Im Rahmen des Seminars "Migration und Kulturtransfer" werde ich in dieser Arbeit das Thema der deutschen Rückwanderung aus Amerika im 19. Jahrhundert behandeln. Dem weithin bekannten sowie gut erforschten Phänomen der Amerika-Auswanderung insbesondere im vorletzten Jahrhundert folgte in vielen Fällen nämlich auch eine Rückkehr nach Deutschland. Dieser Aspekt ist allerdings bei weitem nicht so populär geschweige denn systematisch erforscht.
Zum Aspekt der Auswanderung nach und dem Aufenthalt in Amerika werde ich nur die wichtigsten Tatsachen nennen, denn ohne eine Betrachtung der Vorgeschichte der Rückwanderung, d.h. der Auswanderung, kann diese nicht sinnvoll erklärt werden (vgl. Bade 1984c, S. 18f; Kortum 1981, S. 112). Die Massenauswanderung ist also Voraussetzung für und damit auch Einflußfaktor auf das Rückwanderungsgeschehen.
Nachdem hier jetzt schon einige Anmerkung zu Migration gemacht wurde, wird es im nächsten Kapitel um die deutsche Amerika-Auswanderung im 19. Jahrhundert gehen (1.). Unter 1.1. werden Ursachen, Verlauf und Ausmaß der Auswanderung beschrieben, während 1.2. die Auswirkungen der Auswanderung auf das Herkunftsland beinhaltet. Das zweite Kapitel befaßt sich mit der deutschen Rückwanderung aus Amerika unter theoretischen Gesichtspunkten, dem Forschungsstand und Angaben zum gesamtdeutschen Umfang und zu Motiven. Das dritte Kapitel erläutert die regionale Untersuchung von W. Folz. Als Volkskundler bezieht er sich auf alltagsweltliche Themen. Daher erschien mir seine Studie zur Pfälzer Rückwanderung am geeignetsten. Das Beispiel der ländlichen Rückwanderung behandelt die Rückkehr-Motive, meinen Schwerpunkt, sehr ausführlich. In jedem Kapitel stelle ich knapp einige Ergebnisse aus der Studie von K. Schniedewind (Bremer Rückwanderung) und von Kortum (Rückwanderung auf Amrum und Föhr) gegenüber.
Inhaltsverzeichnis
1. EINLEITUNG
2. DIE DEUTSCHE AMERIKA-AUSWANDERUNG IM 19. JAHRHUNDERT
2.1. AUSMAß, VERLAUF UND URSACHEN
2.2. AUSWIRKUNGEN AUF DAS HERKUNFTSLAND UND POLITISCHE BZW. ÖFFENTLICHE DISKUSSION
3. DIE DEUTSCHE RÜCKWANDERUNG AUS AMERIKA IM 19. JAHRHUNDERT
3.1. ZUM FORSCHUNGSSTAND
3.2. THEORETISCHER HINTERGRUND
3.3. UMFANG DER RÜCKWANDERUNG
3.4. MOTIVE FÜR DIE RÜCKWANDERUNG
4. DIE PFÄLZER RÜCKWANDERER AUS AMERIKA IM 19. JAHRHUNDERT
4.1. VORAUSSETZUNGEN DER RÜCKWANDERUNG: DIE AUSWANDERUNG AUS DER PFALZ NACH NORDAMERIKA
4.2. MOTIVE FÜR DIE RÜCKWANDERUNG
4.2.1. Gescheiterte Akkulturation
4.2.2. Rückwanderung aus wirtschaftlichen Motiven
4.2.3. Emotionale Motive
4.2.4. Die Anziehungskraft der alten Heimat
4.3. ZWISCHENFAZIT
5. KULTURTRANSFER
5.1. AUSWIRKUNGEN DER AUSWANDERUNG UND KULTURTRANSFER IN DEN AMERIKANISCHEN ZIELORTEN
5.2. AUSWIRKUNGEN DER RÜCKWANDERUNG UND KULTURTRANSFER IN DEUTSCHLAND
6. SCHLUßBETRACHTUNG
7. LITERATURVERZEICHNIS
1. Einleitung
Im Rahmen des Seminars „Migration und Kulturtransfer“ werde ich in dieser Arbeit das Thema der deutschen Rückwanderung aus Amerika im 19. Jahrhundert behandeln. Dem weithin bekannten sowie gut erforschten Phänomen der Amerika-Auswanderung insbesondere im vorletzten Jahrhundert folgte in vielen Fällen nämlich auch eine Rückkehr nach Deutschland. Dieser Aspekt ist allerdings bei weitem nicht so populär geschweige denn systematisch erforscht.
