Freibrief für KFOR im Kosovo?

Untersuchung und Analyse der Steuerungs- und Kontrollmechanismen, die bei der Erfüllung des Auftrags von KFOR im Kosovo einwirken am Fallbeispiel der Deutschen KFOR-Kontingente


Bachelorarbeit, 2009

75 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Gliederung

A Einleitende Gedanken
A.1 Definition der Schlüsselbegriffe „Mandat“ und „Steuerungs- und Kontrollmechanismen“
A.1.1 Definition des Schlüsselbegriffs „Mandat“
A.1.2 Definition des Schlüsselbegriffs „Steuerungs- und Kontrollmechanismen“
A.2 Hypothesenentwicklung
A.3 Erläuterung der Vorgehensweise

B Hauptteil
B.1 Wissenschaftliche Überlegungen zum Thema
B.1.1 Begründung des politikwissenschaftlichen Erkenntnisinteresses
B.1.2 Stand der Forschung auf diesem Politikfeld
B.1.3 Verortung der Fragestellung innerhalb der Politikwissenschaften
B.1.4 Erarbeitung der theoretischen Rahmenbedingungen für die Analyse
B.1.5 Grundüberlegungen zur Prinzipal-Agent-Theorie und Neuen Politischen Ökonomie
B.2 Das Kosovo im Überblick
B.2.1 Strukturdaten des Kosovos
B.2.2 Kurzer Abriss der Ereignisse im Kosovo von 1999 bis 2009
B.2.3 Verortung des Kosovokonflikts innerhalb der Kriegstypologien
B.3 Gedanken über permanent existierende Steuerungs- und Kontrollmechanismen auf internationaler Ebene
B.3.1 Das Humanitäre Völkerrecht, ein Steuerungs- und Kontrollmechanismus?
B.3.2 Die Medien als Steuerungs- und Kontrollmechanismus
B.3.3 Resümee der auf internationaler Ebene
B.4 Präsentation der Hauptakteure in Rahmen dieser Untersuchung
B.4.1 Die UNO und das Leitbild der UNO
B.4.1.1 Entschlussfassung im UN-Sicherheitsrat
B.4.1.2 Skizzierung der Rahmenbedingungen, unter denen die UN- Resolution 1244 gefällt worden ist
B.4.1.3 Auflistung, der für die NATO relevante Inhalte der UN-Resolution 1244
B.4.1.4 Alternativen zum Mandat
B.4.1.5 Analyse des Auftraggebers UNO und der Vergabe des Auftrags in Form eines Mandats
B.4.2 Die NATO
B.4.2.1 Leitbild der NATO
B.4.2.2 Beschlussfassungen im Nordatlantikrat
B.4.2.3 Doppelrolle der NATO aus Auftragnehmer und Auftraggeber
B.4.2.4 Wie setzt die NATO das Mandat inhaltlich um?
B.4.2.5 Analyse der Steuerungs- und Kontrollmechanismen die auf den Akteur „NATO“ einwirken
B.4.3 Die Bundesrepublik Deutschland
B.4.3.1 Ziele der Bundesrepublik Deutschland im Kosovokonflikt
B.4.3.2 Analyse der Akteurskonstellation „UNO - Bundesrepublik “ aus der Prinzipal-Agent-Perspektive
B.4.3.3 Analyse der Inhalte des Antrags der Deutschen Bundesregierung Nr. 14/1133
B.4.3.4 Analyse der Einstellung der Medien und Repräsentanten der öffentlichen Meinung zur KFOR-Mission
B.4.3.5 Fazit der Analyse des Akteurs Bundesrepublik Deutschland
B.4.4 Die Bundeswehr und das Leitbild der Bundeswehr
B.4.4.1 Das Deutsche Einsatzkontingent
B.4.4.2 Steuerungs- und Kontrollmechanismen der NATO
B.4.4.3 Nationale Steuerungs- und Kontrollmechanismen
B.4.4.4 Fazit der Analyse der Steuerungs- und Kontrollmechanismen für das Deutsche Einsatzkontingent
B.5 Die Märzunruhen des Jahres 2004
B.5.1 Ursache und Ablauf der Märzunruhen
B.5.2 Beschreibung der Unruhen am 17./18.03.2004 in Prizren
B.5.3 Analyse und Fazit der Ursachensuche bei den Steuerungs- und Kontrollmechanismen
B.5.4 Verbesserung des Steuerungs- und Kontrollmechanismus durch Nachbesserungen
B.6 Zusammenfassung
B.6.1 Akteur UNO
B.6.2 Akteur NATO
B.6.3 Akteur Bundesrepublik Deutschland
B.6.4 Akteur Deutsches Einsatzkontingent

C Abschließende Gedanken

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

A Einleitende Gedanken

Der Gedanke mittels Verträge das Verhalten von Akteuren zu steuern ist nicht neu. In der Ideengeschichte der politikwissenschaftlichen Theorien werden beispielhaft in diesem Kontext der Leviathan von Hobbes (vgl.: Speth: 94-98) und der „contrat social“ von Rousseau (vgl.: ibid: 118-124) genannt. Beide sehen in der gegenseitigen Bindung von Auftraggeber zu Auftragnehmer positive Effekte auf gesellschaftlicher- und individueller Ebene durch Steuerungs- und Kontrollmechanismen, die aus den Vertragsinhalten und Vertragszwecken herausresultieren. Ob diese Überlegungen von Hobbes und Rousseau ein direkter Gegenentwurf zu Machiavellis „Il Principe“ (vgl.: Machiavelli) sind, kann an dieser Stelle nicht geklärt werden. Fest steht jedoch, dass ein gewisses Misstrauen bezüglich der Verlässlichkeit und Treue von Akteuren existiert. Dieses Spannungsfeld bildet die Grundlage für die folgende Untersuchung von korporativen Akteuren auf internationaler Ebene in der Gegenwart. Im Zuge der fortscheitenden funktionalen gesellschaftlichen Differenzierung haben sich Organisationen als wichtige Akteure heraus kristallisiert. Internationale Organisationen agieren auf der politischen Ebene und kooperieren dabei mit anderen Organisationen. Aus mannigfaltigen Motiven schließen diese Akteure untereinander Verträge ab. In dieser Arbeit werden die Steuerungs- und Kontrollmechanismen zwischen den Akteuren UNO - NATO - Bundesrepublik Deutschland und dem Deutschen Einsatzkontingent (DtEinsKtgt) im KFOR-Einsatz, vor diesem Hintergrund, analysiert. Dabei sind von besonderem Interesse die mehrstufigen und multilateralen Akteurskonstellationen und die daraus resultierenden Konsequenzen zur Etablierung von effizienten-und effektiven Steuerungs- und Kontrollmechanismen.

