Die Komik der Sprache in Wolfgang Hildesheimers 'Lieblose Legenden'


Dossier / Travail, 2007

20 Pages


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Definitionen von Komik

3 Die Komik der Sprache in den Lieblosen Legenden
3.1 Ich schreibe kein Buch über Kafka
3.2 1956 - ein Pilzjahr
3.3 Aus meinem Tagebuch
3.4 Ich trage eine Eule nach Athen
3.5 Der hellgraue Frühjahrsmantel

4 Fazit

5 Bibliographie

1 Einleitung

Wolfgang Hildesheimers (1916-1991) Lieblose Legenden „gehören in den Kreis der Hauptwerke deutscher Nachkriegsliteratur“[1] und stießen schon bei der Erstveröffentlichung 1952 durch ihre Vielschichtigkeit auf großes Interesse. Der Autor versammelt in seinen Lieblosen Legenden Erzählungen der komischen Art mit parodistischen und satirischen Grundzügen. Wobei die Bezeichnung „komisch“ sowohl Seltsames und Absurdes, als auch Lustiges und Lächerliches meint. So ist Komik in allen Ausprägungen von leichtem Schmunzeln bis zu lautem Lachen und von Erstaunen bis hin zu einem Gefühl von Ratlosigkeit auffindbar. Der fast ständig in den Werken Hildesheimers anzutreffende, unterschwellige Pessimismus klingt auch in den Legenden durch, doch die komischen Aspekte überwiegen hier deutlich. Die Komik Hildesheimers ist demnach nicht nur als eine rein positive zu verstehen.

In dieser Hausarbeit stelle ich anhand ausgewählter Beispiele die Komik der Sprache in Hildesheimers Lieblose Legenden heraus. Hierfür erfolgt im Vorfeld eine Begriffsbestimmung von Komik und ihren unterschiedlichen Ausprägungen. An diese Einführung reiht sich der Hauptteil der Arbeit mit der Analyse der Sprachkomik anhand einiger ausgewählter Texte. Ein Fazit bildet den Schluss meiner Hausarbeit.

2 Definitionen von Komik

Wolfgang Hildesheimers Lieblose Legenden sind komisch, daran ist kein Zweifel. Doch was genau macht die Komik der doch oftmals ernsten oder von einem pessimistischen Unterton bestimmten Texte aus? Zur Analyse der vorliegenden Beispiele ist es wichtig, zunächst zu klären, was genau unter dem Begriff „Komik“ zu verstehen ist. Die allgemein gebräuchliche Bezeichnung „komisch“ ist meist nicht auf etwas Lustiges bezogen, sondern wird oft gebraucht, wenn etwas „seltsam“ ist. András Horn erklärt in seinem Buch Das Komische im Spiegel der Literatur den Begriff der Komik als „das, worüber wir lachen“.[2] Wichtig ist auch die Erwartungshaltung des Lesers für das Entstehen von Komik, denn „[e]twas wird erst komisch, wenn es mit unseren Erwartungen kollidiert, wenn es in unseren Augen vom Gewöhnlichen, vom Gewohnten abweicht, - wenn es „seltsam“ ist.“[3] Diese Normabweichung ist wie ein Überraschungseffekt und führt bei dem Leser zu einer Verwunderung und Belustigung: „[O]b wir etwas für komisch halten, hängt davon ab, welches Verhalten wir in einer gegebenen Situation erwarten würden.“[4] Horn erstellt ein Schema der Komik, in dem er das Objekt des Lachens unterteilt in das Lächerliche (den komischen Gegenstand über den man lacht) und zum anderen in das Lustige (der Produzent des Komischen), weshalb man lacht.[5] Die Sprache, die Hildesheimer in den Legenden benutzt, ist also ein Produzent des Komischen und für den Rezipienten der Grund, warum er lacht. Jedoch ist festzuhalten, dass nicht jeder Mensch über dieselben Sachen lacht und dasselbe Empfinden für Komik hat. In jeder Kultur existieren verschiedene Normsysteme, von denen es abhängt, ob wir etwas komisch und belustigend finden oder nicht.[6] Somit ist auch die kulturelle Prägung ein wichtiger Faktor. Obwohl meine Analyse anhand objektiver Gesichtspunkte erfolgt, basiert auch die Auswahl der Textpassagen auf meiner subjektiven Wahrnehmung für Komik.

András Horn erläutert anhand von diversen Beispielen verschiedene Arten von Komik, die Heike Mallad in ihrem Buch Komik im Werk von Wolfgang Hildesheimer aufgreift, welches ich mitunter zur Analyse der Legenden herangezogen habe. Die im Folgenden erwähnten Komikarten haben in Hildesheimers Werk Lieblose Legenden eine Bedeutung und werden daher kurz erläutert.

