Karl Marx untersucht und analysiert die zweite französische Revolution von 1848 - 1851 (MEW Band 8: 18. Brumaire). Er kommt in der Analyse zu dem Ergebnis, dass diese zweite Revolution eine Farce war, und erklärt anhand der ersten, warum.
Diese Arbeit untersucht nun Marx Analyse und Standpunkt - und befasst sich vor allem mit seinem Untersuchungsergebnis: Der Utopie und der Gegenwart der Revolution.
Inhaltsverzeichnis
Einleitende Überlegung
Vertiefendzul
Vertiefend zu 2
Intermezzo
Vertiefend zu 3. und Abschlussdiskussion: Die Allgegenwart Gottes
Bibliographie
In der Untersuchung genutzte Abkürzungen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitende Überlegung:
„Der Bürgerkrieg kommt nicht von außen, er ist kein eingeschleppter Virus,sondern ein endogenerProzeß H. M. Enzensberger
Die zweite französische Revolution von 1848 - 1851 vergleicht Marx mit einer Farce1. Seine Analyse der Revolution klingt kämpferisch; traurig und verbittert; die Worte aufrecht, stolz und regelrecht enttäuscht zugleich. Endete die Revolution für ihn als eine Farce, dann ist das nicht bloß das polemische Ergebnis einer subtilen Analyse, sondern eine Backpfeife mit einem Schwert, die Marx da austeilt. Er schlägt damit der gescheiterten Revolution nicht bloß eine Narbe ins historische Gedächtnis, er schlägt ihr eine tiefe Wunde, die er im Anschluss daran zur Untersuchung mit beiden Händen, nein, mit zwei Pranken, wuchtig und weit aufreißt. Man spürt die Schärfe der Worte, die der Chirurg der Revolution ohne Anästhesie wie ein Skalpell durchs Fleisch des Geschehens schneidet. Der Doktor arbeitet gründlich, dazu hat er allen Grund. Schenkte Marx Hegel Glauben, den er zu Beginn des Artikels zur Untermalung seiner anfänglichen Polemik zitiert, folgt dieser letzten keine weitere, ähnliche Revolution, vergehen jammervoll ähnliche Chancen - jedenfalls auf lange Sicht; wenn sich weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen je - nur - zweimal ergeben; und wenn auf die Tragödie der ersten Revolution eine Farce in Form der zweiten folgte ... was folgt dann der Farce?
Der Versuch dieser Untersuchung ist nun, die Analyse von Marx in folgender Hinsicht zu interpretieren: Die Ergebnisse der Analyse von Marx - zusammengefasst - interpretiere und beschreibe ich als Ausgang eines Effekts und zwar, genauer, als Ergebnis des Effekts eines Transformationsprozesses; und, mechanischer gesprochen: Erkenne ich je einen je Revolution.
1. Marx analysiert den Rückbezug der Revolution von 1789 und deren Ergebnisse und Folgen. Man rekurrierte dort auf die Römerzeit und belebte bzw. reanimierte deren historische Fakten in Form von Namen, Symbolen, Zahlen usf. - ohne diese Fakten zwar je karikieren zu wollen, was aber trotzdem daraus folgte. Am Ende der Revolution jedenfalls hatte sich die bürgerliche Gesellschaft etabliert, doch über die Ekstase der revolutionären Zeit hat sie ihre Grundlagen verloren; konstituierende Elemente ihrer eigenen Konstitution zu verstehen, zu integrieren übersehen. Das siegreiche Bürgertum, unfertig, herrscht demnach stehend auf einem Bein. Der Prozess der Aneignung der Römischen Historie durch die Revolution ist nach Marx ein unvollendeter Transformationsprozess. Ich versuche zu beschreiben, wie Marx diesen Transformationsprozess wahrnimmt und interpretiert. Ebenso im zweiten Falle:
2. In derselben Art und Weise verfährt Marx nämlich analytisch mit der Revolution von 1848 - 1851. Dort war der Rückbezug aber der auf die Revolution von 1789 und deren historische Fakten. Während die Rückbezugnahme unter 1. noch eine ungewollte Karikatur der römischen Tradition abgab, die in einer Tragödie endete, ist dasselbe hier nicht mehr möglich: Die zweite Revolution karikiert die erste, sie folgt ihrem eigenen Wesen nach bzw. einem Gespenst2. Sie ist ein Klon eines Klonversuchs. Der Unterschied ist das substantielle Ergebnis - das Ergebnis eine Farce. Die Gesellschaft am Ende der zweiten Revolution fällt, wie Marx schließlich annimmt, hinter ihren Ausgangspunkt zurück, sie begeht den Irrtum zu glauben, eine neue Epoche eingeläutet zu haben, dabei ist sie davon weit abgeschlagen.