„Neben der desolaten Quellenlage war die Vernachlässigung des Themas lange Zeit dadurch begründet, daß die Wanderung in die USA als Einbahnstraße betrachtet wurde. Die ideologische Verklärung der USA als `Land der unbegrenzten Möglichkeiten´ (...) tat ein übriges (...). Dementsprechend wurde sie oft als Problem der wenigen Gescheiterten und Erfolglosen begriffen“ (Schniedewind 1994, S. 9).
In der folgenden Arbeit wird der Versuch unternommen, die Rückwanderung anhand einiger überregionaler Daten und regionaler Untersuchungen ins Zentrum zu rücken und in diesem Zusammenhang, soweit die Literatur etwas darüber her gibt, einige Möglichkeiten des Kulturtransfers zu beleuchten. Man muß annehmen, daß das Aufeinandertreffen der verschiedenen Kulturen ihre Spuren hinterließ, sowohl in Amerika als auch im Falle der Rückkehr im Herkunftsland.
Zum Aspekt der Auswanderung nach und dem Aufenthalt in Amerika werde ich nur die wichtigsten Tatsachen nennen, denn ohne eine Betrachtung der Vorgeschichte der Rückwanderung, d.h. der Auswanderung, kann diese nicht sinnvoll erklärt werden (vgl. Bade 1984c, S. 18f; Kortum 1981, S. 112). Die Massenauswanderung ist also Voraussetzung für und damit auch Einflußfaktor auf das Rückwanderungsgeschehen. Man kann nämlich davon ausgehen, so Bade, daß die Überseeauswanderung im 19. Jahrhundert eine definitive Entscheidung war, die für viele schon der Reisekosten und der unabwägbaren Risiken wegen unumkehrbar war. Es bestand also nicht die Absicht wieder dauerhaft zurückzukehren (vgl. Bade 1984, S. 16). Um so mehr Bedeutung muß man meiner Meinung nach solchen Rückkehrentschlüssen beimessen. Die Hauptfrage lautet deshalb, welche Motivationen eine Rückkehr unter welchen Bedingungen bewirken? Handelt es sich vorwiegend um wirtschaftliche oder auch um emotionale Gründe? Welche kulturellen Transferleistungen sind zu beobachten? Den Aspekt der Re-Integration nach der Rückkehr ins Herkunftsland werde ich nur unter 2.4. und im Zusammenhang mit dem Kulturtransfer knapp anreißen.
Volkskundlich interessant sind die Rückwanderungsmotive, weil sie aus den Erfahrungen des Alltags resultieren, auf den Hoffnungen und Enttäuschungen des kleinen Mannes gründen. Die Literatur und die Quellenlage beziehen sich hauptsächlich auf das gemeine Volk, denn das hat den größten Teil der Wanderer ausgemacht. Anhand von Briefen erfährt man etwas über individuelle Schicksale, anhand von z.B. Bürgerrechtsakten und Statistiken erhält man allgemeingültige Informationen.