Die Komik des Unverstandes lässt sich in einer Vielzahl der Legenden finden:

„Unverstand umreißt das Phänomen, daß ein Sachverhalt nicht richtig eingeschätzt werden kann. Demnach wohnt das Lächerliche im Nicht-Verstehen der eigenen und auch der anderen Personen, mithin im Selbst- und im Weltverkennen. Dieses Verkennen kann zur Komik durch Verwechslungen, Selbstschädigung und Missverständnisse, durch Betrogene und betrogene Betrüger führen [...]“[7]

Selbstüberschätzung finden wir in Ich schreibe kein Buch über Kafka (siehe 3.1), Missverstehen in Aus meinem Tagebuch, wo eine Verwechslung durch den gleichen Nachnamen entsteht. Auch ist in dieser Legende das Element der Täuschung, beziehungsweise des Betrugs, vorhanden (siehe 3.3). Sprachverkennen tritt auf, wenn Redewendungen wörtlich genommen werden, wie zum Beispiel in der Legende Ich trage eine Eule nach Athen (siehe 3.4).

Eine weitere Art zur Erzeugung von Lächerlichkeit ist die Komik des Übermaßes. Extremsituationen wirken meist komisch, aufgrund ihrer Normabweichung durch Übersteigerung des Üblichen, Gewöhnlichen:

„In der Komik des Übermaßes kommt die Übersteigerung des allgemein menschlichen und des sozial tolerierten Maßes zum Tragen. Übersteigerte Charakterzüge bewirken, daß die von ihnen beherrschten Personen lächerlich wirken. Übermaß lässt sich jedoch nicht nur auf menschliche Eigenschaften übertragen, sondern auch auf die Dingwelt.“[8]

Eine ganze Reihe von Charakteren, welche die Legenden bevölkern, wirkt lächerlich durch ihr übersteigertes Verhalten (zum Beispiel die Figur des Gottlieb Theodor Pilz, sowie die Erzähler der Texte Ich trage eine Eule nach Athen und Ich schreibe kein Buch über Kafka, um nur einige zu nennen).

Die Komik der Unangemessenheit bezieht sich auf das Motiv einer „verkehrten Welt“:

„Lächerlich wirken insbesondere Kontraste zwischen Sein und Schein. Diese Art der Komik [...] tritt hauptsächlich dann auf, wenn die gängigen Vorstellungen von einer Sache und das Aussehen der dargestellten Sache auseinanderklaffen.“[9]

Viele in den Lieblosen Legenden dargestellte Situationen treffen darauf zu (zum Beispiel Ich trage eine Eule nach Athen oder 1956 – ein Pilzjahr):

„Wenn nun [..] ein Gegenstand das von seinem Begriff vorgeschriebene Maß merklich über- oder unterschreitet, so entsteht eine Inkongruenz zwischen ihm und dem jeweiligen Begriff, die als solche lächerlich wirkt.“[10]

Komik kann durch die verschiedensten Methoden erzeugt werden und die Reaktion des Lesers ist Erheiterung. Je nach Situation reicht diese vom Schmunzeln bis hin zu schallendem Lachen und sie kann vermischt sein mit Gefühlen von Belustigung, Verwirrung oder gar Ratlosigkeit.

3 Die Komik der Sprache in den Lieblosen Legenden

Hildesheimers Lieblose Legenden sind stark parodistisch und satirisch geprägt. Satire ist allgemein definiert als Angriff auf die Missstände der Gesellschaft, wobei der Inhalt der Satire selbst nicht komisch ist, sondern vielmehr die Form, mit welcher dieser Inhalt ausdrückt wird.[11] Drei Formen der Ironie sind in den Legenden vorzufinden: Die Alltagsironie meint, dass das Gegenteil von dem was gemeint ist ausgedrückt wird, wodurch auch Tadel verbalisiert werden kann.[12] Die Selbstironie arbeitet mit Untertreibungen und der eigenen Niedrigstellung.[13] Eine Form der Ironie ist es auch, wenn der Autor mit einer gewissen Distanz seine Figuren nur halbwegs ernst nimmt und sie desgleichen belustigt betrachtet.[14] Mit den Mitteln der Ironie und seiner typischen sprachlichen Gewitztheit reklamiert Hildesheimer die Missstände der Gesellschaft. Sein wichtigstes Instrument dabei ist die Sprache. Die Anwendung von Sprache, besonders das Spiel mit Sprache, dienen ihm als Auslöser für Komik: „Sprache [ist] das Medium, mit dem Komisches beschrieben wird.“[15] Wolfgang Hildesheimer lässt seine fiktiven Erzähler und Figuren Reflexionen über Sprache und Sprachspiele betreiben. Den Leser erheitert dies und gleichzeitig werden ihm auf diese Weise Phrasenhaftigkeit und Doppeldeutigkeit der Sprache vor Augen geführt. Die Sprache selbst kann belustigend sein:

