Die Entstehung der deutschen Parteien nach dem Cleavage-Modell


Trabajo Escrito, 2009

18 Páginas, Calificación: 1,7


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das Cleavage-Modell

3. Die Ursprünge und die Entstehung der Parteienlandschaft
3.1. Die Konservativen
3.2. Die Liberalen
3.3. Der politische Katholizismus
3.4. Die Sozialdemokraten

4. Abschließende Kritik am Cleavage-Modell

5. Quellenverzeichnis
5.1. Literaturverzeichnis
5.2. Webverzeichnis

1. Einleitung

Die soziologische Erklärung des Wahlverhaltens ist nicht nur für Wissenschaftler, sondern auch für Parteien von immenser Bedeutung. Sie erhoffen sich durch gewonnene Erkenntnisse bessere Chancen diejenigen Wähler zu mobilisieren, bei denen ein gewisses Wahlpotential vorhanden ist. Zwar schwingt hierbei des Öfteren der Vorwurf der Manipulation mit sich[1], dennoch ist dies in der Wahlwerbung der Gegenwart gängige Praxis und aus keinem Wahlkampf mehr wegzudenken.

Ein hierbei verwendetes Modell zur Erklärung des Wahlverhaltens ist der makrosoziologische Theorieansatz von Seymour Martin Lipset und Stein Rokkan, welcher auch Cleavage Modell genannt wird. Als die beiden Autoren im Jahr 1967 ihren Aufsatz „Party Systems and Voter Alignments“ veröffentlichten, sollte dies dem Erforschen des Wahlverhaltens ganz neue Türen öffnen. Des Weiteren liefert das Modell für die Entstehung der Parteiensysteme in Westeuropa eine Erklärung.

Im Laufe der Zeit sollen sich, der Theorie zufolge, im Zuge der Nationenbildung (16. bis 19. Jahrhundert) und während der industriellen Revolution (18. bis 19. Jahrhundert) soziale Spannungslinien, die so genannten Cleavages, in den Gesellschaften Westeuropas gebildet haben. Nach Lipset und Rokkan existierten zu dieser Zeit vier große Cleavages: Der erste Konflikt bestand zwischen dem „Zentrum“ und der „Peripherie“, also zentral-nationalen- und den autonomen regionalen Eliten eines Landes. Der zweite Konflikt wurde zwischen der Kirche, ihren Werten und Normvorstellungen und dem Staats, mit seinem Machtanspruch, ausgetragen. Der dritte Konflikt herrschte zwischen der urbanen und der ländlichen Bevölkerung und ihren jeweiligen ökonomischen Interessen. Beim vierten und letzten Konflikt standen sich Kapitaleigner (Kapital) und ihre abhängigen Beschäftigten (Arbeit) gegenüber

Gemäß dem Cleavage-Modell stimmten die Anhänger einer solchen sozialen Großgruppe in weiten Teilen immer für ihre jeweiligen Interessenvertreter. Demnach liefert die Zugehörigkeit zu einer dieser Bevölkerungsgruppe eine Erklärung für das Wahlverhalten.

Damit es dazu kam, mussten die sozialen Träger der makrosozialen Gruppen Bündnisse mit den politischen Eliten eingehen, die sich bereit erklärten ihre Interessen zu vertreten. Der Theorie zufolge stellt dies den Ursprung der Parteien dar, die somit die gesellschaftlichen Konflikte zu wirkungsmächtigen Cleavages machten.

Daher soll es im Folgenden auch Aufgabe dieser Hausarbeit sein, die Entstehungsgeschichte der Parteien, wie sie heute in der Bundesrepublik Deutschland vorzufinden sind, näher zu beleuchten und ihre Entwicklung zu beschreiben. Im Speziellen wird hierbei auf die politischen Strömungen des Liberalismus und des Konservatismus, aber auch auf die Herkunft des politischen Katholizismus und der Sozialdemokraten eingegangen.

Parteien und politische Richtungen, die erst in den letzten Jahrzehnten entstanden sind, lassen sich nicht in direkte Beziehung zu der von Lipset und Rokkan entwickelten Theorie setzten und werden deshalb vernachlässigt.

