Die politische Kultur Deutschlands


Trabajo de Seminario, 2008

20 Páginas, Calificación: 2,0

Anónimo


Extracto


Inhaltsverzeichnis

A. Politische Kultur als politologisches Analysekonzept

B. Die politische Kultur in der Bundesrepublik Deutschland
1. Politische Kultur nach 1945
1.1 1945-1966: Nachwirkungen älterer Verhältnisse
1.2 1967-1982: Partizipatorische Tendenzen und Verunsicherung
1.3 Seit 1983: Politische Kultur des geringen Engagements
2. Aktuelle empirische Befunde
2.1 Das Phänomen der Politikverdrossenheit
2.2 Erklärungsansätze

C. Politische Kultur in Ost- und Westdeutschland

D. Literaturverzeichnis

E. Anhang

A. Politische Kultur als politologisches Analysekonzept

Verfasst man eine Arbeit über die politische Kultur einer Nation, dürfen zwei Namen in der Hinführung an das Thema keinesfalls ausgespart werden: Gabriel A. Almond und Sidney Verba. Diese beiden Herren brachten wie niemand sonst die „Political Culture-Forschung“ in den 50er und 60er Jahren ins Rollen. Almond setzte bereits 1956 mit seinem Aufsatz „Comparative Political Systems“ ein Zeichen und spätestens mit der Veröffentlichung ihrer Studie „The Civic Culture“ im Jahr 1963 hauchten die beiden Politikwissenschaftler dem Gebiet der komparativen Kulturforschung ihr Leben ein. Hierin verglichen sie an Hand von je 1000 Interviews[1] fünf Demokratien (Deutschland, USA, Großbritannien, Mexiko und Italien) hinsichtlich ihrer „ „politischen Orientierung“ (als Sammelbegriff für politische Einstellung, politische Werte, Ideologien, Nationalcharakter etc.)“[2] miteinander. Diese empirischen vergleichenden Untersuchungen gelten trotz veralteter empirischer Daten und vielfach ausgeübter Kritik bis heute als die Grundlage der vergleichenden Politikforschung und werden in einschlägigen Publikationen immer wieder zitiert.[3]

Das Neuartige an dieser „Political Culture-Forschung“ und die Intention bestand darin, dass es weder deckungsgleich mit dem Konzept des politischen Systems ist noch den Begriff der allgemeinen Kultur überschreibt[4]. „Die politische Kultur umfa[ss]t nicht das, was in der Politik geschieht, sondern das, was die Mitglieder der Gesellschaft darüber denken: empirische Glaubensüberzeugungen darüber, was vor sich geht und Ansichten über Werte und Ziele, die in der Politik verfolgt werden sollen.“[5]

Während Almond sich damals in seinem Aufsatz mit einer vergleichsweise simplen und dehnbaren Formulierung[6] zufrieden gab, lassen sich heute die unterschiedlichsten und beliebig erweiterbaren Definitionen politischer Kultur finden. All diese Definitionsansätze in ihrer Vielfalt aufzuführen und zu analysieren, würde einer eigenen Arbeit bedürfen, weshalb in dieser Einleitung auf eine ausführliche und abstrakte Vermittlung des Analysekonzeptes der Politischen Kultur verzichtet werden soll. „Fa[ss]t man [jedoch all die zahlreichen Definitionen] zusammen, dann lä[ss]t sich politische Kultur umschreiben als die Verteilung von politischen Kenntnissen, politischen Wertüberzeugungen, politischen Einstellungen und politischen Verhaltensweisen innerhalb der Bevölkerung einer Gesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt.“[7]

Auf dieser Grundlage soll nachfolgend die Politische Kultur der Bundesrepublik Deutschland erörtert werden.

