Berufsorientierung bei Grundschülern

Eine Erhebung zum Einfluss von Geschlechtersterotypen im Berufsorientierungsprozess


Thèse de Bachelor, 2008

95 Pages, Note: 1,3


Extrait


INHALT

Abstract

Einleitung

I. Theorie

II. Fragestellung

III. Methodik
1. Probanden/ Stichprobenbeschreibung
2. Beschreibung des schulischen Umfeldes/ schulische Bedingungen
3. Material/ methodische Umsetzung
3.1. Fragebogen
3.1.1 Konstruktion
3.1.2 Ergebniserfassung im Fragebogen/ Itementwicklung
3.1.3 Auswertungskategorien im Fragebogen
3.2. Interviewleitfaden
3.2.1 Entwicklung des Interviewleitfadens
3.2.2 Auswertungskategorien im Interview
3.3. Durchführung und Erhebung
3.3.1 Herangehensweise/ Organisation
3.3.2 Erhebung

IV. Auswertung
1. Gesamtauswertung ds Fragebogens
2. Auswertung der Interviews

V. Diskussion

VI. References

Abstract

Die vorliegende Projektarbeit thematisiert die Berufsorientierung im Grundschulalter. Die entwicklungspsychologische Theorie der Berufsorientierung wurde dabei auf den Einfluss von Geschlechtsstereotypen, sowie die individuelle Verknüpfung von Fähigkeits- und Berufskonzept bezogen. Wir prüften, ob und inwieweit Grundschüler Berufe geschlechtsspezifisch einordnen, inwieweit sie eine eigene Berufsvorstellung haben und diese auf ihrem Fähigkeitskonzept beruht. Im Hinblick auf eine spätere Trainingskonzeption wurde ebenfalls die Perspektivübernahmefähigkeit erhoben. Mit einer Kombination aus Fragebogen und Interviewleitfaden befragten wir 15 Probanden (9 weiblich, 6 männlich) der dritten Klassenstufe. Es zeigte sich, dass Kinder dazu tendieren, Jungen und Mädchen bestimmte Eigenschaften zuzuordnen, auf deren Grundlage sie auf die berufliche Tauglichkeit schließen. Außerdem konnte eine Verknüpfung von Fähigkeits- und Berufskonzept nur in Ansätzen nachgewiesen werden. Die Perspektivübernahmefähigkeit für das andere Geschlecht bestätigte sich für einen Großteil der Probanden. Geschlechtsunterschiede waren nicht signifikant nachweisbar. Die Berufsorientierung von Grundschülern kann durch ein entsprechend konzipiertes Training unterstützt und die vorhandenen Gendereinflüsse minimiert werden.

Einleitung

„...vocational development constitutes a lifelong process from infancy through childhood, adolescence, adulthood, and old age […]”[1].

Hartung beschreibt Berufsorientierung als einen lebenslangen Prozess, der seinen Ausgangspunkt in der Kindheit hat. Obwohl dieser Lebensphase somit eine große Bedeutung zukommt - wird in ihr doch die Basis für den weiteren Prozessverlauf gelegt - konzentriert sich ein Großteil der Forschung zur Thematik „Berufsorientierung“ auf das Jugend- und junge Erwachsenenalter.

Wenig Augenmerk wurde in Bezug auf den Beginn dieses Prozesses gelegt, sodass aktuell für die Thematik Berufsorientierung im Grundschulalter wenige Forschungsergebnisse vorliegen.

Dieser Aspekt war ausschlaggebend, diese Altersgruppe genauer zu untersuchen.

Im Rahmen des Projektseminars „Entwicklung eines theoriebasierten Trainings für das Explorationsverhalten bei Grundschülern“ eröffnete sich uns ein weites Feld an Untersuchungsmöglichkeiten. Wir beschränkten uns in Anbetracht der Weite des Forschungsfeldes auf den Einfluss von Geschlechtsstereotypen auf den Berufsorientierungsprozess von Grundschülern. Außerdem galt unser Interesse der Untersuchung des individuellen Berufskonzepts der Grundschüler und der Fragestellung, inwieweit dieses mit dem Fähigkeitskonzept verknüpft ist.

Die Ergebnisse dieser Arbeit sollen Ausgangspunkt für die Konzeption eines Trainings zur Unterstützung der Berufsorientierung von Grundschülern in Bezug auf unsere gewählten Fragestellungen sein.

Nach einer theoretischen Einführung in die Thematik und der Erläuterung der methodischen Herangehensweise bzw. der Durchführung der Erhebung, werden wir die wichtigsten Ergebnisse darstellen und anschließend in Bezug auf unsere Ausgangsfragestellung diskutieren. Abschließend soll ein Ausblick auf eine mögliche Trainingskonzeption gegeben werden.