Eine theoretische Herangehensweise hat bisher nur Kortum unternommen. Sie wurde seiner Meinung nach notwendig, weil dieses spezielle rückgerichtete Mobilitätsverhalten zwar unter dem Gesamtphänomen „Migration“ eingeordnet werden kann, aber noch nicht als eigenständiges Prinzip gewertet wurde. Migration ist ein Austauschvorgang in einem sozioökonomisch von Disparitäten geprägten Raum. Kortum versteht darunter eine „Subkategorie einer allgemeinen Bewegung von Gruppen oder Personen im Raum, die als spezifische Komponente eine Bewegung mit einem Zielpunkt, einen Wechsel des Wohnsitzes und der Wohnung, eine Bewegung von einer Gesellschaft in eine andere und somit Wechsel des soziokulturellen Umfeldes enthält (...)“ (vgl. Kortum 1981, S. 112,116ff).
Nachdem hier jetzt schon einige Anmerkung zu Migration gemacht wurde, wird es im nächsten Kapitel um die deutsche Amerika-Auswanderung im 19. Jahrhundert gehen (1.). Unter 1.1. werden Ursachen, Verlauf und Ausmaß der Auswanderung beschrieben, während 1.2. die Auswirkungen der Auswanderung auf das Herkunftsland beinhaltet. Das zweite Kapitel befaßt sich mit der deutschen Rückwanderung aus Amerika unter theoretischen Gesichtspunkten, dem Forschungsstand und Angaben zum gesamtdeutschen Umfang und zu Motiven.
Das dritte Kapitel erläutert die regionale Untersuchung von W. Folz. Als Volkskundler bezieht er sich auf alltagsweltliche Themen. Daher erschien mir seine Studie zur Pfälzer Rückwanderung am geeignetsten. Das Beispiel der ländlichen Rückwanderung behandelt die Rückkehr-Motive, meinen Schwerpunkt, sehr ausführlich. In jedem Kapitel stelle ich knapp einige Ergebnisse aus der Studie von K. Schniedewind (Bremer Rückwanderung) und von Kortum (Rückwanderung auf Amrum und Föhr) gegenüber.
Schließlich wird im vierten Kapitel vom Kulturtransfer im Zusammenhang mit Aus- und Rückwanderung die Rede sein: Einmal mit der Frage, was die Deutschen nach Amerika brachten und umgekehrt, was die deutschen Rückwanderer von Amerika nach Deutschland brachten. Das Thema wird in einem gesonderten Kapitel behandelt, weil es sich zu großen Teilen auf andere Literatur stützt und deswegen nicht so ohne weiteres in die vorherigen Kapitel eingegliedert werden kann. In einer Schlußbetrachtung soll zuvor Beschriebenes reflektiert und Aussichten genannt werden.
2. Die deutsche Amerika-Auswanderung im 19. Jahrhundert
Theoretisch kann man die Auswanderung in Anlehnung an Kortum als einen besonderen Fall der Migration beschreiben. Zunächst muß damit die Überschreitung einer Hoheitsgrenze vorliegen, sie muß nicht unbedingt über eine längere Distanz erfolgen, impliziert aber meist den Übergang von einem soziokulturellen System in eine andere, vom Ursprungsland strak abweichende Gesellschaft. Dadurch kommt es meist zum Abbruch der physischen und sozialen Kontakte mit dem Heimatgebiet, aber auch oft zu Integrationsbarrieren (vgl. Kortum 1981, S. 119f).
In den 1830er Jahren trat der kontinentale Oststrom aus Deutschland hinter den säkularen Weststrom der transatlantischen Massenauswanderung, die zu 90% in die Vereinigten Staaten führte, zurück.
„Wenn heute von deutscher Auswanderung die Rede ist, wird meist an den Massenexodus (...) in jene Neue Welt erinnert, die im 19. Jahrhundert `Amerika´ hieß“ (Bade 1994, S. 19).
