Die Darstellung des jüdischen Überlebenskampfes im historischen Spielfilm

„Das Leben ist schön“ und „Hitlerjunge Salomon“ im Vergleich


Essay, 2010

23 Pages


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Klassifikation von Filmen aus Sicht der Geschichtswissenschaft

3. Kontroverse um die Darstellbarkeit des Holocaust im historischen Spielfilm

4. „Lachen“ als Überlebensstrategie in „Das Leben ist schön“

5. „Integration“ als Überlebensstrategie in „Hitlerjunge Salomon“

6. Fazit

7. Quellen- und Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der Völkermord an den Juden während des Nationalsozialismus nimmt nicht nur in der deutschen, sondern auch in der internationalen Geschichtsschreibung eine Sonderstellung ein. Es wird hierbei dokumentiert, wie ein Staatsapparat die Vernichtung eines gesamten Volkes aufgrund seiner religiösen Orientierung plante und realisierte. Gleichzeitig veranschaulichten die Taten der Nationalsozialisten, zu welch schrecklichen Verbrechen der Mensch im Stande ist.

Nach dem Niedergang des Dritten Reiches und der Aufdeckung dieser Gräueltaten stellt sich nicht nur die Frage, wie ein solches historisches Ereignis aufgearbeitet und die Verfolgung und Ermordung von Millionen dargestellt werden kann. Darüber hinaus ist zu untersuchen, ob und in welcher Weise die Juden sich mit ihrem Schicksal auseinander gesetzt haben. Hatten sie bestimmte Strategien, um ihr Überleben zu sichern? Haben sie sich ihrem Schicksal ergeben oder Widerstand - sei es aktiv oder passiv - geleistet? Auch diese Fragen sind in diesem Zusammenhang zu klären. Bedeutsam ist, dass die Aufklärung der Nachkommen, das Erinnern an die Verbrechen am jüdischen Volk und die damit verbundene Idee der Prävention im Mittelpunkt der Bemühungen stehen.

Eine Möglichkeit, diese Ereignisse aufzuarbeiten, stellt die Thematisierung durch den historischen Spielfilm dar. Dabei ist von besonderer Bedeutung, dass ein großer Teil der Bevölkerung seine historischen Kenntnisse nicht aus dem Geschichtsunterricht nimmt bzw. sein Wissen über historische Ereignisse nicht durch die Studie von geschichtswissenschaftlicher Lektüre erlangt, sondern als Hauptinformationsquelle für historische Aspekte die Darstellung von Geschichte in Film und Fernsehen dient.[1] Die vorliegende Arbeit wird sich mit der Fragestellung beschäftigen, ob und inwieweit historische Spielfilme eine geeignete Variante der Aufarbeitung bzw. der Vermittlung des Holocaust darstellen. Die Spielfilme „Das Leben ist schön“ und „Hitlerjunge Salomon“ thematisieren den jüdischen Überlebenskampf, unterscheiden sich aber in der Art der Überlebensstrategie. Während in „Das Leben ist schön“ das Lachen bzw. der Humor dem Horror entgegen gesetzt wird, versucht der Protagonist in „Hitlerjunge Salomon“ eine Integration in das NS-System, um sein Leben zu retten.

Die Idee, die Filme miteinander zu vergleichen bzw. zu untersuchen, ob das Medium Film eine geeignete Art der Vermittlung darstellt, bekam ich, als ich vor einigen Monaten im Internet eine Karikatur sah, die einen KZ-Häftling mit einem Oskar in der Hand zeigt. Diese Karikatur wurde veröffentlicht, nachdem „Das Leben ist schön“ 1999 mit drei Oskars ausgezeichnet wurde. Daraufhin begann ich, mich näher mit dem Film zu beschäftigen. „Hitlerjunge Salomon“ wurde im Ethikunterricht behandelt. Mir kam dann die Idee, von der Karikatur ausgehend, zu untersuchen, ob „Das Leben ist schön“ eine geeignete Auseinandersetzung mit dem Holocaust zulässt. Daraus entstand dann die Absicht, dieses Essay zu verfassen. Nachdem ich eine mögliche Klassifizierung des Mediums Film vorgestellt habe, möchte ich Diskussion über die Darstellbarkeit des Holocaust im Spielfilm näher beleuchten. Im vierten Kapitel werde ich die Tragikomödie „Das Leben ist schön“, im fünften Kapitel das Drama „Hitlerjunge Salomon“ daraufhin untersuchen. Im letzten Kapitel werde ich ausgehend vom Vergleich meine Thesen zusammenfassen. In den Kapiteln werde ich außerdem gesonderte Hinweise für den Einsatz der Spielfilme im Geschichtsunterricht geben.