Am 09.06.1999 entschied der UN-Sicherheitsrat Sicherheitsstrukturen im Kosovo zu etablieren. Die Ziele dieser Sicherheitsstruktur sind in der UN-Resolution 1244 lfd. Nr.9 aufgelistet1 (vgl.: Bowers/Youngs: 33). Die NATO erhielt dafür das Mandat. Expressis verbis wird die NATO im Annex2 lfd.Nr.4 beauftragt Sicherheitsstrukturen im Kosovo zu etablieren (vgl.: ibid: 36). Die NATO selbst verfügt - wie auch die UNO - auch über keine Exekutivkräfte, d.h. über keine eigenen Truppen, sondern ist auf truppenstellende Entsendestaaten angewiesen. Deshalb hat die UNO parallel dazu allen UNO-Mitgliedsstaaten das Mandat erteilt, sich an der Mission im Kosovo - unter Führung der NATO - zu beteiligen (vgl.: ibid: 33). Durch diese parallele Auftragsvergabe ist eine Situation von interdependenten Akteuren entstanden. Sie müssen ihr Verhalten untereinander koordinieren, wenn sie den Auftrag erfolgreich ausführen wollen. Bei Betrachtung dieser mehrstufigen und multilateralen Weitergabe des Auftrags stellt sich die Frage, welche Steuerungs- und Kontrollmechanismen wirken über diese Ebenen hinweg, um den Zweck dieser Mission sicherzustellen? Oder negativ formuliert - um auf die Überschrift zu reflektieren - hat die „Kosovo Force“ (KFOR) einen Freibrief, so dass es im Kosovo agieren kann, wie es der militärischen Führung gerade opportun erscheint, weil möglicher Weise die UNO über diese Stufen und komplizierten Akteurskonstellation hinweg keine effizienten- und effektiven Steuerungs- und Kontrollmechanismen etablieren kann? Das ist sicherlich zu ketzerisch formuliert, aber es gilt diesem Kontext nach Steuerungs- und Kontrollmechanismen zu recherchieren, diese zu identifizieren, zu analysieren und zu evaluieren.

A.1 Definition der Schlüsselbegriffe „Mandat“ und „Steuerungs- und Kontrollmechanismen“

Wie aus obigen einleitenden Gedanken zu erkennen ist, sind die zentralen Begriffe dieses Themas „Mandat“ und „Steuerungs- und Kontrollmechanismen“. Als Erstes wird der Begriff „Mandat“ definiert, danach der Begriff „Steuerungs- und Kontrollmechanismen“.

A.1.1 Definition des Schlüsselbegriffs „Mandat“

Der Begriff Mandat kommt aus dem Lateinischen und bedeutet soviel wie „Vollmacht“ oder „Auftrag“. Die Römer verbanden damit, dass ein Auftragnehmer (Mandatar) für einen Auftragnehmer (Mandant) ein übertragenes Geschäft für ihn unentgeltlich ausführte (vgl.: dtv Lexikon Bd.11: 231-232). Eine Definition aus dem politikwissenschaftlichen Bereich definiert „Mandat“ sinngemäß als eine schriftliche verbriefte Vollmacht (engl. = authorization (Longman: 58)), die ein Auftragnehmer von einem Auftraggeber erhält, um eine bestimmte Aufgabe selbständig im Sinne des Auftraggebers zu erledigen (vgl.: Klein/Schubert: 190). Das Schlüsselwort „selbständig“ impliziert erst einmal, dass der Auftraggeber gegenüber dem Auftragnehmer großes Vertrauen in seine Kompetenzen und Loyalität hat. Beide Definitionen enthalten keine direkten Hinweise auf Steuerungs- und Mission noch andauert, sind die laufenden Kontrollen und die dazugehörenden implementierten Kontrollmechanismen hier von Interesse.

A.2 Hypothesenentwicklung

Diese gerade durchgeführten Überlegungen werden nun in eine Hypothese transformiert, um so die Grundlage für die weitere Bearbeitung dieses Themas zu legen: Die UNO ist Auftraggeber. Die NATO ist als Akteur gleichzeitig Auftragnehmer gegenüber der UNO und Auftraggeber gegenüber über den entsendeten Truppen im Kosovo. Die Bundesrepublik Deutschland ist ebenfalls gleichzeitig Auftragnehmer, und Auftraggeber gegenüber dem DtEinsKtgt. Das DtEinsKtgt ist nur Auftragnehmer. Abstrahiert wiedergegeben ist das Explanandum die Handlungsstruktur - bestehend aus Steuerungs- und Kontrollmechanismen, die durch die Vertragsinhalte generiert werden und das Handeln beschränken. Des Weiteren auch die spezifischen organisations- und systemimmanenten Steuerungs- und Kontrollmechanismen, die per se - unabhängig vom konkreten Auftrag - immer gegenwärtig sind, beispielsweise in Form von Institutionen (vgl.: Kromrey: 86-91). Die Explanans sind die Begriffe aus der Prinzipal-Agent-Theorie (P.A.T.), der Neuen Politischen Ökonomie (N.P.Ö.) sowie der allgemeinen Soziologie, mit deren Hilfe die Effizienz und Effektivität der Steuerungs- und Kontrollmechanismen eruiert wird.

A.3 Erläuterung der Vorgehensweise

Nach dem im vorangegangen Abschnitt schon die zentralen Überlegungen dargelegt worden sind, befasst sich dieser Abschnitt mit der Entwicklung des empirischanalytischen Lösungsansatzes.

Der theoretische Analyserahmen wird mit Hilfe der P.A.T. und der N.P.Ö. aufgebaut. Dabei werden die zentralen Begriffe herausgearbeitet, die erforderlich sind um zu prüfen, ob die theoretischen Begriffe mit den dazugehörenden Definitionen mit den tatsächlichen Sachverhalten der Realität korrespondieren.

