Die Cubicula der Villa der Mysterien


Intermediate Examination Paper, 2003

39 Pages, Grade: 2


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Inhaltsverzeichnis

1. Schwierigkeit der Anwendung der antiken Termini
1.1 Die römische Wohnkultur
1.2 Bedeutung der Cubicula

2. Die Villa der Mysterien
2.1 Lage und Entdeckung
2.2 Ursprünglicher Aufbau und ihre Umbauphasen

3. Künstlerische Gestaltung der „Ruheräume“ in der Villa der Mysterien
3.1 Merkmale des zweiten Stils
3.2 Cubiculum 3
3.3 Cubiculum 4
3.4 Cubiculum 8
3.5 Cubiculum 16

4. Die Stellung der Cubicula zu den jeweiligen Prunkräumen der Villa der Mysterien

I. Literaturnachweis

II. Internetseiten

III. Bildnachweise

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Ausschnitt des Stadtplans von Pompeji

Abbildung 2: Groß Statue der Livia, wurde in der Nordostecke des Peristyls gefunden

Abbildung 3: Plan Bau 1. Hälfte 2. Jh. v. Chr.

Abbildung 4: Rekonstruktion Bau 1. Hälfte 2. Jh. v. Chr.

Abbildung 5: Plan Endzustand,Umbau in augusteischer (und tiberischer) Zeit

Abbildung 6, Rückwand des Cubiculum 3

Abbildung 7: Isistempel in Pompeji, Region VIII, 8, 28

Abbildung 8, Linke Seitenwand und Rückwand des Cubiculum 3

Abbildung 9, Alkoven A des Cubiculum 4

Abbildung 10 : Rechte Seitenwand und Rückwand des Cubiculum 4

Abbildung 11 : Darstellung der Priesetrin auf der Rückwand des Alkovens A im Cubiculum 4

Abbildung 12 : Darstellung des Satyr von der rechten Seitenwand des Alkoven A aus dem Cubiculum 4

Abbildung 13: Opfer des Priapos auf der linken Seitenwand des Alkovens A aus dem Cubiculum 4

Abbildung 14 : Teilausschnitt des Alkoven B des Cubiculum 4

Abbildung 15 : Pinax

Abbildung 16 : Alkoven A und B des Cubiculum 8

Abbildung 17 : Rückwand des Alkoven A aus dem Cubiculum 8

Abbildung 19 : Rechte Eckdarstellung des Alkoven A aus dem Cubiculum 16

Abbildung 20: Rückwand des Alkoven B des Cubiculum 16

Abbildung 21: Seitenwand des Alkoven B des Cubiculum 16

Abbildung 22: Villa die Misteri – Mitte 1. Jahrhundert v. Chr.

Abbildung 23: Mosaikgestaltung in einem der Räume der Mysterienvilla

Abbildung 24 : Fragment aus dem Alkoven 11 des Raumes 11 bis 14

Abbildung 25 : Fragment aus dem Alkoven 14 des Raumes 11 bis 14

1. Schwierigkeit der Anwendung der antiken Termini

In der Archäologie besteht die Schwierigkeit, eine eindeutige Verbindung zwischen den Bezeichnungen und die damit verbundene Deutung von Wohnräumen und ihre Funktion innerhalb des Hauses klar darzustellen. Der Archäologe steht hierbei vor zwei schwerwiegenden Problemen:

I. Auftretende Mißverständnisse bei der Verwendung antiker Termini in der Gleichsetzung von alten und neuen Bezeichnung von Gegenständen des alltäglichen Gebrauchs.

II. Problem der über Deskription hinausgehenden Anwendung antiker Termini und ihre Übertragung auf archäologische Funde.

Im neuzeitliche Denken wird seit Beginn des 18. Jahrhunderts im europäischen Raum in der Wohnkultur eine klare Trennung von Wohn- und Arbeitsplatz vorgesehen.[1] Auch eine konkrete Trennung zwischen öffentlichen und privaten Räumen findet erst in dieser Zeit statt. So werden den Gemächern differenzierte Funktionen zugewiesen. Eine Anwendung dieser Vorstellung auf ein antikes Wohnhaus ist nicht möglich und spiegelt diese Gegebenheiten nur unzureichend wieder.

