Leseprobe
Der Star im Kino des New Hollywood
Zwei Oscars, drei Golden Globes, zahlreiche weitere Auszeichnungen und den Cecil B. DeMille Award für sein Lebenswerk nennt Gene Hackman bereits sein Eigen.[1] Diese beeindruckende Samm- lung lässt sich neben seinem schauspielerischem Talent, noch mit einer weiteren Tatsache begrün- den. Hackman gehört zu einer Riege von hervorragenden Schauspielern die Ende der 60er Jahre einen glanzvollen Aufstieg feierten und noch heute zu den Größten Ihres Berufsstandes zählen. Na- men wie Jack Nicholson, Robert de Niro, Dustin Hoffman, Al Pacino oder Robert Duvall und bei den Frauen Barbara Streisand, Jane Fonda, Faye Dunaway und Diane Keaton sind jedem Kinogänger ein Begriff. Sie alle feierten große Erfolge in einer besonderen Ära des US-amerikanischen Kinos – dem New Hollywood. 1967 kam mit Bonnie und Clyde ein Film in die Kinos der mit bisherigen Konven- tionen brach. Ihm folgte „(...) ein ganzes Œuvre von Filmen, (...) die risikobereit und qualitativ hochstehend waren: Filme die eher von den Charakteren als von der Handlung lebten, sich nicht um traditionelle Erzählkonventionen scherten, das Gebot der technischen Makellosigkeit ignorier- ten, sprachliche Tabus brachen, allgemein anerkannte Verhaltensnormen sprengten und es wagten, auf ein Happy-End zu verzichten.“[2] Nicht nur andersartige Geschichten und ungewohnte Erzählwei- sen, sondern auch neue Schauspieler wurden von New Hollywood-Regisseuren wie Francis Ford Coppola, William Friedkin oder Martin Scorsese, gefördert und gefordert. Der „(...) Raum für andere Gesichter in den Hauptrollen (...)“ war geschaffen, Raum für den „(...) character actor als Star“.[3]
Der Begriff character actor bedeutet wörtlich übersetzt Charakterdarsteller. Diese Schauspieler be- setzen Rollen, welche durch ungewöhnliche, exzentrische Charaktere bestechen. Bislang waren Ak- teure die diese Art Figur verkörperten hauptsächlich auf Nebenrollen beschränkt, da sie für einen klassischen Filmstar aufgrund ihrer Physis, ethnischen Herkunft, des Alters oder andere Gründen nicht geeignet waren. Im Kino des New Hollywood wurden diese Schauspieler nun erstmals be- wusst als Hauptdarsteller verpflichtet. Filme wie I Never Sang for My Father (1970), French Connec- tion (1971) oder eben auch The Conversation (1973), alle mit Gene Hackman, verzichteten auf den Glamour, den Stars wie Cary Grant ausgestrahlt hatten. Stattdessen wurden jetzt Figuren in den Mittelpunkt gerückt die früher nur am Rande erwähnt wurden. Diese Figuren an sich standen nun im Zentrum, und nicht mehr der Schauspieler. Damit erklärt es sich, wie nun auch eher unschein- bare Personen wie Gene Hackman an ihre ersten großen Rollen kamen. Auch er arbeitete zuvor als typischer character actor in Nebenrollen, beispielsweise in Lilith (1964). Hackman steht für das ge- naue Gegenteil des glitzernden, klassischen Hollywoodstars. Er strahlt etwas Alltägliches, Solides aus, es ist ebenso vorstellbar dass er eine ganz normalen Bürostelle begleitet. Im Buch Easy Ri- ders, Raging Bulls wird es noch drastischer ausgedrückt: „(...) [Statt] geschniegelte[r] Sonnyboy-At- titüde[n] der Tab Hunters [US-Schauspieler und Popsänger, Teenageridol, Anm. d. Verf.] und Troy Donahues [US-Schauspieler, Teenageridol, Anm. d. Verf.] (...)“ nun „(...) ungeschminkter Realismus und ethnische Vielfalt.“[4]
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[1] Vgl.: IMdB (2002)
[2] Biskind, Peter (2000): S. 13
[3] Beier, Lars-Olav (1991): S. 166
[4] Biskind, Peter (2000): S. 12