Die Steintransportbahn von Kandern nach Malsburg-Marzell


Studienarbeit, 2010

99 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Eine kleine Ortskunde

Vom ersten Gedanken bis zum Bau der Steinbahn Malsburg - Marzell

Der Bau der Bahn und die nächsten Schwierigkeiten

Die ersten Betriebsjahre

Die Thielesche Zeit

Die Streckenbeschreibung von Kandern nach Malsburg - Marzell

Die Klärung der Spurfrage

Der Fuhrpark
Die Lokomotivführer
Die Lokomotiven
Der Personenwagen
Die Güterwagen
Das Fahrzeug nach der Eisenbahn

Der Weitertransport der Gesteinsprodukte auf der Normalspurbahn und die

Betriebsstatistik

Daten in der Übersicht

Quellennachweis

Einleitung

Die Steintransportbahn von Kandern nach Malsburg - Marzell erlangte nur ein kurzes Dasein von 1907 bis 1919. Seit ihrer Eröffnung war sie für die Kandertalbahn ein wichtiger Bestandteil im Güterverkehr zur Beförderung von dem im hinteren Kandertal so reichlich geförderten Schotter, Pflastersteinen und weiteren Gesteinsprodukten. Anhand meiner Nachforschungen ist belegt worden, dass auch die Bevölkerung im hinteren Kandertal ein reges Interesse und Nutzen an dieser kleinen Bahn hatte. Nicht nur der Güterverkehr sondern auch der Personenverkehr sollte zum Wohle der Bevölkerung ursprünglich eingeführt werden. Mit zahlreichen Unterschriften an die zuständigen Behörden, wurde die Wichtigkeit dieser Bahn für die wirtschaftliche Entwicklung der Region unterstrichen. Zwar wurde schlussendlich nie ein öffentlicher Personenverkehr eingerichtet, aber allein schon die Sicherung und Erweiterung der Arbeitsplätze in den Steinbrüchen, rechtfertigte den Bau der Bahn.

Eine eigene Gleisanlage, versehen mit einem Bockkran zur Verladung der Gesteinsprodukte, erleichterte das Umladen der Materialien am Bahnhof Kandern. Mit dieser Anlage konnten die Steinprodukte von den Schmalspurwagen auf die offenen Güterwagen der normalspurigen Kandertalbahn umgeladen werden. Von dort wurde die Ladung weiter in das große Netz der Eisenbahn eingeschleust, die die Fracht schlussendlich zu den Kunden brachte.

Noch heute werden die Steinbrüche kommerziell betrieben, aber anstatt mit der Eisenbahn werden die Gesteinsprodukte schon lange nur noch mit dem Lastkraftwagen abtransportiert.

An diese kleine 900 mm breite Schmalspurbahn, können sich heute nur noch wenige erinnern. Auch sichtbare Spuren von Gleisanlagen und anderen Baulichkeiten, sind gegenwärtig fast keine mehr aufzufinden.

Es ist angebracht, die Nachwelt zum 100 - jährigen Geburtstag mit einer Aufarbeitung der Geschichte an diese Schmalspurbahn zu erinnern. Auch ist die kleinen „Steinförderbahn“ wegen ihre Spurbreite ein Unikat in der badischen Eisenbahngeschichte geblieben. In ganz Baden wurde noch nie eine Schmalspurbahn in der Spurbreite von 900 mm als feste Anlage gebaut. Sie weicht damit von der in Baden üblichen Schmalspurbreite von 1000 mm ab. Die 900 mm Spur wurde hauptsächlich auf Baustellen zum Bau von Normalspurbahnen oder anderen großen Bauprojekten provisorisch angelegt und nach Vollendung der Arbeiten wieder abgebaut. Auch hat diese Bahn nichts mit den anderen Eisenbahngesellschaften für Klein- oder Schmalspurbahnen in Baden, dem benachbarten Elsass sowie der Schweiz, weder organisatorisch noch betrieblich gemein. Sie ist eine unabhängige private Förderbahn der Steinbruchunternehmer im hinteren Kandertal gewesen, die nur mit der Kandertalbahn in Verbindung zu bringen ist. Wäre die Kandertalbahn nicht schon gewesen, hätte es diese kleine Steinbahn nie gegeben. Da sie für den öffentlichen Verkehr nicht zur Verfügung stand, wurde sie weder in einem Verkehrsatlas verzeichnet noch in irgendeinem Kursbuch aufgeführt.

Wie in den meisten Nachforschungen auch war es wieder einmal schwer und sehr zeitaufwendig, geeignete Unterlagen zur informativen Darstellung der Geschichte dieser „Steinförderbahn“ zu finden. Wie bereits erwähnt handelt es sich nur um eine kleine Privatbahn, deren große Teile ihrer Unterlagen sich im Besitz der Eignerfirma befanden. Solche historisch interessanten Akten und Schriftdokumente wurden nach Jahren nicht mehr aufbewahrt und verschwanden im Nichts.

Ich versuchte alles was in den Archiven des Generallandesarchivs in Karlsruhe, Staatsarchiv Freiburg, den Gemeindenarchiven von Kandern und Malsburg - Marzell aufzufinden war, zu sammeln. Nach der Auswertung der Unterlagen konnte ich einen Lebenslauf über diese kleine Eisenbahn schreiben. Der Werdegang und das zwölfjährige Bestehen dieser Bahn werden im folgenden Text ausführlich dokumentiert.

Besonderen Dank gilt dem Altbürgermeister von Malsburg - Marzell Herr Fritz Breh und dem amtierender Bürgermeister Dieter Schwald, die mir bei der Suche nach Akten und Unterlagen sehr behilflich waren. Ihnen verdanke ich einiges an wichtigen Informationen und Fotos. Herr Volker Scheer steuerte ebenso Bilder vom früheren Kandern bei, die für das Buch ein wertvoller Schmuck sind. Überhaupt werden einige Bilder zum ersten Mal mit diesem Buch veröffentlicht.

Herr Friedhelm Fittkau aus Lörrach war als Lektor eine große Hilfe. Herr Karl Heinz Gümpel aus Lörrach beriet mich beim Druck des Buches. Auch ihnen mein besonderer Dank.

Nun wünsche ich Ihnen viel Spaß beim Lesen der Geschichte über eine nur kurzzeitig betriebene private Schmalspurbahn.

Steinen, im Juli 2007, nachbearbeitet und ergänzt im Februar 2010.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Eine seltenen Aufnahme einer Lokomotive der 900 mm Steintransportbahn im Bahnhof Kandern auf der Verladerampe. Hinter der Lokomotive sind Steine aus dem Steinbruch zu sehen, die von Hand abgeladen wurden. Sammlung: Michael Leipelt)

Eine kleine Ortskunde

Herausgenommen aus dem Buch „Malsburg - Marzell, eine Spurensuche im Südschwarzwald“.

Der Blauen und sein nach Süden reichendes Kandertal ist ein geologischer Überrest aus der Eiszeit. Als vor cirka 12.000 Jahren der dicke Eispanzer der schwindenden Eiszeit allmählich schmolz, rissen die zu Tale fließenden Ströme große Furchen in die Landschaft. Somit entstand auch unser liebliches Kandertal. Das bis dahin noch karge, mit Moos, Flechten, Sumpfpflanzen und Weiden überzogene Land, wurde langsam mit Birken, Buchen, Eichen und sonstige Baumarten bewaldet. Die damaligen Bewohner in unserer Gegend waren Mammuts, Moschusochsen, Nashörner, Höhlenbären und Riesenhirsche. In der näheren Umgebung wurden sogar menschliche Funde aus der Stein-, der Jungsteinzeit und der Bronzezeit gemacht. Somit wurde bewiesen, dass unser Gebiet des südlichen Schwarzwaldes schon früh von den damaligen Menschen bewohnt wurde.

