Kara Spears Hultgreen. Die erste „F-14 Tomcat“-Kampfpilotin


Textbook, 2010

59 Pages


Excerpt


Die erste Kampfpilotin der „United Staates Navy“ im Cockpit einer „F-14 Tomcat“ war Kara Spears Hultgreen (1965—1994). Sie hat im Alter von 29 Jahren bei einem Landeanflug mit ihrem Jet auf einen Flugzeugträger auf dramatische Weise ihr Leben verloren.

Kara Hultgreen wurde am 5. Oktober 1965 in Greenwich (Connecticut) geboren. Ihr Vater Tor Hultgreen arbeitete als Makler für Holzprodukte, ihre Mutter Sally Spears war eine studierte Juristin. Weil der Vater oft versetzt wurde, wuchs Kara an wechselnden Orten in den USA auf.

Während ihres Junior-Jahres auf der High School bewältigte Kara die Aufgabe, ein Referat über das Raumflugprogramm zu verfassen. Dieses Thema faszinierte sie so sehr, dass sie beschloss, Astronautin werden zu wollen. Sie schrieb sich für ein Studium der Luft- und Raumfahrtingenieurwissenschaften an der „University of Texas“ ein und machte 1987 ihren Abschluss.

Kara Hultgreen trat in die „US Navy“ ein und wurde nach physischen und psychischen Tests für die „Aviaton Officer Candidate School“ in Pensacola (Florida) zugelassen. 14 Wochen später verließ sie diese Schule am 6. November 1987 im Dienstgrad eines Ensign (Fähnrich).

Es folgte eine grundlegende Flugausbildung in Corpus Christi (Texas) auf Turboprop-Maschinen des Typs „Beechkraft T- 34C“. Von der Beurteilung hierüber hing die weitere fliege­rische Verwendung in der Marine ab. Ab August 1988 setzte Kara Hultgreen in Beeville (Texas) bei der Ausbildungsstaffel „VT-26“ mit dem zweisitzigen Trainingsflugzeug „T-2C- Buckeye“ ihr Training fort. Wichtig bei ihrer Jet-Ausbildung war das Üben von Trockenlandungen. Solche Landungen wurden anfangs an Land geprobt, bevor die Schüler ein Schiff

— nämlich den Ausbildungs-Flugzeugträger „USS Lexington“
— anfliegen durften.

Am 26. Januar 1986 erhielt Karen Hultgreen die „Carrier Qualification“ für die „T-2C Buckeye“. Eine weitere Ausbil­dung erfolgte mit dem einstrahligen Kampfflugzeug „TA-4J Skyhawk“ und endete ebenfalls mit der „Carrier Qualification“. Als 18. Frau erhielt Karen im August 1989 in Beeville ihre Fliegernadel („Wings“).

Laut Gesetz in den USA durfte man Frauen damals nicht in kämpfenden Staffeln einsetzen. Kara Hultgreen hoffte, Aus­bilder auf dem zweistrahligen Mehrkampfflugzeug „F/A-18 Hornet“ werden zu können, bis sich die Gesetzeslage ändete. Doch solche Plätze waren knapp und alle belegt und Kara wurde der Staffel für „Taktische Elektronische Kriegsführung VAG-33“ namens „Firebirds“ in Key West (Florida) zugeteilt, um dort das zweisitzige Angriffsflugzeug der US-Marine, die „A-6 Intruder“, zu fliegen.

Zunächst wurde Kara Hultgreen in Pensacola in elektronischer Kriegsführung ausgebildet. Anschließend absolvierte sie ein Uberlebenstraining in den Wäldern von Maine. Ab Februar 1990 folgte eine Ausbildung auf dem Marinefliegerstützpunkt Oceana (Virginia) auf der „A-6E“. Weil sie nicht in einer Kampfstaffel fliegen sollte, strich man Waffenausbildung, Luftkampfmanöver und Trägerlandungen aus ihrem Lehrplan. Deswegen konnte sie im Vergleich mit anderen A-6-Piloten kaum wertvolle Flugerfahrung machen. Ende März 1999 kam sie auf den neuen Stützpunkt in Key West.

Bei der „Staffel für Taktische Elektronische Kriegführung VAQ-33“ erhielt Kara Hultgreen die Stelle eines Presseoffiziers. Ihre diesbezügliche Arbeit unterschied sich nicht grundlegend von den typischen Aufgaben einer kombinierten Marketing/

PR-Abteilung in einem Wirtschaftsunternehmen. Das von zwei Frauen betriebene Pressebüro der „VAQ-33“ musste Kontakte zur Presse pflegen und verschiedene Events des Staffel-Lebens organisieren.