3. Diesen von Marx beobachteten Transformationsprozessen fügen ich einen dritten an: Die Analyse des Revolutionsgeschehens durch Marx konstituiert ebenso ein Ergebnis als Effekt eines Transformationsprozesses. Man könnte das Ergebnis auch das Ergebnis des Effekts eines „intellektuellen Verfertigungsprozesses“ nennen; das analysierte, strukturierte, geformte, kategorisierte Geschehen wird artikulierte, praxisrelevante Behauptung. Meine These ist: Er fixiert die aus der Revolution gewordene, „gegenwärtige Vergangenheit“ bzw. den historisch gewordenen, gegenwärtigen Ausgangspunkt der Gesellschaft für kommende Revolutionen: Den Rückfall der Gesellschaft hinter einen revolutionären Ausgangspunkt, den sie sich jetzt erneut schaffen muss: Das Feuer ist aus, kein Prometheus mehr in Sicht. Diese Vergangenheit] in der Gegenwart ist laut Marx eine Vergangenheit noch hinter sich selbst. Ein Schritt noch hinter den eigenen Anfang. Dieser interpretierte Ausgangspunkt fern vom Ausgangspunkt ist Marx Ergebnis, der artikulierte Effekt eines Transformationsprozesses in Auseinandersetzung mit und durch die von ihm untersuchten beiden Transformationsprozesse, die wiederum selbst Transformationsprozesse darstellen.
Marx Ergebnis ist der kristallisierte Effekt der Analyse revolutionärer Problematik der marxschen Gegenwart, aber mit vorsichtigen Einschränkung: Die Analyse erfolgte aus Marx „objektivierender“ Sicht. Man kann nur raten, ob er sich dessen bewusst war, inwiefern er sich selbst „objektiviert“ hat. Die Qualität des Ergebnisses der Analyse ist insofern doppelt abhängig von der Qualität der Analyse: Wie genau hat Marx hingesehen? Auf sich und Das Geschehen? Man könnte meine These also noch etwas schärfer formulieren: Ich untersuche eine gewisse Dynamik des Zufalls, in deren Verlauf ich bewusst eine interpretierende Einfügung vornehme. Ich nehme außerdem an, dass Marx Ergebnis bzw. der gesamte Prozess der Aneignung des Revolutionsgeschehens unter der vorprägenden Folie des historischen Materialismus stattfand. Trotzdem meine ich, ist dieser Text aufgrund seiner Struktur besonders geeignet zur Darstellung dieser „gegenwärtigen Vergangenheit“ und deren Abkunft und feststellendem Effekt.
Die besondere Form der Vergangenheit in der Gegenwart, die uns im Grunde allzeit umgibt, ist, wie ich meine, ein permanenter Vorgang, der ebenso permanente und zufällige, wie nicht zufällige Effekte in einem bestimmten Verhältnis ausspuckt. Das Ergebnis Marx Analyse enthält jedenfalls nicht nur objektive, sondern auch subjektive und daher nicht vollkommen rein zufällige Bestandteile in einem Mischungsverhältnis, dem ich hier aber aus Platzgründen nicht nachgehen kann. Ebenso meine Analyse. Insofern behaupte ich, dass eine Analyse aus folgenden Bestandteilen besteht: Objektivunzufällig-bewusst bzw. subjektiv-zufällig-unbewusst; wobei die Kategorien sich mit anzunehmender Sicherheit auch überschneiden bzw. anders mischen können: Objektiv, zufällig, bewusst usf. Anzumerken bleibt außerdem, dass der Begriff der Gegenwart der marxschen Untersuchung diesbezüglich überhaupt problematisch ist: Eine Vergangenheit in der Gegenwart ist nicht nur vorstellbar, sondern gängig. Etwa, wenn man von der Aufarbeitung des Nationalsozialismus im Heute bzw. der in der Gegenwart spricht. Aber was ist diese Gegenwart, die die Vergangenheit zur Selbstbeschreibung von etwas gemeintem nutzt bzw., wie ich meine, transformiert? Wo befindet sie sich? In Hinblick auf Zeit und Raum?