Ein wichtiges kulturelles Erbe hinterließen die Kelten, die sich vermutlich ins hintere Kandertal, bis zum Fuße des Bergmassives des Blauen kurzzeitig niederließen. Bei einem Vorstoß der Römer unter der Herrschaft von Julius Cäsar verdrängten sie die hier ansässigen Kelten. Als die Keltenstämme den römischen Legionen weichen mussten, teilten sie sich. Die linksrheinischen Kelten wanderten bis zum Atlantik in die Bretagne. Die rechtsrheinischen Kelten zogen sich in den unwegsamen Schwarzwald zurück um dort unter schwierigen Lebensbedingungen ihr Leben zu fristen. Die Römer blieben cirka 300 bis 400 Jahre ein fester Bestandteil unserer Umgebung. Im 3. und 4. Jahrhundert verdrängten die Alemannen die Römer und besiedelten das Land.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Alte Gesamtansicht um die Region Kandern – Marzell. Sammlung: Michael Kopfmann)

Die Franken kamen um cirka 600 nach Christus und verbreiteten schon damals den christlichen Glauben trotz des Widerstandes der heidnischen Alemannen. Der Widerstand der Alemannen wurde 746 gebrochen. Die Franken brachten den verbliebenen Kelten und Alemannen das Christentum. Im näheren Umkreis entstanden als Folge der Bekehrung zum Christentum viele Klöster. Kandern wurde erstmalig 776 urkundlich erwähnt. Der Name ist wahrscheinlich keltischen Ursprunges und bedeutet so viel wie „Klares Wasser“. Das Kloster Lorsch besaß hier Grundstücke und man nimmt an, dass bereits schon zur dortigen Zeit Eisenerz abgebaut wurde. Auch war Kandern damals schon bekannt für seine Verarbeitung des Eisenerzes. Das Eisenerz wurde später in der gesamten Umgebung gefördert. Bis Mitte des neunzehnten Jahrhunderts war dies der wichtigste Wirtschaftszweig für Kandern gewesen. Auch für die Herstellung von Keramik und deren weitern Produkte ist Kandern heute noch bekannt. Damals wie heute sind die traditionellen Märkte unter freiem Himmel regional sehr beliebt (1/ Einleitung).

Geht man auf die Geschichte des hinteren Kandertales etwas näher ein, so stellt man fest dass es im Mittelalter schon besiedelt war. Ein Beweis dafür ist eine 1978 gemachte Bodenprobe oberhalb von Lütschenbach. Es sich dabei herausgestellt, dass bei einer Höhenlage von 800 - 900 Meter im Mittelalter Getreide angebaut wurde. Die ersten urkundlichen Erwähnungen heimischer Orte sind auf das Jahr 1120 und 1301 mit dem Namen „Matholsperc“ = Malsburg bekundet. Der Ort Kaltenbach ist bereits schon 1095 und 1103 bzw. 1105 erwähnt worden. Marzell 1150, Vogelbach 1185, und Lütschenbach 1308 (2/ Seite 11 und 12). Im späten Mittelalter gehörte das Kandertal zur Landgrafschaft der Herren von Sausenburg- Rötteln, die sogar noch mit einem Siegel in den Gemeindenakten von Malsburg bis 1750 sich verewig haben (2/ Seite 14). Die Reformation brachte die Gründung der selbstständigen Pfarrei Vogelbach und damit den lutherischen Glauben mit sich. Die Orte Vogelbach, Malsburg, Marzell, Kaltenbach, Lütschenbach, Edenbach - Höfe, sowie Wambach zogen gleich und gehörten dazu. Der dreißig- jährige Glaubenskrieg von 1618 - 48 brachte Zerstörung und Tod ins Land. Nach diesem verheerendem Krieg, kamen cirka dreißig Jahre später die Franzosen unter „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. ins Tal. Auch sie wollten nur die Gegend ausplündern und zerstören, genau wie es schon im dreißig- jährigen Krieg der Fall gewesen war.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Erst cirka Mitte des 18. Jahrhunderts kam langsam Frieden ins Land. 1783 hob der Markgraf von Baden die Leibeigenschaft im Lande auf, wonach nun alle Bürger sich als freie Menschen fühlen durften. Geschichtlich gesehen nahm Baden damit eine bis dahin neue aber sehr liberale Stellung in Deutschland ein.

Die Revolution von 1789 in Frankreich hinterließ auch im Kandertal seine Spuren. Die Franzosen fielen wieder einmal ins Tal ein und plünderten die Ortschaften. Von den folgenden napoleonischen Kriegen blieb die Gegend aber verschont. Im Jahre 1810 übernahm Kandern die Oberaufsicht der umliegenden Gemeinden. 1820 wurde es von dieser Aufgabe wieder entbunden, somit kamen die Gemeinden Malsburg und Marzell und damit das ganze hintere Kandertal zum Bezirksamt Müllheim. Kandern unterstand von da an der in der Region rechtsrheinisch größten Stadt, dem Bezirksamt Lörrach.

In den Jahren 1816 und 1817 breitete sich eine große Hungersnot im Land aus, als Folge verteuerten sich die Lebensmittel rapide. 1832 entstand aus den Gemeinde Marzell und Malsburg eine Gesamtgemeinde mit den Ortsgemeinden Vogelbach, Höfe, Lütschenbach, und Kaltenbach.

Einer der entscheidenden Schlachten der 1848- Revolution gegen die monarchische Herrschaft wurde auf einer freien Fläche bei Scheideck, oberhalb von Marzell, ausgetragen. Die Revolution wurde schlussendlich verloren und die alte Ordnung wieder hergestellt.

Nach dem Krieg von 1870 - 1871 mit Frankreich zeichnete sich ein großer wirtschaftlicher Aufschwung in Deutschland ab, von dem auch das gesamte Kandertal profitierte.

Der Bau und die Eröffnung der Kreisstraße Nr. 5 von Kandern nach den Orten Malsburg und Marzell am 14. September 1875 ermöglichte erstmalig den direkten gemächlicheren Weg ins hintere Kandertal. Bis dahin mussten die Traglasten beschwerlich über die Anhöhe bei Vogelbach hinunter nach Kandern gebracht werden. Der bessere Weg durch das Tal am Flusslauf der Kander entlang war vorher an einigen Stellen zu eng und durch massive, von der Natur in jahrtausenden geschaffene felsige Bergausläufern versperrt worden. Ermöglicht wurde dieser neue freie Weg erst mit mehreren schwierigen Sprengungen. Der Güterverkehr erlebte mit der neuen Straße eine wesentliche Erleichterung, was wiederum den wirtschaftlichen Aufschwung für das hintere Kandertal zur Folge hatte. Dieses Ereignis der Eröffnung wurde im Tal festlich gefeiert. Ab dieser Zeit wuchs die Bevölkerung im gesamten Tal an, wobei sich wiederum neue wirtschaftliche Möglichkeiten eröffneten und damit neuer Wohlstand einbrachte.

Auch die Einweihung der Kandertalbahn am 1. Mai 1895 war mit einer erneuten Belebung der Wirtschaft für das gesamte Kandertal eng verbunden. Die beiden oberhalb von Marzell gelegenen Lungenheil- und Erholungsheime „Friedrichheim“ (erbaut von 1897 bis 1902) und „Luisenheim“ (erbaut 1903 bis 1905) brachten viel Bewegung ins Tal. Benannt wurden diese, 1900 in Paris auf der Weltausstellung sogar mit einer Goldmedaille prämierten Genesungsstätten, nach dem großherzoglichen badischen Ehepaar. Auch hier wurden Arbeitsplätze geschaffen, die sehr wichtig für die Entwicklung des hinteren Tales waren. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde von Kandern aus der Fernsprechverkehr bis zu den neu angelegten Heimen verlängert. Was die Eisenbahn nicht vollbringen konnte schaffte der Kraftwagen. 1913 wurde die erste regelmäßig verkehrende Omnibuslinie zu den Kliniken eingerichtet.

Nach dieser Erläuterung der allgemeinen Geschichte des Kandertales, soll folgend die Entstehungsgeschichte der für unsere Bahn so wichtigen Steinbrüche zur Übersicht kurz dargestellt werden.