Anhand der Wanddekoration der einzelnen Räume und Ihrer qualitativen Gestaltung wird ersichtlich, welche Bedeutung diesen Gemächern beigemessen wurde. In detektivischer Kleinarbeit wird erst deutlich, welche Räume der Öffentlichkeit zugänglich und welche Privatgemächer waren.

Leider ist die ursprüngliche Dekoration der Mysterienvilla nur zum Teil bekannt. Einige Wandmalereien sind durch Neue ersetzt worden oder es wurden nicht alle Wände des 2. Stils in der Literatur berücksichtigt. Die Cubicula 19 bis 21 weisen laut Beyen hauptsächlich konservative Malerein vor und zählen zu den unbedeutenen und schlecht erhaltenen Zimmern.[2] So sind vorwiegend Abbildungen der besser erhaltenen Dekorationen der Prunkräume im Westtrakt publiziert worden.

1.1 Die römische Wohnkultur

Die stadtrömische Wohnung und auch die ländliche Villa spielte im sozialen Leben des Dominus die Hauptrolle. Es war somit zum großen Teil auch Schauplatz seiner negotia. Im Zentrum des Hauses, dem großen Atrium, das meist sehr repräsentativ ausgestattet war, war für die römische Oberschicht die Bühne des gesellschaftlichen Lebens. Hier empfingen am Morgen die Angehörigen der römischen Nobilität ihre Geschäftsfreunde, Juristen und das mit ihr eng verbundene Klientel, die Anhängerschaft. Alles geschah nicht ohne aufwendiges Zeremoniell, das wiederum das politische wie gesellschaftliche Ansehen des Hausherrn widerspiegelte. Das Wohnhaus, gerade das der römischen Oberschicht, war also mehr ein öffentlicher Raum als ein privater, der Zurückgezogenheit und Intimität gewährte. Die Häuser stellten somit den gesellschaftlichen Status ihrer Besitzer dar.

Die architektonische Plangestaltung und Formensprache sowie die Ausstattung wurden von diesem funktionalen Aspekt mitbestimmt. Gemäß Viturv 6.5.1-3 sollte in einem optimalen Haus der Oberschicht eine konkrete Teilung zwischen „öffentlichen Räumen“ (loca communica) und „privaten Gemächern“ (loca properia patribus familiarum) erfolgen.[3] Diese Teilung und die Anordnung der öffentlichen Gemächer im Westflügel des Hauses waren ausschlaggebend über die soziale Stellung des Eigentümers. Allerdings wurde hier keine explizite Zuordnung Frauengemächern, Kinderzimmer etc. durchgeführt. Es erfolgte somit nur eine Teilung zwischen Privat- und Repräsentationsräumen.

Vestibulum, Atrium, Tablinum und Peristyl waren für unerwartete Gäste zugänglich und zählten zu den öffentlichen Zimmern. Während dessen waren Oeci, Triclinia und Cubicula nur für geladene Gäste (invitati) vorgesehen. Diese Gemächer blieben teilweise durch Vorhänge, Türen den Blicken der Menge verborgen oder Wachen versperrten unerwünschten Gästen den Zugang.[4] Die privaten Zimmer waren also für die Abwicklung von negotia, kleineren Gesellschaften und Geselligkeiten vorgesehen. Welche Rolle spielten die Cubicula und worum handelt es sich bei diesen Räumlichkeiten?

1.2 Bedeutung der Cubicula

Die deutsche Übersetzung des Wortes cubiculum als „Schlafzimmer“ ist eher irreführend. Die Bezeichnung hebt lediglich die Möblierung hervor und gibt aber weniger Aufschluß über eine spezifische Nutzung. Da die Ausstattung mindestens eine Kline umfaßt, wird hier die Körperhaltung umschrieben, in der das Zimmer benutzt wurde. Unter Berücksichtigung dieser Definition und der Tatsache, daß es noch keine funktionsspezifische Raumzuordnung gab, konnte ein cubiculum sowohl als Ruheraum als auch als Sterbe-, Geburtszimmer genutzt werden.