Danach werden die einzelnen Akteure analysiert, hinsichtlich ihres Leitbildes sowie des entscheidenden Gremiums zur Entscheidungsfindung. Das Verfahren zur Entscheidungsfindung ist in Kombination mit der Zielsetzung der Organisation von eminenter Bedeutung, weil diese Entscheidungen - als Output - Einfluss auf die Folgeaktivitäten haben, und somit steuernde Wirkung entfalten. Aber auch diese Entscheidungsgremien fällen ihre Entscheidungen nicht kontextfrei, d.h. sie sind in einen institutionellen Rahmen eingebunden, der Einfluss auf die Entscheidungsfindung nimmt. Diese Institutionen, die steuernde- und kontrollierende Macht auf die Organisationen ausüben werden analysiert.

Nach dem die Akteure hinreichend beleuchtet worden sind, wird das Delta zwischen Input - der UN-Resolution 1244 - und dem Output - die verabschiedete Dokumente der auftragnehmenden Organisationen eruiert.

Vertiefend werden die Aktivitäten des DtEinsKtgt, exemplarisch als Exekutive, bei der Umsetzung seines Auftrages, bei gegebenen Steuerungs- und Kontrollmechanismen untersucht. Als Untersuchungshintergrund dienen die sog. Märzunruhen des Jahres 2004 im Kosovo. An diesem konkreten Beispiel können die Steuerungs- und Kontrollmechanismen besonders anschaulich dargestellt und analisiert werden. Das DtEinsKtgt musste sich insbesondere gegen negative Kritik nach den sog. „Märzunruhen“ rechtfertigen. Im Rahmen dieser tiefer gehenden Untersuchung soll geprüft werden, ob die gegebenen Steuerungsmechanismen nicht andere Handlungsoptionen zugelassen hätten. Ziel dieser vertiefenden Analyse ist es aber auch zu prüfen, ob die Akteure die Lernfähigkeit besitzen, mittels Korrekturen die Steuerungs- und Kontrollmechanismen neuen Situationen anzupassen.

In den abschließenden Gedanken werden die gefundenen Erkenntnisse abstrahiert und final im Gesamtkontext aller Steuerungs- und Kontrollmechanismen bewertet.

Als Quellen zur Schaffung des politikwissenschaftlichen Rahmens dient ausschließlich wissenschaftliche Literatur. Zur Präsentation der Akteure mit ihren spezifischen Stärken und Schwächen hinsichtlich der Rolle als Auftragnehmer und/oder Auftraggeber und den daraus resultierenden Konsequenzen für die Steuerungs- und Kontrollmechanismen kamen als Quellen spezifische Handbücher, verfügbaren Dokumente aus dem unmittelbaren Umfeld der Akteure sowie „Graue Literatur“ in Form von Vortragsmanuskripten oder „Power Point“ Präsentationen, hinzu.

B Hauptteil

Der Hauptteil ist in sechs Kapitel (Kap.) untergliedert. Im ersten Kap. werden die wissenschaftlichen Grundlagen für die Analyse gelegt. Im Zweiten wird ein globaler Überblick über die ökonomische- und politische Situation des Kosovos gegeben. Im dritten Kap. werden die permanent existierenden Steuerungs- und Kontrollmechanismen auf internationaler Ebene präsentiert und analysiert. Im vierten Kap. werden die zu analysierenden Akteure (UNO, NATO, Bundesrepublik Deutschland und DtEinsKtgt) untersucht. Das fünfte Kap. beschäftigt sich mit den sog. Märzunruhen des Jahres 2004 hinsichtlich der Steuerungs- und Kontrollmechanismen sowie das Lernen in Organisationen. Das sechste Kap. ist eine stringente Zusammenfassung, der bis dato gewonnenen Erkenntnisse.

B.1 Wissenschaftliche Überlegungen zum Thema

Die wissenschaftlichen Überlegungen sind in fünf Abschnitte untergliedert, um so die Plattform für die Analyse und Bewertung des Untergegenstandes zu legen. Der erste Abschnitt begründet das politikwissenschaftliche Interesse an der Aufgabenstellung dieser Arbeit. Der zweite Abschnitt widerspiegelt den Stand der Forschung auf diesem Gebiet. Im dritten Abschnitt wird die wissenschaftliche Fragestellung innerhalb der Politikwissenschaften verortet. Im vierten Abschnitt wird das theoretische Konzept erarbeitet innerhalb dessen die Analysen durchgeführt werden. Im fünften und letzten Abschnitt des Unterkapitels B.1 wird das theoretische Konzept mit der Diskussion der Schlüsselbegriffe aus der P.A.T. und N.P.Ö. erweitert und vertieft.2

B.1.1 Begründung des politikwissenschaftlichen Erkenntnis- interesses

Die politikwissenschaftliche Relevanz für diese Aufgabenstellung resultiert aus der Tatsache, dass erst seit Ende des Ost-West-Konflikts die NATO diese Art von Einsätzen außerhalb des im Art.6 definierten Territoriums der NATO von der NATO durchgeführt werden können (vgl.: NATO Handbuch: 10-11). Ausgangspunkt dieser NATO-Missionen ist ein immer entsprechender Beschluss des UN-Sicherheitsrats. Wobei - anders als in Afghanistan - Russland auf dem Balkan andere Interessen verfolgt, als die USA oder die Bundesrepublik Deutschland. Da sowohl die USA als auch Russland ständige Mitglieder des „UN-Sicherheitsrats“ sind, dürfte sich der natürliche Antagonismus dieser beiden Staaten bereits bei der Generierung der Inhalte der UN-Resolution 1244 niedergeschlagen haben. Dies hätte dann bereits erste steuernde Konsequenzen, in Form von Handlungsrestriktionen, für das Agieren der NATO im Kosovo. Neben den Inhalten des Mandats wirken auch internationale Gesetze und Konventionen, nationale Gesetzgebung, die Medien und Meinung der Öffentlichkeit auf die Aktivitäten im Kosovo ein. Diese bilden den institutionellen Rahmen3, der ebenfalls steuernde- und kontrollierende Kraft entfaltet. Dass die UNO temporär ein Land oder eine Region administriert, ist nicht neu. Neu ist in diesem Kontext die Rolle der NATO bei der Erfüllung des Gesamtauftrags. Dieses Thema ist im Segment der Internationalen Politik angesiedelt. Im Zuge des empirisch-analytischen Vorgehens ist dabei von besonderem politikwissenschaftlichem Interesse zu untersuchen, welche steuernde- und kontrollierende Kraft sich unmittelbar aus den inhaltlichen Vertragskonstrukten und mittelbar aus den institutionellen Rahmenbedingungen entwickelt. Als theoretisches Modell dient dazu die P.A.T.. Die P.A.T. stammt ursprünglich aus der Fakultät der Wirtschaftswissenschaften und wurde im Laufe der Zeit von den Politikwissenschaften adaptiert und weitere Teiltheorien, z.B. die N.P.Ö. hinzu entwickelt. Die Analyse der Kombination von institutionellen Steuerungs- und Kontrollmechanismen und Steuerungs- und Kontrollmechanismen aus der konkreten Vertragsgestaltung heraus auf Ebene der Internationalen Politik ist von besonderem politikwissenschaftlichem Interesse.