I. Theorie

Im Zusammenhang unserer Recherche zur Thematik Berufsorientierung und der damit verbundenen Suche unseres Untersuchungsschwerpunktes interessierte uns vor allem der Einfluss von Geschlechtsstereotypen auf diesen Prozess. Unsere theoretische Grundlage ist daher der Text von Linda S. Gottfredson[2] „Gottfredson´s Theory of Circumsription and Compromise“, sowie eine Evaluationsstudie zu dieser Theorie von S. Henderson[3] mit dem Titel: „A test of Gottfredson´s Theory of Circumscription“.

Es gibt viele Studien, die versucht haben, geschlechtspezifische Unterschiede in der kindlichen Entwicklung in Bezug auf die Berufsorientierung zu erklären. Viele dieser Untersuchungen wurden jedoch mit Jugendlichen und Erwachsenen durchgeführt.

Linda Gottfredson versuchte bei ihren Forschungsarbeiten mit jüngeren Kindern jedoch als eine von wenigen, die Ursachen für diese Unterschiede zu finden und betrachtete deshalb den vermeintlichen Ausgangspunkt des Berufsorientierungsprozesses. Ihre Arbeiten beschäftigen sich mit der Fragestellung, ob und inwieweit sich Menschen ihre Berufsmöglichkeiten und Vorstellungen unnötigerweise selbst begrenzen und damit früh auf die Erfüllung ihrer innersten Wünsche verzichten, weil sie sich an geschlechtsspezifischen Stereotypen und Prestigerankings orientieren und inwieweit eine solche Einschränkung im frühkindlichen Entwicklungsstreben zu verhindern ist.

Gottfredson betrachtet die Berufswahl als einen Entwicklungsprozess, welcher schon in der frühen Kindheit beginnt. Sie postuliert, dass Menschen ihr Selbstkonzept in die Berufswahlsituation einbringen und die Zufriedenheit mit der Berufswahl durch die gute Passung zwischen Wahl und Selbstkonzept bestimmt wird.

Für Gottfredson sind berufliche Ambitionen somit Präsentationen des Selbst. Sie spiegeln Inhalte des eigenen Selbstkonzeptes, wie Fähigkeiten, Interessen und Neigungen wieder und bestimmen das Anspruchsniveau und die von uns angestrebte Position in der Gesellschaft.

Aus dieser Perspektive sind Berufswünsche von Kindern und Jugendlichen Indizes für altersabhängige Berufskonzepte und für die Entwicklung der Inhalte des Selbstkonzeptes.

Die Entwicklung des Selbstkonzeptes geschieht, wie Entwicklungen allgemein, nach bestimmten Prinzipien: Vom Einfachem zum Komplexem, vom Konkretem zum Abstraktem, von äußeren zu inneren Merkmalen.

Auf dieser Grundlage entwickelte Gottfredson ein Stufenmodell, welches aus vier immer konkreter werdenden Stufen besteht, aber auch immer stärker kontextuelle Gegebenheiten und Einflüsse einbezieht. Da uns im Rahmen unserer Forschungsarbeit vor allem der Einfluss von Geschlechtsstereotypen auf den Berufsorientierungsprozess interessierte, ist das folgende Modell für unsere weitere Arbeit und Argumentation grundlegend.

Auf der ersten Stufe befinden sich die Kinder in einem Alter zwischen 3 und 5 Jahren (von Gottfredson als Kindergartenalter beschrieben).

Die Denkprozesse dieser Altersgruppe sind intuitiv. Zunächst sind es einfache Äußerlichkeiten, die Bestandteile des Selbstkonzeptes werden. Die Kinder sehen zwischen sich und den anderen Personen Unterschiede. Zuerst sind es Erwachsene, die das relevante Andere darstellen. Diese unterscheiden sich aus der Perspektive der Kinder in Größe, Macht aber auch Fähigkeiten von ihnen selbst. Es findet eine einfache Klassifizierung von Menschen nach Kategorien wie groß – klein, stark – schwach usw. statt.

Ihrem konkreten (entwicklungspsychologisch begründeten) Denkstil entsprechend, entwickeln Kinder Vorstellungen darüber, was es heißt erwachsen zu sein und Berufsrollen zu übernehmen. Sie haben ausreichend Wissen zur Verfügung, das Konstrukt „Beruf“ in einfacher Weise zu beschreiben, allerdings sind auch Fantasieberufe präsent. Nach Gottfredson sind auf dieser Stufe noch keine Geschlechterunterschiede bei den beruflichen Vorstellungen festzustellen.