Dabei beziehe ich mich vor allem auf Joan K. Bleicher, der bei Filmen die Vereinfachung des Sachverhalts hervorhebt. Filme können einen für Zuschauer nachvollziehbaren Ablauf entwickeln und den schwierigen Themenkomplex Holocaust für eine breite Masse begreifbar machen.[2]

2. Die Klassifikation von Filmen aus Sicht der Geschichtswissenschaft

In der Geschichtswissenschaft hat sich bis zum heutigen Zeitpunkt noch kein einheitliches Verfahren zur Kategorisierung von Filmmaterialien durchsetzen können. Die jedoch am häufigsten angewandte Variante ist die Einteilung in Filmdokumente, kommentierte Dokumentarfilme und historische Spielfilme. Dabei dient der dokumentarische oder fiktionale Charakter eines Films als ein Unterscheidungskriterium in der Geschichtswissenschaft.[3]

Filmdokumente sind Zeugnisse, über die Zeit erhaltene Originalfilmmaterialien aus der Vergangenheit, die Informationen über historisch bedeutende Ereignisse ihres Entstehungszeitraums und Aspekte des damaligen Lebens vermitteln. Dieses Spektrum umfasst unter anderem inszenierte Aufnahmen (beispielsweise der Einmarsch in die russische Zarenresidenz während der Oktoberrevolution im Jahre 1917), Zufallsaufnahmen (der Absturz des Luftschiffes „Hindenburg“) oder auch planmäßige Dokumentationen (Wochenschauen über die Entwicklung des Zweiten Weltkrieges).[4] Diese Filmdokumente liefern uns aber in der Regel kein authentisches Bild über den Ablauf eines geschichtlichen Ereignisses. Zwar geben sie uns einen Einblick über das Auftreten von Personen und die Wirkung von Orten der damaligen Zeit, aber gleichzeitig besteht jedoch auch bei Filmdokumenten die Gefahr der Manipulation und Fälschung. Beispielsweise handelt es sich bei den Aufnahmen über den Einmarsch in die russische Zarenresidenz nicht um Originalmaterial der Oktoberrevolution aus dem Jahre 1917, sondern um einen drei Jahre später entstandenen Film.[5] Ein weiteres Beispiel wäre die deutsche Sicht auf die Entwicklung des Zweiten Weltkrieges in den Wochenschau-Berichten. Glaubt man diesen, so hätte Nazi-Deutschland den Zweiten Weltkrieg wohl gewonnen.

Regine Mainka-Tersteegen sieht aufgrund der Kritik neue Perspektiven zum Einsatz von Filmen im Geschichtsunterricht. So könne man beispielsweise kommentierte Filmdokumente aus verschiedenen Sichtweisen einsetzen, so etwa die Berlinkrise aus sowjetischer und westalliierter Sicht untersuchen, um die verschiedenen Perspektiven durch Filmdokumente aufzeigen zu können.[6]

Als Dokumentationen bezeichnet man in der Regel Werke, die der reinen Vermittlung von Daten und Fakten über ein historisches Geschehen dienen. Zur Veranschaulichung von geschichtlichen Ereignissen greifen die Produzenten von Dokumentarfilmen oftmals auf Filmdokumente des behandelten Zeitraums zurück[7]. Sie geben Auskunft darüber, wie die Produzenten ein historisches Ereignis deuten bzw. bewerten. Aktuelle Dokumentarfilme gelten als Darstellungsform und geben eine gegenwärtige Sicht der Geschichte wieder. Neben der Verwendung von Filmdokumenten hat sich auch die Verwendung von Interviews und von nachgestellten Szenen in dieser Filmgattung durchgesetzt. Die Berichte von Augenzeugen sind jedoch oftmals nur sehr einseitig und ermöglichen somit keine verschiedenen Perspektiven auf das historische Ereignis. Gleichzeitig ist die Verwendung von nachgespielten Spielszenen für den Betrachter teilweise nur schwer von originalen Filmdokumenten zu unterscheiden[8].

Dokumentationen sind oftmals mit Fakten überladen. Der relativ schnell und dicht sprechende Erzähler, sowie die zu schnelle Bildabfolge sorgen dafür, dass die Zuschauer zunehmend verwirrt und überfordert werden. Die Behaltensleistung ist deswegen eher gering. Hinzu kommt, dass der Kommentar eine zentrale und manipulierende Funktion bei Dokumentationen einnimmt. Dem Zuschauer wird eine „alleingültige“ Sicht vermittelt, die unterschiedlichen Sichtweisen werden dabei völlig vernachlässigt.[9]

Der Spielfilm wird in der Geschichtswissenschaft verschieden definiert: Zum einen spricht man von historischen Spielfilmen. Dies sind fiktionale Werke aus der Vergangenheit, die uns Informationen über Wünsche, Einstellungen und Ansichten von Menschen aus der Entstehungszeit des Films liefern. Anhand dieser historischen Spielfilme wie etwa den deutschen Heimatfilmen nach 1950 können wir heute Aussagen über die Mentalität der damaligen Gesellschaft treffen.10

Zum anderen spricht man auch von aktuellen und älteren Spielfilmen, die sich mit historischen Themen, beispielsweise dem Zweiten Weltkrieg, befassen. Abhängig von der Intention des Filmemachers können sie ein historisches Ereignis detailliert nacherzählen oder ein historisches Geschehen als Rahmenhandlung im Film einarbeiten. Diese Art von Spielfilm kann verschiedene Perspektiven von Figuren darstellen und ist in der Lage, die Emotionen und Denkmuster von Menschen zum Ausdruck zu bringen.[11]

