Im Leben eines Hindu spielt die Religion eine bedeutende Rolle. Gesellschaft und Familie sind eng damit verbunden. Frauen beginnen sich allerdings zunehmend aus den Fesseln zu befreien, die ihnen der Hinduismus über Jahrhunderte verabreicht hat.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Das hinduistische Frauenbild
1.1. Die traditionelle hinduistische Frau
1.1.1. Geschichte der Unterdrückung
1.2. Die moderne Frau
1.2.1. Geschichte der Aufwertung
2. Indische Frauenbewegungen
2.1. Anfänge und grundsätzliche Konzepte
2.2. Kommunistische Frauenbewegungen
2.3. Nationalistische Bewegung
2.4. Hinduistisch-religiöse Organisationen
2.4.1. Ramakrishna Bewegung
2.4.2. Vishva Dharma Bewegung
2.5. Gegenwärtige Debatten
2.5.1. Vorarische Zeit
2.5.2. Sita und Savriti
2.5.3. Göttin Kali
3. Das Verhältnis zwischen Staat und Frauenbewegungen
4. Transnationaler feministischer Diskurs
4.1. Weltfrauenkonferenz Bejing 1995 (+5)
4.2. Feminismus – Bedeutung in Indien
5. Conclusio
Bibliographie
Man wird erst wissen was die Frauen sind, wenn ihnen nicht mehr vorgeschrieben wird, was sie sein sollen.
(Rosa Mayreder, 1898)
Einleitung
Indien hat in den letzten 30 Jahren vermehrt das globale Interesse erweckt. Es ist ein Staat, der für sich eine parlamentarische Demokratie in Anspruch nimmt, und dessen Bevölkerung die Milliardengrenze bereits überschritten hat. Langsam ist es aus der Resignation erwacht, die dem Optimismus der Gründerjahre gefolgt ist. Ökonomische und soziale Prozesse haben in den letzten Jahren stark an Dynamik gewonnen. Vor allem eine immer größer werdende Mittelschicht nimmt sich den Lebensstil des sogenannten „Westens“ zum Vorbild: amerikanisch geprägte Fernsehprogramme und Filme wecken das Bedürfnis nach materiellem Wohlstand.
Und doch hat sich Indien seine Eigentümlichkeit bewahrt. Nach wie vor spielt im Leben eines Hindu die Religion eine bedeutende Rolle. Gesellschaft und Familie sind eng damit verbunden. Frauen beginnen sich allerdings zunehmend aus den Fesseln zu befreien, die ihnen der Hinduismus über Jahrhunderte verabreicht hat.
Nicht unwesentlich hat die Kolonialherrschaft der Engländer dazu beigetragen. Sozial höher gestellte Mädchen, die in Indien in englischen Schulen unterrichtet wurden, haben die unterschiedliche Position der westlichen Frauen in der Gesellschaft wahrgenommen. Das Schlagwort „Feminismus“ war bereits im 19. Jh. in Europa präsent und ist sodann vor allem in den 70-er und 80-er Jahren in die Dritte Welt und so auch nach Indien übergeschwappt (Mies M., 1986:90).
Feminismus
Was verbirgt sich hinter diesem Wort? Der Wortteil „ismus“ deutet darauf hin, dass dahinter eine Ideologie steckt, wie z.B. bei Sozialismus, Kommunismus etc. In seiner Begrifflichkeit mag es sogar stimmen: es ist sowohl eine politische als auch eine soziale Bewegung mit dem Ziel die Gleichwertigkeit, Menschwürde und Entscheidungsfreiheit von Frauen, sowie die Selbstbestimmung über deren Leben und ihren Körper zu erreichen. Er zielt auf eine Veränderung der jeweiligen Gesellschaft ab, in der eine geschlechtshierarchische Unterdrückung nicht mehr vorkommt. Wesentliches Merkmal ist, dass der Feminismus die bisher vorherrschende Gesellschaftsordnung als androzentrisch sieht, dies als Ungerechtigkeit interpretiert und daraus seine Existenzberechtigung bezieht. Aber man kann schwer von e i n e m Feminismus sprechen, doch eher von Feminismen, denn es haben sich aus dieser Grundvorstellung zahlreiche Strömungen und Ausprägungen entwickelt, die sich teilweise ergänzen, aber auch widersprechen. Daher ist es auch unmöglich von einer einheitlichen, alles umfassenden feministischen Ideologie zu sprechen (Vrinda Nabar; 1995: 16f)
Auch haben sich länderspezifische Theorietraditionen herausgebildet, die stets in einem Spannungsverhältnis stehen zwischen wissenschaftlichem Erkenntnisinteresse und der politischen Praxis (Becker-Schmidt u.a., 2000: 7f). So findet man in unterschiedlichen Ländern eine Vielfalt von politischen Nuancierungen und Neigungen, wie z.B. liberaler oder radikaler Feminismus.