In den Komödien von Plautius und Terentius wird das Cubiculum als Ort für heimliche Liebesspiele und geheimer Treffpunkt der Liebenden verwendet. Sowohl Lucius Annaeus Seneca, der Ältere als auch sein Sohn Lucius Annaeus, der Jüngere beschreiben diese Räume als Treffpunkte frivoler Verführung und homoerotischer Orgien. Bei den Reden des Cicero wird das cubiculum zur Stätte für Begegnungen mit politischem Hintergrund. Für Vitruv und Plinius ist es ein dagegen unbelebter Raum ohne eine bestimmte Bedeutung. Unter Berücksichtigung dieser Aussagen eignet sich dieser Raum anscheinend besonders für persönliche Vertrautheiten und private Absprachen.[5] Erst durch die Gattung der antiken Quellen wird die eigentliche Funktion dieser Räume erkennbar.

Eine weitere Gemeinsamkeit taucht bei jedem dieser antiken Autoren auf: Der Raum weist eine geringe Größe vor. Aufgrund dieser Tatsache würde die Bezeichnung für fast jeden kleinen Raum zu treffen. Normalerweise befinden sich solche Zimmer in unmittelbarer Nähe von Triclinium, Oecus oder anderer größerer Gemächer. Dies ist auch bei der Mysterienvilla der Fall.

2. Die Villa der Mysterien

2.1 Lage und Entdeckung

Die Villa der Mysterien wurde im zweiten Jahrhundert v. Chr. als Landhaus erbaut und war bis zum Ausbruch des Vesuvs 79 n. Chr. ca. 300 Jahre bewohnt. Die Villa ist von Osten nach Westen mit Blick auf die See ausgerichtet. Aus östlicher Richtung befindet sich von der Via Superiore der Zugang zum Gebäude. Im Westen verlief an der Rückseite des Hauses die Via di Porta Ercolana. Dies war die bedeutenste Hauptverkehrsader, die von der Porta Ercolana nach Oplontis führte (Abb.1).

Durch diese vorteilhafte Lage lebten die Bewohner zwar abgeschieden und fern vom Lärm der Stadt, doch konnten auch jederzeit die Vorteile der Stadt genutzt werden. Ob eine Verbindung von dieser Straße zum Gebäude führte, ist allerdings nicht bekannt.

Die Ausgrabungen wurden 1909 bis 1910 von Aurelio Item ausgeführt, einem privaten Ausgräber.[6] Um zu dem Gebäudekomplex vorzudringen, mußte das Grabungsteam 7,50 m tief in die vulkanische Erde eindringen. Da die Gefahr bestand, daß sich in den Schächten giftige Gase bilden könnten, wurden die Ausgrabungen abgebrochen.[7] Erst 1929 und 1930 wurden die Restaurierungen und Grabungen unter Amedeo Maiuri fortgeführt. Hierbei wurde eine Statue der Livia, der Gattin des Augustus, mit den Attributen der Ceres in der Nordostecke des Peristyls freigelegt (Abb.2).[8] Über die Besitzer in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts v. Chr. gibt es keine exakten Kenntnisse. Aufgrund der Statue der Livia gehen Archäologen davon aus, daß Marcus Livius Marcellus der Eigentümer war und sich die Villa in kaiserlichen Besitz befand.[9] Aber ein konkreter Beweis konnte bis dato nicht geliefert werden.[10] In den letzten Jahren scheint das Haus in den Besitz der Istacidii übergegangen zu sein. Inschriften, die in einem prächtigen Mausoleum in der Nähe der Villa gefunden wurden, lassen daraus schließen, daß der Besitzer dieser Adelsfamilie samnitischen Ursprungs angehörte. Mitglieder dieser Familie belegten öffentliche Priesterämter und gehörten zum Duumvirat. Dies zeichnete sie eine der sehr angesehenen Familien der pompejanischen Oberschicht aus.

