Unter welchen Umständen sollte Sterbehilfe erlaubt (oder: verboten) sein?


Seminar Paper, 2009

13 Pages, Grade: 2,0


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

I Deckblatt

II Inhaltsverzeichnis
Einleitung
2 Klärung der Begrifflichkeiten
3 Praktisches Beispiel — Jack Kevorkian
4 Die freiwillige Euthanasie und ihre Rechtfertigung
5 Schlussbetrachtungen

III Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„...Árztliche Verordnungen werde ich treffen zum Nutzen der Kranken nach meiner Fähigkeit und meinem Urteil, hiiten aber werde ich mich davor, sie zum Schaden und in unrechter Weise anzuwenden. Auch werde ich niemandem ein tödliches Gift geben, auch nicht wenn ich darum gebeten werde, und ich werde auch niemanden dabei beraten; auch werde ich keiner Frau ein A btreibungsmittel geben..."

Diese Worte aus dem noch heute fir Arzte abzulegenden Eid des Hippokrates sollen folgender Hausarbeit voranstehen, da sie eine wesentliche Grundlage, die es zu iiberdenken gilt, darstellen bei der Betrachtung des Themas „Euthanasie / Sterbehilfe" in all ihren Ausformungen hinsichtlich der ubergeordneten Frage: „Unter welchen Umständen sollte Sterbehilfe erlaubt (oder: verboten) sein?" Zunächst einmal könnte man vorschnell antworten, dass aus dem Eid hervorgeht, dass dies niemals und unter keinen Umständen geschehen diirfe, da ja selbst die als freiwillig zu bezeichnende Form - „...wenn ich darum gebeten werde..." - vom Wortlaut her untersagt ist. Nun ist es allerdings so, das ein allseitiges Verbot hier im Bereich der Medizin, wie auch anderswo, mehr Unheil als Vorteil bringen wiirde und deshalb ist dieses Verbot nur mit seinen Beschränkungen sinnvoll zu betrachten und zu behandeln und vor allem auch im Bereich der modernen Medizin ein vieldiskutiertes Thema. Sterbehilfe sei in der folgenden Betrachtung zusammen mit ihrem oftmals verpönten Partner Euthanasie synonym zu betrachten und steht in ihrer allgemeinen Bedeutung abgeleitet aus dem Griechischen fir „guter Tod". Bei dieser Ubersetzung kann man sich bereits hier die Frage stellen, warum denn dann etwas Negatives daran gesehen werden soll, wenn doch schon die Griechen, denen man bedeutende Entwicklungen die grundlegend fir die moderne Zivilisation waren zuschreibt, ihm eine solche Bedeutung gaben. Doch soll dies erst später näher beleuchtet werden. Die wesentliche Definition von Euthanasie im Hinblick auf diese Arbeit soll allerdings die vom im Folgenden recht oft herangezogenen Referenztheoretiker Peter Singer darstellen, welcher verschiedene Formen der Sterbehilfe kennzeichnet und sich daraus natiirlich fir die Formen spezifische Probleme ergeben. Dazu sollen also zunächst einmal die Begrifflichkeiten kurz aber treffend skizziert werden aus denen sich dann Probleme ergeben können, welche recht umfassend sein mögen und die auch viele Kritiker auf den Plan rufen. Danach werde ich mir einen Spezialfall herausgreifen, den Singer in seinem Buch Praktische Ethik in der Neuausgabe von 1994 ebenfalls erwähnt und seinem zentralen Kapitel fiber Euthanasie voranstellt. Dies soll der Fall des Doktor Jack Kevorkian sein, welcher die Sterbehilfe aktiv aber auf Wunsch praktizierte und fir seine Uberzeugung nicht einmal vor dem Gefängnis halt machte. Man sieht schon jetzt, dass der Fall der später erläuterten unfreiwilligen Euthanasie hier iiber eine bloBe Erwähnung nicht heraustreten wird, wohl aber die diskussionswiirdigen Fälle der nichtfreiwillgen und freiwilligen Form. Die Problematik sowie Fiir- und Gegenstimmen sollen dabei anhand Singers Theorigebilde dargestellt und erläutert werden, worauf am Ende eine kurze eigene Sichtweise dieses Themenfeldes die Arbeit abschlieBen soll.