Feminismus in Indien
Feminismus wird in Indien sehr gerne mit „Verwestlichung“ verbunden, und auch mit „Männerhass“ Die indische Antwort darauf war seit seinem Aufkommen in den 20-er Jahren eine Kombination von Skepsis und Widerstand, denn die Sprache und der Inhalt des westlichen Feminismus waren fremd und seine Prioritäten weit entfernt vom indischen Verständnis (Vrinda Nabar; 1995: 35).
Heute gibt es zahlreiche Frauenorganisationen, die über ganz Indien verstreut sind. Es ist ein loses Netzwerk, das aufgrund unterschiedlicher ideologischer Ansätze, Strategien und Ziele weder auf ein Zentrum noch auf einen starken Zusammenhalt zurückblicken kann (Gandhi Nanditha & Shah Nanditha; 1991: 23). Man spricht von einem „Asian Feminism“ oder „Gandhian Feminism“ und denkt darüber nach, ob Feminismus überhaupt als Ideologie gesehen werden kann. Jedenfalls ist er als Ideologie hervorgegangen, denn er hat systematisch Verbindung aufgebaut zwischen dem Leben der Frauen, ihrer Unterdrückung und eine totale Transformation der Gesellschaft in die Wege geleitet (Gandhi Nanditha & Shah Nanditha; 1991: 331).
Ich versuche nun im Folgenden die Frage zu beantworten, ob und inwieweit in Indien die Durchsetzung des feministischen Gedankens problematischer ist, als in der „westlichen“ Welt. Um soziale Normen und ihr Zusammenspiel in der Gesellschaft einer fremden Kultur zu verstehen, ist es erforderlich nachzugehen, wie diese entstanden sind und welchen Stellenwert sie in dieser Gesellschaft einnehmen. Daher werde ich im ersten Kapitel zunächst versuchen, das hinduistisch religiöse Frauenbild vorzustellen und zwar sowohl in seiner ursprünglichen Bedeutung, als auch in den zeitlichen Veränderungen bis hin zur Gegenwart. Es gibt nach wie vor gefestigte traditionelle Vorstellungen, die nicht unbedingt von allen Frauen abgelehnt werden. Frauen haben eine Menge überschneidende Interessen, einige davon teilen sie mit Männern, andere stehen in Konflikt mit ihnen, oder auch mit anderen Frauen. Das macht die Angelegenheit nicht leichter, eine allumfassende Ideologie zu formulieren. Ich werde versuchen die wichtigsten und hervorstechendsten Aspekte herauszuarbeiten, die, bei genauer Betrachtung des politischen und sozialen Feldes jeweils übereinstimmen oder auch nicht übereinstimmen (Vrinda Nabar 1995: 17f).
