Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
2. Konzept der mulidimensionalen Patientenorientierung
2.1 Ablauforientierung
2.2 Verrichtungsorientierung
2.3 Symptomorientierung
2.4 Krankheitsorientierung
2.5 Verhaltensorientierung
2.6 Erlebnis-, Existenz- und Begegnungsorientierung
2.7 Handlungsorientierung
2.7.1 Biographiearbeit
2.7.2 Validation
2.7.3 Psychobiographisches Modell nach Prof. Erwin Böhm
2.7.4 DMC = Dementia Care Mapping
2.8 Verständigungsorientierung
2.8.1 Kognitive Kompetenz
2.8.2 Sprachlich-kommunikative Kompetenz
2.8.3 Soziale Kompetenz
2.8.4 Moralisches Bewusstsein und moralische Urteilsfähigkeit
3. Kompetenzstufen
3.1 Modell Dreyfus/Dreyfus
3.1.1 Das Novizenstadium
3.1.2 Fortgeschrittener Anfänger
3.1.3 Kompetenz
3.1.4 Gewandtheit
3.1.5 Experte
3.2 Das Dreyfus Modell übertragen auf die Pflege
3.2.1 Neuling/Anfänger
3.2.2 Fortgeschrittener Anfänger
3.2.3 Kompetente Pflegekraft
3.2.4 Erfahrene Pflegekraft
3.2.5 Pflegeexperte
4. Bereiche der Pflegepraxis
5. Beschreibung der Pflegekraft
5.1 Beschreibung der Kundin
5.2 Beschreibung der Situation
6. Analyse hinsichtlich des Grades der Patientenorientierung
6.1 Analyse der Kompetenzstufe
7. Zusammenfassung der Ergebnisse
7.1 Persönliche Stellungnahme
Anlage:
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Vorab möchte ich deutlich zum Ausdruck bringen, dass ich grundsätzlich die weibliche und männliche Form der Anrede meine, auch wenn ich diese der besseren Lesbarkeit wegen nicht schreibe. Gleichzeitig möchte ich noch erwähnen, dass die Mitarbeiterin und die Kundin einen erfundenen Namen zum Schutz der Persönlichkeit von mir erhalten haben.
Wir pflegen unsere Kunden nach dem Pflegeleitbild der Johanniter-Unfall-Hilfe e.V.1 Die Untersuchung fand in der Ambulanten Pflege Buchholz der Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. Kreisverband Harburg statt. Der Kreisverband Harburg wurde im Jahr 1989 durch ehrenamtliche Helfer gegründet. 1992 wurde ein Behindertenfahrdienst mit einer hauptamtlichen Kraft eingerichtet. 1994 kam dann der Hausnotruf hinzu und 1997 folgte noch Menüservice „Essen auf Rädern“. Aufgrund hoher Nachfragen, gründete der Kreisverband Harburg im März 2007 in Harburg und im Juli 2008 in Buchholz einen ambulanten Pflegedienst. Der ambulante Pflegedienst in Buchholz besteht aus 1 PDL, 1 st. PDL, 2 festangestellten Pflegefachkräften, 2 festangestellten Pflegehilfskräften, 1 Pflegefachkraft auf Honorarbasis und 1 Pflegehilfskraft auf Honorarkraft für derzeit 33 Kunden. Es werden SGB V und SGB XI Leistungen erbracht.