Die Auswanderer damals zeichneten sich dadurch aus, daß sie beim Verlassen der Heimat meistens nicht die Absicht hatten, jemals wieder auf Dauer zurückzukehren, weil die Überseereise teuer, beschwerlich und deshalb meist nicht revidierbar war. Die Gründe waren vielfältig, aber die Entscheidung definitv (vgl. Bade 1984c, S. 30; ders. 1984a, S. 268,275; ders. 1996, S. 403f,406; Kortum 1981, S. 150; Mohr 1984, S. 789).
2.1. Ausmaß, Verlauf und Ursachen
Von den Hungerjahren 1816/17 bis 1914 wanderten rund 5,5 Millionen Deutsche in die USA aus. Mit 30% waren sie die stärkste Einwanderergruppe zwischen 1861 und 1890. Die Auswanderungswelle weist drei Gipfel und zwei ereignisbedingte (Wirtschaftskrise und Sezessionskrieg) Einbruchsphasen auf.
Nachdem 1880 die dritte, letzte und stärkste Auswanderungswelle nach Übersee stattfand, stagnierte die säkulare überseeische Massenauswanderung des 19. Jahrhunderts ab den 1890er Jahren, im Zusammenhang mit der amerikanischen Wirtschaftskrise 1893. Zudem schlug die wichtigste ökonomische Antriebskraft der Auswanderung, das Überangebot an Arbeitskraft in Deutschland, mit dem Wirtschaftsaufschwung in ihr Gegenteil um. Die Anziehungskraft Amerikas trat hinter dem Chancenangebot auf den Arbeitsmärkten in Deutschland zurück. Die kontinentale Zu- und Binnenwanderung überlagerte bald die transatlantische Auswanderung (vgl. Bade 1994, S. 28).
Die Auswanderung im 19. Jahrhundert war durch sozialökonomische Ursachen bedingt, nämlich dem Mißverhältnis im Wachstum von Bevölkerung und Erwerbsangebot in der Übergangskrise von der Agrar- zur Industriegesellschaft. Bei den verschiedensten Hoffnungen und Erwartungen von Amerika dominierten eindeutig die ökonomischen und sozialen Motive und Ziele.
Für viele war die Auswanderung ein stummer Sozialprotest gegen die Lebensbedingungen in Deutschland. Umgekehrt fungierte die Amerika- Auswanderung als partieller Export der Sozialen Frage, sie hatte Entlastungsfunktion und verminderte die Furcht vor einer sozialrevolutionären Explosion. Ein weiteres, aber eher unbedeutendes Motiv, war die politische Verfolgung der Demagogen im Vormärz und der Revolutionäre von 1848/49 (vgl. Bade 1984c, S. 18,57f; ders. 1984a, S. 259,267; ders. 1984b, S. 435; ders. 1994, S. 21ff, 26f, 1996, S. 404f,407, 410).
2.2. Auswirkungen auf das Herkunftsland und politische bzw. öffentliche Diskussion
Wolfgang von Hippel berichtet über die zeitgenössische Diskussion, die sich um die Vor- und Nachteile der Emigration für das Mutterland (hier: Württemberg) drehte. Gerne wurde sie als ökonomische und soziale Entlastung, und damit als nützliches Regulativ, verstanden. Zögerlich begann man deshalb, armen Gemeindemitgliedern spärlich bemessene Auswanderungshilfe zu gewähren, um sich so von sonst längerfristig anstehenden Dauerbelastungen zu befreien.
Man erkannte also, daß die Spannung zwischen Bevölkerungswachstum und wirtschaftlichen Produktivkräften nicht aufhebbar war. Infolge der Auswanderung kam es im Herkunftsraum zu demographischen Strukturverschiebungen- und einbrüchen hinsichtlich des Wachstums, Alters und der Geschlechtsstruktur.
Ökonomisch und sozial bedeutete es einen verminderten Bevölkerungsdruck, was wiederum das wirtschaftliche Wachstum erleichterte und den Arbeitsmarkt entspannte. Eine weitere, positive Folge war die Intensivierung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Württemberg und den neu entstehenden überseeischen Märkten durch eine Vielzahl von Verbindungen zwischen Auswanderern und ihrer alten Heimat (vgl. v. Hippel 1984, S. 276-280).