Der begabte Bildhauer und Steinmetz Rißmann aus Kaltenbach, der in Kandern wohnte, suchte sich seine zu bearbeiteten Steine im hinteren Kandertal aus. Er erwarb 1890 am Abhang des Gleichens über Lütschenbach ein Stück Land vom Landwirt Ernst Grether. Dort baute er mit seinem italienischen Arbeiter Rigoni seine Steinsexponate ab, um für einen Auftrag Treppenstufen zu fertigen. Daraus wurde innerhalb kurzer Zeit der größte Steinbruch im hinteren Kandertal. Die gute Qualität der Steine sprach sich schnell herum, was dazu führte, dass noch weitere Steinbrüche von anderen Unternehmern eröffnet wurden. Um 1900 kam der Italiener Moritz Cheregetti und erwarb ein Gelände vom Kranzwirt W. Breh und Friedrich Leonhard bei „Sigisrain“. Rißmann verkaufte in der Zwischenzeit seinen Steinbruch an den Freiburger Unternehmer Friedrich Wilhelm Mayer und dessen Teilhaber Bohrmann. Von nun an entwickelte sich eine bedeutende und lebhafte Steinindustrie im hintern Kandertal, bei der viele Bewohner dieser Gegend Arbeit und Brot fanden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Ansicht vom Steinbruch wahrscheinlich vor dem Bau der Steinbahn. Sammlung: Michael Kopfmann)

Vom ersten Gedanken bis zum Bau der Steinbahn Malsburg - Marzell

Die Großherzogliche Badische Regierung in Karlsruhe hatte Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts ihren Etat zum Ausbau des Hauptbahnnetzes auf Staatskosten sehr beansprucht. Am meisten forderte der schwierige Bau der Schwarzwaldbahn enorme Summen an Geldern. Es wurde richtigerweise zuerst die Vollendung des Hauptbahnennetzes beschlossen und ausgeführt. Danach war es kaum mehr möglich, zur Vervollständigung ihres Eisenbahnnetzes den Ausbau von kleineren, weniger rentablen Stichbahnen auf Kosten des Staates Baden zu übernehmen. Der große Eisenbahnboom in baulicher wie auch aus wirtschaftlicher Sicht gesehen war bis cirka 1880 ins Stocken geraten. Der Wunsch vieler im Abseits liegende Gemeinden. einen Anschluss an das große Eisenbahnnetz zu bekommen, um somit diese in ihrem wirtschaftlichen Wettbewerb zu fördern, konnte vom Staat nicht mehr finanziert werden. „Doch ein großer Fluss wird erst zum reißenden Strom, wenn ihm viele kleine Bäche zuströmen“, so auch das Eisenbahnnetz! Um den Gemeinden zu helfen, die bisher noch nicht mit einer Eisenbahnlinie angeschlossen waren, wurde 1886 ein Gesetz zur Förderung vom Bau solcher Nebenbahnen seitens der Regierung beschlossen. Damit war es nun möglich, Bauvorhaben von privaten Initiativen und Eisenbahngesellschaften mit einem finanziellen Beitrag vom Staat doch noch zu verwirklichen. Die Regierung beschloss für Straßenbahnen, sich mit bis zu 12.000 Mark pro Kilometer Strecke, zu beteiligen. Für Bahnen mit eigenem Bahndamm sah die Regierung sogar einen Zuschuß von 17.000 Mark pro Bahnkilometer vor. Die Kosten für den Geländeerwerb mussten aber die Gemeinden selber übernehmen. Mit dieser für den Staat kostengünstigeren Variante zur Vergrößerung des Eisenbahnnetzes im Lande, sollte ein neuer wirtschaftlicher Aufschwung folgen.

Seit Erscheinen dieses neuen Förderungsgesetzes brach eine wahre Lawine von Eingaben los, um den begehrten Zuschuss für den Bau von privaten Sekundärbahnen (Nebenbahnen) zu bekommen (3/ Seite 201). Der erste Gedanke der meisten Antragsteller war in der Regel immer die Projektierung einer Normalspurbahn. Wurde der Bau einer Normalspurbahn aus topografischen Gründen zu schwierig oder konnte eine kostendeckende Auslastung für die schweren Normalspurfahrzeuge nicht gewährleistet werden, so konnte seit 1886 erstmalig in Baden auch auf eine kleinere und billigere Art ausgewichen werden, die „Schmalspurbahn“. Als Folge entstanden auch zahlreiche Schmalspurbahnen, so zum Beispiel in unserer Region die 1000 mm Bahn Zell - Todtnau, die am 7. Juli 1889 eröffnet werden konnte (siehe Buch 4). Zuständig für das gesamte Eisenbahnwesen und somit auch für die Bearbeitung der Anträge, war das Großherzogliche Ministerium der Finanzen in Karlsruhe (5/ Seite 43). Als von der badischen Regierung festgestellt wurde, dass sich das nun ständig wachsende Geflecht des Eisenbahnnetzes mit dieser Förderung sinnvoll erweitern ließ, wurden die Zuschüsse später für Eisenbahnen mit eigener Trasse sogar auf 20.000 Mark pro Bahnkilometer erhöht. Es hatten aber laut Eisenbahnförderungsgesetz nur diejenigen Projekte eine Chance auf einen staatlichen Zuschuß, die mehrere Kriterien erfüllen konnten. Die erste Voraussetzung einer Beihilfe war, dass die zukünftige Eisenbahn dem öffentlichen Interesse unterliegen musste. Der Personen- und Güterverkehr sollte an hand von aufgestellten Zahlen und Statistiken, zusammengefasst in einer Rentabilitätsrechnung, genügend Einnahmen für die laufenden Betriebskosten nachgewiesen werden. Selbstverständlich müssten auch die Baukosten der zukünftigen Eisenbahn im richtigen Verhältnis zu den Einnahmen stehen, was sich in einer günstigen Kapitalverzinsung für die Investoren errechnen lassen sollte. Ein weiterer wichtiger Bestandteil war, dass man einen solventer Bauherrn und späteren Betreiber für die zukünftige Eisenbahn vorweisen konnte. Um das öffentliche Interesse der anliegenden Gemeinden zu unterstreichen, war es deren Aufgabe, das benötigte Gelände auf ihren Gemarkungen zu erwerben und der zukünftigen privaten Betreibergesellschaft kostenlos zur Verfügung zu stellen. Eine Eisenbahn aber, die nur einer kleinen Interessensgruppe oder gar nur im Interesse eines Einzelnen stand, wurde von vornherein für Fördergelder nicht berücksichtigt.

Nicht alle Eingaben wurden als besonders dringlich vom Großherzoglichen Ministerium der Finanzen in Karlsruhe behandelt. Damals wie heute, war es in manchen Fällen nur sehr schwer, die Regierungsvertreter für ein solches Vorhaben zu überzeugen und somit Geldfördermittel vom Staat zu bekommen.

In Kandern gab es schon seit 1838 das Bestreben, die Stadt mit dem neuen Verkehrsmittel „Eisenbahn“ zu verbinden. Die vom Staat finanzierte Hauptstrecke sollte direkt durch Kandern, trotz der geographisch ungünstigen Lage, führen. Der tatsächlich gebaute Hauptstrang Karlsruhe - Basel berührte Kandern schlussendlich nicht. Wenn das Kandertal überhaupt noch eine Eisenbahn erhalten sollte, dann nur mittels einer Stichbahn mit Anschluss an die Staatsbahn in Haltingen. Eine Nebenbahn von Haltingen nach Kandern (Kandertallinie), wie in unserem Fall, hatte bei Erfüllung der oben genannten Kriterien prinzipiell ein Anrecht auf finanzielle Unterstützung von Seiten des Staates.

Von Anfang an entflammten in Kandern heftige Diskussionen zum ersten, wegen der Linienführung der neuen Bahn, und zum zweiten über dessen Spurbreite. Über zwei Linienführungen wurde ernsthaft nachgedacht. Im Gespräch war der normalspurige Anschluss zur Hauptbahn bei Haltingen (die Kandertallinie), oder bei Eimeldingen (die Feuerbachertallinie), wobei die erstere verwirklicht wurde.

