Ethik ist anders als eine Naturwissenschaft keine „exakte“ Wissenschaft und ethische Aussagen sind nicht objektiv: das ist die heute verbreitete allgemeine Anschauung. Allerdings ist dies naturgemäß umstritten. Sucht man nach einem exponierten Vertreter der Gegenthese stößt man beispielsweise auf Aristoteles: für ihn ist die Objektivität der Ethik keine Frage, ebenso wenig, ob ethische Aussagen wahr sein können.
Genauso wie man von einer Säge sprechen kann, dass sie „gut“ ist in dem Sinne, dass sie gut schneiden könne, kann man von einer Handlung sagen, dass sie gut sei. Dieser Anspruch erscheint heutzutage aber eher fremd und keinesfalls selbstverständlich. Wie aber kann Aristoteles begründet davon sprechen, dass ethische Prinzipien „wahr“ bzw. „objektiv“ sind?
Dieser Frage wird in eher begrenztem Rahmen nachgegangen. Zum einen wird nicht die aristotelische Methode an sich untersucht, sondern speziell die der Nikomachische Ethik. Nur ergänzend werden andere Schriften herangezogen. Zum anderen ist das Ziel der Arbeit nicht, eine aktuelle oder grundsätzliche Diskussion über Wahrheit in der Ethik zu führen. Ziel ist vielmehr ein eingehendes Verständnis der Methode, wie sie Aristoteles selbst verstanden hat und somit tendenziell eine philosophiegeschichtliche Untersuchung.
Trotz dieser Beschränkungen soll die Arbeit in zweierlei Hinsicht über ihre konkreten Ziele hinausweisen: zum einen eröffnet sich über eine Diskussion der Methode ein grundlegenderes Verständnis der Inhalte der Nikomachischen Ethik. Zum anderen ist vor allem durch das sechste Kapitel mittelbar ein grundlegenderer Blick auf die ethischen Fragen unserer Zeit möglich.
Bevor man sich aber der Methode und der Untersuchung zuwendet, ist ein klärendes Wort notwendig, das vor allem der Abgrenzung zu den „objektiven“ Naturwissenschaften dient.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung und Fragestellung
- Die Aporie der Selbstliebe
- Ethische ,,Fakten“
- Dialektik und die Ersten Prinzipien
- Ein Prinzip der Freundschaft
- Der ontologische Status erster Prinzipien
- Schlussbemerkungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der Frage, ob ethische Prinzipien nach Aristoteles „wahr“ bzw. „objektiv“ sind, indem sie seine Methode in der Nikomachischen Ethik untersucht. Ziel ist es, ein tiefes Verständnis der Methode zu erlangen, wie Aristoteles sie selbst verstanden hat. Neben dem Verständnis der Methode wird ein grundlegenderes Verständnis der Inhalte der Nikomachischen Ethik ermöglicht. Darüber hinaus eröffnet die Arbeit durch das sechste Kapitel einen neuen Blick auf die ethischen Fragen unserer Zeit.
- Untersuchung der Methode in der Nikomachischen Ethik
- Die Objektivität ethischer Prinzipien
- Das Problem der Selbstliebe in der Freundschaft
- Die Bedeutung des Begriffs „Phänomene“ (Phainomena)
- Die dialektische Methode
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung und Fragestellung: Diese Einleitung stellt die Frage nach der Objektivität der Ethik und führt Aristoteles als Vertreter der These von der Objektivität ethischer Aussagen ein. Es wird erklärt, dass die Arbeit die aristotelische Methode in der Nikomachischen Ethik untersucht und sich auf die Frage nach der „Wahrheit“ ethischer Prinzipien konzentriert.
- Die Aporie der Selbstliebe: Dieses Kapitel dient als praktischer Hintergrund für die methodische Untersuchung. Die Grundfrage ist, ob man sich selbst oder einen anderen am meisten lieben solle, und dies stellt eine Aporie dar, die im weiteren Verlauf der Arbeit behandelt wird.
- Ethische „Fakten“: Dieses Kapitel klärt die Bedeutung der „Phänomene“ (Phainomena), der allgemeinen Anschauungen (legemona) oder Meinungen (endoxa) in der aristotelischen Methode.
- Dialektik und die Ersten Prinzipien: Dieses Kapitel diskutiert die dialektische Methode, die Aristoteles in der Ethik anwendet. Die dialektische Methode ist entscheidend für die Erkennung und Begründung ethischer Prinzipien.
- Ein Prinzip der Freundschaft: Dieses Kapitel behandelt ein praktisches Beispiel für ein erstes Prinzip in der Freundschaft. Es wird untersucht, ob man einem Freund objektiv schlechtes Verhalten vorwerfen kann, wenn er ihm nicht hilft.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit Schlüsselbegriffen wie Objektivität, Wahrheit, Ethik, Methode, Nikomachische Ethik, Selbstliebe, Freundschaft, Phänomene, dialektische Methode, Erste Prinzipien, ethische Prinzipien, Handlungsanweisungen und Zumeist-Wissen (hôs epi to polu).
- Citation du texte
- Markus Roick (Auteur), 2003, Wahre Ethik. Der Wahrheitsstatus Erster Prinzipien in der Nikomachischen Ethik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14628