In einem der zugehörigen Sklavenunterkünfte des Landwirtschaftsbetriebs im nordöstlichen Flügel des Hauses, wurde ein Siegel eines Procurators mit dem Namen L. Istacidius Zosimus gefunden. Dem Beinamen nach zu urteilen, scheint es sich hierbei um einen Freigelassenen zu handeln, der als Procurator für die Verwaltung des Hauses zuständig war.[11]

In der Villa der Mysterien wurden bei der Ausgrabung elf Leichen entdeckt, die stumme Zeugen dieser Tragödie sind.[12] Der Türhüter des Hauses schloß sich in seiner Amtsstube ein, um den giftigen Gasen und dem heißen Staub zu entgehen. Bei ihm entdeckten Archäologen einen eisernen Siegelring mit einem Sardonyx.[13] Drei Frauen wurden im ersten Stock durch den Zusammenbruch des obersten Teiles des Hauses mitgerissen und vom Schutt erschlagen.[14] An den Gipsabdrücken der Toten entdeckte man Goldschmuck und Edelsteine. Die jüngste hielt in ihrer Hand sogar noch einen Bronzespiegel. Der Tod ereilte sie alle plötzlich und unerwartet.

Da die Villa noch Schäden von den verheerenden Erdbeben von 62 n.Chr. vorwies, waren die Restaurierungsarbeiten noch voll im Gange. Sechs Arbeiter, die mit diesen Renovierungen beschäftigt waren, flohen in das Untergeschoß und starben dort.[15] Ein junges Mädchen fand nahe der Tür den Tod. Ob sich allerdings noch weitere Personen zu diesem Zeitpunkt in dem Gebäude befanden, kann bis dato nicht festgestellt werden. Der rückläufige Teil des Wirtschaftstraktes ist, laut Auskunft Herrn Dr. Ernst Heinrichs[16], bis zum heutigen Tag nicht ausgegraben, da sich dieses Gelände auf Privatbesitz befindet.

2.2 Ursprünglicher Aufbau und ihre Umbauphasen

Anfänglich glich das Haus einem Stadthaus mit einer regelmäßigen Aufteilung (Abb. 3).Ursprünglich als doppelstöckiges, städtisches Patrizierhaus zwischen dem dritten und zweiten Jahrhundert v. Chr. gebaut, wurde es mehrfach umgebaut und vergrößert.

Ausgestattet mit Peristyl, Wasserbecken, Brunnen und Garten fügt sich dieses Landhaus in die Landschaft ein. Da das Gebäude auf einem zum Meer abfallenden Hang gelegen war, mußten Unebenheiten des Terrains mit Hilfe von künstlich angelegten Peristyl-Terrassen, die ursprünglich Kalksteinsäulen aufwiesen, ausgeglichen werden (Abb. 4). Eine dreiseitige, mit Blendarkaden verzierte Kryptoporticus, ein gewölbter, nur durch kleine Fenster beleuchteter Gang, umschließt diese Terrasse und wurde ursprünglich als Lagerraum genutzt. Eine solche Substruktion bezeichnet Cicero in einem Brief an seinen Bruder Quintus als „basis villae“. Sie gehört demnach zum festen Bestand einer Villa am Hang. Bei der Mysterien-Villa befand sich auf dieser „basis villae“ eine dreiflügelige Porticus, die in geraden Fluchten die gesamte West- und jeweils die Hälfte der Nord- und Südseite einnahm. Beim ursprünglichen Grundriss führte der Eingang von der Via die Superiore direkt ins Peristyl. Dahinter lag das Atrium mit den herrschaftlichen Wohnräumen, die sich ursprünglich alle zu einem Porticus, der von einem weiteren Porticus umgeben war, öffneten. Die umgekehrte Abfolge von Atrium und Peristyl entspricht gemäß Vitruv dem Optimum einer villa pseudourbana.[17]

Nach 80 v Chr. wurde das Gebäude modernisiert, vergrößert und höher gebaut. Seitdem gehörte sie mit 60 Räumen zu den luxuriösen Vorstadtvillen von Pompeji.