Im zweiten Kapitel befasse ich mich mit der Entstehung der indischen Frauenbewegung und werde konkret die Konzepte von hinduistisch-religiösen sowie nationalistische Organisationen erörtern. Als Kontrast dazu stelle ich zwei Bewegungen vor, die beide zur kommunistischen Partei Indiens gehören, jedoch aufgrund der unterschiedlichen politischen Führung in den beiden Megacities Mumbai und Calcutta sich bezüglich ihrer Schwerpunktsetzung entsprechend anpassen müssen
Das lässt darauf schließen, dass feministische AktivistInnen immer eine ambivalente Beziehung zum Staat, und in Indien ganz besonders, zur regionalen Politik besitzen, was ich in Kapitel 3 diskutieren möchte. Es geht hier vor allem, im Sinne von Bourdieu, um das politische Feld, in dem der Staat, politische Parteien und soziale Organisationsbewegungen eingebettet sind, wobei der Staat die stärkste Institution in jedem politischen Feld darstellt. Innerhalb dieses politischen Feldes können kleinere oder mehrere lokale politische Unterfelder vorhanden sein, z.B. ein Protest-Feld, indem soziale Bewegungen sich gegen Staat oder die Regierung wenden (Raka Ray; 1999: 8)
In Kapitel 4 befasse ich mich mit dem transnationalen feministischen Diskurs, unter besonderer Beachtung der Weltfrauenkonferenz in Bejing und stelle die Frage, ob diese eine Bedeutung für die indische Frauenbewegung hat, und wenn ja, welche.
Im 5. und letzten Kapitel werde ich in einer kurzen Zusammenfassung einen Ausblick über die vermeintliche Zukunft der Frau und ihrer Position in der indischen Gesellschaft darstellen. Eine Zukunft, die einerseits sehr stark abhängig ist von der jeweiligen Politik des Landes, sowie der fortschreitenden weltweiten Globalisierung. Indien lebt in keinem Vakuum, weder die Gesellschaft noch deren Religion. Einerseits ist der Hinduismus eine gelebte Religion, die sich in Geistes- und Lebenserfahrungen niederschlägt, andererseits wurde durch den europäisch-amerikanischen Kulturkontakt die Aufmerksamkeit auf die sozioreligiöse Diskriminierung von Frauen gelenkt und damit ein Veränderungsprozess in Gang gesetzt (Heller B., 1999: 18).
In der „westlichen“ Welt sind mit dem hinduistischen Frauenbild viele Klischees verbunden. Meist sind es negative Bilder die uns vermittelt werden. Medien berichten über Abtreibung weiblicher Föten, neugeborene Mädchen werden erstickt, junge Frauen werden verbrannt – ökonomisch wird dies begründet mit Mitgiftforderungen der Schwiegereltern. Nach wie vor herrscht auch die Vorstellung von Witwenverbrennung. Tatsache ist, dass es kein homogenes Bild über Frauen in Indien gibt. Die Gesellschaft ist sehr vielschichtig, in jeder Kaste hat die Frau eine andere Position. Auch gibt es in der hinduistischen Religion Unterschiede zwischen dem Norden und dem Süden Indiens; ebenso spielt die Bildung und die wirtschaftliche Lage einer Gruppe eine Rolle, sowie ob eine Familie orthodox ist oder nicht.
Im Folgenden befasse ich mich mit dem traditionellen hinduistischen Frauenbild, das eher negativ dargestellt wird, und wie es dazu gekommen ist. Dem gegenüber stelle ich die moderne Frau im unabhängigen Indien, ihren Status, und untersuche, inwieweit die beruflich und politisch engagierte Frau heute noch in der Tradition verwurzelt ist.
1.1. Die traditionelle hinduistische Frau
Hinduismus ist eine gelebte Religion und damit auch ein Konglomerat an verschiedenen Traditionen. Die indische Weiblichkeitskonzeption ist daher auch schwer zu definieren, ist historisch bedingt und wurde stets von Gesellschaft und Religion beeinflusst. Es lassen sich jedoch bestimmte Grundlinien feststellen, wobei diese vor allem durch Literatur und epische Texte, wie Mahabharata, Bhagavadgita, Ramayana etc. geprägt wurden. Einerseits wird das Göttlich-Weibliche verehrt: Lakshmi und Parvati werden als kreativ, wohlwollend gesehen, während Kali und Durga destruktiv-gefährlich verstanden werden. Sexualität sieht man als einen Aspekt der kosmischen Kraft. Diese Göttinnen dienen als Vorbilder für irdische Frauen und die Metapher des göttlichen Paares prägt die Hingabe der Frau an den Ehemann (Heller B., 1999: 35).