B. Die politische Kultur in der Bundesrepublik Deutschland

1. Politische Kultur nach 1945

1.1 1945-1966: Nachwirkungen älterer Verhältnisse

Möchte man die politische Kultur Deutschlands nach 1945 differenzierter betrachten, so lassen sich gemäß Rudzio drei Entwicklungsphasen feststellen: Die „Nachwirkungen älterer Verhältnisse“ (1945-66), die Phase der „Partizipatorischen Tendenzen und Verunsicherung“ (1967-82) und die „Politische Kultur des geringen Engagements“ (seit 1983).[8]

Bei der ersten Phase handelte es sich um die „Wiederherstellung und erste Festigung der parlamentarischen Demokratie“[9] in der jungen Bundesrepublik. Hier ließ sich ein hoher politischer Informationsstand in der Bevölkerung feststellen bei gleichzeitiger Zurückhaltung gegenüber eigener politischer Partizipation. Eine Ausnahme bildete dabei lediglich die auffallend hohe, pflichtbewusste Wahlbeteiligung. Darüber hinaus jedoch auf die Politik Einfluss nehmen zu können, hielten die meisten Bundesbürger für unrealistisch. „Gegenüber Politik und Regierung verharr[t]en sie in distanziert-passiver Haltung: mehr nutznießende Untertanen als selbstbewu[ss]te Staatsbürger.“[10]

Die Systemakzeptanz und das ausgeprägte Vertrauen in Regierung und Verwaltung basierte in dieser Zeit hauptsächlich auf der Wirtschaftsleistung, die die Bundesrepublik in den 50er Jahren hervorbrachte. Hiermit lässt sich auch die starke Output-Orientierung, die in der Bevölkerung ermittelt wurde, erklären. Umfragen ergaben, dass die Westdeutschen am meisten stolz auf ihr Wirtschaftssystem waren und dass die neugeschaffenen politischen Institutionen für die positiven Umfrageergebnisse so gut wie keine Rolle spielten.[11] „Nationale Identität wird vorwiegend durch den Stolz auf die deutsche Wirtschaft und auf charakterliche Eigenschaften des deutschen Volkes erlebt.“[12]

Man spricht bis in die 60er Jahre hinein von einer distanzierten, pragmatischen, fast zynischen Einstellung der Bundesbürger gegenüber ihrem neuen demokratischen System. „Die Zuneigung und Identifikation mit dem politischen System ist besonders gering.“[13] Fraglich war daher, ob sich unter diesem Misstrauen der Bevölkerung eine stabile Demokratie entwickeln könnte. „Die nüchterne, skeptische Haltung der Westdeutschen der Nachkriegszeit gegenüber allem Politischen ist vor dem Hintergrund der Erfahrung der Überpolitisierung in der nationalsozialistischen Diktatur nur zu begreiflich.“[14]

Vorallem durch die fehlende politische Partizipation und das politische Engagement wich Deutschland gemäß der Studie von Almond/Verba deutlich vom Modell einer Civic Culture ab. Die Umfrageergebnisse in den 50er und frühen 60er Jahren ergaben „noch deutliche Spuren der unpolitischen und obrigkeitsstaatlichen Traditionen der deutschen politischen Kultur“[15]. Dennoch betonten die beiden amerikanischen Wissenschaftler ausdrücklich, dass die zukünftige demokratische Entwicklung einer Nation auch von anderen Faktoren abhinge, weshalb die vorausgegangenen Erkenntnisse nur unter Vorbehalt als Grundlage für Vorhersagen über die Zukunft des politischen Systems der Bundesrepublik dienen dürfen.[16] Die Realität gibt ihrem Einwand rückblickend Recht.