Bei dem Umbau wurden in viele Zimmer Trennwände eingezogen und damit mehr Räume geschafften. So wurden in dieser Zeit auch die kleinen Zimmer 3, 4,8, 11 bis 14, 16, 15 und 19 bis 21 gestaltet (Abb.5).[18] Außerdem wurden die ursprünglich außerhalb der Hausmauer gelegenen Wirtschaftsräume in das Gesamtgebäude integriert.

Zuvor öffneten sich 13 große Türen zum Atrium, die Alae fehlten. Mit der großzügigen Ausstattung des Peristyls unter hellenistischem Einfluß verlor das Atrium seine Bedeutung. Die Räume orientierten sich nach außen oder zur Säulenhalle hin. Die zugige Porticus wurde geschlossen und das Bad, das ohne zentrale Beheizung als altmodisch angesehen wurde, aufgegeben.[19]

In der selben Umbauphase wurde sie auch mit den Architekturmalereien des zweiten pompejanischen Stils ausgeschmückt. Räume, die zu Repräsentationszwecken dienten, weisen hier eine besonders prachtvolle Dekoration auf. Die Böden sind mit Mosaiken ausgelegt und Architekturmalereien schmücken die Wände. Auffällig ist, daß sich diese Räume auf der Rückseite der Villa befinden und sich direkt zur Terrasse und den Portiken hin öffnen. Aber nicht nur die Repräsentationsgemächer, sondern auch die Wohn- und Schlafräume der Familie waren im Obergeschoß zur Terrasse gerichtet. Über die malerische Gestaltung und die Besonderheit des zweiten Stils soll anhand der Cubicula dieses Gebäudekomplexes näher eingegangen werden. Bei diesen Umbauphasen wurde der herrschaftliche Charakter dieses Landhauses stets bewahrt, wenn nicht sogar gesteigert. Zeitgleich zum Ausbau des Ostflügels für landwirtschaftlich nutzbare Räume wurde nach dem Tod des Augustus um 14 n. Chr. am Westflügel eine Exedra mit drei großen Fenstern hinzugfügt. Von hier bot sich dem Besucher ein großartiger Blick über Gartenanlagen bis hin zum Meer.

Die letzten Umbauarbeiten wurden 62 n. Chr. nach dem schweren Erdbeben begonnen, das auch dieses Landhaus beträchtlich in Mitleidenschaft gezogen hatte.

Auf die ursprüngliche Einteilung der prachtvollen Räume wurde in dieser Zeit wenig Rücksicht genommen: Wandmalereien wurden aufgrund der Restaurierungs- und Renovierungsarbeiten teilweise beschädigt oder zerstört.. Die Umbauarbeiten, die auch 79 n. Chr. noch voll im Gange waren, wurden durch den Vulkanausbruch nicht mehr beendet. So kann der Verlauf, wie das Landhaus mehr und mehr in einen Meierhof umfunktioniert wurde, fast minutiös verfolgt werden.

Mittlerweile konnte in einigen Räumen festgestellt werden, aus welcher Zeit der Untergrund bzw. das Mauerwerk besteht, auf denen die Malereien aufgetragen wurden. Der Untergrund der Fresken im Triclinium 5 und auch teilweise im Oecus 6 besteht beispielsweise aus vorsullanischem Mauerwerk. Diese Methodik des Opus quadratum[20] und incertum[21] wurde ca. von 250 bis 200 v. Chr. angewendet, das primitivere Pseudoretikulat ca. von 150 bis 100 v. Chr..

Im Atrium und in den daran angrenzenden Zimmern 6 und 7 wurde festgestellt, daß die Malerei wahrscheinlich auf nachhellinistischer Zeit zugesetzte Türen aufgetragen worden ist.[22]

Aufgrund ihres Aufbaus und der dionysischen Gemälde, denen die Villa ihren Namen verdankt, ist die Mysterienvilla einer der wichtigsten und am besten erhaltenen Gebäudekomplexe. Da diese Villa ursprünglich ein Weingut war und die Herstellung dieses Getränkes die Grundlage für den Reichtum des Eigentümers war, ist es durchaus möglich, daß die Fresken im Triklinium an der Südseite der Portikus Bacchus/Dionysos gewidmet wurden, um den guten Einfluß des Gottes auf die Ernte zu fördern.[23] Ob es sich bei den Darstellungen im Triklinium um die rituelle Einweihung einer jungen Braut handelt oder ein Mysterienkult des Bacchus vorliegt, ist allerdings bis heute ungewiß.[24]