Auf der zweiten Stufe orientieren sich die Kinder allerdings bereits an Geschlechterrollen (geschlechtsspezifisches Selbstkonzept). Sie sind zwischen 6 bis 8 Jahre alt und in der Lage, konkret, meist jedoch dichotomisiert zu denken. Beispiele sind die Unterscheidungen in gut – schlecht, dick – dünn usw. In dieser Lebensphase werden immer mehr bestimmte Spiele und Spielzeuge bevorzugt und die Unterscheidung der verschiedenen Geschlechter gelingt, wenn auch meist der Fokus auf äußere Merkmale wie Kleidung, Tätigkeit usw. gelegt wird. Die Kinder entwickeln eine von ihrem Gender geprägte Selbstwahrnehmung.

Die beruflichen Erwartungen reflektieren dabei die Überzeugung, was typisch für das jeweilige Geschlecht ist. Beide Geschlechter werden für das jeweilig Bessere erachtet. Diese Effekte könnten nach Gottfredson auf die kindliche Orientierung an gleichgeschlechtlichen Bezugspersonen zurückzuführen sein. Eine sehr untergeordnete Rolle spielt das Ansehen (Prestige) eines Berufes.

Diese Stufe ist für unsere Projektarbeit von großer Bedeutung, beschreibt sie doch die zwangsläufige Entstehung von Geschlechtsstereotypen durch die Orientierung an gleichgeschlechtlichen Bezugspersonen und eine damit verbundene erste Übertragung auf berufliche Tätigkeiten. Auch wenn unser Augenmerk auf der Untersuchung dieser Stufe liegt, sollen anschließend der Vollständigkeit halber die beiden höheren Stufen zusammengefasst dargestellt werden.

Auf der dritten Stufe orientieren sich die Kinder an sozialen Unterschieden und befinden sich im Alter zwischen 9 und etwa 13 Jahren. Die Anerkennung durch andere wird ihnen zunehmend wichtiger. Die Kinder unterscheiden nicht mehr nur noch danach, ob etwas männer- oder frauentypisch ist, sondern sie beginnen, abstraktere Qualitäten wahrzunehmen und zu verstehen. Sie sind sich ihrer eigenen Intelligenz und ihrem eigenen sozialen Status zunehmend mehr bewusst.

Ab ungefähr dem 13. Lebensjahr ist das Prestigeranking nach Gottfredson auf dem Niveau Erwachsener. Die Kinder beginnen Berufe auszuschließen, die sie für ihre eigene Person für unrealistisch halten. Sie können ebenfalls langsam ihre obere Leistungsgrenze in Bezug auf eine spätere berufliche Tätigkeit abschätzen.

Lehrer, Eltern und andere Kontextfaktoren haben auf diesen Prozess einen großen Einfluss. Auch Gender–Unterschiede sind auf diesem Entwicklungslevel nachweisbar und haben Einfluss auf die Berufsorientierung. Auch wenn die Berufsinteressen noch nicht ganz so stabil nachweisbar und vorhanden sind, so ist die Berufsrichtung in diesem idealtypischen Modell für die dritte Stufe vorhanden.

Auf der vierten Stufe orientieren sich die Kinder am eignen Selbst. Sie sind 14 Jahre und älter. Unter den emotionalen Verunsicherungen der Adoleszenz und durch die Fähigkeiten zum Denken in abstrakten Kategorien, dominieren innere Gefühle, Einstellungen, Eigenschaften, Wertvorstellungen und Interessen den Berufsorientierungsprozess.

Die Persönlichkeitsentwicklung ist fortgeschritten und der Platz in der Gesellschaft wird für die Kinder konkreter und wichtiger. Es ist ihnen eine abstrakte Informationsverarbeitung möglich, sodass eigene Interessen und Fähigkeiten mit Kontextinformationen kombiniert werden können. Auf dieser Stufe findet eine genauere Bestimmung der Interessengebiete innerhalb des sozialen Raumes statt. Dieser wurde in der bisherigen Entwicklung durch die Eingrenzung passender Berufe nach den Kriterien wie der eigenen sozialen Schicht, dem eigenen Geschlecht und den vorhandenen Fähigkeiten definiert. Eine Erweiterung zu Stufe drei ist die präzisere Erfassung von Berufsalternativen.

Nach Gottfredson entwickeln sich entsprechend der oben genannten Entwicklungsabfolge die individuellen Berufskonzepte von Personen, die über die soziale Schichtung und über die Altersgruppen hinweg relativ invariant sind. Jeder Mensch hat nach dieser Theorie nach eigene Vorstellungen über den notwendigen Aufwand, die eigenen Berufsziele zu erreichen, auch wenn nicht immer die Tätigkeitsbeschreibung der einzelnen Berufe bekannt ist.

Die Theorie von Gottfredson wurde lange Zeit jedoch nicht angemessen empirisch überprüft. Erste Befunde lieferte im Jahr 1988 die Studie von Henderson et al.