Am 27. Januar 1991 übernahm Kara Hultgreen erstmals die Führung einer Formation. Außer Karas „EA-6A“ gehörten eine „ERA3-B“ und zwei „Hornetts“ dazu. Die vier Maschinen sollten mit der Trägergruppe der „USS Forrestal“ trainieren. Das Training endete mit einem Fiasko, als die Formation wegen eines defekten Funkgerätes auf der führenden „EA-6A“ von Karen auseinanderbrach.

Weitere Missgeschicke nährten die Vorurteile männlicher Kollegen gegenüber Kara Hultgreen. Nach ihrer Rückkehr im Mai 1991 aus Whidbey Island bei Washington mussten die Flügel ihrer „EA-6A“ ausgetauscht werden, weil aus vielen Haarrissen Treibstoff auslief. Das galt als Hinweis für eine Überlastung der Flügel durch zu harte Mänöver. Kara hatte die Risse zwar nicht verursacht, konnte den Verdacht aber zunächst nicht entkräften.

Im Juli 1991 wechselte Kara Hultgreen vom Pressebüro der „VAQ-33“ in die Wartungsabteilung. Nun war sie für das Training von rund 70 Mechanikern verantwortlich.

Anfang 1992 zerschlug sich die Hoffnung, dass „VAQ-33“ auf Maschinen des Typs „F/A-18 Hornets“ umgestellt werden könnte. Es erschien fast unmöglich, die vorhandenen Elek­tronikbehälter der Marine an der „Hornet“ anzubringen. Deswegen sollte zunächst der Bestand der Staffel mit „EA- 6A“ vergrößert und die alte „A-3“ außer Dienst gestellt werden. Nach etwa einen Jahr sollte die Staffel dann aufgelöst werden. Die Aufgaben der EW-Trainingsstaffeln sollten von der Marinereserve mit „EA-6B“-Prowlern übernommen werden.

Am 10. Oktober 1992 meisterte Kara Hultgreen eine äußerst brenzlige Situation, die sehr anschaulich im Online-Lexikon „Wikipedia“ geschildert wird: Bei der Landung in Pensacola ließ sich das rechte Hauptfahrwerk ihrer Maschine nicht ausfahren, wodurch die Gefahr bestand, dass der rechte Flügel den Boden berühren und das Flugzeug sich überschlagen könnte.

Während Kara Hultgreen und ihr Navigator Ron Lutz über dem Stützpunkt kreisten, um möglichst viel Treibstoff zu verbrennen und das klemmende Fahrwerk vielleicht doch noch herauszuschütteln, bereitete man am Boden eine Notlandung vor, die wie eine Flugzeugträger-Landung funktionieren sollte. Kara sollte mit dem Fanghaken ihrer Maschine ein ausgelegtes Stahlseil treffen, welches das Flugzeug möglichst schnell bremsen würde. Nach einem Testanflug schaffte es Kara, ihr Flugzeug mit dem linken Rad aufzusetzen. Ihr Jet kippte auf das Vorderrad und fing das Seil. Der rechte Flügel blieb bis kurz vor dem Stopp in der Luft und setzte dann mit der Spitze auf. Dann vollführte das Flugzeug eine halbe Drehung nach rechts und kam zum Stehen.

Der Schaden am Flugzeug betrug angeblich nur 16 US-Dollar für eine neue Flügelspitze. Wichtiger war, dass die Besatzuung und der vier Millionen US-Dollar teure Störsender unter dem rechten Flügel die Notlandung wohlbehalten überstanden. Kara sollte danach für eine „Air Medal“ vorgeschlagen werden, aber ihr kommandierender Offizier lehnte dies ab.

Am 17. April 1993 trat in Falls Church (Virginia) das „Defen­se Advisory Committee on Women in the Services“ („DACOWITS“) zusammen. Dieses Komitee hatte bereits seit 1975 empfohlen, die „Combat Exclusion Laws“ aufzuheben, derzufolge Frauen nicht im Kampf eingesetzt werden durften.

Seit zwei Monaten unterstützte auch die „United States Navy“ offiziell die Frauen bei ihrer Forderung. Nun war nur noch ein Regierungsbeschluss erforderlich, um eine Änderung herbei­zuführen.