1.2 1967-1982: Partizipatorische Tendenzen und Verunsicherung

Der Phase von Passivität und Skepsis in den Anfängen der Bundesrepublik „stehen die sechziger Jahre im Zeichen von Um- und Aufbruch“[17] gegenüber. Die zweite Entwicklungsphase der politischen Kultur in der Bundesrepublik trug ihren Keim zu großen Teilen in der Studentenbewegung von 1967/68. Diese grüne und linke Protestbewegung ließ von Legitimitätszweifeln an der gesellschaftlichen Ordnung sowie an der parlamentarischen Demokratie in der Bundesrepublik sprechen und führte – trotz des gescheiterten äußerlichen Verlaufs – doch zu einer „Art westlicher Kulturrevolution“[18] und erzielte tiefgreifende Veränderungen des politischen Denkens und Verhaltens. „Die Bundesrepublik wurde nun geprägt von einer Spaltung zwischen Mehrheits- und (minoritärer) Protestkultur [...].“[19] Dennoch muss mit dem vielgeäußerten Vorwurf einer „Systemkrise“ in der Bundesrepublik vorsichtig umgegangen werden, denn eine Umfrage bei den Bürgern, ob sie das politische System für „fair und gerecht“ hielten, lässt diese Behauptung haltlos erscheinen: Zwischen 83% und 88% bejahten Anfang der 80er Jahre diese Frage.[20]

Doch die 68er Bewegung löste nicht nur einen verunsichernden Wandel der politischen Kultur aus, sondern leitete ebenfalls Demokratisierungsschübe ein. Die politische Kultur der Bundesrepublik wurde „vielfältiger, widersprüchlicher, aber auch demokratischer“[21]. Mit dem Beginn der sozialliberalen Koalition Ende der 60er Jahre „erschien der „Abschied von der autoritären Demokratie“ notwendig und möglich“[22] und das Interesse an Politik stieg. Man unterhielt sich häufiger über Politik, die Wahlbeteiligung stieg an und Parteien, Verbände und andere Vereinigungen konnten Mitgliederzuwächse verzeichnen. „Berücksichtigt man alle Formen politischer Beteiligung [...], so erreichte die Bundesrepublik in den frühen siebziger Jahren ein Partizipationsniveau, das dem westlicher Demokratien wie Großbritannien, den USA oder den Niederlanden gleichkam.“[23]

Allerdings dürfen neben der 68er Bewegung auch andere Faktoren für diese Entwicklung nicht unberücksichtigt bleiben, die mindestens ebenso maßgeblich für das Anwachsen politischer Partizipation in der Bundesrepublik waren – wie Politikwissenschaftler David P. Conradt drei von ihnen anführt.

Als einer davon kann die „Nachkriegssozialisation und das Verblassen älterer Alternativen zur liberalen Demokratie“[24] genannt werden. Die nach dem Kriege herangewachsenen Jahrgänge zeigten eine stärkere Systemakzeptanz und Partizipationsbereitschaft, wobei die Vergangenheit sowie politische Größen wie Bismarck und Friedrich der Große an Attraktivität verloren.

Als zweiter Faktor kann die bereits angesprochene „effektive Leistung des politischen Systems“[25] aufgeführt werden. Wirtschaftlicher Aufstieg, innere und äußere Sicherheit sowie hinreichender sozialer Ausgleich fachten ebenso die Systemunterstützung an.

Und als dritter Aspekt schließlich kann die „gesellschaftliche Modernisierung“[26] als eine weitere Ursache für die Verstärkung liberaler und partizipatorischer Einstellungen angesehen werden. Besonders die Erhöhung des Anteils der unselbstständigen Mittelschichten und der Personen mit höherer Bildung war ausschlaggebend für mehr politisches Interesse und größere Partizipationsbereitschaft.

Gerade weil politische Partizipation aufgrund dieser Faktoren bereits vor der 68er Bewegung anzuwachsen begann, ist diese „eher als spektakulärer Ausdruck oder Begleiterscheinung eines gesellschaftlichen Wandels zu interpretieren“[27]. Entscheidend ist jedoch, dass sich im Laufe der 70er Jahre ein Wandel vollzog, der dazu führte, dass die politische Kultur der Bundesrepublik immer mehr Züge der alten europäischen Demokratien annahm.[28]

„Alles in allem ist die Bundesrepublik während jener Jahre in die Normalität westlicher Demokratien hineingewachsen.“[29]

[...]