Das reale Bild sieht die Frau jedoch grundsätzlich verdorben, die stets unter Kontrolle gehalten werden muss; sie wird reduziert auf den Bereich der Sinnlichkeit und Sexualität und damit verachtet, denn Sexualität ist im hinduistischen Denken Schwäche. Frauen können nur in Abhängigkeit vom Mann ein gutes und vorbildliches Leben führen. Nur wenn das Frauenbild überlagert wird von einer Mutterrolle, eröffnet sich die Möglichkeit zu einer gewissen Eigenständigkeit und Dominanz. Trotzdem bleibt sie immer untergeordnete Ehefrau. Die Geburt als Frau wird als ein Fehlverhalten im vorangegangenen Leben gesehen und ist damit ein weiterer Beweis ihrer Sündhaftigkeit. Daher müssen Frauen besonders einer religiös-sittlichen Erziehung unterzogen werden, da dies aus brahmanisch-orthodoxer Sicht der einzige Ausweg aus dem Geburtenkreislauf sei und damit die „heilsnotwendige Wiedergeburt als Mann ermöglicht werde“. Nur wenn die bedrohliche weibliche Sexualität unter männliche Kontrolle gebracht wird, löst sich diese in beständiges weibliches Wohlwollen auf (ebd.: 36ff).
Wirkliche Bedeutung hat die Frau nur als Ehefrau und Mutter. Die populärsten Frauengestalten in der Literatur sind vor allem Sita, Savitri, und Sati. Vor allem Sita ist ein weibliches Leitbild: das Vorbild unbedingter Treue, Keuschheit, Leidensfähigkeit und Opferbereitschaft.
Die Ehefrau soll ihrem Gatten, ohne Rücksicht auf ihr eigenes Leben, dienen; sie soll seine Handlungen akzeptieren; sie soll seinem Willen gehorchen, auch wenn dieser im Widerspruch zu anderen religiösen Pflichten steht (Tryambakayajvan., 1995: 29).
Die Witwe hat ihren Daseinszweck verloren, sie ist unrein, und bringt Unglück: genau wie der Körper, der des Lebens beraubt und unrein ist, so wird die Frau, die ihres Ehemannes beraubt ist, dauerhaft unrein sein. Es kam zu der verbreiteten Anschauung, dass die Witwe den Tod des Ehemannes selbst verschuldet hätte, indem sie ihrer Pflicht nicht nachgekommen sei, ihrem Ehemann ein langes Leben zu sichern. Die Frauen werden daher angehalten zu beten, dass sie vor ihrem Ehemann sterben unrein (ebd.: 303).
Wenn der Ehemann früher stirbt hat seine Witwe die Wahl, entweder ihre Schuld in einem asketischen Leben zu büßen, oder gemeinsam mit dem Ehemann verbrannt zu werden. Das ist sodann die hochgeachtete Position der Sati – sie wird zur vergöttlichten Ehefrau. Ihr wird damit nicht nur ein Fortleben mit dem Ehemann in einer der Himmelswelten gewiss, sondern sie vermag ihn auch von seinem schlechten Karma zu reinigen (Heller B., 1999: 39).
Die Rolle der Mutter wird jener der Ehefrau völlig untergeordnet, andererseits jedoch bis zur Vergöttlichung gesteigert. Die Gebärfähigkeit der Frau steht ganz im Dienst des Ehemannes, der nach alter Auffassung durch sie – in seinem Sohn – wiedergeboren wird (Tryambakayajvan., 1995: 31f). Der Status einer Frau hängt bis heute von der Geburt eines Sohnes ab – sie wird zum sozialen Erlöser des Ehemannes.
Töchter sind in den seltensten Fällen willkommen. Die Verantwortung der Eltern für die Keuschheit und Reinheit der Tochter stellt eine Belastung dar. Heute bedeutet die Geburt einer Tochter mehr denn je ein Unglück aufgrund der übertriebenen Mitgiftforderungen, die bis zu einen finanziellen Ruin der Familie gehen können.
Die Frage stellt sich nun, wie ist diese Ambivalenz von dem göttlichen und dem realen Frauenbild zu verstehen?