Kara Hultgreen und andere Pilotinnen nutzten die Gele­genheit, direkt mit den Komiteemitgliedern sprechen zu kön­nen. Bei einer Podiumsdiskussion standen Kara und eine weitere Pilotin auf und fragten den Luftwaffengeneral Merrill McPeak, ob von irgendeiner gemischtgeschlechtlichen Staffel bekannt sei, dass dort Probleme bei der Zusammenarbeit von Männern und Frauen existieren. Darauf antwortete der General überraschenderweise, dass er lediglich Vorurteile hatte und es keine Gründe gab, warum Frauen nicht in den Kampf fliegen sollten.

Das Geständnis des einflussreichen Generals bewog den da­maligen Verteidigungsminister Les Aspin, am 28. April 1993 zu verkünden, dass künftig auch Frauen Kampfflugzeuge fliegen dürfen.

Danach wollte Kara Hultgreen an der Westküste dienen, aber dort konnte die Navy sie nicht auf der „A/8-18“ ausbilden. Ersatzweise entschied sie sich für die aus dem Film „Top Gun“ (1986) bekannte „Grumman F-14 Tomcat“. Dabei handelte es sich um ein überschallschnelles, zweistrahliges und mit Schwenkflügeln ausgestattetes Flugzeug, das für die „United States Navy“ entwickelt und ab 1974 eingesetzt wurde. Ihre Aufgaben waren die des Luftüberlegenheitsjägers und Auf­klärers sowie Flottenverteidigung und Präzisionsschläge gegen Bodenziele.

Kara Hultgreen wurde zur Ausbildung an den Marine-flieger­Stützpunkt „NAS Miramar“ in Kalifornien versetzt. Dort sollte sie auf der alten „F-14A“, die wegen ihrer vielen Klappen,

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

„Grumman F-14 Tomcat Foto: United Staates Navy

Spoiler und Vorflügel den Spitznamen „Truthahn“ hatte, mit ihren störanfälligen „TF-30“-Triebwerken trainieren und nicht auf der moderneren „F-14D Super Tomcat“.

Außer Kara Hultgreen wurden bei der Trainingsstaffel VG- 124 „Gunfighters“ in Miramar zwei weitere Frauen als Pilotinnen ausgebildet. Damals baute man in San Diego (Kalifornien) den Flugzeugträger „USS Abraham Lincoln“ so um, dass Frauen aufgenommen werden konnten. Neben den Schlafräumen betraf dies vor allem die sanitären Ein­richtungen. Im Frühjahr 1995 sollte die „USS Abraham Lin- coln“ in den Persischen Golf auslaufen und Kara und ihre Kolleginnen sollten dabei sein. Während der Kennenlern-Tour durch die Büros von Vorgesetzten lernte Kara auch Lieutenant Neil „Waylon“ Jennings kennen, der in ihrem Leben noch eine wichtige Rolle spielen sollte.

Bei der Ausbildung schnitt Kara Hultgreen in den meisten Disziplinen als Kursbeste oder Zweitbeste ab. Lediglich die Qualifikation für Trägerlandungen schaffte sie erst im zwei­ten Anlauf und absolvierte diese leicht über dem Durch­schnitt als dritte von sieben Piloten. Mit ihrer abschließen­den Landung auf der „USS Constellation“ am 24. Juli 1994 wurde Kara zur ersten voll qualifizierten F-14-Pilotin der Navy.

Kara Hultgreen trat der „VF-213 Blacklions“ in Miramar bei, die dem Flugzeugträger „USS Abraham Lincoln“ zugeteilt war. Kurz vor ihrer Ankunft war sie vom Fernsehen interviewt und deswegen entsprechend geschminkt worden. Weil sie bei der Ankunft immer noch geschminkt war, gab man ihr den Spitznamen „Revlon“, den männliche Kollegen fortan be­nutzten. Die Firma Revlon gilt als einer der führenden US- Kosmetikkonzerne.

Im Oktober 1994 bereitete sich die Trägergruppe der „USS Abraham Lincoln“ zum Einsatz im Persischen Golf vor. Der „Air Wing“ des Flugzeugträgers übte Langstrecken-Schläge in Fallon (Nevada). Die „Tomcats“ flogen vor allem Jagdschutz für die bombenwerfenden „Hornets“ und warfen auch selbst einige Bomben ab.