Wie oben gesagt, gehe ich bei der Analyse von einer Dynamik des Zufalls aus, die ich zur Erläuterung optisch als ein dreidimensionales Netz gedacht vorstellen möchte. Jeder einzelne Knotenpunkt des Netzes besitzt bzw. ist eine einzelne Gegenwart, eine Zeit, ein Raum; beide diffusionsfähig. a) Diese jeweilige einzelne Gegenwart lässt sich innerhalb des Netzes, von dessen Rändern und Enden ich keine Ahnung habe, weil es ein weit offenes Netzt ist, mit jedem beliebigen anderen Netzpunkt verbinden. Dabei kann ich diachrone, diagonale bzw. direkte, oder indirekte Umwege über andere Netzpunkte bzw. Gegenwarten gehen, mehr oder minder chronologisch, oder b) ich falte das Netz im Raum und schaffe eine neue, direkte Verbindung, etwa für Strukturvergleiche, springe direkt von einer Gegenwart zu einer chronologisch entfernt bzw. irgendwo liegenden und schaffe damit die Synchronizität zweier unterschiedlicher Gegenwarten in einem Raum - der aber in jedem Falle einen neuen Raum, eine eigene - vom Betrachter aus gesehen - „neue“ Gegenwart zeitigt. Die Revolution von 1789 ist beispielsweise wie ich hier im folgenden, zweiten Schritt vorgegangen, sie hat den Raum gefaltet und die römische Antike transformiert. Marx tat ebenso, wenn auch aus kürzerer Distanz. Im Grunde passiert so etwas jedem Untersuchenden ständig, der beispielsweise Vergangenes erinnert bzw. analysierend untersucht. Wir sind umgeben und geschwängert von Vergangenheit. Ob wir sie bewusst, oder unbewusst zur Kenntnis nehmen; wir transformieren. Ein bewusster Betrachter kann die Vergangenheit in die Gegenwart also bewusst (oder unbewusst) transformieren, um die Gegenwart zu erklären - kann aber nie den Zufall ganz ausschließen. Deshalb ist jeder Transformationsprozess im Grunde eine Halbwahrheit. Das ist nicht das Ende der Schnur. Je bewusster aber die Transformation vollzogen wird, je bewusster die Analyse und Untersuchung stattfindet, umso mehr Zufälle können ausgeschlossen werden. Wie Viele bleiben? Jedenfalls entwickelt der bewusste Betrachter einen neuen gegenwärtigen Blickwinkel auf das „Jetzt“ in Bezug auf die Vergangenheit. Das ist das theoretisch hohle Ergebnis, der Effekt der Transformation. Politisch betrachtet böte dieses Ergebnis wenigstens eine Handlungsoption - der Beobachter transformierte zum homo faber; dem Verfertiger der Gegenwart. Ich behaupte, und bin mir freilich meines Standpunktes bewusst, dass weder die von Marx untersuchten Revolutionen bzw. deren Verfertiger, noch Marx bewusst die Dynamik des Zufalls berücksichtigt haben. Marx spricht zwar davon, dass die Menschen ihre Geschichte nicht aus „freien Stücken“ machen, sondern dass sie unter den „unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen3“ irgendwie mit eben jenen Umständen hantieren. Seine Conclusio beruft sich aber auf seine Ideo-Logik und bleibt somit weitestgehend unreflektiert - wie oben geschildert. Das „Objekt der Objektivierung4 “ vergisst sich selbst zu prüfen, wobei eine Selbstprüfung wahrscheinlich aber nie vollständig sein kann. Es bedarf sehr wahrscheinlich einer weiteren, drauf folgenden, externen Prüfung.
[...]
1 MEW, Band 8, S. 115
2 MEW, Band 8, S. 115
3 Beide Zitate MEW: Band 8, S. 115
4 Vgl. Bourdieux, Pierre: Homo academicus.
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