Kortum ermittelt für die Inseln Amrum und Föhr eine Überalterung durch den Auszug der Friesen nach Amerika, der auch eine gewisse Entlastung für die schwachstrukturierte Heimat brachte (vgl. Kortum 1981, S. 150). Kontakte der Daheimgebliebenen mit den Auswanderern durch Briefe und Besuche in der Heimat beeinflußten die Vorstellungswelt der Schleswig-Holsteiner. Das Amerikabild könnte zum sozialen und kulturellen Wandel beigetragen haben (vgl. Sievers 1981, S. 109).
Auf den von von Hippel schon erwähnten Aspekt der zeitgenössischen Debatte geht Bade in Bezug auf ganz Deutschland ein. Sie reichte „im Vormärz und zur Zeit der Revolution von 1848/49 über die Ideen zur Nutzung von Auswanderung als ´Export` von sozialen Problemen bis zur Verschränkung von Auswanderungs- und Kolonisationsdiskussion in den späten 1870er und frühen 1880er Jahren“ (Bade 1996, S. 38).
Es wurden aber auch Klagen über den nationalkulturellen und ökonomischen Verlust laut. Die Auswanderung war zwar notwendig, um die Gefahr einer Revolution zu vermindern, aber man wollte zugleich den Verlust des Deutschtums im Assimilationsprozeß und den Abfluß von Humankapital verhindern.
Man verlangte nach staatlicher Auswanderungsgesetzgebung, aber die Massenbewegung blieb sich selbst überlassen. In den USA gab es noch keine Einwanderungsquoten und in Deutschland - von der strafrechtlichen Verfolgung heimlich ausgewanderter Militärpflichtiger abgesehen - keine hemmenden Restriktionen mehr, obwohl die Verschiebung in der Erwerbsstruktur des Auswanderungslandes zum Ende des Jahrhunderts besonders auf Kosten landwirtschaftlicher Bereiche ging.
Als 1896 endlich die industrielle Wachstumsperiode begann und die Auswanderung auslief, kam das 1897 erst in Kraft getretene erste Reichsgesetz über das Auswanderungswesen sowie die amerikanische Einwanderungspolitik zu spät, „so daß die deutsche Überseeauswanderung zur Zeit ihrer Hochflut eine weitgehend dem freien Spiel von vorwiegend sozialökonomischen Schub- und Anziehungskräften überlassene Massenbewegung blieb“ (vgl. Bade 1984c, S. 58; ders. 1984a, S. 276,298f; ders. 1984b, S. 480; ders. 1994, S. 24; ders. 1996, S. 38f,409-413).
3. Die deutsche Rückwanderung aus Amerika im 19. Jahrhundert
Ebenso wie die Auswanderung war auch die Rückwanderung ein Massenphänomen derer, die den Plan einer Ansiedlung in den Vereinigten Staaten wieder aufgaben oder denen die Einreise verweigert wurde. Diesen
Rückwanderern galt in der Forschung und in der zeitgenössischen Literatur und Statistik lange kaum Interesse. Sie wurde schlicht unterschätzt und dementsprechend lückenhaft ist das Material. Dennoch bestand die Tatsache, daß die deutschen ethnischen Gemeinschaften in den USA nicht immer Endpunkt des Wanderungsvorganges waren.
„Hunderttausende von deutschen Einwanderern verließen Amerika wieder und kehrten in die alte Heimat zurück. Auf ihrem Lebensweg markierte der Aufenthalt in den USA nur eine Zwischenstation. Die transatlantische Migration war während des ganzen 19. Jahrhunderts keine Einbahnstraße“ (Schniedewind 1992, S. 179f).