Am 25. Oktober 1994 sollten mehrere „Tomcats“ von Miramar zum Flugzeugträger überführt werden, der am Tag zuvor San Diego verlassen hatte. Mit Kara Hultgreen im Flugzeug „Lion 103“ flog als „Radar Intercept Officer“ („RIO“) Lieutenant Matthew Klemish. Die Führung dieser Zweierformation hatte Lieutenant Neil „Waylon“ Jennings mit „Lion 116“, der von der „Aggressor“-Staffel in Miramar zur „VF-213“ versetzt worden war. Nach knapp einer Stunde näherten sich die Flugzeuge gegen 15 Uhr Ortszeit dem Flugzeugträger. Um das vorgeschriebene Lande-Höchstgewicht einzuhalten, ließ man Treibstoff ab. Kara ging auf Abstand zu Jennings, um ohne Warteschleifen landen zu können. Jennings musste den Endanflug zunächst abbrechen, weil das Flugdeck noch nicht geräumt war. Um 15.01 Uhr schwenkte „Lion 103“ zum Endanflug ein, befand sich jedoch rechts von der Ideallinie. Kara korrigierte entgegen den Vorschriften mit viel linkem Seitenruder. Das Handbuch der „F-14“ warnt ausdrücklich vor einem solchen Vorgehen (Sideslip), weil es hierbei zu einem Triebwerksausfall durch verschlechterten Lufteinstrom kom­men könne. Genau dies geschah dann auch. Das linke Trieb­werk erlitt einen Strömungsabriss (Stall) in der Kompres­sorstufe, so dass das Triebwerk keinen Schub mehr produ­zierte. Die Nase schwenkte wie gewünscht nach links, aber durch den asymetrischen Schub beim Ausfall eines Triebwerkes aufgrund der weit auseinanderliegenden Anordnung bei der „F-14“ kam es zu einer Verstärkung der Seitwärtsbewegung. Das Flugzeug wurde langsamer und verlor unverhältnismäßig an Höhe, die Nase kam hoch und der Jet rollte nach links, weil auf der rechten Seite das weiter arbeitende Triebwerk weiter Schub lieferte. Kara brach daraufhin den Landeanflug ab, aktivierte die Nachtbrenner und versuchte, das Flugzeug nach links vom Schiff wegzusteuern, da akute Kollisionsgefahr bestand. Dies verschlimmerte aber die Situation, da der einseitige Schub die Seitwärtsbewegung derart verstärkte, dass sie auch durch Gegenkorrekturen am Ruder nicht aufgefangen werden konnte. Als der Jet schneller zu rollen begann und die Nase in Richtung Wasser zeigte, löste Klemish den Schleu­dersitz aus. Der hinten sitzende „RIO“ wurde 0,9 Sekunden später als Erster aus dem Flugzeug geschossen. Damit sich Pilot und „RIO“ in der Luft nicht treffen, werden sie um 0,4 Sekunden zeitversetzt und nicht senkrecht, sondern um je 20 Grad seitlich versetzt herausgeschossen, der „RIO“ nach links, der Pilot nach rechts. Als Karas Sitz auslöste, betrug ihr Rollwinkel bereits 110 Grad, was zu viel für einen sicheren Ausstieg war. Mit schätzungsweise 250 Stundenkilometern schlug sie mitsamt Sitz auf der Wasseroberfläche auf. Die spätere Obduktion der Leiche ergab als Todesursache Auf­prallverletzungen und Ertrinken. Der Sitz trennte sich durch den Aufprall nicht ab und zog Kara unter Wasser. Lieutenant Klemish überstand den Ausstieg mit kleinen Blessuren und wurde nach vier Minuten aus dem Wasser gezogen.

Die Bergung der Unglücksmaschine und der Leiche gestaltete sich schwierig, weil beide in etwa 1.200 Metern Tiefe lagen. Erst nach 19 Tagen konnte man Karas Leiche und den Schleudersitz bergen und erst am 21. Dezember 1994 den Jet heben.

[...]

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Details

Title
Kara Spears Hultgreen. Die erste „F-14 Tomcat“-Kampfpilotin
Author
Year
2010
Pages
59
Catalog Number
V146780
ISBN (eBook)
9783640574513
ISBN (Book)
9783656865995
File size
1726 KB
Language
German
Notes
Keywords
Kara Spears Hultgreen, Ernst Probst, Fliegerin, Pilotin, Kampfpilotin, Militärpilotin, Fliegerinnen, Pilotinnen, Fliegerei, Biografien, Kurzbiografien, Frauenbiografien
Quote paper
Ernst Probst (Author), 2010, Kara Spears Hultgreen. Die erste „F-14 Tomcat“-Kampfpilotin, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/146780

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