1.1.1. Geschichte der Unterdrückung
Der Status der Frau hat sich ist in den letzten 2000 Jahren verschlechtert. In der vedischen Epoche hatten Frauen einen wesentlich höheren Status als in späteren Perioden.
Etwa 1000 B.C., im sogenannten „goldenen Zeitalter“, dem Zeitalter der vedischen Kultur, waren die Frauen den Männern gleichgestellt. Frauen nahmen aktiv an Opfern teil, und kannten wahrscheinlich auch die heiligen Texte (Bumiller E., 1992: 20f)
Die Arier, ein Hirten- und Nomadenvolk, breiteten sich über Jahrhunderte in der Ganges-Ebene aus und kamen natürlich in Kontakt mit der autochthonen Bevölkerung, bei denen die weiblichen Gottheiten wichtig waren. Das wird auch langsam von den Ariern übernommen, was man deutlich in der Literatur erkennt. Der Atharvaveda ist entstanden, als die Arier in Richtung Osten vorgedrungen sind und man merkt darin den Einfluss der autochthonen Bevölkerung: Magie, magische Formeln findet man, und das weibliche Prinzip bekommt größere Bedeutung. Es enthält u.a. eine Hymne an die Mutter Erde, die von den Menschen geliebt wird. Die Mutter gibt die nährenden Kräfte an die Menschen (Mies M., 1986: 23).
Die Arier übernehmen zunehmend den Ackerbau und werden sesshaft. Damit ändert sich auch automatisch ihr Sozialgefüge, die Lebensweise, und die Gesellschaft muss ein neues Ethos, neue Wertvorstellungen schaffen (Bumiller E., 1992: 20f)
Diese Auseinandersetzung zwischen Hirten- und Agrarkultur findet man im Mahabharata-Epos nachgezeichnet: Krishna vertritt die Rinderzüchterkultur, er ist ein Hirtengott.
Sein Bruder Balram ist der Vertreter der Ackerbaukultur. Diese beiden Gestalten werden in dem Epos gegenübergestellt und der Wandel der Gesellschaft, der stattfindet, nachvollzogen.
Gleichzeitig mit der Veränderung der Kulturform hat sich die Bevölkerungsstruktur in Indien verändert. Die Ksatriyas, die Kaste der Krieger, sind ab 700 – 600 B.C. wichtig geworden. Sie haben das männliche Prinzip stark betont. Es kommt zu einer ganz neuen Rollenverteilung: Frauen werden auf den internen Bereich zurückgedrängt, sie sollen für die Männer die Infrastruktur zuhause schaffen, den Mann versorgen und ihm zu männlichen Nachkommen verhelfen. Alles was außerhalb des Hauses passiert, wird immer mehr auf die Männer beschränkt: Macht, Autorität, Entscheidungsfindung. Von diesen Dingen wird die Frau vollkommen ausgeschlossen.
Für Die Ehefrau wird ein eigenes Dharma[1] festgelegt, das Stri-Dharma. Es umfasst alle Pflichten und Aufgaben der Ehefrau. Es kommt zur Herausbildung einer Gesetzesliteratur, dem Dharma-Sastra. Der Tradition nach gibt es 18 Gesetzgeber. Einer davon wird immer wieder genannt: Manu. Eigentlich war er keine historische Gestalt, sondern ein mythischer Gesetzgeber. Zusammengestellt wurde dieser Kodex wahrscheinlich von 500 B.C. bis ca. 200/300 A.T. und ist in Sanskrit geschrieben. Bei Erstellung der Hindugesetze hat man sich an diesen Kodex orientiert.
Von vielen Feministinnen wird Manu als der Hauptschuldige in der Geschichte der Unterdrückung der indischen Frauen betrachtet. Sie erhielten den Status von Leibeigenen, eine Frau hatte keine Aussicht auf ein eigenständiges Leben (Bumiller E., 1992: 20): „In childhood a female must be subject to her father, in youth to her husband, when her lord is dead to her sons; a woman must never be independent.“ (Manu V/148).