Von besonderer Bedeutung sind Spielfilme, die sich mit den Verbrechen der Nationalsozialisten an der jüdischen Bevölkerung auseinandersetzen. Die als Holocaustspielfilme bezeichneten Werke befassen sich dabei nicht nur mit dem Vernichtungsapparat der Nazis, sondern auch mit der rechtlichen und sozialen Benachteiligung von Juden im Dritten Reich und der Hetzjagd nach einem Schuldigen für die Probleme der damaligen Zeit. Somit stellen diese Filme eine Art des Erinnerns und der geschichtlichen Aufarbeitung des Holocausts dar.[12]

Ein Risiko besteht ebenfalls in einer distanzlosen Betrachtung des Films und des kritiklosen Einlassens auf die filmische Umsetzung des Geschehens. Es ist zu beachten, dass der Macher eines Spielfilms die Handlung bestimmt und somit für den Zuschauer eine Auswahl vornimmt. Die Auswahl an Bildern kann jedoch von der geschichtlichen Realität abweichen bzw. historische Ereignisse können sachlich falsch dargestellt werden. Des Weiteren ist bei Spielfilmen mit historischen Themen oft zu beobachten, dass das beschriebene geschichtliche Ereignis nur die Rahmenhandlung für eine weiterführende Handlung darstellt. Das historische Ereignis hat somit nur sekundäre Bedeutung und rückt in den Hintergrund der Handlung[13].

Ich habe mit meiner Klassifikation nachgewiesen, dass es sich bei „Das Leben ist schön“ und „Hitlerjunge Salomon“ um historische Spielfilme handelt. Roberto Benigni, Drehbuchautor und Protagonist von „Das Leben ist schön“, entwickelt eine Geschichte über die Bedeutung des Humors als Überwindungsmöglichkeit der Grausamkeiten in einem fiktionalen KZ. Er arbeitet das historische Geschehen als Rahmenhandlung in seine Tragikomödie ein. Salomon Perel, Drehbuchautor von „Hitlerjunge Salomon“, betont zwar die autobiographischen Züge seines Films, kann aber nur auf eigene Erinnerungen zurückgreifen. Fiktionalität kann also nicht ausgeschlossen werden.

[...]


[1] Vgl. Michael Sauer, Geschichte unterrichten - Eine Einführung in die Didaktik und Methodik, Seelze­Velber 32004, S. 176 (fortan bezeichnet mit „Geschichte unterrichten“).

[2] Vgl. Joan K. Bleicher, Zwischen Horror und Komödie - Das Leben ist schön von Roberto Benigni und Zug des Lebens von Radu Mihaileanu, in: Waltraud W. Wende (Hg.), Geschichte im Film - Mediale Inszenierungen des Holocaust und kulturelles Gedächtnis, Stuttgart 2002, S. 181-199, hier: S. 197 (fortan bezeichnet mit „Zwischen Horror und Komödie“).

[3] Vgl. Tilo Werner, Holocaustspielfilme im Geschichtsunterricht, Norderstedt 2004, S. 12ff. (fortan bezeichnet mit „Holocaustspielfilme im Geschichtsunterricht“).

[4] Vgl. Gerhard Schneider, Filme, in: Hans-Jürgen Pandel & Gerhard Schneider (Hgg.), Handbuch Medien im Geschichtsunterricht, Schwalbach/Ts. 42007, S. 365-386, hier: S. 368 (fortan bezeichnet mit „Filme“).

[5] Vgl. Geschichte unterrichten, S. 178.

[6] Vgl. Regine Mainka-Tersteegen, Neue Perspektiven im Unterrichtsfilm, in: Ulrich Baumgärtner & Monika Fenn (Hgg.), Geschichte und Film: Erkundungen zu Spiel-, Dokumentar- und Unterrichtsfilm, München 2004, S. 45-62, hier: S. 49f. (fortan bezeichnet mit „Neue Perspektiven im Unterrichtsfilm“).

[7] Vgl. Filme, S. 367.

[8] Vgl. Geschichte unterrichten, S. 179f.

[9] Vgl. Neue Perspektiven im Unterrichtsfilm, S. 46.

[10] Vgl. Filme, S. 368.

[11] Vgl. Geschichte unterrichten, S. 182.

[12] Vgl. Holocaustspielfilme im Geschichtsunterricht, S. 25.

[13] Vgl. Filme, S. 375f.

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Details

Title
Die Darstellung des jüdischen Überlebenskampfes im historischen Spielfilm
Subtitle
„Das Leben ist schön“ und „Hitlerjunge Salomon“ im Vergleich
Author
Year
2010
Pages
23
Catalog Number
V147080
ISBN (eBook)
9783640573080
ISBN (Book)
9783640573172
File size
556 KB
Language
German
Keywords
Darstellung, Spielfilm, Leben, Vergleich, Hitlerjunge Salomon, Das Leben ist schön, Shoa, Holocaust
Quote paper
Robert Griebsch (Author), 2010, Die Darstellung des jüdischen Überlebenskampfes im historischen Spielfilm, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/147080

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