Vor der Entstehungsgeschichte der Parteien soll allerdings erst das Cleavage-Modell näher erklärt werden. Dabei stellt sich die Frage, ob das Modell überhaupt aussagekräftige Erklärungen für das Wahlverhalten liefert und inwieweit es möglich ist, es auf die heutige Gesellschaft der BRD anzuwenden. Auf diese Frage soll daher abschließend auch eine Antwort gefunden werden.

Da sich die gesamte Thematik sehr komplex darstellt, kann es lediglich Aufgabe dieser Hausarbeit sein, einen Überblick bzw. eine Einführung zum Cleavage-Modell und der Entstehung der Parteienlandschaft zu bieten.

2. Das Cleavage-Modell

Cleavages sind „dauerhafte politische Konflikte, die in der Sozialstruktur verankert sind und im Parteiensystem ihren Ausdruck finden.“[2] Lipset und Rokkan beschreiben mit ihrem Modell sozialstrukturell entstandene Konflikt- bzw. Spannungslinien, die sich durch die Gesellschaft ziehen. Sie unterscheiden hierbei vier Trennungslinien, wie in der Abbildung dargestellt, für die es jeweils unterschiedliche Ursachen gibt. Dabei sind vorrangig die Reformation, die französische Revolution, die industrielle Revolution und die Nationalstaatenbildung zu nennen.

Der erste Konflikt bestand zwischen dem Zentrum und der Peripherie, also der herrschenden- und der abhängigen Kultur. Hierbei trafen zentralstaatliche Eliten auf Minderheiten ethnischer, sprachlicher oder religiöser Art, die sich der Nationenbildung widersetzten.

Der zweite Konflikt war durch gegenseitige Machtansprüche der Kirche und des Staates gekennzeichnet. Die religiöse Gemeinschaft mochte nur ungern ihre, über Jahrhunderte angesammelten, Rechte und Befugnisse an den Staat abtreten, der wiederum darauf bedacht war, den Einfluss der Kirche zu verringern. Von zentraler Bedeutung waren dabei grundlegende Unstimmigkeiten über Normen- und Wertvorstellungen, etwa über die Art der Eheführung oder der Kindererziehung, aber auch bzgl. der Zuständigkeit für das Bildungswesen, welches die Kirche in der Vergangenheit stets für sich beansprucht hatte. Ursächlich für diese Auseinandersetzung waren allen voran die Reformation und die damit verbundene Säkularisierung der Gesellschaft.

Beim dritten Konflikt lassen sich die Ursachen hauptsächlich in der industriellen Revolution finden. Hierbei trafen verschiedene Interessen der urbanen und der ländlichen Bevölkerung aufeinander, wobei es sich vorrangig ökonomische Belange, handelte. Die neue Schicht der städtischen Industrieunternehmer hatte oftmals einen rasanten sozialen Aufstieg durch neuartige Herstellungsmöglichkeiten hinter sich, wohingegen die agrarische Bevölkerung mit diesen raschen wirtschaftlichen Veränderungen nicht Schritt halten konnte. Hinzukamen unterschiedliche kulturelle Ansichten der Stadtbewohner gegenüber dem ländlichen Volk, welches sich häufig durch eher konservative Einstellungen auszeichnete.

Die vierte Spannungslinie entstand zwischen den Kapitaleignern und ihren abhängigen Beschäftigen, den Arbeitern, die zunehmend begannen mehr Recht für sich einzufordern und sich Interessenvertreter zu suchen.

Für die vier betrachteten Konfliktlinien sind „drei Elemente konstitutiv, nämlich ein sozialstruktureller-, ein institutioneller- und ein Werteaspekt.“[3]

Der sozialstrukturelle Aspekt ist hierbei von zentraler Bedeutung. Durch eine soziale Spannungslinie, welche sich durch eine relative Stabilität auszeichnet, lässt sich die Bevölkerung recht leicht in klar zu benennende Gruppen einteilen. Dies geschieht beispielsweise durch den Konflikt zwischen Arbeitern und Kapitaleignern, durch den die Gesellschaft in zwei klar definierte Gruppen geteilt wird. Oftmals ist diese Trennung sogar von einer hohen Stabilität, da sich die Besitzverhältnisse über die Generationen hinweg nicht grundlegend ändern.[4]