B.1.2 Stand der Forschung auf diesem Politikfeld

Über den Kosovokonflikt ist relativ viel (auch wissenschaftliche) Literatur verfügbar. Allerdings konzentriert sich das Erkenntnissinteresse auf die drei „großen Ereignisse“, die seit 1999 bis heute (Stand: 10.2009) im Kosovo stattfanden: (1) der Krieg der NATO im Jahre 1999; (2) die sog. Märzunruhen im Jahre 2004 und (3) die Unabhängigkeitserklärung im Jahre 2008. Bezüglich der Steuerungs- und Kontrollmechanismen ist in diesem Kontext aus politikwissenschaftlicher Perspektive im deutschsprachigen Raum kaum wissenschaftliche Literatur vorhanden.

B.1.3 Verortung der Fragestellung innerhalb der Politikwissenschaften

Bereits im Kap. B.1.1 ist das Stichwort „Internationale Politik“ gefallen. Der Faden wird an dieser wieder aufgenommen um den Begriff „Internationale Politik“ gedanklich zu vertiefen. Generell beinhaltet der Begriff Politik drei Dimensionen, die da lauten, dass (1) Politik öffentlich ist, (2) verbindlich ist und (3) Regeln unterliegt. Der Begriff „Regeln“ impliziert bereits, dass es kein „freies Spiel der Kräfte“ per se gibt, sondern dass Steuerungs- und Kontrollmechanismen existieren. Allerdings ist die Ausprägung dieser Mechanismen offen. Diese allgemein gültigen Dimensionen für alle Ebenen der Politik, sind aber auf jeder Ebene der Politik unterschiedlich stark ausgeprägt. Diese Dimensionen sind auf Ebene der Internationalen Politik (IP) noch nicht so stark institutionalisiert, wie beispielsweise auf kommunaler Ebene (vgl.: List: 13-14).

Bei einer Diskussion auf der Ebene der IP dreht, wendet und reibt sich die Diskussion - wie auf anderen Politikfeldern auch - um ihre jeweils spezifischen Standardbegriffe. Zu den acht gängigsten Standardbegriffen der IP zählen: (1) die Internationalen Beziehungen, (2) die Internationale Politik, (3) die Transnationale Politik, (4) die Außenpolitik, (5) die Souveränität, (6) die Supranationalität, (7) die Machtpolitik und schließlich (8) der Begriff Krieg und Frieden (vgl.: Woyke: 615 - 619).

Zur weiteren zielführenden Bearbeitung im Rahmen der Aufgabenstellung ist jedoch nur der Begriff „Internationale Beziehungen“ (IB) von besonderem Interesse. Woyke schreibt sinngemäß, dass der Begriff „IB“ alle grenzüberschreitenden Interaktionsprozesse von Staaten und Internationalen Organisationen, die quasi den Status eines Völkerrechtssubjekts innehaben, einschließt (vgl.: ibid: 615). Aus dieser Perspektive Betrachtung finden sich die zu untersuchenden Akteure (UNO, NATO, Bundesrepublik Deutschland und das DtEinsKtgt) in dieser Definition wieder, als Akteure in einem Geflecht von Interaktionen.

Nach dem nun die Akteure und deren Interaktionen unter dem Dach der IB verortet wurden, wird in nächsten Schritt nun das adäquate theoretische Konzept mit seinen Prämissen, seiner Reichweite und dazugehörenden Vorgehensweise diskutiert.

B.1.4 Erarbeitung der theoretischen Rahmenbedingungen für die Analyse

Im Zuge der weiteren Verfeinerung des Begriffs „IB“ bietet sich der Begriff „Internationales Regime“ (IR) als verfeinerte Analyseebene an. Der Gegenstandsbereich des IR sind spezifische Politikfelder - beispielsweise die Sicherheitspolitik - und die daraus ergebenden Interaktionsmuster und Strukturen.

Die erkenntnistheoretische Prämisse ist der durch Problemdruck erzeugte internationale Handlungszusammenhang. Das Ergebnis des internationalen Problemdrucks ist in diesem konkreten Untersuchungsfall die UN-Resolution 1244, das Mandat der NATO und der truppenentsendenden Staaten Sicherheitsstrukturen im Kosovo zu etablieren. Als methodisches Vorgehen wird beim IR eine empirische Analyse der problemspezifischen Aktionsmuster präferiert. Dies bedeutet auf die Aufgabenstellung transformiert, dass anhand von Textanalysen die Steuerungs- und Regulierungsmechanismen, die zwischen Akteuren wirken, analysiert werden. Allerdings ist die Reichweite, wie bei allen Fallstudien, meist nur auf den Untersuchungsgegenstand beschränkt (vgl.: Woyke: 614). Dies ist auch bei dieser Fallstudie so, weil entgegen der Philosophie des IR die NATO zuerst ohne Mandat der UNO, durch einen völkerrechtlich fragwürdigen Luftkrieg erst die Grundlage schuf, für eine völkerrechtlich legale Folgeaktion. Erst danach erfolgte die Mandatierung der NATO durch die UNO. Allerdings bezieht sich das Mandat nicht auch die NATO-Aktivitäten die vor dem Inkrafttreten der UN-Resolution 1244 auf jugoslawischen Boden stattgefunden haben. So gesehen handelt es sich hier um ein „sui generis“. Es gibt in der neueren Geschichte keinen vergleichbaren Vorgänger, auf den referenziert werden könnte. Deshalb kann diese Mission auch nicht mit vorangegangenen Friedensmissionen verglichen werden4.