Auch die Frage auf welcher Spurbreite gefahren werden sollte, erhitzte die verantwortlichen Gemüter immer wieder. Zum Ende der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts kam ein erneuter Vorschlag für eine billigere Schmalspurbahn von 750 mm Spurweite. Um die gewünschte Eisenbahn noch kostengünstiger zu bauen und damit für eine noch bessere Rentabilität zu sorgen, sollten die Gleise der Schmalspurbahn sogar in die bestehende Landstraße mit eingelegt werden. Der Gedanke einer Straßenbahn war mit mehreren Nachteilen verbunden. Die Geschwindigkeit musste sich den Verkehrsverhältnissen anpassen, was die Fahrzeiten von Kandern nach Haltingen unliebsam in die Länge gezogen hätten. Auch ein nötiges Umladen der Güter von der Schmalspurbahn auf die Normalspurbahn der Staatsbahn brachte nur weitere Kosten und Zeitverzögerungen mit sich. Geographische Schwierigkeiten zum Bau einer normalspurigen Eisenbahn auf eigenem Bahndamm bis nach Kandern gab es zwar keine, aber solch ein Bauvorhaben verlangte doch ein gewisses Verkehrsaufkommen sowie den Ankauf von Gelände für den Bahndamm. Auch mussten für eine Normalspurbahn größere und schwerere Fahrzeuge beschafft werden. Hier war man sich uneins darüber, ob diese höheren Kosten für den Bau und erhöhte Betriebskosten der Normalspurbahn mit einer Rentabilitätsrechnung als rentabel bewiesen werden könnte. Das bisherige Straßenverkehrsaufkommen versprach nur eine mäßige Auslastung auf der Schiene. Auch wenn sich die bestehenden Güterbewegungen auf der Straße nicht für eine gute Auslastung einer Normalspurbahn aussprachen, wurde die größte Hoffnung darauf gesetzt, dass nach der Fertigstellung einer Eisenbahn die Industrie weiter anwachsen würde. Als gewünschte Folge gäbe es mehr Arbeitsplätze und einen erhöhten Wohlstand für die Bevölkerung. Als Paradebeispiel wurde das benachbarte Wiesental genannt, das den Nutzen nach Ausbau ihrer Eisenbahn in vollen Zügen genoss. Auch andere Regionen, die sich einen Eisenbahnanschluss leisteten, konnten sich danach wirtschaftlich voll entfalten. Gleichzeitig wuchs dort die Bevölkerungszahl in einem erfreulichen Maße an.

Richtigerweise entschieden sich die Verantwortlichen von Kandern für eine Ausführung der Eisenbahn in Normalspurbreite von 1435 mm auf eigenem Bahndamm mit der Linienführung Haltingen - Kandern. Die Stadt Kandern erhielt mit diesem Vorschlag den gewünschten Zuschuß von 20.000 Mark pro Kilometer Strecke zum Bau ihrer Eisenbahn und konnte die sich auf 13,4 Kilometer erstreckende Linie am 1. Mai 1895 eröffnen (Siehe Buch 6).

Bei der Herstellung der Kandertalbahn gab es keine großen Probleme, denn es waren weder schwierigen Geländeverhältnisse zu überwinden, noch forderte das Terrain teuere Kunstbauten wie Brücken oder Tunnels. Der Höhenunterschied von cirka 95 Metern ab der Ausgangstation Haltingen bis zur Endstation Kandern, verlangte keine besonders starken und schweren Dampflokomotiven für die Bewältigung des Verkehres.

Eine Weiterführung dieser Linie von Kandern nach Marzell und von dort aus sogar um den Blauen herum bis zum Rheintal hinab war der Wunschgedanke einiger Bürger. Schon vor der Eröffnung der Kandertalbahn wurden solche Pläne diskutiert, ja sogar gefordert. Bei Badenweiler wäre ein Anschluss mit der ebenfalls als Stichbahn ausgeführten, am 13. Februar 1896 eröffneten Eisenbahn Müllheim - Badenweiler die Vollendung der Weiterführung gewesen.

Ein solches ehrgeiziges, normalspuriges Projekt hätte aber den Haushaltsetat der anliegenden Gemeinden trotz eines möglichen Zuschusses vom Staat, bei weitem gesprengt. Die zu erwartenden Baukosten und die Anschaffung von entsprechendem Betriebsmaterial standen in keinem Verhältnis mit den zu erwartenden Einnahmen. Der Höhenunterschied von Kandern (352 Meter über NN) nur bis nach Marzell (575 Meter über NN) von 223 Metern auf cirka 6,5 km Entfernung, entspräche schon einer Steigung im Durchschnitt von cirka 34,30 Meter auf einen Kilometer Bahnlänge (34,3 Promille). Da die wirtschaftliche Grenze einer normalen Reibungsbahn (Siehe 7/ BD I Seite 233) für Nebenbahnen bei 40 – 50 Promille liegt, wäre ein Betrieb noch ohne Zahnradantrieb möglich gewesen. Für die starken Steigungen ab Kandern hätte aber eine drei- oder besser noch eine vierfach gekuppelte Dampflokomotive angeschafft werden müssen. Die relativ leichten zweifach gekuppelten Lokomotiven, die am Anfang auf der Kandertalbahn tatsächlich eingesetzt wurden, wären für dieses Teilstück zu schwach gewesen. Außerdem erforderte die Erweiterung bis nach Marzell Brücken und sogar noch den Bau eines Tunnels, ganz abgesehen davon, dass dafür sogar die Verbreiterung der vielen Engstellen des Tales erforderlich gewesen wäre. Auch die ausgeführte Lage des Bahnhofes Kandern an der nach Riedlingen führende Straße war nicht von Vorteil. Bei der tatsächlichen Lage des Bahnhofes, führte die zu ergänzenden Strecke zum Teil mitten durch die Ortschaft Kandern. Besser wäre die Verlegung des Bahnhofes an die Hammersteiner Straße oder sogar ganz außerhalb von Kandern gewesen. Erst mit einem neuen Bahnhof könnte die Weiterführung auf eigener Trasse am damaligen Rande von Kandern vorbei geführt werden.

Wenn nun Kosten und Nutzen für einen solchen Umbau der Eisenbahn gegenüber gestellt werden kann man sich gut vorstellen, wie wenig begeistert die Betreibergesellschaft (DEBG) der Kandertalbahn von diesem Vorschlag der normalspurigen Weiterführung war. In Anbetracht dieser Umstände konnte auch mit einem Zuschuss vom Staat zur Weiterführung nach Marzell in Normalspur sowieso nicht gerechnet werden.

Hinzu kam, dass die Lokalbahn Müllheim - Badenweiler in der 1000 mm Spur erbaut wurde. Alle Wünsche einer Zusammenführung der beiden Linien in Normalspur standen vorerst nicht mehr zur weiteren Diskussion.

Übrig bleib der hartnäckige Wunsch, von Kandern zumindest bis nach Marzell mit einer Schmalspurbahn zu fahren. Um bei dem wirtschaftlichen Aspekt einer Eisenbahn von Kandern nach Marzell zu bleiben, war besonders der rege Ausflugsverkehr am Wochenende hervorzuheben. Es wurde nachgewiesen, dass seit Bestehen der Kandertalbahn der Fremdenverkehr erfreulich anstieg. Gerade dieser Ausflugsverkehr sollte die Einnahmen der künftigen Schmalspurbahn mit einem stabilen Anteil sichern, eingeschlossen der regelmäßigen Berufspendler und Schüler. Trotz allem war man sich einig, dass die Haupteinnahmen aus dem Güterverkehr kommen würden. Die wenige Jahre zuvor eröffneten Steinbrüche im hinteren Kandertal erbrachten bereits schon einen Großteil der Einnahmen im Güterverkehr der Kandertalbahn. Bisher wurden die Steinprodukte aus den Steinbrüchen mit Pferdefuhrwerken zum Bahnhof Kandern gebracht. Bei schlechtem Wetter versackten jedoch die schweren Fuhrwerke im Morast der noch nicht geteerten Kreisstraße Nr.5 Kandern - Marzell. Die Produktion der Steinbrüche stieg kontinuierlich an, während dadurch die Straßen bis auf das unerträgliche weiter belastet wurden. Nicht nur die außerhalb Kandern liegende Kreisstraße wurde schwer beschädigt. Auch die Ortsstraßen durch Kandern bis zum Bahnhof wurden regelmäßig zerfurcht. Die Steinbruchbesitzer wurden zur Reparatur der Straße mit in die Verantwortung genommen und mussten sich regelmäßig mit Geldbeträgen an deren Ausbesserungen beteiligen.