3. Künstlerische Gestaltung der „Ruheräume“ in der Villa der Mysterien

3.1 Merkmale des zweiten Stils

Der Zweite, oder architektonische Stil, ist seit dem frühen ersten Jahrhundert v. Chr. in Rom und Pompeji nachweisbar und scheint sich somit zur Zeit Sullas durchgesetzt zu haben (80 – 25 v. Chr.). Illusionistische Architekturen beherrschen die glatten Wandflächen. Dieser Stil beinhaltet zwar noch einige wenige Reste des ersten Stil[25]. Malereien weisen beispielsweise nach wie vor sorgfältig ausgearbeitete Marmorinkrustetionen vor. Doch wird hier auf Stuckarbeiten verzichtet. Diese werden statt dessen in zeichnerischer Art und Weise auf die Wände aufgetragen.
Durch perspektivisch gemalte Architekturen, Verkürzungen, Licht- und Schatteneffekten werden die Möglichkeiten der Malerischen Darstellung von Raum- und Realitätserweiterung voll ausgeschöpft. Die Einteilung in Sockelebene, mittlerer Wandteil und oberen schmalen Abschluß ist von dem ersten Pomejanischen Stil übernommen worden.

In der weiteren Entwicklung wird im mittleren Abschnitt eine Tür, eine sogenannte Schertür, eingefügt. Diese wird im späteren Verlauf als geöffnet dargestellt, so daß ein Ausblick auf Gärten, Fluchten, Kolonnaden und Pavillons geschaffen wird.[26] Doch nicht nur architektonische Szenen sind auf den erhaltenen Fresken vorzufinden, sondern auch naturalistische Bilder und großformatige mythologische Figurenzyklen.[27] Diese sind in einen archtitektonischen Rahmen eingebunden und scheinen sozusagen in ihm zu agieren. Mit dieser Entwicklung wird ein fast nahtloser Übergang in den Ditten, Ornamentalstil vollzogen. Hier wird zwar die Struktur der Wand beibehalten, doch nehmen die architektonischen Elemente zierliche, phantasievolle Ornamentformen an.

3.2 Cubiculum 3

Die Wanddekoration des Alkovens weist eine Teilung in sechs Ebene auf (Abb.6). Die Farbgebung ist monochrom und zeigt lediglich helle oder dunkle Staffelungen in den Ockerfarbtönen.

Die erste Ebene wird aus einer Sockelzone gebildet. Wie in Abb.8 zu erkennen ist, ist der Deckenabschluß in einem graugrünen Farbton gehalten. Höchstwahrscheinlich besitzt die unterste Ebene ebenfalls diese Färbung, um somit eine Rahmung der Hauptdekoration oder eine rhythmische Wiederholung darzustellen. Drei längsvertäfelte schmale Rechteckreihen bilden die nächste Ebene. Diese Rechtecke sind gleichmäßig plaziert und weisen ein Relief vor. Durch diese Struktur wird die plastische Illusion eines aus Marmor gemauerten Wandstückes hervorgerufen. Die Fugen zwischen den „Marmorrechtecken“ sind in einem Dunkelbraun dargestellt. Beispiele einer solchen Mauergestaltung lassen sich besonders gut in der architektonischen Außengestaltung von Gebäuden feststellen (Abb. 7).[28]

Ein typisches Merkmal für den zweiten Stil, speziell für seine Phase, ist ein ionisches Kymation, das im mittleren Wandteil oberhalb der großen „Platten“ eingefügt ist. Dieser Eierstabfries ist kräftig geformt, spitz zulaufend und trennt die eben beschriebene Orthostatenzone von der 4. Ebene. Es folgt eine zweireihige Vertäfelung bestehend aus Rechtecken und Quadraten. Vergleichbar zu den Orthostaten erweckt auch diese Gestaltung den Anschein einer Marmorinkrustation und eines Reliefs.

[...]