Unter den Rückwanderern ermittelt Bade neben den Transatlantikreisenden oder den in Amerika Gescheiterten auch ökonomisch-spekulative transatlantische Arbeitswanderer auf Zeit. Es kamen auch solche, die ihr Glück gemacht hatten und Zuhause davon zehren oder doch in der alten Heimat sterben wollten (vgl. Bade 1984, S. 29; ders. 1994, S. 23; Grether/Scheuermann 1985, S. 215; Schniedewind 1992, S. 179f).
3.1. Zum Forschungsstand
Rückwanderungsvorgänge sind bislang in der Forschung nur sehr wenig beachtet worden, obwohl sie einen festen Bestandteil der großen historischen Wanderungsbewegungen darstellen. Sie treten angesichts der Literatur zur Amerikaauswanderung in den Hintergrund. Lediglich Einzelaspekt oder regionale Varianten wurden beschrieben. Auch Schniedewind beklagt sich darüber, daß die Erforschung der Rückwanderung noch ein Schattendasein fristet. Kortum glaubt, daß das u.a. daran liegt, daß „es wenige Quellen und Statistiken über Rückwanderungen gab und gibt, die Bedeutung der Remigration quantitativ zu lange unterschätzt wurde, man zu spät den Zusammenhang zwischen Auswanderung, mangelnder Integration im Zielgebiet und Rückwanderungsentschluß sah“ (Kortum 1981, S. 118).
Einen Überblick über bisherige Forschungsarbeiten verschaffen uns Schniedewind und Folz.
Die Methoden und Erkentnisse der internationalen Rückwanderungsforschung stehen in einem interdisziplinären Rahmen von soziologischer und historischer Forschung.
Der skandinavische Bereich weist sehr umfangreiche Studien zur Rückwanderung aus Nordamerika auf: K. Virtanen untersucht die finnische Rückwanderung. Er betont die porzeßhafte Komponente der Rückwanderung un den begrenzten Einfluß der Rückwanderer. Wegen des begenzten Quellenmaterial muß man vor Verallgemeinerung warnen. L.-G. Tedebrand (Schweden)vernachlässigt die
Gründe für die Rückwanderung. F. Cerase ermittelt für Italien viele Rückwanderer. Im Süden sind die Rückwanderer konservativ. Es kam zu keinem Kulturtransfer. A. Schrier (Irland) mißt einen geringen Einfluß der Rückwanderer auf die Ausgangskultur wegen ihrer niedrigen Zahl.
In der deutschen Rückwanderungsforschung liefern G. Moltmann, A. Grether/S. Scheuermann und W. Heil zusammenfassende Überblicke. Den regionalen Charakter arbeiten G. Moltmann, G. Kortum und J. Mergen heraus. Die amerikanisch-deutsche Rückwanderung wird im großen Umfang nur bei dem Historiker A. Vagts (1960) thematisiert: Er behandelt die Rückwanderung meist prominenter Auswanderer, weshalb das reiche Material sozialgeschichtlich unbrauchbar ist.
G. Moltmann akzentuiert die Verhältnisse von Akkulturation, Motivation und späterer Re-Integration. Die Zahl der Remigranten ermittelt er anhand der HAPAG- Schiffspassagierlisten (Hamburg) und der Norddeutschen Lloyd-Listen (Bremen). Ungenau bleiben die Motive für Rückwanderung.
W. Hell gibt einen Überblick über die bisherige Forschung und betont den Zusammenhang von wirtschaftlicher Rezession und ansteigender Rückwanderung.
G. Kortum (Geograph) liefert einen theoretischen Ansatz und eine Studie zur nordfriesischen Amerikarückwanderung. Er bezieht alle interessanten Rückwanderungs-Aspekte der nordfriesischen Inseln mit ein. Die Auswanderung des „kleinen Mannes“ bewirkt bei dessen Rückkehr neue Lebenseinstellungen- und gewohnheiten, jedoch kaum soziale Mobilität oder innovatives Verhalten (vgl. Folz 1992, S. 1,5-10; Kortum 1981, S. 129f; Schniedewind 1994, S. 12-19).