In dem Gesetzeskodex von Manu wurden auch die Kastenregeln in Indien festgelegt. Grund dafür mag gewesen sein, dass sich die Arier von den dunkelhäutigen Draviden-Stämmen, denen sie eine Rolle als „Verunreiniger“ zuwiesen, absondern wollten. Im Gesetzestext gibt es genaue Regeln die festlegen, wer sich mit wem verheiraten durfte. Um die Verunreinigung des Volkes zu vermeiden, muss man die Geburten kontrollieren. Jedoch verliert man die Kontrolle über die Geburten, wenn man die Kontrolle über die Frauen verliert (Bumiller, E., 1992: 22).
Dieses Buch von Manu hat auch noch weitere Konsequenzen: die Frau verliert den Anspruch auf Bildung und ihr wird der Status eines Leibeigenen zugewiesen (ebd.: 20). Mit der Invasion der Mogulen und damit des Islam in Indien im 16. Jh. kam es zu noch strengeren Abgrenzungen und damit zu noch regressiveren Maßnahmen gegenüber Frauen und einer weiten Verbreitung von Praktiken wie purdah[2] und sati[3] (ebd.: 23).
Die Rolle der Frau während ihres Lebens lässt sich kurz zusammenfassen in weibliches Kind, Heranwachsende, Ehefrau, Schwiegertochter, Mutter, Schwiegermutter – eine Frau, die besser bereits vor ihrem Ehemann stirbt (damit hat sie ein besseres Karma für das nächste Leben) oder als Witwe dahinvegetiert, falls sie sich nicht für die Selbstverbrennung entscheidet (Vrinda Nabar; 1995: 41). In jeder einzelnen dieser Rollen geht man von einer weiblichen Unterwürfigkeit und Passivität aus, die gekennzeichnet ist von einer ganz speziellen Rollenidentität (Meenakshi Thapan; 2007: 32).
1.2. Die moderne Frau
1.2.1. Geschichte der Aufwertung
Erst im 19. Jh. kam es zu ersten Reformen, die sich vor allem gegen Sati, Kinderehen und Purdah richteten. Diese Bewegung inspirierte den weitblickenden männlichen Reformer Rammohan Roy, der die Hindusekte Brahm Samaj gründete und der sich um die Lage der Frauen sorgte. Erst in der 2. Hälfte des 19. Jh. wurden einige Reformen zu Gesetzen, z.B. war es seit 1856 Witwen erlaubt, sich wieder zu verheiraten, 1959 wurde Sati verboten – allerdings blieb die Wirkung der Gesetze beschränkt (Bumiller E., 1992: 23)
Die Aufstände der nationalistischen Bewegung am Ende des 19. Jh. wurde vor allem auch von den Frauen mitgetragen. Im Jahr 1905 ermutigten die Männer, allen voran Mahatma Gandhi, die Frauen an der Swadeshi-Bewegung teilzunehmen und ausländische Waren zu boykottieren. Diese Bewegung war so erfolgreich, dass es der indischen Gesellschaft einen Auftrieb gegeben hat, gegen die Kolonialherren zu kämpfen. In den darauffolgenden 25 Jahren wurden in Indien alleine 3 große Frauenbewegungen[4] gegründet. Die Organisation mit dem größten Einfluss entstand 1927: die „All India Women’s Conference“ (AIWC). Sie traten für die Ausbildung der Frauen ein, sowie gegen Missstände wie Purdah und Kinderheirat. Es war dies erstmalig, dass Frauen über Frauenthemen diskutierten (ebd.: 25)
[...]
[1] Dharma: wird übersetzt als „göttliches Gesetz“, als Pflicht. Jeder muss sein Dharma erfüllen, weil sonst die kosmische Ordnung zusammenbricht..
[2] purdah = ist ein umfassendes System von Regeln und beinhaltet Verhaltensvorschriften in Form von Geschlechtersegregation und Seklusion der Frauen (sh. Mies M., 1986:48)
[3] sati = Witwenverbrennung
[4] 1917: Women’s Indian Association
1925: National Council of Women in India
1927: All India Women’s Conference
- Arbeit zitieren
- Hannelore Weber (Autor:in), 2009, Indischer Feminismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/146810
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