B.1.5 Grundüberlegungen zur Prinzipal-Agent-Theorie und Neuen Politischen Ökonomie

Eine Theorie die insbesondere das Verhältnis zwischen Auftraggeber (AG) und Auftragnehmer (AN) untersucht ist die P.A.T.. Die P.A.T untersucht die aus der Delegation von Aufgaben und Kompetenzen entstehenden Probleme zwischen AG (Prinzipal) und AN (Agent), dessen Kernstück die Theorien über effizienten und effektiven Kontrollmechanismen sind (vgl.: Eberle: 794). Ursprünglich fokussierten sich die Überlegungen auf Akteurskonstellationen auf Mikroebene, wurden dann aber erweitert auf die „Inter-Organisationsebene“. Mit anderen Worten sie wurde weiterentwickelt, um die Steuerungs- und Kontrollmechanismen auf der Ebene zwischen korporativen und/oder kollektiven Akteuren untersuchen zu können5. Die P.A.T (auch Agent-Theorie6 genannt) ist eine Teiltheorie des Insitiutionenökonomik. Bei der P.A.T. gelten die Bedingungen der „Rational Choice Theorie“. Die Institutionenökonomik befasst sich mit Verträgen und allen daraus resultierenden Konsequenzen, wie z.B. der Überwindung des Agency-Problems (vgl.: Behrends: 92-93). An der Entwicklung der P.A.T. haben viele Autoren mitgewirkt, so dass sie nicht eindeutig einem Wissenschaftler zugeordnet werden kann. Dadurch ist sie ziemlich Fassettenreich. Der Nukleus aller Überlegungen ist aber, dass ein AG eine Tätigkeit, die er nicht selbst erledigen kann oder nicht selber erledigen will, an einen (oder mehrere) AN übergibt. Der AG möchte, dass sein Auftrag in seinem Sinne perfekt ausgeführt wird. Durch Steuerungs- und Kontrollmechanismen versucht der AG das „shirking“ (df. = „… Leistungsverweigerung …“ (vgl.: Schimank 2007: 318- 320) des AN zu unterbinden. Ausprägungen des „shirking“ sind „moral hazard“, d.h. den Auftrag den Auftrag schleppend abzuwickeln, und „hidden action“. Darunter ist zu verstehen, dass der AN im Rahmen der Auftragserfüllung eigene Ziele verfolgt. Aufgrund von Informationsasymmetrie zugunsten des AN (vgl.: Harfst/Schnapp: 6), in dem er Lücken oder unklare Aufträge zu seinem Gunsten interpretiert. Darüber hinaus gibt es noch das „hidden information“. „Hidden information“ bedeutet, dass in der Phase der Kandidatenauswahl, sich ein Kandidat besser darstellt, als er in Wirklichkeit ist (vgl.: ibid: 5-6). Die Steigerung von „hidden information“ ist „adverse selection“, darunter ist die bewusste Auswahl eines AG zu verstehen, um dann systematisch „shirking“ zu betreiben. (vgl.: Preisendöfer: 107-108 u. Arrow: 38-42)7. Die Quelle für diesen Konflikt ist, dass AN und AG meistens in einem asymmetrischen Verhältnis - aufgrund von Informationsvorsprüngen - zueinander stehen (vgl.: Preisendörfer: 105-113). So ist nur logisch, dass diese Konstellation automatisch zu Konflikten führt, da die involvierten Akteure auf Basis der Rational Choice Theorie nach individueller Nutzenmaximierung8 streben (vgl.: Kieser: 209- 215).

Um steuernd und kontrollierend auf den AN einwirken zu können stehen dem AG im Wesentlichen vier Kontroll- und Steuerungsmechanismen zur Verfügung: (1) die direkte Verhaltenskontrolle, auch Monitoring genannt; (2) eine ergebnisabhängige Belohnung, d.h. es wird beispielsweise ein Fixum bezahlt und die variable Komponente der Entlohnung ist abhängig vom Grad der Zielerreichung; (3) Kautionsregelungen, d.h. der AN hinterlegt einen Betrag X, den er erst wieder kommt, wenn er den Auftrag zur Zufriedenheit den AG erledigt hat. Ein Beispiel in diesem Kontext wäre die Mietkaution, und (4) die Verbesserungen des Informationssystems. Als Beispiel können hier Lasten- und Pflichtenhefte, Rechenschaftsberichte etc. angeführt werden.

An dieser Stelle ist ganz klar zu merken, dass die P.A.T. ihre Wurzeln in den Wirtschaftswissenschaften hat. Weder Kaution oder eine monetäre Belohnung sind Steuerungsmechanismen mit dessen Hilfe die UNO weder die NATO noch einen industrialisierten demokratischen Staat, als Truppensteller, steuern kann. Bleibt räsonierend festzuhalten, dass nach der Analyse nur zwei Steuerungs- und Kontrollelemente übrig geblieben sind. Deshalb muss bei der Analyse der involvierten Akteure nach Hinweisen bzgl. dieser Steuerungs- und Kontrollmechanismen recherchiert werden.

Da das Fazit aus obiger Analyse ist, dass die klass. P.A.T. dem AG in dieser Konstellation scheinbar nur zwei Steuerungs- und Kontrollwerkzeuge in die Hand gelegt hat. Deshalb ist nun konsequenter Weise nach weiteren Steuerungs- und Kontrollwerkzeugen bei Autoren weiterzusuchen, welche die P.A.T. in Richtung „Politikwissenschaften“ weiterentwickelt haben.

