesen (vgl. Argyle 2001: 15ff. u. Bucher 2009: 18ff.). Daher soll hier eine kurze Übersicht genügen:

- Physiologische Größen, insbesondere neurologische Parameter wie Hormonausschüttungen (Dopamin, Serotonin, Endorphinen u. a.) und Gehirnaktivitäten in bestimmten Hirnzentren (vgl. Argyle 2001: 34ff. u. Bucher 2009: 55ff.) repräsentieren die biologische Grundlage und Ausdrucksform von SWB, welche in dieser Bachelorarbeit aber nicht weiter erörtert werden.
- Objektive Sozialindikatoren (z. B. Einkommen, Ausbildung) beschreiben sowohl für einzelne Menschen wie auch für Nationen, wichtige Rahmenbedingungen für die Lebensqualität und Gesundheit.
- Interviews dienen der Erforschung subjektiver Einstellungen und Vermutungen über das Entstehen des eigenen SWB (Glückskonzepte), unterliegen aber einem möglichen Einfluss durch den Interviewer und können sozial erwünschte Antworten provozieren.
- Fragebögen bieten dagegen Anonymität und werden in glückspsychologischen Studien häufig eingesetzt.
- Demoskopische Umfragen untersuchen Meinungen in der Bevölkerung und arbeiten, um Repräsentativität zu erreichen, mit hohen Teilnehmerzahlen. Eine 2003 durchgeführt Umfrage des Allensbacher Institutes ergab z. B., dass sich Deutsche zu 60% als „sehr zufrieden“ und zu 34% als „sehr glücklich“ bezeichneten (vgl. Bucher 2009: 9f.).
- Kurzskalen waren v. a. in den Anfängen der Glücksforschung gebräuchlich und verwenden – in kreativer Form Gesichter oder auch Celsiusgrade – einen Item (z. B. die direkte Frage nach der Zufriedenheit mit dem Leben im Sozio Ökonomischen Panel SOEP) oder auch zwei (z. B. Intensität des SWB und prozentuale Häufigkeit im Fragebogen von Fordyce). Direkte Fragen können jedoch Fehler erzeugen: So ist in den USA „I’m happy!“ eine Partyfloskel und „happiness“ Teil des ‚American way of life‘, während die in Japan kulturübliche Lebensphilosophie zurückhaltendere Antworten bewirkt (vgl. a.a.O.: 22 u. 38).
- Glücksskalen ermöglichen einen präziseren Zugang. Hierzu gehören z. B. die Affekt-Balance-Skala von Bradburn (1969, positive und negative Affekte), das Oxford Happiness Inventory (1989, Häufigkeit und Intensität von Affekten sowie Lebenszufriedenheit), die Subjective Happiness Scale von Lyubomirsky & Lepper (1999, globale Einschätzung, ob jemand ein glücklicher Mensch ist), die ‚Satisfaction With Life Scale‘ von Diener et al. (1985, meistverwendete handliche Skala zur Lebenszufriedenheit, siehe Anhang) u. v. m. (vgl. a.a.O.: 24ff.).

Diese Messungen weisen wie alle anderen psychologischen Tests unterschiedliche Gütekriterien auf (z. B. interne Kohärenz, Test-Retest-Reliabilität, Validität, Stör-einflüsse, Verwendbarkeit auf unterschiedliche Populationen, Leistungsvergleich mit anderen Messverfahren, vgl. Argyle 2001: 15ff.).

Die globale retrospektive Selbsteinschätzung kann zu Messfehlern führen, weil die Erinnerung an erlebte Emotionen von verschiedenen Faktoren beeinflusst wird (vgl. Bucher 2009: 35ff.), z. B.:

1. Ein glücklicher Zufall vor der Befragung, die Erinnerung an ein zuvor erlebtes angenehmes Lebensereignis und eine angenehme Umgebung führen in der Regel zu einer deutlichen Höherbewertung der Lebenszufriedenheit. Menschen zeigen oft eine grundsätzliche Neigung, gegenwärtige Stimmungen in die Vergangenheit und in die Zukunft zu projizieren (Präsentismus).

2. Länger zurückliegende Erinnerungen können stärker das semantische Gedächtnis als das episodische Gedächtnis aktivieren, d. h. die subjektive Bewertung wird vorrangig durch Wortassoziationen beeinflusst.

3. Menschen mit Neurotizismus erinnern bevorzugt negative Emotionen.

Dennoch seien globale Selbstbeurteilungen wertvoll, weil sie:

a) Einsichten in den psychologischen Prozess ermöglichen, wie Menschen zu globalen Bewertungen über ihr Leben gelangen,

b) Vorhersagen über zukünftige Entscheidungen und wichtige Auswirkungen im Leben wie Beziehungsstabilität ermöglichen,

c) zeigen, wie kulturelle Normen (eher kollektivistisch oder eher individualistisch) und individuelle Wertvorstellungen (eher erfolgs- oder sensationsorientiert) in die Gesamtbewertung des Lebens einfließen und weil

d) sie ähnliche Ergebnisse liefern wie andere Methoden (vgl. Diener et al. 2009: 188f.).

Wegen obiger Verzerrungen sei die Ergänzung mit weiteren Erhebungsinstrumenten jedoch sinnvoll (vgl. ebd.).

- Experience Sampling Method (ESM) liefert mittels piepsender Handcomputer das ‚wahre‘ aktuelle Befinden zu zufällig ausgewählten Zeitpunkten. Des Weiteren können Tagesprofile und Profile während bestimmter Tätigkeiten erstellt werden: Oft sind Menschen erst nach Beendigung von konzentrierten Aktivitäten (wie z. B. Bergsteigen) glücklich (vgl. Bucher 2009: 39f.).

Da solche Messungen aufwändig sind, ist die Teilnehmerzahl in den Studien meist klein und unterliegt vermutlich auch einer Selektion, weil glücklichere Menschen eher bereit sind, einen ‚Pager‘ mit sich zu führen – somit sind die Ergebnisse nicht immer repräsentativ. Des Weiteren führen die Messungen zu Unterbrechungen der gerade ausgeführten Aktivitäten und können für die untersuchten Personen störend sein. (vgl. a.a.O.: 42).

[...]

Fin de l'extrait de 190 pages

Résumé des informations

Titre
Die Bedeutung der Glücksforschung für die Soziale Arbeit
Sous-titre
Eine Untersuchung am Beispiel der Bewältigung von Arbeitslosigkeit
Université
University of Applied Sciences Fulda
Note
1,0
Auteur
Année
2010
Pages
190
N° de catalogue
V146034
ISBN (ebook)
9783640565658
ISBN (Livre)
9783640565184
Taille d'un fichier
2165 KB
Langue
allemand
Mots clés
Glücksforschung, Positive Psychologie, Sozialarbeit, Arbeitslosigkeit, Beratung, Empowerment, Berufsethik, Internetbefragung
Citation du texte
Kirsten Vieth (Auteur), 2010, Die Bedeutung der Glücksforschung für die Soziale Arbeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/146034

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