„Selten ist ein Recht so papieren geblieben wie das Selbstbestimmungsrecht, weil seine Ausübung in kritischer Lage schwieriger ist, als sich zu ihm zu bekennen.“
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Eines dieser eben beschriebenen zerfallenen Großreiche auf dem europäischen Kontinent war auch das eben erwähnte Österreich-Ungarn, in geografisch nahezu unmittelbarer Nähe, aus dem sich nach häufigen Unruhen an der Peripherie in Ostmittel- und Südeuropa eine Vielzahl von Staaten bereits nach dem ersten Weltkrieg bildeten. Doch ein Gebiet ist seit je her umstritten, lange Zeit auch gewalttätig umkämpft und selbst bis heute nicht vollständig zur Ruhe gebracht – nämlich Südtirol. Dieses Gebiet, während des ersten Weltkrieges Italien für den Eintritt in den Krieg auf alliierter Seite versprochen, wurde alsbald dessen Herrschaft unterstellt und nie wieder aus dieser entlassen, trotz aller Akzeptanz des Selbstbestimmungsrechtes und Stattgebung teils nur formeller Autonomiesatzungen. Dort wurde und wird der mehrheitlich deutschen Bevölkerung, die das Selbstbestimmungsrecht der Völker als „absolute[s] Recht der Völker und Volksteile, im Zweifelsfalle mittels geordneter und geschützter demokratischer Abstimmung selbst zu entscheiden, welchem Staatsverband sie mit ihrem angestammten Siedlungsgebiet angehören wollen“ 2 interpretieren, gerade dieses Recht verweigert. Dies scheint auf den ersten Blick sehr verwunderlich, da es viel weniger entwickelten Staaten weltweit und bis heute auch in Europa zugesprochen wird und so gilt es zu untersuchen, weshalb es sich hier im Zentrum der Entwicklung, Manifestierung und Verwirklichung dieser Ideen eben nicht verwirklichte bzw. abgewiesen wurde und ein nicht annähernd oder vollständig befriedigtes Verlangen bis heute besteht. Deshalb soll hier, über 60 Jahre später, noch einmal Winston Churchills bereits 1946 gestellte Frage: „Warum wird den Bewohnern dieses gebirgigen und schönen Landes Andreas Hofers, nicht erlaubt, ein Wort über ihre eigene Zukunft für sich selbst zu sprechen? Warum kann es dort nicht ein faires und freies Plebiszit unter Aufsicht der großen Mächte geben?“ (Zitat nach „Times“, London, 06.06.1946) 3 , welches man insofern fortsetzen könnte: „wie es anderswo zuhauf geschah“; aufgegriffen und versucht beantwortet oder zumindest bearbeitet zu werden.
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Inhaltsverzeichnis
- Einleitung.
- Selbstbestimmungsrecht und Autonomie im Völkerrecht.
- Geschichtliche Betrachtung des Gebietes Südtirol.
- Die Beruhigung der Situation nach dem zweiten Autonomiestatut und aktuelle Entwicklungstendenzen.
- Schlussbetrachtungen.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit dem Selbstbestimmungsrecht der Völker, Fragen der Autonomie und deren Missachtung, insbesondere im Kontext Europas, am Beispiel Südtirols. Sie untersucht die historischen und aktuellen Entwicklungen in Südtirol und hinterfragt, warum die mehrheitlich deutschsprachige Bevölkerung in ihrer Selbstbestimmung eingeschränkt wurde und ob es heute tatsächlich zu einer Beruhigung der Situation gekommen ist.
- Das Selbstbestimmungsrecht der Völker im internationalen Recht.
- Das Konzept der Autonomie und seine Anwendung in Südtirol.
- Die historische Entwicklung Südtirols und seine ethnische Zusammensetzung.
- Die Rolle der Kultur und der „Kulturnation“ im Konflikt um Südtirol.
- Die aktuelle Situation in Südtirol und die Auswirkungen der Autonomiebestrebungen.
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik des Selbstbestimmungsrechts und der Autonomie ein und stellt Südtirol als Fallbeispiel vor. Das Zitat von Winston Churchill dient als Ausgangspunkt für die Untersuchung der Frage, warum die Bewohner Südtirols nicht über ihre Zukunft selbst bestimmen konnten.
- Selbstbestimmungsrecht und Autonomie im Völkerrecht: Dieses Kapitel erläutert die theoretischen Grundlagen des Selbstbestimmungsrechts und der Autonomie. Es beleuchtet die historische Entwicklung beider Konzepte und ihre Anwendung in der Praxis.
- Geschichtliche Betrachtung des Gebietes Südtirol: Dieses Kapitel beleuchtet die historische Entwicklung Südtirols, wobei der Fokus auf die ethnische Zusammensetzung und die kulturellen Eigenheiten liegt. Es wird untersucht, wie die „Kulturnation“ in diesem Kontext eine wichtige Rolle spielt.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Schlüsselbegriffen Selbstbestimmungsrecht, Autonomie, Südtirol, Kulturnation, ethnische Minderheiten, Völkerrecht, Geschichte, aktuelle Entwicklungen und politische Selbstbestimmung. Sie untersucht die Anwendung und Missachtung des Selbstbestimmungsrechts im Kontext der europäischen Geschichte und der aktuellen Situation Südtirols.
- Citation du texte
- Stefan Wagner (Auteur), 2009, Südtirol und die verwehrte Selbstbestimmung?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/146659