Die Autoren Moe, Downs und Niskanen haben die P.A.T. Richtung Politik und öffentliche Verwaltung weiterentwickelt. Anders als bei korporativen Akteuren sind bei kollektiven Akteuren die Eigentumsrechte an einer Organisation nicht „in Stein gemeißelt“, sondern können sich von Wahlperiode zu Wahlperiode ändern. Des Weiteren unterliegen die Gestaltungsrechte häufig der Notwendigkeit politische Kompromisse einzugehen, aufgrund der Mehrheitskonstellationen in den betriebswirtswirtschaftlichen Literatur gib es eine Vielzahl von weiteren Funktionen zur Ermittlung des optimalen Nutzens (vgl.: Wöhe: 554-587). Kritisch anzumerken ist, dass es die Konstellation, in der es nur einen Anbieter (oder nur einen Nachfrager, das sog Nachfragemonopol) im „Normalfall“ selten gibt. Es gilt aber zu überlegen, ob es diese Konstellationen doch nicht auf internationaler Ebene gibt, weil die Anzahl der Akteure die sich auf dem Politikfeld der internationalen Sicherheitspolitik bewegen überschaubar ist.

Entscheidungsgremien. Dadurch kann es nicht zu optimalen Informations-, Anreiz- und Kontrollstrukturen bei der Vertragsgestaltung und bei der Vertragsüberwachung kommen (vgl.: Behrends: 93-98). Insbesondere Moe erweiterte die P.A.T. auf den öffentlichen Sektor und der Politik. Beim öffentlichen Sektor geht es um das Spannungsfeld zwischen Legislative und Exekutive und wie die Legislative (d.h. konkret die Mehrheitsfraktion) mit Hilfe der Vertragsgestaltung sowie Steuerungs- und Kontrollmechanismen sicherstellt, so dass die Entscheidungen im Sinne der gegenwärtigen Mehrheitsfraktion irreversibel umgesetzt werden. Die Opposition im Entscheidungsgremium versucht das genaue Gegenteil durchzusetzen, so dass sie nach einer Änderung der Mehrheitsverhältnisse zu ihren Gunsten die verabschiedeten Gesetze ohne große Mühen dann in ihrem Sinne wieder ändern kann. Diese Überlegungen finden sich in der Teiltheorie der N.P.Ö. wieder. Eine Verortung der beiden Teiltheorien - P.A.T. und N.P.Ö. - innerhalb der „Neuen Institutionenökonomik“ gibt Abbildung 1: "Neue Institutionenökonomik und deren Teiltheorien" wieder.

Fazit von obiger Analyse ist, dass in der Phase des Verhandelns die beteiligten Parteien bereits Elemente in die Vertragsinhalte implementieren, die es ihnen dann gestatten - nach Änderung der Mehrheitsverhältnisse in diesem Gremium, oder möglicher Weise auf Druck seitens der Medien und der Öffentlichkeit - die Vertragsinhalte entsprechend der politischen Situation modifizieren zu können, damit die Exekutive entsprechend der neuen politischen Situation entsprechend angepasst werden kann.

Die vorangegangen Überlegungen hinsichtlich der Steuerungs- und Kontrollmechanismen gingen immer extringischen Motivatoren aus, um den AN zu einem best. Handeln oder Lassen zu motivieren. Diese extringischen Motivatoren reichen sicherlich dazu aus, um beispielsweise Mitarbeiter zu motivieren den „Akkord zu erfüllen“. Es stellt sich aber die Frage, ob es noch weitere Motivatoren gibt, die auf der Ebene der kollektiven Akteure steuernde- kontrollierende Wirkung entfalten. Wichtige Hinweise allgemeiner Art liefert uns Schimank in seinen Überlegen hinsichtlich intringischer Motivation von Akteuren Verträge zu erfüllen. Er spricht vom „Gesetz des Wiedersehens“ und von negativen Reputationseffekten (vgl.: Schimank 2007: 289-301). Diese negativen Reputationseffekte, oder allgemein formuliert „Imageschaden“ ist ein starkes Argument Vertragstreue an den Tag zu legen. Anlehnend an Goffman entsteht Image als Resultat einer Verhaltensstrategie.

Das durch Sozialität aufgebaute Selbstbild wird von den anderen Akteuren anerkannt (vgl.: Bisler: 289). Insbesondere internationale Organisationen und Staaten sind an einem positiven Image interessiert. Das heißt, das kollektive Akteure auch von der öffentlichen Meinung und Zustimmung abhängig sind. An dieser Stelle ist es jetzt zweckmäßig den Fokus, der bislang nur auf der Binnensicht von AG und AN lag zu erweitern, um die Frage zustellen, welche Steuerung- und Kontrollmechanismen es grundsätzlich in solchen Konstellationen gibt? Die Recherche nach Steuerungs- und Kontrollmechanismen beginnt auf der untersten Ebene, nämlich den Vertragsinhalten. Der lateinische Spruch „pacta sunt servanda“ suggeriert, dass sich beide Vertragsparteien an die Inhalte des Vertrages halten, damit steuern die Vertraginhalte das Verhalten. Erweitert man den Fokus auf die Systemumgebung und verknüpft die Mikrosicht mit der Makrosicht, so erhält man eine Gesamtsicht auf das gesamte Wirksystem von Steuerungs- und Kontrollmechanismen des IR. Die Verträge selbst können nicht inhaltlich frei gestaltet werden, wenn die Vertragsparteien nicht bewusst gegen das Internationale Recht verstoßen wollen. Sie unterliegen den Restriktionen des Internationalen Rechts, beispielsweise dem Humanitären Völkerrecht (HV) und den selbst gesetzten Leitbildern in ihren Satzungen auf Ebene der internationalen Organisationen und auf Ebene der Staaten den Verfassungsinhalten. Diese Rahmenbedingungen steuern bereits die Vertragsinhalte für die internationalen Missionen der UNO. Daneben gibt es weitere Steuerungs- und Kontrollmechanismen insbesondere für kollektive Akteure, die im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen. Das gilt insbesondere für internationale Organisationen und Staaten die gemeinsam sog. Friedensmissionen durchführen. Hier beobachten die Medien, in Form von Berichterstattung über die Aktivitäten der Akteure. Wobei die Berichterstattung nicht nur über Vertragsverstöße geht, sondern ganz allgemeiner Natur über die Aktivitäten von KFOR im Kosovo ist.