2. Klärung der Begrifflichkeiten

Wie es weiter oben schon angedeutet wurde, leitet sich Euthanasie aus 2 griechischen Worten ab und bedeutet in der wortwörtlichen Ubersetzung „guter Tod". Nach dem Lexikon werden damit all jene Handlungen bezeichnet, die von der Hilfe und Unterstiitzung im Sterben bis hin zur aktiven Tötung Sterbender oder Schwerstkranker reichen. Sterbehilfe (wie sie in Deutschland in Abgrenzung zur Euthanasie mit Riicksicht auf den Missbrauch dieser während des nationalsozialistischen Regimes) nur bezeichnet wird, betrifft auch Situationen, bei denen ein Sterbeprozess bereits unumkehrbar begonnen hat und unterstiitzt weiterhin die Herbeifiihrung des eigenen Todes durch eine weitere Person. In diesem Sinne muss Sterbehilfe allerdings weiter gefasst werden und bezieht sich somit auch auf Menschen mit schweren Behinderungen, Wachkomapatienten, Menschen mit der Alzheimer-Krankheit im fortgeschrittenen Stadium oder solchen, die sich nicht selbst zu einem Sterbewunsch geäuBert haben oder dazu nicht in der Lage sind. Besonders fiir diesen letzten Punkt ist der Personenbegriff Peter Singers ein entscheidendes Kriterium, anhand dessen er auch die Unterscheidung seiner verschiedenen Arten von Euthanasie festmacht. Die Definition von Person und der sich damit ergebende Status eines Mensch ist ein zentraler Punkt in Singers Buch und dient als Grundlage fiir nahezu jede Betrachtung innerhalb seiner Theorie. Eine Person ist fiir Singer ein Mensch, welcher iiber Selbstbewusstsein sowie Autonomie, Rationalität und Wiinsche verfiigt. Dieser geht dann iiber die bloB vegetative Existenz hinaus, begreift sich als distinkte Entität, die in der Zeit fortbesteht und ist nicht bloB durch Interessen geleitet, sondern entwickelt Wiinsche und Ziele. Aufgrund dieser Definition ist natiirlich auch klar, dass ein Mensch den Personenstatus nicht von Beginn an innehat und ihn obendrein auch im Laufe seines Lebens verlieren kann. Das letzte der genannten Kriterien stellt fiir Singer den besonderen moralischen Unterschied zwischen Personen und Nichtpersonen dar, aufgrund dessen er schlieSt, dass das Töten von Nichtpersonen moralisch nicht so schlimm ist, wie das von Personen. Anhand dieser Setzung lassen sich dann auch im folgenden die 3 Arten von Euthanasie, die Singer herausstellt, besser erläutern.

Zunächst einmal besteht eine recht „einfache" Form von Euthanasie, die fiir Singer moralisch auch keine groBen Probleme darstellt. Namlich die freiwillige. Bei dieser Form muss zwangslaufig der Personenstatus bei betreffendem Patient gegeben sein oder er muss einmal vorgelegen haben, denn hierfr ist die freie Entscheidung Voraussetzung. Die freiwillige Euthanasie ist somit zum einen Euthanasie auf Verlangen, wenn also der Mensch direkt gefragt wird und sich dafr entscheidet und zum anderen ist sie „auch dann freiwillig, wenn eine Person (...) nicht mehr in der Lage ist, ihrem Wunsch zu sterben noch bis zu dem Augenblick Ausdruck zu geben, da die Tablette geschluckt, der Knopf gedriickt oder der Schuss abgegeben wird".1 Dann allerdings natärlich nur, wenn im Vorfeld ein schriftliches Gesuch um Sterbehilfe im Einverstandnis mit der Person aufgesetzt wurde. Da fir mich im weiteren Verlauf dieser Arbeit und auch im spater betrachteten Beispielfall im Wesentlichen nur diese Form der Euthanasie, im Bezug auf freie Entscheidung und auch im Hinblick auf die Unmöglichkeit fir das betroffene Individuum sich selbst zu töten, wichtig ist, sollen die anderen beiden Arten der Vollstandigkeit zuliebe nur kurz erwahnt werden.