Der kulturelle Aspekt beschreibt die schwerwiegenden Unterschiede einzelner Gruppen der Bevölkerung über die angestrebte Wirtschaftsform. Besonders charakteristisch ist hierbei der Interessenkonflikt zwischen Arbeitern und Kapitalbesitzern bzgl. der Besitzverhältnisse der Produktionsgüter. Diese Gruppenmitglieder zeichnen sich dabei sowohl durch eine klare Positionierung in punkto ihrer Wertefrage, als auch durch eine eindeutige Eigen- und Fremdwahrnehmung aus.[5] Viele solcher Gruppen, wie z.B. sozialistische Parteien, neigen daher dazu Organisationen zu gründen, in denen die Individuen der Gruppe unter Ihresgleichen sind und sich somit ihre Wertevorstellungen weiter verfestigen und auf andere Mitglieder übertragen.[6] Der kulturelle Aspekt spiegelt sich daher vorrangig in den Konfliktlinien der Kirche und des Staates, sowie des Zentrums und der Peripherie wieder, da diese Spannung hauptsächlich Unterschieden bzgl. der angestrebten Gesellschaftsformen beruht.

Dem institutionellen Aspekt zufolge, benötigen die sozialen Gruppen Möglichkeiten der politischen Artikulation. Dafür müssen entweder neue Organisationen geschaffen werden, die die Interessen ihrer sozialen Träger vertreten oder die einzelnen Gruppen schließen sich bereits bestehenden politischen Eliten an, bei denen sie die größten Schnittmengen bzgl. ihrer Wertvorstellungen sehen.

Der große Vorteil, sich bereits bestehenden Parteien anzuschließen, besteht darin, dass diese häufig bereits in Parlamenten vertreten sind und somit die Möglichkeit der Einflussnahme auf wichtige Entscheidungsprozesse haben. Daher ist davon auszugehen, dass durch diese „Koalitionsbildung“ der politischen Eliten und den sozialen Trägern eine Konfliktes die gesellschaftlichen Spannungslinien größere Bedeutung erlangen, indem sie ständig im Parlament präsent sind und immer wieder aufs Neue in das Bewusstsein des Volkes rücken. Dadurch ist nicht nur ihr Fortbestehen, sondern auch ihre Verfestigung gewährleistet. Dies ist demzufolge eine mögliche Erklärung für die außerordentliche Stabilität der westeuropäischen Parteiensysteme, die seit den 1920ern relativ stabil erscheinen.

Für den Fall des Anschlusses einer sozialen Großgruppe an eine bereits bestehende und in Parlamenten vertretene Partei, hat sie allerdings auch für die politischen Interessenvertreter entscheidende Vorteile. Lipset und Rokkan gehen davon aus, dass alle Mitglieder der makrosozialen Gruppe einheitlich ihre Stimme an ihre bevorzugte Partei geben und da sie, gemäß ihrer Auswahl, bei dieser ihre Interessen am besten vertreten sehen.

Bei oberflächlicher Betrachtung erscheint dieses Wahlverhalten durchaus als logisch und liefert eine nachvollziehbare Erklärung für die Beweggründe einzelner Gruppen bestimmten politischen Organisationen ihre Stimme zu geben. So ist etwa davon auszugehen, dass sich die ländliche Bevölkerung eher konservativen Parteien anschließen würde, wohingegen Unternehmer eher zu wirtschaftsliberalen Parteien tendieren dürften. Katholiken könnten der Zentrumspartei zugeordnet werden, genauso wie Arbeiter sich bei sozialistischen Parteien möglicherweise am besten vertreten sähen.

Inwieweit diese Art der Betrachtung stimmen kann und ausreichend ist um das Wahlverhalten sozialer Gruppen zu erklären, soll später geklärt werden.

Da sich im 19. Jahrhundert, also zur Zeit als die Konflikte zwischen den einzelnen Bevölkerungsteilen ihre Höhepunkte erreichte, das Parteiensystem noch nicht bzw. nur in Ansätze entwickelt hatte, mussten Institutionen zur Interessenartikulation häufig erst noch gegründet werden. Hierbei galt es vier Schwellen zu überwinden, bevor es möglich war die angestrebten Ziele politisch durchzusetzen.[7]

Die erste, von einer Gruppe, zu überwindende Hürde ist dabei die Legitimationsschwelle. Geäußerte Prostest dürfen nicht als Verschwörung oder Putschversuch wahrgenommen werden und müssen als berechtigt akzeptiert werden.