Diese Überlegungen auf theoretischer Ebene habe bereits ein Geflecht von interdependenten Akteurskonstellationen entstehen lassen, die wiederum mannigfaltigen Handlungsrestriktionen qua Gesetz, Norm oder Institution unterliegen. In der Abbildung 2: „Schematische Darstellung der Steuerungs- und Kontrollmechanismen“ werden diese Interdependenzen und die theoretischen Steuerungs- und Kontrollmechanismen dargestellt. Diese gewonnen Hypothesen werden in den folgenden Kapiteln hinsichtlich ihrer Effizienz und Effektivität weiter spezifiziert und validiert. Oder um wieder einen Bezug zur Eingangs aufgestellten ketzerischen These herzustellen, um nach dem „Freibrief für KFOR“ im Kosovo zu recherchieren.

B.2 Das Kosovo im Überblick

Der Schwerpunkt in diesem Kapitel liegt in der reflexiven Betrachtung der Entwicklung des Kosovo-Konflikts. In drei Schritten werden neben den Strukturdaten, ein kurzer Abriss über den Ablauf des Kosovokonflikts gegeben und eine Verortung des Kosovokonflikts innerhalb der Kriegstypologien durchgeführt.

B.2.1 Strukturdaten des Kosovos

Am 17.02.2008 deklarierte das Kosovo seine Unabhängigkeit von Serbien. Er ist damit der jüngste Staat Europas. Seine Unabhängigkeit ist umstritten. Viele Staaten haben diesen Staat noch nicht anerkannt. Mit Stand 2008 haben 43 Staaten das Kosovo anerkannt (vgl.: Le Monde diplomatique: 148-149)9. Im Kosovo leben ca. 2,1 Mio. Menschen von denen ca. 90 Prozent albanischer Nationalität (KOA) sind. Der Anteil der serbischen Bevölkerung (KOS) beträgt ca. fünf Prozent. Die restlichen fünf Prozent verteilen sich auf diverse Minderheiten, wie Sinti und Roma. Die meisten KOA sind Muslime, ein kleiner Teil davon sind Katholiken. Die KOS gehören i.d.R. der serbisch-orthodoxen Kirche an. Die Staatsfläche beträgt 10.887 km² (vgl.: Abbildung 3: "Das Kosovo"). Damit leben ca. 195 Einwohner auf einem Quadratkilometer10. Das Kosovo ist eine Republik mit einem 120sitzigen Parlament. Die Hauptstadt ist Pristhina. Regional ist das Land in 20 Landkreise unterteilt (vgl.: Weltalmanach: 209). Daneben existieren noch die parallelen zivilen Verwaltungsstrukturen der „United Nations Interims Administration in Kosovo“ (UNMIK). Mertens spricht deshalb auch von einer „ Unabh ä ngigkeit zweiter Klasse “ (vgl.: Mertens: 125). Das Kosovo besitzt nur sehr wenige Rohstoffe. Die meisten Rohstoffquellen befinden sich im Norden des Landes in der Region Mitrovica, d.h. im serbischen Siedlungsgebiet. Die Bergwerke arbeiten nur auf sehr niedrigem Niveau. Die Arbeitslosigkeit ist sehr hoch, über die allerdings keine verlässlichen Zahlen vorliegen. Die größten Arbeitgeber sind KFOR und UNMIK (vgl.: Wenzel: 14-15). Der Euro ist die Landeswährung.

B.2.2 Kurzer Abriss der Ereignisse im Kosovo von 1999 bis 2009

So unklar wie die aktuelle Situation im Kosovo ist, so unklar ist auch ethnische Herkunft der Albaner. Sie selbst beziehen sich auf die Illyrer, aber diese Abstammung ist wissenschaftlich nicht einwandfrei nachweisbar. Weder die Albaner noch die KOA sind im Laufe ihrer Geschichte besonders hervorgetreten. Die im Kosovo lebenden Albaner waren entweder immer ein Teil des Osmanischen Reiches, oder ein Teil Serbiens (vgl.: Clewing: 15-25).

Der Kosovokonflikt nahm erst nach Titos Tod langsam tatsächliche Gestalt an. Das Kosovo war bis 1989 eine autonome Provinz Serbiens. Slobodan Milosevic, der 1978 zuerst zum serbischen Ministerpräsident gewählt worden ist, und später zum Jugoslawischen Präsidenten gewählt wurde, annullierte die Autonomie des Kosovos. Ab Ende Februar 1998 eskalierten die Auseinandersetzungen mit der „kosovarischen Befreiungsarmee“ (UCK). Diese mündeten dann, ab dem 24.03.1999, zu den Luftangriffen der NATO auf das gesamte „Rest-Jugoslawien“ (vgl.: Leitfaden: 42- 43). Am 10.06.1999, nach 78 Tagen, stellte die NATO die Luftangriffe wieder ein. Auf Basis eines „Military Technical Agreement” (MTA) zwischen der NATO und Jugoslawien mussten alle jugoslawischen Kräfte (df. = jugoslawische Volksarmee, paramilitärische Verbände und serbische Polizei) das Kosovo innerhalb von neun Tagen räumen. Dieses MTA wurde am 09.06.1999 unterzeichnet. Am 10.06.1999 verabschiedete der UN-Sicherheitsrat mit 14 zu 0 Stimmen, bei Enthaltung der VR China, die UN-Resolution 1244. Am 12.06.1999 überschritten die Voraustruppen der NATO der Grenze zum Kosovo.

Als das herausregende Ereignis im Kosovo unter Verwaltung der UNMIK waren die sog. Märzunruhen des Jahres 2004. Die Märzunruhen selbst dauerten nur vier Tage (17.03. - 20.03.2004). Das besondere daran - so die offizielle Erklärung11 - dass keinerlei Anzeichen im Vorfeld identifiziert wurden und alle von der Heftigkeit dieser Eruption überrascht waren (vgl.: Dzihic/Kramer: 185).