„Sprache kann aber auch lächerlich erscheinen, nämlich dann, wenn Gedanken über sie angestellt werden, die uns die Sprache verlachen lassen. Wir verlachen aber auch ihre Sprecher, und zwar in solchen Momenten, in denen die offenbar nicht richtig mit Sprache umgehen können.“[16]

Reflexionen über Sprache können erheiternd sein (siehe 3.3 die Reflexionen über den Begriff „mündelsicher“ in Aus meinem Tagebuch). Sprache als Kommunikationsmittel der Gesellschaft ist in bestimmten Situationen ebenfalls amüsant, so zum Beispiel in der Erzählung Der hellgraue Frühjahrsmantel. Die Kommunikation ist immer dann besonders belustigend, wenn sie scheitert, wenn also eine sinnvolle Kommunikation nicht zustande kommt. Missverständnisse und ein aneinander Vorbeireden produziert Komisches und lässt die beteiligten Figuren lächerlich wirken (siehe 3.5).

Die Komik der Namen ist in den Legenden ebenfalls von Bedeutung: „Die Komik durch Namen läßt sich [...] charakterisieren als Komik in der graphischen Gestalt und der Semantik der Namen.“[17] Hildesheimer verwendet in seinen Legenden Namen, „die für sich und alleingenommen komisch – also lustig und/oder seltsam – wirken.“[18] Ekkehard Golch, Gottlieb Theodor Pilz und Christian Theodor Bartschedel sind prägnante Beispiele, besonders Bartschedel, da es gleich zwei mit seinem Namen gibt: „Komik um Namen entsteht dann, wenn es Missverständnisse bei der Identifikation von Namensträgern gibt.“[19]

3.1 Ich schreibe kein Buch über Kafka

In dem Text Ich schreibe kein Buch über Kafka berichtet der Ich-Erzähler, warum er kein Buch über Kafka, sondern über einen gewissen Ekkehard Golch schreibt und was dieses Werk ausmacht. Golch ist der Biograph des Biographen Boswells, welcher wiederum der Biograph des Lexikographen Johnsons ist. Diese außergewöhnliche Konstellation, die wie selbstverständlich geschildert wird, ist unerwartet für den Leser und bereits Anlass zur komischen Verwunderung. Ebensolche absurden Unterfangen tauchen in den Legenden des Öfteren auf, so zum Beispiel in Ich trage eine Eule nach Athen (siehe 3.5). Es ist typisch für Wolfgang Hildesheimer alles mit einem gewissen Ernst zu schildern. Gerade dadurch wirken die Legenden auf den ersten Blick auch nicht lustig, sondern oftmals zunächst merkwürdig.

[...]


[1] Jehle, Volker: Wolfgang Hildesheimer. Werkgeschichte. Frankfurt am Main, Suhrkamp Verlag, 1990, S. 10

[2] Horn, András: Das Komische im Spiegel der Literatur. Versuch einer systematischen Einführung. Würzburg, Verlag Königshausen und Neumann, 1988, S. 13

[3] Horn: Das Komische S. 18

[4] Horn: Das Komische S. 160

[5] Horn: Das Komische S. 19

[6] Horn: Das Komische S. 161

[7] Mallad, Heike: Komik im Werk von Wolfgang Hildesheimer. Frankfurt am Main, Peter Lang GmbH Europäischer Verlag der Wissenschaften, 1994, S. 16

[8] Mallad: Hildesheimer S. 17

[9] ebd.

[10] Horn: Das Komische S. 103

[11] Horn: Das Komische S. 209

[12] Horn: Das Komische S. 230, 231

[13] Horn: Das Komische S. 235

[14] Horn: Das Komische S. 243

[15] Mallad: Hildesheimer S. 30

[16] ebd.

[17] Mallad: Hildesheimer S. 66

[18] ebd.

[19] Mallad: Hildesheimer S. 72

Fin de l'extrait de 20 pages

Résumé des informations

Titre
Die Komik der Sprache in Wolfgang Hildesheimers 'Lieblose Legenden'
Université
Ruhr-University of Bochum
Cours
Wolfgang Hildesheimer und die Weltliteratur
Auteur
Année
2007
Pages
20
N° de catalogue
V146850
ISBN (ebook)
9783640568468
ISBN (Livre)
9783640568543
Taille d'un fichier
464 KB
Langue
allemand
Mots clés
Hildesheimer, Wolfgang Hildesheimer, Lieblose Legenden, Komik in den Lieblosen Legenden, Hildesheimer Komik
Citation du texte
Marie-Christine Wittmann (Auteur), 2007, Die Komik der Sprache in Wolfgang Hildesheimers 'Lieblose Legenden', Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/146850

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