Als nächstes muss die Integrationsschwelle bewältigt werden. Sie setzt voraus, dass die Mitglieder einer derartigen Oppositionsbewegung überhaupt über politische Rechte wie z.B. das Wahlrecht verfügen um ihren Bestrebungen Ausdruck zu verleihen. Dieser Umstand macht es ethnischen Minderheiten, die nicht über die Staatsbürgerschaft des Landes in dem sie leben verfügen, äußerst schwer politisches Mitspracherecht zu erlangen.

Als dritte Schwelle müssen die Interessenvertreter der sozialen Gruppen Mittel zu einer gewissen Repräsentation erlangen. Dieser Umstand meint in der Regel den Einzug in ein Parlament, wobei es dann zu beachten gilt, ob hierbei eine Sperrminorität zu überwinden ist und ob dies aus eigener Kraft oder nur mit Hilfe eines Bündnispartners möglich ist.

Die vierte und letzte Hürde, die genommen werden muss, ist die Mehrheitsschwelle. Nach einem erfolgreichen Einzug in ein Parlament gilt es für die Partei nun, die für ihre Ziele nötigen Mehrheiten zu finden. Hierbei kann ihr Handlungsspielraum, trotz entsprechender Mehrheitsverhältnisse begrenzt sein, da auch das Parlament institutionellen oder verfassungsrechtlichen Beschränkungen ausgesetzt sein kann.

Die Überwindung dieser vier Hürden wird sich, mit großer Sicherheit, als langwieriger politischer Prozess darstellen, wobei zu keinem Zeitpunkt von einem sicheren Erfolg ausgegangen werden kann. Daher ist es nur allzu leicht nachvollziehbar, wenn viele Protestbewegungen sich bereits bestehenden politischen Vereinigungen anschließen, anstatt eine eigene Partei zu gründen.

Wie sich allerdings der Weg der bereits entstandenen Parteien darstellte, ist bei der Anwendung des Cleavage-Modells durchaus von großer Bedeutung und verlangt daher im Folgenden eine umfassende Beschreibung. Hierbei wird der zeitliche Rahmen bis zum Beginn des ersten Weltkrieges betrachtet.

3. Die Ursprünge und die Entstehung der Parteienlandschaft

3.1. Die Konservativen

„Der Konservatismus war vor allem auf dem Lande beheimatet, hatte aber auch städtische Bastionen.“[8] Dies lässt sich mit Hilfe des Cleavage-Modells insofern erklären, als dass die konservative Landbevölkerung gegen die Ideen der französischen Revolution und auch gegen den aufkommenden Liberalismus sträubte und ihn ablehnte. Des Weiteren waren sie gegen den Kapitalismus als Wirtschaftsordnung infolge der Industrialisierung. Viele Bauern, Guts- und Grundherren, aber auch einige Handwerker konnten sich außerdem mit den, sich verändernden, Gesellschaftsverhältnissen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht anfreunden, da sie ihnen keine Vorteile boten. Als Anhänger der Monarchie trafen einsetzende Demokratisierungsprozesse bei ihnen, genauso wie die Parolen der Linken, auf starkes Misstrauen, weil sie der Meinung waren, dass der Wandel langsam und Schritt für Schritt erfolgen müsste. Daher waren die Konservativen dafür bekannt, eine distanzierte, kritische und abwartende Haltung gegenüber allen Neuen einzunehmen. Dies lässt sich daher folgendermaßen auf den Punkt bringen:

„Der Konservatismus hatte seine Wurzeln in der Furcht vor gesellschaftlicher und politischer Veränderung. Dabei war die Französische Revolution das Symbol für Umsturz, Verweltlichung, Industrialisierung und Liberalismus sowie für Fortschritt, der die von Gott gewollte Ordnung zu zerstören drohte.“[9]