Somit sahen sich die Steinbruchfirmen des hintern Kandertales anhand dieser Transportprobleme genötigt, eine eigene Bahn von Kandern nach den Steinbrüchen bei Malsburg - Marzell zu fordern. Begründet wurde dies mit weiteren Expansionen der Steinbrüche, die inzwischen cirka die Hälfte des Güteraufkommens der Kandertalbahn bereits schon ausmachten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Mit diesen schweren Fuhrwerken wurden die Produkte aus dem Steinbrüchen mit Pferdekraft auf den noch ungeteerten Straßen zum Bahnhof Kandern gebracht. Sammlung: Fritz Breh)

Wesentliche Unterstützung für den Bau einer solchen Bahn kamen von den Dörfern Malsburg (mit damals cirka 880 Einwohnern), Marzell (mit cirka 442 Einwohnern) und dem benachbarte Kaltenbach (mit cirka 280 Einwohnern).

Von Anfang an war der Steinbruchbesitzer Meyer aus Freiburg, dessen Grube den größten Auswurf an Steinprodukten erbrachte, einer der eifrigsten Förderer einer solchen Eisenbahn. Da er mit seinen schweren Pferdefuhrwerken die Straßen am stärksten beanspruchte, wurde vom ihm das meiste Geld für die

Ausbesserungsarbeiten der hiesigen Verkehrswege abverlangt.

Herr Meyer hat sich mit dem Besitzer des Granitabbaues im hinteren Kandertal, dem Bildhauer Rißmann, zusammengeschlossen. Rißmann war bis dahin der erste Steinbruchbesitzer des hinteren Kandertales. Beide unterhielten nach dem Zusammenschluss mit Erfolg die Steinbrüche bei Malsburg - Marzell. Kurze Zeit später trennten sie sich wieder, unterhielten aber trotz allem in freundschaftlicher und nachbarlicher Weise ihre getrennten Abraumgruben.

Als Dritte im Bunde der Hauptinteressenten reihten sich die im Bau befindliche Lungenheilanstalt Friedrichsheim, sowie die daneben liegende Klinik Luisenheim oberhalb von Marzell ein. Es wurde von diesem dritten Interessenten errechnet, dass ein Bedarf von cirka 60 - 70 Waggons im Jahr mit Kohle und Lebensmittel allein für diese Heil- und Genesungsanstalten in Frage kommen würden. Nebenbei sei bemerkt, dass zur Einweihung die für das hintere Kandertal auch wirtschaftlich wichtigen Anstalten, Großherzog Friedrich mit seiner Frau Luise den Eröffnungsfeierlichkeiten beiwohnten. Sie riefen diese fortschrittlichen sozialen Einrichtungen ins Leben und gaben ihnen auch ihren Namen.

Als sich genug Interessenten für den Bau der Bahn zeigten, wurde von Herrn Meyer ein solventer Bauunternehmer für die neue Eisenbahn gesucht. Gefunden wurde die Lokalbahnbau & Betriebsgesellschaft Hiedemann aus Köln, die sich nach kurzer Absprache auch für die Übernahme des späteren Betriebes bereit erklärte. Voraussetzung natürlich für den Einstieg der Kölner Baufirma in das Projekt war ein rentabel zu betreibender öffentlicher Personen- und Güterverkehr. Die Leitung zum Bau der Bahn sollte der Ingenieur Hiedemann aus Köln selbst übernehmen. Herr Hiedemann bereiste die Gegend um Kandern Mitte März 1900 und nahm alles gemeinsam mit dem Steinbruchbesitzer Meyer in Augenschein. Nach fachmännischer Begutachtung konnte sich Hiedemann eine Herstellung der Bahn bis nach Marzell und weiter vorstellen. Meyer und Hiedemann waren sich nun einig, die Sache bis zur Vollendung in die Hand zu nehmen. Um die Finanzierung der künftigen Eisenbahn sicher zu stellen, wollten sie sich mit den anderen Interessenten zusammenschließen.

Am 24. März 1900 trafen sich die Befürworter der Bahn im Gasthaus Blume in Kandern um 16 Uhr nachmittags zur ersten gemeinsamen Besprechung. Mit eingeladen wurden auch Vertreter der Regierung sowie der örtlichen Gemeinden. Als Gäste dieses Treffens konnten begrüßt werden: Forstpraktikant Lang als Abgesandter des Großherzoglichen Hauses, ebenso der zuständige Straßenmeister Barth des Bezirksamtes Lörrach, der als Vertreter des Wasser- und Straßenbauamtes herkam. Entschuldigen mussten sich die Landtagsabgeordneten Dr. Blanckenhorn und Max Pflüger sowie der Oberamtmann Gadum.

(Alte Gesamtansicht der beiden Erholungsheime Friedrichsheim und Luisenheim oberhalb von

Malsburg – Marzell.

Sammlung: Michael Kopfmann)

Die „Breisgauer Zeitung“ Nr. 72 vom 27. März 1900 berichtete von dieser Versammlung: „ während die Einwohner der Orte Malsburg, Kaltenbach, Lütschenbach und Marzell ebenfalls in erfreulicher Zahl erschienen waren, die den Beweis lieferten, nicht nur eigenes Interesse, sondern auch das allgemeine Bedürfnis sie für die Sache begeisterte “.

Damit ist das rege und ernsthafte Interesse an einer Weiterführung der Eisenbahn auch von Seiten der Bevölkerung gemeint gewesen und hiermit eindeutig belegt.

Nach einem bisher positiven Verlauf der Besprechung bildete sich in der ersten Stunde der Versammlung ein Komitee, das alles Weitere in die richtigen Wege leiten sollte. Als „Obmann“, und damit Vorsitzender dieses „Bahnkomitees“, wählten die Anwesenden den Steinbruchbesitzer Meyer. Weiter im Komitee vertreten waren der Kölner Ingenieur Hiedemann, der Direktor der Tonwerke in Kandern Dewitz, Tonwarenfabrikant Kammüller aus Kandern, der Direktor der Lungenheilanstalt Rumpf, der Bürgermeister Kaiser aus Kandern, Bürgermeister Schäfer aus Malsburg, sowie der Bürgermeister Kiefer aus Marzell.

Auch für die Fabrikbesitzer in Kandern sollte diese neue Eisenbahn einen Vorteil haben. Bei einer nahe liegenden Linienführung sollten die Fabriken ihren eigenen Gleisanschluss erhalten.

Herr Meyer eröffnete als frisch gewählter Vorsitzender die anschließende Hauptversammlung, bedankte sich für seine Wahl und das zahlreiche Erscheinen der Anwesenden. Nach kurzer Ansprache übergab er das Wort dem Ingenieur Hiedemann. Hiedemann war als einziger bautechnischer Fachmann zugegen, auf deren fachkundige Ausführung alle sehr gespannt warteten. Nach dem Zeitungsartikel der „Breisgauer Zeitung“ Nr. 72 vom 27. März 1900 erklärte er folgendes: „ Er habe heute mit Herrn Meyer die Strecke begangen und gefunden, dass es, wenn auch nicht so leicht wie von Haltingen nach Kandern, ganz gut möglich sei, eine Bahn zu bauen, hauptsächlich bis zu den Steinbrüchen, und es würde sich fragen, ob man von da an nicht eine Schmalspurbahn bauen sollte. Wenn der Staat wie sonst auch 20.000 Mark pro Kilometer zuschieße, so sei der Bau einer Normalbahn wohl möglich. Da aber die Anstalt Friedrichheim einen großen Verkehr hat und etwa 60 – 70 Waggon Kohle (im Jahr) braucht, und der Blauen ein viel besuchter Kurort sei, so wäre die Bahn mittelst Zahnrad auch bis dahin weiter zu führen. Um rasch zum Ziel zu kommen, wäre die Ausarbeitung des Projekts (Vorstudien) , das etwa in drei bis vier Monaten zu Ende sein könnte, das einfachste. Die Kosten dafür würden 3.000 Mark betragen (Mit diesem Betrag sind nur die Kosten für die Vorstudien und Pläne beziffert worden), wovon die reflektierende Lokalbahn- Betriebsgesellschaft Köln ein Drittel trage und die restlichen 2.000 Mark durch die Interessenten aufzubringen wäre“.