In der ambulanten Pflege geht die Pflegekraft, in der Regel nach einer kurzen Einarbeitung, allein zum Kunden. Es gibt keine Kollegen, die nach der Einarbeitung noch beratend und unterstützend während der Arbeit dabei stehen. Die Pflegekraft muss selbständig arbeiten und sich selbständig einen Überblick verschaffen können. Erst nach dem Einsatz in der Station kann sie im Rahmen einer Fallbesprechung oder im direkten Dialog mit der PDL auftretende Fragen klären. Es ist aus meiner Sicht unerlässlich regelmäßige themenbezogene Pflegevisiten durchzuführen um den Grad der Patientenorientierung und den Grad der Kompetenzstufen2 der Pflegekraft zu eruieren. Bei der themenbezogenen Pflegevisite sollte es um die Schlüsselqualifikationen wie Sozialkompetenz, Methodenkompetenz, Selbstkompetenz, Handlungskompetenz, Medienkompetenz und die Fachkompetenz gehen.3
Im Rahmen der CM Weiterbildung zum Thema „Patientenorientierung“ und „Kompetenzstufen“ erfolgt eine Darstellung eines Praxisbeispiels anhand der Pflegetheorien nach Prof. em Dr. Karin Wittneben4 und Patricia Benner5 6 Da ich seit einiger Zeit nicht mehr in der aktiven Pflege tätig bin, und vorher in der ambulanten Pflege tätig war, hatte ich zunächst keine Probanten, an denen ich das 5-Stufen-Modell anwenden konnte. Somit führte ich eine themenbezogene Pflegevisite in der „Ambulante Pflege Buchholz“ durch. Kundin (Betreuer) und Mitarbeiterin wurden hierzu um Erlaubnis gebeten. Zuvor wurden Kundin (Betreuer) und Mitarbeiterin umfassend über die Durchführung der Pflegevisite informiert. Kundin (Betreuer) und Mitarbeiterin willigte ein.
2. Konzept der multidimensionalen Patientenorientierung
Bei dem Konzept der multidimensionalen Patientenorientierung gibt es verschiedene Stufen von der Patientenignorierung bis hin zur Patientenorientierung. Die Patientenignorierung zeichnet sich im Besonderen durch die reine Ablauforientierung aus. Diese steigert sich über Verrichtungsorientierung bis zur Handlungsorientierung. Bei der Handlungsorientierung kann man von einer Patientenorientierung sprechen, denn hier ist bereits eine hohe Stufe der Patientenorientierung erreicht. Die Stufen zwischen der Ablauforientierung bis zur Handlungsorientierung sind mehr oder weniger Patientenignorierung bzw. Patientenorientierung. Wobei es Verschmelzungen der verschiedenen Stufen durchaus geben kann und nicht nur selten. Eine Pflegekraft, die ablauforientiert arbeitet, kann gleichzeitig auch verrichtungsorientiert handeln. Sie führt bestimmte Maßnahmen (Verrichtungen) zu einer bestimmten Zeit durch, damit der Ablauf nicht gestört wird. Die meisten Pflegekräfte, die ich erlebt habe, haben ablauf- und verrichtungsorientiert gearbeitet. Bettenrunden, Pulsrunden, Verbandsrunden usw.
Bevor ich nun zur Beschreibung meiner Pflegekraft komme, beschreibe ich weiter das Konzept der multidimensionalen Patientenorientierung.
2.1. Ablauforientierung
Die Pflegekraft orientiert sich am Ablauf der Einrichtung
- Frühstück muss zu einer bestimmten Zeit stattfinden
- Geplante Operationen finden nur in der Verwaltungsgeschäftszeit statt
- Geplante Untersuchen finden nur in der Verwaltungsgeschäftszeit statt
- Physiotherapie findet nur an Werktagen statt
- Gebadet wird jeder Patient nur einmal in der Woche
2.2. Verrichtungsorientierung
Das Hauptinteresse der Pflegekraft liegt bei der zu verrichtenden Tätigkeit
- Funktionspflege
- Pulsrunden
- Verbandsrunden
- Lagerungsrunden
- Bettenrunden
- Kittelpflege (Umkehrisolation)
Bei diesen Tätigkeiten fühlen sich die Pflegekräfte sicher. Sie sind fest in ihrer bekannten Routine. Nichts darf diese Routine unter- oder durchbrechen. Wird diese Routine unterbrochen, so wird zugleich der Ablauf beeinflusst und die Pflegekraft wird verunsichert.
2.3. Symptomorientierung
Bei der Symptomorientierung nähern wir uns ganz langsam in Richtung Patientenorientierung, zumindest geht es langsam weg von der Patientenignorierung. Im Mittelpunkt stehen hier die Symptome eines Patienten, somit wird sich inzwischen mit dem Patienten beschäftigt.
- Wie sind die Vitalparameter
- Wie ist die Hautfarbe
- Wie fühlt sich der Patient
- Was machen die Schmerzen
2.4. Krankheitsorientierung
Die Pflegekräfte stützen und stürzen sich auf die Defizite. Der Patient ist jetzt zu einem mitleiderregenden Objekt geworden. Die Pflegekräfte übernehmen alles und mehr was der Patient nicht mehr kann oder was die Pflegekräfte meinen, was der Patient nicht mehr kann.