[1] J. Habermas: Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft, 10. Auflage, Darmstadt 1979, S. 42 - 44

[2] Dr. H. G. Beyen: Die Pompejanische Wanddekoration - Vom zweiten bis zum vierten Stil, Band 1, Den Haag 1938, S. 63

[3] „Cum ad regiones caeli ita ea fuerint disposita, tunc etiam animadvertendum est, quibus tationibus privatis aedificiis propria loca patribus familiarum et quemadmodum communica cum extranis aedificari debeant...“

Vitruv 6.5.1-3

Vituv: Bücher über Architektur, Übersetzung: Dr. Curt Fensterbusch, Darmstadt 1964, S.283

[4] Andrew Wallace-Hadrill: The social structure of the roman house, in Papers of the British School at Rome 1988, S.78

[5] Jens Arne Dickmann: domus frequentata – Anspruchsvolles Wohnen im pompejanischen Wohnhaus, München 1999, S. 20

[6] Salvatore Ciro Nappo: Pompeji – Die versunkene Stadt, Köln 1998, S. 152

[7] Michael Grant: Pompeji, Herculaneum – Untergang und Auferstehung der Städte am Vesuv, Bergisch Gladbach 1978, S. 134

[8] Salvatore Ciro Nappo: Pompeji – Die versunkene Stadt, Köln 1998, S. 152-153

[9] Michael Grant: Pompeji, Herculaneum – Untergang und Auferstehung der Städte am Vesuv, Bergisch Gladbach 1978, S. 134

[10] Theodor Kraus bezweifelt in seinem Abschnitt sogar, daß es sich bei der Figur wirklich um eine Statue der Livia handeln könnte. Eine Verbindung zu Augustus sieht er nicht als erwiesen an. Im Gegensatz dazu scheint für Michael Grant und Salvatore Ciro Nappo eine Darstellung der Livia und eine entfernte Verbindung/Verwandtschaft des Eigentümers zu Augustus und seiner Gemahlin durchaus möglich gewesen zu sein.

Theodor Kraus: Pompeji und Herculaneum - Antlitz und Schicksal zweier antiker Städte, Köln 1977, S.93;

Michael Grant: Pompeji, Herculaneum – Untergang und Auferstehung der Städte am Vesuv, Bergisch Gladbach 1978, S. 134; Salvatore Ciro Nappo: Pompeji – Die versunkene Stadt, Köln 1998, S. 152

[11] Michael Grant: Pompeji, Herculaneum – Untergang und Auferstehung der Städte am Vesuv, Bergisch Gladbach 1978, S. 134; Theodor Kraus: Pompeji und Herculaneum - Antlitz und Schicksal zweier antiker Städte, Köln 1977, S.93.

[12] Michael Grant: Pompeji, Herculaneum – Untergang und Auferstehung der Städte am Vesuv, Bergisch Gladbach 1978, S.37

[13] Ebd. S.37

[14] Ebd. S. 37

[15] Bongers, Aurel [Red.]: Pompeji : Leben und Kunst in den Vesuvstädten ; 19. April bis 15. Juli in Villa Hügel, Essen / Veranst. d. Ausstellung ist d. gemeinnützige Verein Villa Hügel e.V., 4.Auflage, Essen-Bredeney 1973, S. 57

[16] Zweiter Vorsitzender der Kulturinitiative Phoenix Pompeji e.V. in München
http://www.phoenix-pompeji.de/Kontakte.htm, Stand: 19.01.02

[17] Vitruv: De Architectura VI, 5, 3

Vituv: Bücher über Architektur, Übersetzung: Dr. Curt Fensterbusch, Darmstadt 1964, S. 283

[18] Dr. H. G. Beyen: Die Pompejanische Wanddekoration - Vom zweiten bis zum vierten Stil, Band 1, Den Haag 1938, S. 62. Anmerkung 4