Am 17.02.2008 erklärte sich das Kosovo für unabhängig. Das ist das dritte große Ereignis, das innerhalb von zehn Jahren in diesem Land stattfand. Anders als die Märzunruhen überraschte diese Unabhängigkeitserklärung niemanden. Allerdings unternahm auch keiner der internationalen Akteure - insbesondere nicht die UNMIK - ernsthafte Schritte, diese Unabhängigkeit zu unterbinden. Das ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass UNMIK müde geworden ist, dieses Land weiter zu administrieren. Indikatoren dafür sind, dass sich die EU im Laufe der Zeit immer stärker an der Entwicklung im Kosovo bis zum heutigen Tag (Stand: 10.2009) beteiligt. Am 16.02.2008, beispielsweise, wurde beschlossen die EU-Mission EULEX weiter auszudehnen. Am 28.02.2008 wurde die Rolle eines „EU Special Repräsentative“ (dt. = EU Sonderbeauftragter) im Kosovo etabliert. Allerdings sperrt sich Russland im UN-Sicherheitsrat, dass der EU peu à peu mehr Macht im Kosovo zugestanden wird, solange kein neuer Sicherheitsratsbeschluss vorliegt (vgl.: Weller: 69-75). In diesem festgefahrenen Schwebezustand befindet sich das Kosovo gegenwärtig.

B.2.3 Verortung des Kosovokonflikts innerhalb der Kriegstypologien

Das Hamburger Institut für Politikwissenschaft der Universität Hamburg unterteilt kriegerische Konflikte in fünf Kategorien (vgl.: Abbildung 4: "Kriegstypologien"), die jeweils noch in zwei Differenzierungsstufen (mit und ohne Fremdbeteiligung) verfeinert werden können. Gemäß dieser Typologie fällt der Kosovokonflikt in die Kategorie B2. Die Kategorie B2 drückt aus, dass es sich bei diesem Konflikt um einen Sezessionskrieg mit Fremdbeteiligung handelte.

Diese Kategorisierung war für den Akteur UNO von Bedeutung, um prüfen zu können, wo dieser Konflikt im Kap. VII der UN-Charta verortet werden konnte. Eine Verortung innerhalb des Kap. VII der UN-Charta ist von eminenter Wichtigkeit, um der Resolution 1244 eine legitime Basis zu geben. Der Gedanke der Legitimität von UN-Resolutionen wirft wieder die Frage auf, ob die Akteure bereits Steuerungs- und Kontrollmechanismen unterworfen sind in Form von international gültigen Gesetzen.

B.3 Gedanken über permanent existierende Steuerungs- und Kontrollmechanismen auf internationaler Ebene

Wie bereits im vorangegangen Kap. avisiert worden ist, werden in diesem Kap. Überlegungen angestellt, ob es akzeptierte und praktizierte Normen in Form von Gesetzen o.ä. gibt, die Institutionencharakter haben, permanent existent und immer zu berücksichtigen sind.

[...]


1 Diese Punkte werden in Kap. B.4.1.3 detailliert behandelt.

2 Die Ebene der individuellen Akteure wird nicht beleuchtet, weil bezogen auf das Thema über deutschen Soldaten im Auslandseinsatz kaum Erkenntnisse vorliegen. Sowers hat diesbezüglich Studien auf Ebene der individuellen Akteure durchgeführt, aber nur über britische und amerikanische Soldaten (vgl.: Sowers. 385-409). Da hier die Argumentationskette von der UNO über die NATO über die Bundesrepublik Deutschland zum DtEinsKtgt verläuft, können seine Erkenntnisse in dieser Untersuchung nicht verwendet werden.

3 Die Betrachtung der Institutionen wird immer dann integriert, wenn diese Institutionen direktenoder indirekten Einfluss auf das Verhalten der Akteure im Rahmen vertraglichen Auftragserfüllung nehmen (vgl.: Waarden: 257-284).

4 Um die Reichweite der Ergebnisse dieser Fallstudie zu erweitern, böte sich allerdings an, eine gleichartig gelagerte Untersuchung über ISAF im Afghanistan durchzuführen.

5 Dadurch wurden auch asymmetrische Betrachtungen zwischen individuellen Akteuren und korporativen/kollektiven Akteuren im Rahmen der P.A.T. möglich.

6 Es gibt aber auch noch eine weitere sog. Agentur-Theorie, die eine Variante der marxistischen Staatstheorie ist (vgl.: Esser: 6). Diese ist aber nicht Gegenstand dieser Betrachtungen.

7 Preisendörfer und Arrow interpretieren den Begriff „adverse selection“ aus unterschiedlichen Perspektiven. Im Rahmen der weiteren Untersuchungen gilt die Explikation von Preisendörfer (vgl.: ibid).

8 In der P.A.T.-Literatur wird bei der Nutzenmaximierung häufig Bezug auf den cournotschen Punkt genommen, der einen Angebotsmonopolisten als Prämisse unterstellt. In der

9 Die Gründe für diese zögerliche Anerkennung sind vielfältiger Natur. Einer davon ist, dass es auf dem Globus z.Zt. 15 ähnliche gelagerte Konflikte gibt. Eine großflächige Anerkennung der Souveränität des Kosovo könnte eine Signalwirkung für die anderen separatistischen Bewegungen haben (vgl.: ibid).

10 Im Vergleich dazu Leben in Montenegro, das eine Fläche von 13.812 km² besitzt, nur 44 Einwohner auf einen Quadratkilometer. Im Vergleich zu diesem Balkanstaat, der an das Kosovo grenzt, ist das Kosovo sehr dicht bevölkert.

11 Ob tatsächlich keinerlei Anzeichen im Vorfeld existierten, wird expliziert im Kap. B.5 untersucht.

Ende der Leseprobe aus 75 Seiten

Details

Titel
Freibrief für KFOR im Kosovo?
Untertitel
Untersuchung und Analyse der Steuerungs- und Kontrollmechanismen, die bei der Erfüllung des Auftrags von KFOR im Kosovo einwirken am Fallbeispiel der Deutschen KFOR-Kontingente
Hochschule
FernUniversität Hagen  (Internationale Politik)
Note
2,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
75
Katalognummer
V146287
ISBN (eBook)
9783640571192
ISBN (Buch)
9783640570959
Dateigröße
931 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Freibrief, KFOR, Kosovo, Untersuchung, Analyse, Steuerungs-
Arbeit zitieren
Hans-Juergen Klein (Autor:in), 2009, Freibrief für KFOR im Kosovo?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/146287

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