Eine zweite ebenso deutliche Form ist die unfreiwillige Euthanasie. Diese Form ist die moralisch verwerflichste, da auch hier der Personenstatus zwangslaufig vorausgesetzt werden muss, man damit aber eine Person töten wurde und damit auch ihre Plane und Wünsche durchkreuzte und somit das Gluck auf der Erde verminderte. Der Mensch ist also zustimmungsfahig, tut dies aber nicht oder wird einfach nicht gefragt — das ist das Verwerfliche. Falle von unfreiwilliger Euthanasie treten somit so gut wie niemals auf und für Singer ist auch nur ein einziger Fall denkbar, wo dies gerechtfertigt sein könnte. Namlich dann, wenn sich die betroffene Person in den Handen von Terroristen oder Sadisten oder Sonstigen befindet also auf jeden Fall sterben wurde, zuvor aber noch groBe Qualen zu erleiden hatte. Das Motiv Leid zu ersparen ware hierbei die Rechtfertigung, doch ist es fraglich hierbei von unfreiwilliger Euthanasie zu reden, da die Person in diesem Fall wohl auch der Tötung zustimmen wurde, wurde sie gefragt. Dritte und letzte Art fir Peter Singer ist die so genannte nichtfreiwillige Euthanasie, welche auch die problematischste und diskussionswärdigste darstellt. Hierbei handelt es sich namlich grundsatzlich um Nichtpersonen oder um Menschen die zur Nichtperson geworden sind und zuvor keine Entscheidung fir einen solchen Fall trafen. Das menschliche Wesen ist also nicht fahig oder nicht in der Lage eine Entscheidung fiber Leben und Tod zu treffen und dies stellt das Problem dar, da sich hier entschieden werden muss, ob man den Tod zum Wohle des Patienten, zum Wohle der Mitmenschen oder lieber gar nicht herbeifhren sollte. Da dies nach Singer vor allen Dingen auf unheilbar Kranke, schwerbehinderte Sauglinge sowie auf Menschen die durch Krankheit, Unfall oder hohes Alter ihre autonome Entscheidungsgewalt verloren haben zutrifft ist fir Singer diese Form keine Euthanasie nach seiner Definition, da es nicht möglich ist zu sagen, ob der Tod gegen oder mit den Interessen des betreffenden Individuums ist. In Singers Rechtfertigung der nichtfreiwilligen Euthanasie stimme ich mit ihm iiberein, da er sagt, wenn der Mensch weder rational noch autonom oder sonstiges ist und sein Leben, in Ermangelung von Erlebnissen oder Zukunft steht, keinen Wert hat, also er nur noch biologisch und nicht mehr biografisch lebt, dann ist die Lebensreise an ihr Ende gelangt und im Sinne des Individuums, welches obendrein zumeist noch Schmerzen zu erleiden hat, ist es sinnvoller das Recht auf Leben nicht weiter zu beachten und den Tod herbeizufiihren.

3. Praktisches Beispiel — Jack Kevorkian

Um die spätere Rechtfertigung der freiwilligen Euthanasie anhand Peter Singers Theorie zu verdeutlichen und auf die Konklusion iiberzuleiten, soll hier nun zunachst der bereits oben erwahnte, und auch in Singers Buch angesprochene2, Beispielfall des Dr. Jack Kevorkian und seiner Handlungen aufgefiihrt werden.

Jack Kevorkian (*20.05.1928) ist ein US-amerikanischer Pathologe und wurde durch seinen energischen Kampf fiir das „Recht zu Sterben" bekannt, bei dessen Ausiibung er nach eigenen Angaben mehr als 130 Menschen beim Suizid unterstiitzt hat. Dieses Thema fand schon wahrend seines Studiums groBes Interesse bei ihm und lieB ihn fortan nicht mehr los. Ab 1987 gab er Anzeigen in Detroiter Zeitungen auf, in denen er sich als „medizinischer Berater" in Sachen Sterbehilfe anbot. Dafiir hielt er sich zuvor kurz in den Niederlanden auf, wo die Praxis der Sterbehilfe erlaubt war und noch ist. Daraufhin veröffentlichte er in einem 1988 in "Medicine and Law" erschienenen Beitrag den Vorschlag, "Obitoria" einzurichten, in denen Menschen auf Verlangen von Arzten "euthanasiert" werden könnten. Im Zuge seiner Uberlegungen zu diesen "Sterbestätten" konzipierte Kevorkian Ende der 80er Jahre eine "Todesmaschine", die er zunachst "Thanatron" (Tod- Maschine), dann " Mercitron" nannte. Es war ein Injektionsapparat, der vom Sterbewilligen mittels eines Schalters bedient, elektromotorgetrieben iiber einen intravenösen Zugang zunachst Thipental und dann Kaliumchlorid injizierte. 1989 hatte er das erste " Mercitron" fertiggestellt. Damit waren die Voraussetzungen geschaffen, um zu Amerikas beriihmtesten "Sterbehelfer" zu werden. Am 4. Juni 1990 verhalf Kevorkian der 54jährigen Janet Adkins aus Portland (Oregon) zum Tode. Janet Adkins litt an Morbus Alzheimer. Diesen Fall erwahnt Singer in „Praktische Ethik". Nach den ersten zwei Todesfällen dieser Art wurde ihm 1991 seine Approbation entzogen, sodass er die benötigten Substanzen nicht mehr bekommen konnte.

[...]


1 Singer, Peter: Praktische Ethik, Stuttgart 1994, S. 228

2 Ebd., S. 227 ff.

Excerpt out of 13 pages

Details

Title
Unter welchen Umständen sollte Sterbehilfe erlaubt (oder: verboten) sein?
College
University of Leipzig
Grade
2,0
Author
Year
2009
Pages
13
Catalog Number
V146660
ISBN (eBook)
9783640576098
ISBN (Book)
9783640575855
File size
431 KB
Language
German
Keywords
Unter, Umständen, Sterbehilfe
Quote paper
Stefan Wagner (Author), 2009, Unter welchen Umständen sollte Sterbehilfe erlaubt (oder: verboten) sein?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/146660

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