Die Hochburg des Konservatismus lag hauptsächlich in östlichen Teilen Deutschland. Seine sozialen Träger waren neben den bereits erwähnten Bauern, Gutsherren und Handwerkern vor allem protestantische Geistliche, höhere Beamte und Offizierskorps. Die Konservativen hatten gute Beziehungen zu den preußischen Provinzialtagen und zu den ersten Kammern der konstitutionellen Staaten, da diese in der Regel mit konservativ eingestellten Leuten besetzt waren.[10] Als ab 1840 die liberale Bewegung in Deutschland immer stärker wurde, erkannten zwar erste Konservative, dass es von Vorteil wäre sich zu einer einheitlichen konservativen Partei zusammenzuschließen, doch in der Öffentlichkeit fanden sie damit wenig Anklang, sodass es bis zum Juli 1848 dauerte bis sich die erste konservative Vereinigung gründete, die für die „Wahrung der Interessen des Großgrundbesitzers zur Aufrechterhaltung des Wohles aller Klassen“[11] eintrat und somit versuchte sie vor der kapitalistischen Entwicklung zu schützen.

Im Laufe der Revolution von 1848/49 schlossen sich mehrere Vereine, Gruppierungen und Fraktionen in einer ungebundenen Kooperation zur Konservativen Partei zusammen. An diesem Zusammenschluss hatte Otto von Bismarck entscheidenden Anteil und so war er es auch, der zu den engsten Mitarbeitern der gerader erst gegründeten „Kreuzzeitung“ zählte, die den Konservativen als Sprachrohr diente.[12] Während der Revolution wurde der Standpunkt vertreten, dass Preußen den Einigungsprozess anführen sollte und sogar einige Veränderungen an der Reichsverfassung sollten akzeptiert werden, wenn diese ein gewisses Maß nicht überschritten und im konservativen Sinne waren.

Die soziale Bandbreite der Anhänger der Konservativen war dabei bemerkenswert. Gehaltsklassenunabhängig hofften sie auf eine starke Stellung Preußens im föderativen System, die Ablehnung eines mächtigen Parlaments und den Erhalt der Monarchie.

Als gängige Praxis stellte sich heraus, dass die Gutsherren ihre Angestellten zur Stimmabgabe für die Konservativen zwangen, was zur Folge hatte, dass ihre Ergebnisse stark gebietsabhängig waren.[13]

In den Jahren zwischen der gescheiterten Revolution und der Reichsgründung mussten die Konservativen teils starke Verluste bei ihrer Anhängerschaft hinnehmen, da es ihnen nicht gelang den Liberalen, die eine Herstellung der deutschen Einheit forderten, ein schlagkräftiges Programm entgegenzusetzen.

1867 wurde die Reichs- und Freikonservative Partei gegründet, deren Abgeordneten bei der Reichseinigung für die neue Verfassung stimmten, da sie die Rechte des Reichstages einschränkte und im föderativen System eine starke Stellung des Bundesrates garantierte, was Preußens machtvolle Stellung wahrte. Als jedoch bei den ersten Reichstagswahlen in den 1870er Jahren weiter Verluste eingefahren wurden, erkannten die Parteiführer, dass eine Reorganisation unausweichlich war und als Konsequenz daraus wurde 1876 die Deutschkonservative Partei gegründet, sodass sich in der Folgezeit zwei große konservative Parteien gegenüberstanden. Bereits aus dem Namen lässt sich ablesen, dass die Konservativen sich nun voll und ganz zur Reichseinigung bekannten, wenngleich nach wie vor die Bedeutung der Monarchie hervorgehoben und auf eine kräftige obrigstaatliche Gewalt gesetzt wurde. Das Parlament konnte ihrer Meinung nach nicht über dem Kaisertum stehen, da dies die gottgegebene Ordnung sei, die schon lange vor der Reichsgründung Bestand hatte.

Aufgrund gemeinsamer Interessen an einem Schutzzoll vor Rohstoffeinfuhren mit den Nationalliberalen kam es zu einer zweckgebundenen Zusammenarbeit, zumal man in der Arbeiterbewegung und dem Sozialismus einen gemeinsamen Feind sah. Deshalb galt es in 1890ern als Ziel, neben der Sicherung der agrarischen Interessen, die Sozialdemokratie zu bekämpfen.