Herr Rumpf als zukünftiger Leiter der Lungenheilanstalt, war zwar im Grunde für die Weiterführung der Eisenbahn, aber nur wenn sie bis zu seinen abseits gelegenen Anstalten führen würde.

Die örtliche Presse stellte weiter in ihrem Zeitungsartikel nach der Anhörung des Herrn Hiedeman abschließend fest: „ In der gewünschten Ausführung einer Normalspurbahn von Kandern bis nach Marzell, dann weiter ins Rheintal wäre dies nicht als normale Adhäsionsbahn (Reibungsbahn) zu bewältigen gewesen. Zumindest das Stück von Marzell, am Rande des 1165 Meter hohen Blauen vorbei, wäre nur mit Verbindung einer Zahnstange zu überwinden gewesen. Würde man als alternative Lokomotiven mit mehr Achsen und einem höheren Achsdruck beschaffen, wäre allerdings der Unterhalt und der Oberbau noch teuerer, und damit dieser Streckenabschnitt eindeutig unrentabel sein. Um so ein Projekt überhaupt bauen zu können, erhoffen sich die Herren einen Zuschuß vom Großherzoglichen Staat Baden von 20.000 Mark pro Bahnkilometer, wie es schon die Kandertalbahn bekam “.

Das Großherzogliche Amt hatte schon von vornherein große Bedenken bezüglich der Rentabilität dieser Bahn. Mit einem Schreiben vom 30. April 1900 an den Steinbruchbesitzer Meyer in Freiburg bekräftigte die Badische Regierung diese Bedenken noch einmal. Besonders verwies man auf die schwierigen Geländeverhältnisse des hinteren Kandertales für eine Projektierung einer Eisenbahn mit eigener Bahntrasse. Dies war ein weiterer harter Schlag für das Komitee, da nun ohne Staatszuschüsse das gesamte Projekt bedrohlich in Frage gestellt wurde.

Trotz allem schlug Ingenieur Hiedemann in seinen weiteren Ausführungen unbeirrt vor, von Kandern bis zu den Steinbrüchen in Normalspur zu bauen und erst von da aus mit einer schmalspurigen Zahnradbahn die Heilanstalt zu bedienen. Damit hätten die Steinbrüche und die Tonfirmen in Kandern den großen Vorteil, ihre Produkte mit ihren eigenen Gleisanschlüssen gleich in die normalspurigen Güterwagen verladen zu können. In Ausführung einer durchgehenden Schmalspurbahn aber, müssten alle Güter am Kanderner Bahnhof auf die kleinere Spur umgeladen werden.

Dass der Staat Baden sich an einem solch fragwürdigen Normalspurprojekt finanziell nicht beteiligen würde, mussten alle einsehen. Allein der Standort des Bahnhofes in Kandern machte eine Weiterführung der Linie ins hintere Kandertal undiskutabel. Die Stadt wäre mit dem neuem Bahndamm geteilt worden, die Kreisstraße Nr. 5 müsste mehrmals gekreuzt werden, sowie eigene Bahndämme und Brücken ließen die Baukosten explodieren, und dies alles für ein nur mäßiges Verkehrsaufkommen. Zu wenig Industrie und zu wenig Einwohner besiedelten das hintere Tal! Einzig die Steinbrüche würden für einen Güterverkehr talabwärts sorgen. Güter talaufwärts gebe es nur für die Lungenheilanstalt im geringen Maße mit etwa ein bis zwei Waggons in der Woche zu befördern. Für die Bewältigung des Personenverkehres der Anstalten wären auch nicht mehr als einmal täglich cirka ein bis höchstens zwei Personenwagen im Einsatz gestanden. Weitere Industrien könnten sich aus topografischen Gründen im hintern Kandertal nicht ansiedeln, was wiederum die Hoffnung für eine positive Auslastung für die Zukunft ausschloss. Für den Anschluss an die Tonwerke, würde eine kurze Verlängerung der Gleise vom Bahnhof her ausreichen.

Damit war das ehrgeizige Projekt einer normalspurigen Eisenbahn um den Blauen herum, hinunter zum Rheintal, zwar noch einmal diskutiert, aber nun endgültig vom Tisch. Die Ausführung als normalspurige Eisenbahn bis zu den Steinbrüchen war betrieblich die Beste, aber leider zu teuere Idee des Ingenieurs. Die Vorteile rechtfertigten den damit verbundenen Kostenmehraufwand schlussendlich nicht.

Die Besprechungen verliefen für den Kölner Unternehmer Hiedemann nicht so, wie er es sich erhofft hatte. Für ihn gab es nur mittels einer Normalspurigen Eisenbahn einen rentablen Betrieb. Doch auch er musste akzeptieren, dass die Erstellung solch eines ehrgeizigen Projektes nicht zu verwirklichen war, zudem die Vertreter der Regierung schon im vorne herein einen Zuschuss von 20.000 Mark pro Bahnkilometer, für ein solch relativ kostenintensives Projekt nicht zur Verfügung stellen würden. Auch die Gemeinden ließen sich an Hand ihrer schwierigen Finanzlage nur schwer mit Geldforderungen zum Geländeerwerb überreden.

Das letzte das nun noch ernsthaft weiter diskutiert wurde, war eine kostengünstige Lösung einer schmalspurigen Straßenbahn, eingerichtet für den Personen- und Güterverkehr. Die Kölner Baufirma Hiedemann war zwar ein Verfechter eines Normalspurprojektes, ließ sich aber bei entsprechender Rentabilität zum Bau und deren späteren Übernahme auch für eine Ausführung als Schmalspurbahn gewinnen.

Mit einer Ausführung als Schmalspurbahn konnten die Tonwerke wiederum nichts anfangen. Herr Dewitz als Direktor der Tonwerke bemerkte daraufhin: „dass für ihn ein Eisenbahnanschluss mit einem eigenen Gütergleis für seine Fabrik nicht in Frage kommen werde“. Für ihn stellten sich die hohen Baukosten eines Anschlussgleises als wirtschaftlich unrentabel heraus. Es machte schließlich auch wenig Sinn, die Tonwaren erst auf die Güterwagen der Schmalspurbahn zu verladen und cirka 1.500 Meter weiter am Bahnhof Kandern dieselbe Ware auf Normalspurwagen wieder umzuladen.

Trotz aller Absagen sollten definitiv Vorstudien zur Berechnung einerseits der Rentabilität und anderseits zur genauen Streckenführung -jetzt aber einer reinen Schmalspurbahn - Profile und Pläne erstellt werden. Man einigte sich darauf eine Projektierung von Kandern aber nun nur noch bis nach Marzell zu verlangen. Ein Kostenvoranschlag für diese Vorstudien, mit den erforderlichen Plänen belief sich auf die schon vorher erwähnten 3.000 Mark. Zur Finanzierung des Betrages stellten die Gemeinde Malsburg und die Gemeinde Marzell jeweils 400 Mark, die Gemeinde Kandern unter Bürgermeister Kaiser 300 Mark, die Direktion der Heilanstalt unter Vorsitz Dr. Rumpf 400 Mark zur Verfügung. Vom Steinbruchbesitzer Meyer aus Freiburg (damals auch Steinmeyer genannt) kamen 500 Mark. Die restlichen 1.000 Mark, wollte Hiedemann aus seiner eigenen Tasche begleichen. Sollte es zum Bau der Bahn unter der Regie der Kölner Firma kommen, würde der Betrag von 2.000 Mark an die anderen Beteiligten zurückerstattet werden.