- Was geht nicht mehr
- Was fehlt dem Patienten
- Welche Defizite hat der Patient
2.5. Verhaltensorientierung
Bei der Verhaltensorientierung nehmen die Pflegekräfte subjektiv die Reaktionen wahr und handeln dementsprechend. Das heißt, wenn ein Patient auf bestimmte Reize reagiert, wird diese Reaktion in das tägliche Handeln der Pflegekräfte implementiert. Diese Erfahrung wird bei gleichen Reizen auf alle Patienten unreflektiert übertragen. Da aber nicht alle Patienten gleich auf bestimmte Reize reagieren, ist nur eine geringe Steigerung zur Patientenorientierung hiermit erreicht. Immerhin wird inzwischen wahrgenommen, dass Patienten auf Reize Reaktionen zeigen. Mit der basalen Stimulation® wird leider teilweise zu leitfertig mit umgegangen. Es reagieren nicht immer alle Menschen gleich. Mitunter kann eine basale Stimulation® auch kontraproduktive Auswirkungen haben. Es ist ein Versuch der Patientenorientierung, der nur mäßig geglückt ist.
- Holinerge Reizpflege (Basale Stimulation® Bienstein/Fröhlich (2003))
2.6. Erlebnis-, Existenz- und Begegnungsorientierung
Hier kommt es zu einer Begegnung zwischen Patient und Pflegekräften. Die Erlebnisweisen der Patienten innerhalb der Erkrankung und die existenziellen Auswirkungen prägen das Handeln - innerhalb der Begegnung. Menschen erleben Bedrohungen sehr unterschiedlich. Für den einen Menschen ist es ein Neuanfang, für einen anderen Menschen das Ende. Die Pflegekräfte müssen in der Lage sein sich individuell der Situation zu stellen und den Patienten individuell begegnen. Die Pflegekräfte müssen den individuellen Bedürfnissen der Patienten nachkommen. An dieser Stelle wird bereits eine hohe Stufe der Patientenorientierung erreicht. Um diese Stufe zu erreichen bedarf es bereits vieler Kompetenzen. Die Pflegekräfte benötigen viel Erfahrung, Fachkompetenz und mindestens Sozialkompetenz.
2.7. Handlungsorientierung
Das Pflegeverständnis orientiert sich maßgeblich am Handeln selbst. Die Situation entscheidet darüber, mit welcher Orientierung die Pflegekraft die Situation beherrscht. Es kann Situationen geben, dass eine Pflegekraft symptomorientiert handeln muss, da es um Leben und Tod geht. Sie muss aber trotzdem auch die Erlebnis-, Existenz- und Begegnungsorientierung im Hinterkopf behalten. Vielleicht hat der Patient eine Patientenverfügung und möchte nicht reanimiert werden. Bei der Handlungsorientierung wird der Patient als eigenaktiv und selbstpflegefähig begriffen. Nach Orem ist Fremdpflege erst dann legitimiert, wenn ein Selbstpflegedefizit vorliegt. Hier werden die Selbstpflegefähigkeiten und die Selbstpflegebedürfnisse eines Menschen systematisch gegeneinander abgewogen.
Die Handlungsorientierung ergibt sich bereits aus unseren Grundrechten:
- Artikel 1 Menschenrechte
- Artikel 2 persönliche Freiheitsrechte
- Artikel 3 Gleichheit vor dem Gesetz
- Artikel 4 Glaubens- und Gewissensfreiheit
- Artikel 5 Freiheit der Meinung, Kunst und Wissenschaft
Exkurs: Da mein Wissen nicht nur aus gelesenem, sonder auch aus „am eigenen Leib erfahrenen“ herrührt, kann ich es mir nicht nehmen lassen zu einem kurzem Exkurs auszuholen.
[...]
1 Pflegeleitbild der Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. in der Anlage
2 Rauner, Felix Uni Bremen: Praktisches Wissen und berufliche Handlungskompetenz
3 Lang, Rudolf: Schlüsselqualifikationen
4 Wittneben, Karin Prof. em Dr.: Konzept der multidimensionalen Patientenorientierung 5 - Stufen - Modell
5 Benner, Patricia: Bereiche der Pflegepraxis
6 Benner, Patricia: Kompetenzstufen nach Dreyfus/Dreyfus