[1] Vgl. Iwand, Wolf Michael: Paradigma Politische Kultur. Konzepte, Methoden, Ergebnisse der Political-Culture Forschung in der Bundesrepublik. Ein Forschungsbericht. Opladen 1985, S. 89

[2] Reichel, Peter: Politische Kultur der Bundesrepublik. Opladen 1981, S. 20

[3] Vgl. ebda, S. 22

[4] Vgl. ebda, S. 20

[5] Ebda, S. 25

[6] „Every political system is embedded in a particular pattern of orientations to political action. I have found it useful to refer to this as the political culture.” (Gabriel A. Almond)

[7] Reichel, Peter: Politische Kultur der Bundesrepublik. Opladen 1981, S. 26

[8] Rudzio, Wolfgang: Das politische System der Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden 2006, S. 427ff

[9] Ebda, S. 427

[10] Iwand, Wolf Michael: Paradigma Politische Kultur. Konzepte, Methoden, Ergebnisse der Political-Culture Forschung in der Bundesrepublik. Ein Forschungsbericht. Opladen 1985, S. 129

[11] Vgl. Bergem, Wolfgang: Tradition und Transformation. Zur politischen Kultur in Deutschland. Opladen 1993, S. 223f.

[12] Iwand, Wolf Michael: Paradigma Politische Kultur. Konzepte, Methoden, Ergebnisse der Political-Culture Forschung in der Bundesrepublik. Ein Forschungsbericht. Opladen 1985, S. 129

[13] Ebda, S. 129

[14] Bergem, Wolfgang: Tradition und Transformation. Zur politischen Kultur in Deutschland. Opladen 1993, S. 225

[15] Bergem, Wolfgang: Tradition und Transformation. Zur politischen Kultur in Deutschland. Opladen 1993, S. 225

[16] Vgl. Iwand, Wolf Michael: Paradigma Politische Kultur. Konzepte, Methoden, Ergebnisse der Political-Culture Forschung in der Bundesrepublik. Ein Forschungsbericht. Opladen 1985, S. 132f.

[17] Reichel, Peter: Politische Kultur der Bundesrepublik. Opladen 1981, S. 150

[18] Rudzio, Wolfgang: Das politische System der Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden 2006, S. 429

[19] Ebda, S. 432

[20] Vgl. von Beyme, Klaus: Das politische System der Bundesrepublik Deutschland. Eine Einführung. Wiesbaden 2004, S. 66

[21] Bergem, Wolfgang: Tradition und Transformation. Zur politischen Kultur in Deutschland. Opladen 1993, S. 226

[22] Reichel, Peter: Politische Kultur der Bundesrepublik. Opladen 1981, S. 151

[23] Rudzio, Wolfgang: Das politische System der Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden 2006, S. 433

[24] Ebda, S. 433

[25] Ebda, S. 434

[26] Ebda, S. 434

[27] Rudzio, Wolfgang: Das politische System der Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden 2006, S. 433

[28] Vgl. Reichel, Peter (Hrsg.): Politische Kultur in Westeuropa. Bürger und Staaten in der Europäischen Gemeinschaft. Frankfurt/Main 1984, S. 68

[29] Rudzio, Wolfgang: Das politische System der Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden 2006, S. 434

Final del extracto de 20 páginas

Detalles

Título
Die politische Kultur Deutschlands
Universidad
Friedrich-Alexander University Erlangen-Nuremberg
Calificación
2,0
Año
2008
Páginas
20
No. de catálogo
V146707
ISBN (Ebook)
9783640556359
ISBN (Libro)
9783640556571
Tamaño de fichero
853 KB
Idioma
Alemán
Notas
Die Note wurde für das gesamte Seminar vergeben (Anwesenheit, Referat, Seminararbeit). Eine gesonderte Note für die Seminararbeit liegt nicht vor.
Palabras clave
Kultur, Deutschlands
Citar trabajo
Anónimo, 2008, Die politische Kultur Deutschlands, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/146707

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