Nach weiteren endlosen Diskussionen verlangte das Komitee nun doch eine Projektierung der Eisenbahn bis hoch zu den Lungenheilanstalten. Für das cirka 1.500 Meter längere Stück sollten die Anlieger für erweiterte Vorstudien mit zusätzlichem 1.500 Mark kräftig in die Tasche greifen. Begründet wurde diese hohe Geldforderung von Hiedemann mit den schwierigen Vermessungen in dem steilen Gelände.

Und so kam es, dass es die ersten Streitigkeiten über die restliche Finanzierung der Vorstudien gab. Man konnte sich nicht einigen, wer mit welchem Anteil den Restbetrag zu zahlen hatte. Wahrscheinlich haben auch alle Beteiligten eingesehen, dass die schwierige Verlängerung von Marzell bis zu den Heilstätten in keinem Verhältnis zu den Bau- und Betriebskosten stehen werden. Im Gegenteil, das Projekt im Ganzen hätte in Zweifel gezogen würden können. Die

Landesversicherungsanstalt von Baden, der die Lungenheilstätte oberhalb Marzell nach deren Fertigstellung unterstand, glaubte ihrerseits nach kurzer eingehender Besprechung nicht mehr an eigenen Nutzen solch einer, für sie zu teueren Eisenbahn. Zum Entsetzen aller, zogen sie den schon versprochenen Betrag von 400 Mark wieder zurück und stiegen als Interessent endgültig aus. Es hätte keinen Sinn gemacht für den geringen Güter- und Personenbedarf der LVA, eine Verlängerung der Eisenbahn mit diesen hohen Baukosten einzugehen. Mit diesem Rückzug der LVA war somit klar gestellt worden, dass sie auch bei Fertigstellung später keinen Gebrauch von der geplanten Bahn machen würde. Eine Weiterführung der Bahn von Marzell bis zur Lungenheilanstalt war für alle Beteiligten wie eine Seifenblase geplatzt. Auch der bestehende Ausflugsverkehr zum Blauen, der nur an Wochenenden stattfand, sicherte diese Erweiterung aus wirtschaftlicher Sicht nicht ab.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Die Bahnhofsstraße in Kandern vor dem Bau der Steinbahn. Sammlung: Michael Kopfmann)

Die Vorstudien wurden bis nach Marzell, dem nun neuen Endpunkt der Bahn, verkürzt. Eingeschlossen waren die Ortschaft Malsburg und die Steinbrüchen bei Malsburg. Obwohl sich die Reihen der Interessenten stark lichteten, ließen sich die wenigen verbliebenen Befürworter von ihrem ehrgeizigen Vorhaben nicht abbringen und kündigten ihre Bauabsichten dem Großherzoglichen Ministerium an. Immerhin gab es noch Unterstützung von den Gemeinden Malsburg - Marzell, die sich eine Personenbeförderung bis zur ihrer Gemarkung nach wie vor wünschten.

Es musste immer noch geklärt werden, wer nun den noch fehlenden Betrag von 400 Mark durch den Ausstieg der LVA zu erbringen hatte. Um Geschlossenheit zu zeigen trafen sich die übrig gebliebenen Befürworter am 16. Mai 1900 um 15 Uhr nachmittags in der Tantenmühle, dem Gasthaus Kranz bei Malsburg. Die Finanzierung der Vorstudien konnte in Einklang gebracht werden. Die Gemeinden teilten sich die noch fehlende 400 Mark untereinander auf.

Eine weitere Besprechung am 4. September 1900 im Gasthaus Kranz in Malsburg um 16 Uhr sollte die Vorarbeiten und die Wünsche der einzelnen klären. Es wurden zwar alle Wünsche klar dargelegt, aber im Laufe der nächsten Monate resignierten alle und zogen sich aus dem Projekt zurück. Die Gründe der Absagen waren, dass die Regierung trotz mehrmaligen Bitten noch einmal festgelegt hatte, keinen Zuschuß für den Bau der Bahn zu leisten. Auch die Gemeinden waren daraufhin nicht mehr bereit, eigenes Geld für dieses Projekt zu investieren. Die Anlieger konnten sich eine Schmalspurbahn von Kandern nach Malsburg - Marzell ohne den finanziellen Beitrag vom Staat unter keinen Umständen leisten. Dadurch kam der Wunschgedanke für die Nutzung der Bahn im Bereich des Personenverkehrs leider zum Erliegen. Nach diesen Rückschlägen ließ sich die Kölner Baufirma Hiedemann nicht mehr für den Bau, und für den späteren Betrieb dieser Bahn begeistern. Auch sie stieg ganz aus dem Vorhaben aus ohne jemals eingehende Pläne und Vorstudien zum Projekt gemacht zu haben. Es ist nicht bekannt, ob das Geld für die Vorstudien auch tatsächlich an die Kölner Baufirma gezahlt wurde. Wahrscheinlich ist die finanzielle Aufteilung bisher nur am grünen Tisch beschlossen worden, womit es auch zu keiner Rückzahlung kommen konnte.

Einsam und verlassen blieben der Steinbruchbesitzer Meyer und die anderen Steinbruchunternehmer übrig. Sie waren die letzten, die noch ein Interesse an dieser Eisenbahn hatten. Für sie galt nach wie vor das Projekt zu verwirklichen. Finanzieren mussten sie ihre Wünsche nach dieser neuen Sachlage aber selber. Sollte es eine Eisenbahn in der genannten Richtung geben und sich zu gegebener Zeit ein regelmäßiger Personenverkehr doch noch einrichten lassen? Nur mühsam ließen sich die anliegenden Gemeinden mit einem bescheidenen Beitrag für die teueren Vorstudien überreden. Doch immerhin ging es um die Steinbrüche als solches, die die größten Arbeitgeber im ganzen Kandertal waren.

Da es nun klar war, dass der Bau und der Betrieb der neuen Eisenbahn auf eigene Rechnung fertig gestellt werden musste, suchte der Steinbruchbesitzer Meyer einen neuen Bauunternehmer. Die Schweizer Firma Alb & Busse, Wasser und Straßenbahnbau in Basel, übernahm die Ausarbeitung der Vorstudien und des Erläuterungsberichtes. Eine Rentabilitätsrechnung musste nicht mehr erstellt werden, da ein Zuschuss vom Staat bei einer Eisenbahn ohne öffentliches Interesse nicht mehr in Frage kam. Die Vorstudien zum Projekt waren für die Genehmigung dieser privaten Steintransportbahn trotzdem unerlässlich. Mit ihrem Erläuterungsbericht am 10. Januar 1903 kam sie zu folgender Erklärung:

Allgemeines:

Die Bahn ist für den Transport von Granitsteinen aus den Steinbrüchen des Herrn Friedrich Meyer in Freiburg i. Breisgau nach der Station Kandern der Nebeneisenbahn Haltingen - Kandern projektiert. Die Granitsteine werden im Steinbruch verarbeitet zu Bruchsteinen, Quadern, behauenen Steine, Pflastersteinen etc., im fernen soll durch Schotterbruchmaschinen das Abraummaterial zu jeder Art Schotter & Sand verarbeitet werden, um zu Bauzwecken & Straßenbeschotterung als Ersatz des teueren Rheinkies Verwendung zu finden. Personentransport soll nur im beschränkten Maße, als Arbeiterbeförderung für den eigenen Betrieb, stattfinden, damit den Arbeiter Gelegenheit geboten ist, sich in Kandern oder Umgebung niederlassen zu können.