[19] Heizungsanlagen wurden aus praktischen Gründen möglichst zentral angelegt, beispielsweise zwischen Männer- und Frauen-Bad oder zwischen Küche und Privatbad. Sie dienten gleichzeitig der Heizung und Warmwasserbereitung. Die für das römische Imperium typische Hypokaustenheizung wurde nach den Hohlräumen (Hypokausis) unter dem Fußboden benannt. Aus dem tiefer gelegenen Heizraum (praefurnium) wurde ein Holz- oder Holzkohlenfeuer betrieben. Die Verwendung von darrgetrocknetem Feuerholz ermöglichte ein praktisch rauchloses Feuer. Der Weg der Heizgase verlief durch die Hohlräume unterhalb des Fußbodens. Rauchgase und erhitzte Luft erwärmten die Steine, welche als Wärmespeicher und -austauscher den darüber liegenden Raum anheizten. Senkrechte Tonrohre in der Wandverkleidung dienten als Rauchgasabzug und erwärmten gleichzeitig die Wände. Die Innenraumtemperatur ließ sich so durch die Größe der Heizflächen, durch Zuschaltung zusätzlicher Hypokausten oder Wandtubuli regulieren.

http://www.med.uni-jena.de/klinikmagazin/archiv/km100/kmonline/mosaik.htm

[20] Das Mauerwerk besteht aus regelmäßigen , quaderförmigen Steinblöcken. Seitr dem 4. Jahrhundert v. Chr. tritt diese Sonderform mit einer Verlegung der Blöcke in Läufer- und Bindeschichten auf. Die Langseite des Läufers liegt in der Mauerflucht und die Langseite des Binders quer zur Mauerflucht.

Andrea Gorys: dtv Wörterbuch Archäologie, München 1997. S. 312

[21] Hierbei handelt es sich um ein Verschlagungsmauerwerk aus kleinen, kegelförmigen Rohbruchsteinen. Ihre polygonalen meist geglätteten Vorderseiten bilden die Außenschalen der vermörtelten Mauer.

Ebd.: S. 312

[22] Dr. H. G. Beyen: Die Pompejanische Wanddekoration - Vom zweiten bis zum vierten Stil, Band 1, Den Haag 1938, S. 62. Anmerkung 4

[23] Michael Grant: Pompeji – Kunst und Leben in Pompeji und Herculaneum, 2. Auflage, München 1986, S. 144

[24] Salvatore Ciro Nappo: Pompeji – Die versunkene Stadt, Köln 1998, S. 156

[25] Die Datierung des erst pompejianischen Stils im zweiten und frühen ersten Jahrhundert v. Chr. im italischen Raum angesetzt. Durch Stuckauftrag ahmt der vorwiegend geometrischen Feldern operierende Stil die Gliederung einer Außenwand mit Sockelzone, Gesimsen und Spiegelquadern nach, die aber im laufe der Zeit einem rein ornamentalen Wandaufbau mit Feldern unterschiedlicher Schichthöhen (pseudoisodom) wich. Die farbige Gestaltung der einzelnen Flächen imitiert die Verwendung kostbarer Gesteinsarten.

Andrea Gorys: dtv Wörterbuch Archäologie, München 1997, S. 355

[26] Salvatore Ciro Nappo: Pompeji – Die versunkene Stadt, Köln 1998, S. 29

[27] Andrea Gorys: dtv Wörterbuch Archäologie, München 1997, S. 355

[28] Der Isistempel in der Region VIII 8, 28 weist beispielsweise eine solche Dekorationsweise vor .

Guiseppina Cerulli Irelli: Pompejanische Wandmalerei, Stuttgart-Zürich 1990, S. 309, Abb. 106

Excerpt out of 39 pages

Details

Title
Die Cubicula der Villa der Mysterien
College
Ruhr-University of Bochum  (Klassische Archäologie)
Course
Bestimmungsübung, Proseminar
Grade
2
Author
Year
2003
Pages
39
Catalog Number
V14607
ISBN (eBook)
9783638199612
ISBN (Book)
9783638909761
File size
1428 KB
Language
German
Notes
Ohne Deckblatt, Literaturangaben und Internetseiten, Bildnachweise
Keywords
Cubicula, Villa, Mysterien, Bestimmungsübung, Proseminar
Quote paper
Britta Heidel (Author), 2003, Die Cubicula der Villa der Mysterien, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14607

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