Nachdem die Konservativen mit einem recht festen Wählerstamm ins Kaiserreich eingetreten waren, gelang es ihnen, aufgrund der starken regionalen Begrenzung ihrer Anhängerschaft, nicht neue Wählergruppen hinzuzugewinnen.[14] Zwar gewannen sie in den ersten Jahren nach der Reichsgründung, durch eine stärkere Mobilisierung ihrer Anhänger Stimmen hinzu, doch wirkte sich dies aufgrund der steigenden Wahlbeteiligung nicht prozentual aus. Bis 1887 gelang es ihnen in der Regel Wahlergebnisse von ca. 25% zu erreichen, doch kamen sie darüber nicht hinaus und mussten in den Jahren vor dem ersten Weltkrieg starke Verluste hinnehmen und kamen dementsprechend bei den Reichstagswahlen von 1912 nur noch auf einen Stimmenanteil von 12%. Die lässt sich zum einen durch eine immer weiter steigende Wahlbeteiligung erklären lässt, von der die konservativen Parteien nicht profitierten und zum anderen durch einen Stimmenverlust bei den Landarbeitern, die sich zunehmend den Sozialdemokraten zuwandten.

[...]


[1] Dieter Roth, Empirische Wahlforschung, 2. Auflage, Wiesbaden 2008, S. 15

[2] Franz U. Pappi, Sozialstruktur, gesellschaftliche Wertorientierung und Wahlabsicht. Ergebnisse eines des deutschen Elektorats 1953 und 1976. In: Politische Vierteljahresschrift, 18. Jg. (1977), S. 195

[3] Harald Schoen, Soziologische Ansätze in der empirischen Wahlforschung. In: Jürgen W. Falter, Harald Schoen (Hg.): Handbuch Wahlforschung. Wiesbaden 2005, S. 147

[4] SCHOEN, Soziologische Ansätze in der empirischen Wahlforschung. In: Falter, Schoen, Handbuch Wahlforschung, S. 148

[5] SCHOEN, Soziologische Ansätze in der empirischen Wahlforschung. In: Falter, Schoen, Handbuch Wahlforschung, S. 148

[6] Seymour Martin Lipset und Stein ROKKAN, Cleavage Structures, Party Systems, and Voter Alignments. An Introduction, in: Seymour Martin LIPSET und Stein ROKKAN (Hrsg.): Party Systems and Voter Alignments: Cross-National Perspectives. New York, London, Collier-Macmillan 1967, S. 15

[7] LIPSET, Rokkan, Cleavage Structures, Party Systems, and Voter Alignments. An Introduction, in: LIPSET, ROKKAN, Party Systems and Voter Alignments: Cross-National Perspectives, S. 27

[8] Hans Fenske, Deutsche Parteigeschichte, Erstausgabe, Paderborn 1994, S. 52

[9] Peter Lösche, Die kleine Geschichte der deutschen Parteien, Zweite Auflage, Stuttgart Berlin Köln 1994, S. 32

[10] Fenske, Deutsche Parteigeschichte, S. 53

[11] Lösche, Die kleine Geschichte der deutschen Parteien, S. 32

[12] http://befreiungskriege-deutsches-kaiserreich.suite101.de/article.cfm/kreuzzeitung_und_junkerparlament (abgerufen am 20. September 2009)

[13] Lösche, Die kleine Geschichte der deutschen Parteien, S. 32

[14] Rainer Lepsius, Parteiensystem und Sozialstruktur: zum Problem der Demokratisierung der deutschen Gesellschaft. In: Gerhard A. Ritter (Hg.) Die deutschen Parteien vor 1918. Köln 1973, S. 63

Final del extracto de 18 páginas

Detalles

Título
Die Entstehung der deutschen Parteien nach dem Cleavage-Modell
Universidad
University of Rostock
Calificación
1,7
Autor
Año
2009
Páginas
18
No. de catálogo
V146148
ISBN (Ebook)
9783640566068
ISBN (Libro)
9783640566235
Tamaño de fichero
483 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Entstehung Parteien, Wahlforschung, deutsche Parteien ursprung, Cleavage-modell, Lipset
Citar trabajo
Martin Lau (Autor), 2009, Die Entstehung der deutschen Parteien nach dem Cleavage-Modell, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/146148

Comentarios

  • No hay comentarios todavía.
Leer eBook
Título: Die Entstehung der deutschen Parteien nach dem Cleavage-Modell



Cargar textos

Sus trabajos académicos / tesis:

- Publicación como eBook y libro impreso
- Honorarios altos para las ventas
- Totalmente gratuito y con ISBN
- Le llevará solo 5 minutos
- Cada trabajo encuentra lectores

Así es como funciona