Station:

Die Bahn ist als Straßenbahn projektiert: sie benutzt in der Hauptsache die Kreisstrasse Kandern - Marzell, Gesamtlänge 6,4 Km. Vom Bahnhof Kandern folgt sie zunächst der Dorfstrasse, übersetzt die Kander bei der neunen Straßenbrücke, um nachher zum Teil die bereits erstellte & noch ausführende Deckmattstrasse zu benutzen. Oberhalb Kandern übersetzt die Trasse zum zweiten Male vermittelst einer Eisenbrücke die Kander. Von da an wird die Kreisstrasse nicht mehr verlassen bis zur Wirtschaft zum Kranz in Malsburg. Beim dritten Übergang über die Kander Km 4+ 050 ist zur Erzielung besserer Krümmungsverhältnisse die Strasse auf einer kurze Strecke verlassen worden.

Die Kreisstrasse besitzt oberhalb der Wirtschaft Kranz ungünstige Gefällverhältnisse (oberhalb Km 5,6 6,4 %). Es ist daher um die Maximalsteigung von 5 % welche angenommen ist nicht übersteigen zu müssen, die Strasse verlassen worden; die Trasse folgt der Kander, überschreitet sie zum vierten Mal und mündet in die Station Steinbruch - Malsburg ein.

Die Station ist als Spitzkehre ausgebildet, besitzt eine Locomotivremise, den Lagerplatz für fertige Steine aus den oberen Brüchen und genügend Raum zur Aufstellung allfälliger anzuwendender Schotterbrechmaschinen, zur Verarbeitung des Abraummaterials. Auf der rechtsseitigen Berglehne steigt die Bahn noch cirka 400 m weiter hinauf bis zum ersten größeren Steinbruch, damit hier die fertigen Steine direkt verladen werden können. Die oberen Brüche sollen, wenn sich ein Koeffizient bietet, mit den Hauptgeleisen verbunden werden.

Steigungsverhältnisse:

Die Steigungsverhältnisse sind nicht günstig. Das Max. im Gefälle beträgt 5 % das mittlere Gefälle von Km 1,350 – 5,750 3,5 %. Der tiefste Punkt der Bahn liegt auf Cote 350,00 der höchste Punkt auf 540,00; somit überwindet die Bahn auf einer Länge von 6,4 Km 190,00 Meter Höhe mit einer mittleren Steigung von 2,97 %.

Lichtraumprofil:

Mit Rücksicht auf die Straßenbreite von 5,0 Meter zwischen den Baumreihen ist das kleinste Profil mit 2,10 m Breite und 3,10 m Höhe gewählt worden. Die Baumreihen der Strasse Kandern - Marzell auf der fraglichen Strecke sind jedoch nur talwärts bepflanzt, sodass die bergwärts liegende Bahn genügend Raum zur Verfügung hat, weil das in Aussicht genommenen Rollmaterial nur eine Max. Breite von 1,80 m aufweist.

Der Oberbau:

Als Oberbaumaterial sind 2 Schienenprofile vorgesehen:

1) Phönixschienen von Km 0,0 – 0,750 für die Straßenpartie im Dorfe Kandern. Gewicht pro Meter 19,5 Kg h = 90 m/m Widerstandsmoment 50,2 cm3 2) Vignoles - Schienen von Km 0,750 bis in den Steinbruch. Gewicht pro Meter 15,7 Kg. h = 95 m /m. Widerstandsmoment 54,8 cm3.

Die Phönixschienen sind direkt auf dem Steinbett aufgelagert und durch Spurstangen im Abstand von 2,50 m verbunden.

Die Vignoles Schiene ruhen auf hölzernen Schwellen mit Abstand von 80 cm, sind im Straßenkörper eingelassen und nur bei Wegübergängen mit einer Doppelschiene versehen, zur Wahrung der Spurrinne. Auf offener Strecke ist die Spurrinne nicht geschützt; die Kieslage zwischen den Schienen ist dementsprechend schwach gewölbt. Die Schienenoberkante ist eben mit dem Straßenniveau.

Kunstbauten:

Eine Verbreiterung der neuen Straßenbrücke in Kandern ist nicht notwendig, da dieselbe eine Breite zwischen den Geländern von 6.0 m besitzt; unter Umständen ist es wünschenswert, auf der südlichen Rampe derselben einen Ausgleich der Straßenhöhe zu bewirken, da eine ziemlich starke Anfahrrampe vorhanden ist.

Die Kanderbrücken bei Km 1,347 & 4,050 sind als eiserne Trägerbrücke vorgesehen; sie würden aber billiger erstellt werden können durch eine Holzkonstruktion, um so mehr, da die ganze Bahn sowieso nur den Charakter einer nur provisorischen Anlage tragen soll. Die Brücke bei Km 5,730 ist in Anbetracht der günstigen Bodenverhältnisse, dem nahen Steinbruch & der billigeren Herstellungskosten in Stein vorgesehen, um so mehr, da bei eventuellen Abbruch der Bahnkörper von 5,590 bis zur Station als Zufahrtsstrasse verwendet werden könnte.

Rollmaterial:

In Anbetracht der verschiedenen Verarbeitungsweise des Steinmaterials als

1) Quader, behauene Steine, Bruchsteine

2) Pflastersteine

3) Straßenschotter und Sand ist das Wagenmaterial entsprechend verschieden & zwar ist für die erste Gattung der Plattenwagen gewählt worden mit einer Tragfähigkeit von 7,5 t, damit Stücke bis zu 3 m3 Inhalt transportiert werden können.

Als Kippwagen sind die bei Erdarbeiten vielfach verwendeten Kipper von 3 m3 Inhalt angenommen.

Der Personenwagen soll, wie schon erwähnt, lediglich nur den Transport von & zur Arbeitstelle dienen; die Bodenfläche des Wagens beträgt 3,0 X 1,8 x 5,4 m2 & ist für 10 Personen berechnet, pro Person also 0,54 m2 Raum.

Vorläufig soll nur eine Locomotive von 15 t Betriebsgewicht mit zwei Achsen und einer Heizfläche von 31,4 m2 zur Verwendung kommen. Es ergibt sich dann ein Zuggewicht von 47 t, welches von der Locomotive noch dauernd bergwärts gezogen werden kann bei einer Maximal-Steigung von 5 %, einem Minimal-Halbmesser von 40 m & einer Geschwindigkeit von 10 Km/h.

Ein Muldenkipper wiegt bei ungünstigen Verhältnissen 2,0 t, der Personenwagen 3 t, ein mit Stein und Kohle geladener 3 m3 Wagen max. 9,5 t, somit kann die Locomotive bergwärts im Maximum belastet werden mit:

1) 23 leeren Wagen
2) 22 leeren Wagen & einem Personenwagen
3) 2 Kohlewagen & 17 leeren Wagen
4) 4 - 5 mit Steinen beladenen Wagen (voll) a 9,5 t Gesamtgewicht.

Zur Sicherung des Betriebes sollen jeder dritte Wagen beide Achsen gebremst werden können.

Die Maximal - Geschwindigkeit ist angenommen auf der freien Strecke ohne Hindernisse mit 10 Km pro Stunde, bei Ausweichen mit 6 Km pro Stunde.

Freiburg den 10. Januar 1903

Gez. Schwarzwälder Granitwerke

Meyer & Bohrmann

Entworfen von der Firma

Aktiengesellschaft Alb. Buss & Co

Interessanterweise wird bei dieser Baubeschreibung nichts über die zukünftige Spurbreite geschrieben. Anzunehmen ist, dass bis dahin noch nicht entschieden wurde welche Fahrzeuge und welches Material zur Anwendung kommen sollten.

[...]

Ende der Leseprobe aus 99 Seiten

Details

Titel
Die Steintransportbahn von Kandern nach Malsburg-Marzell
Autor
Jahr
2010
Seiten
99
Katalognummer
V146050
ISBN (eBook)
9783640556090
ISBN (Buch)
9783640555475
Dateigröße
12035 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Eisenbahn, Schmalspurbahn, Industriebahn, Straßenbahn, 900 mm Spur, Nebenbahn, Kandern Kleinbahn Malsburg- Marzell
Arbeit zitieren
Michael Kopfmann (Autor:in), 2010, Die Steintransportbahn von Kandern nach Malsburg-Marzell, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/146050

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