3.2. Theoretischer Hintergrund
Folz behandelt die Rückwanderung als Problem der Migrationsforschung und versucht zunächst das Wesen der Rückwanderung zu klären. Sie ist als Gegenstrom stets mit der Auswanderung verknüpft. Rückwanderung, vom Wort her als reziproker Wanderungsverlauf zu definierender Begriff, beinhaltet „einen sehr speziellen Aspekt der menschlichen Aktion im Raum (...), die eine zielgerichtete, wieder zum Ausgangspunkt führende und damit einen Bewegungszyklus schließende Ortsverlagerung menschlicher Individuen oder Gruppen beschreibt“ (Kortum 1981, S. 114).
Kortum spricht sich dagegen aus, für die Rückwanderung die Definition von Migration zu übernehmen und lediglich mit dem Zusatz zu versehen, die Bewegung werde in umgekehrter Richtung ausgeführt.
„Die Rückkehr als räumliche Bewegung menschlicher Entscheidungseinheiten (...) erfolgt (...) auf Grund bestimmter, nur teilweise von den Fortbewegungsmotiven diktierten Absichtsvorstellungen in unterschiedlichem Ausmaß und in Abhängigkeit von bestimmten Größen“ (Kortum 1981, S. 120).
Eine in der Migrationsforschung traditionelle typologische Kategorie stellen die Push- und Pull-Faktoren dar. „Eine vergleichende Bewertung kann über eine Pull- bzw. Push-Wirkung dann eine Wanderung auslösen“ (Kortum 1981, S. 131). Das Modell beschreibt die allgemeine Vorstellung von der Attraktivität und Höherwertigkeit eines Zielgebietes bei gleichzeitig wirksamen Abstoßfaktoren im Herkunftsraum als wanderungsauslösend.
Kortum stellt dem reziproken Raumvektor das Bestimmungselement der Zeit, also die Verweildauer im Zielgebiet, zur Seite. Auch Folz fordert, das Bestimmungselement der Zeit zu konkretisieren: Die Auswanderung muß vollendet sein, eine gewisse Zeit in den USA verbracht worden sein, und die Rückwanderung erfolgt ins Herkunftsgebiet. Dabei muß der Entschluß zum ständigen Aufenthalt in der alten Heimat auch durchgeführt werden.
Schließlich sollte man zwischen Rückkehrer und Rückwanderer unterscheiden: Rückwanderer sind jene, die wirklich ausgewandert sind, erst im Laufe ihres Aufenthalts im Zielland eine Rückkehrabsicht entwickelten, später zurückkehrten und sich dauerhaft niederließen. Die anderen beabsichtigten zwar, auszuwandern, erreichten ihr Reiseziel aber nicht und kehrten um. Weiterhin zu unterscheiden ist die Rückwanderung vom Besuch im Heimatland (vgl. Folz 1992, S. 14-19; Kortum 1981, S. 114f, 118ff, 124f,127f,131f).
3.3. Umfang der Rückwanderung
Der Umfang der statistisch schwer erfaßbaren aber zahlenmäßig bedeutenden Rückwanderung ist in keiner bislang erschienen Studie befriedigend geklärt, wie Schniedewind feststellt. Neben dem Umfang sind auch soziale Zusammensetzung und Motive schwer zu rekonstruieren, weil es wenig zeitgenössisches Material dazu gibt. So nahmen z.B. die amerikanischen Einwanderungsbehörden der Strom der Rückwanderung lange nicht zur Kenntnis. Erst ab 1908 wurden auch diejenigen gezählt, die das Land verließen. Relativ sicher kann man sagen, daß die deutsche Rückwanderung im Vergleich zu anderen europäischen Ländern niedrig war.
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- Laura Dahm (Autor:in), 2000, Die deutsche Rückwanderung aus Amerika im 19. Jahrhundert, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14715
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