Er untersuchte die Stufentheorie von Gottfredson anhand eines Tests mit 396 neuseeländischen Schulkindern, die zwischen 5 und 14 Jahren alt waren.

Die Studie in ihrer detaillierten Durchführung soll an dieser Stelle nicht näher erläutert werden, da sie für unsere Projektfragestellung nicht relevant ist. Wir beschränken uns auf die Darstellung der wichtigsten Ergebnisse.

Die Theorie von Gottfredson besagt, dass die Berufspräferenzen bei unter sechs jährigen Kindern nicht geschlechtsspezifisch verschieden sind, sondern dass sich diese Unterschiede erst mit 6 Jahren und älter nachweisen lassen. Zur Testung der Hypothese wurde ein 2 x 2 x 3 Design von Henderson et al. mit den Faktoren Geschlecht (männlich und weiblich), Alter (jünger als sechs und sechs Jahre oder älter) und geschlechtstypische Berufspräferenzen (weiblich, androgyn und männlich) verwendet.

Es sollten signifikante Interaktionen zwischen Geschlecht und Sex Type bei Kindern über, aber nicht unter 6 Jahre nachgewiesen werden. Beide Interaktionen zwischen Geschlecht und Sex Type auf jedem Alterslevel waren bei der Ergebnisauswertung jedoch signifikant, d.h. es konnten keine Unterschiede zwischen Geschlecht und geschlechtstypischen Präferenzen in beiden Altersgruppen festgestellt werden.

Aus der Studie von Henderson ergeben sich zusammenfassend folgende (für uns relevante) Resultate:

Geschlechtsspezifische Präferenzen sind auch bei Kindern, die jünger als sechs Jahre sind, vorhanden.

Man kann also schlussfolgernd sagen, dass die Theorie von Gottfredson zwar generell in seiner Stufenform bestätigt wurde, jedoch eine Verschiebung der Altersgrenzen feststellbar ist.

Aus dieser theoretischen Grundlage leiten wir für uns folgende Hypothesen ab:

Kinder der 3. Klassenstufe ordnen Berufe geschlechtsspezifisch einordnen.

Es gibt Unterschiede im Einordnungsverhalten von Mädchen und Jungen auf die Geschlechtsspezifik.

Zusammenfassen lassen sich diese in unserer ersten Projektfragestellung:

Ordnen Kinder der 3. Klassenstufe Berufe geschlechtspezifisch ein?

Außerdem interessierte uns im Rahmen der Recherche zur Berufsorientierung und im Hinblick auf ein zu konzipierendes Training, inwieweit Berufe- und Fähigkeitskonzept bei Grundschülern existieren und bereits miteinander verknüpft sind.

Als eine theoretische Grundlage wählten wir daher einen Text von Paul J. Hartung[4] mit dem Titel: „Child vocational development: A review and reconsideration“.

Hartungs Anliegen war es, mit seinem Artikel einen Überblick über die bisherige Forschungsergebnisse zur Berufsorientierung von Kindern bis zum 14 Lebensjahr anhand der Beschreibung von fünf Dimensionen zusammenzustellen: Der Suche von Informationen, dem Bewusstsein über Berufe, den beruflichen Aspirationen und Erwartungen, den beruflichen Interesse und der beruflichen Reife.

In Bezug auf unsere Interessen im Zusammenhang mit der Untersuchung des Vorhandenseins eines Berufskonzepts und dessen Verknüpfung mit dem Fähigkeitskonzept bei Grundschülern, werden im Anschluss vor allem das Bewusstsein über Berufe und die beruflichen Interessen genauer vorgestellt werden.

Hartung beschreibt, dass Kinder bereits in den frühen Jahren (bereits ab dem 3. Lebensjahr) ein Berufsbewusstsein haben.

Dieses wird ab dem Grundschulalter immer realitätsnäher. Mit ca. 11 Jahren zeugt das Wissen über Berufe bereits von einem realen Verständnis von Arbeit. Außerdem wächst das Wissen über Lohn / Gehalt und Ausbildungsansprüche bei den Kindern in diesem Alter.

Ab ca. dem 14. Lebensjahr wird die Sicht auf Berufe, sowie das Wissen über diese von immer mehr Emotionen beeinflusst. Kinder entwickeln Kenntnisse über potentiell negative Aspekte und Unzufriedenheit von Arbeit und Berufen. Sie vergleichen die Arbeitswelt mit ihren eigenen Fähigkeiten bzw. ordnen diese bestimmten Berufen zu.

Alles in allem ist aus der Vielzahl an Informationen, die Hartung beschreibt, zum Thema Berufsbewusstsein festhalten, dass Kinder im Alter von 3 bis 5 Jahren rudimentäres Wissen über Berufe besitzen, die vorhandene Hierarchie beruflicher Stellungen verstehen und einen klaren Standpunkt über Berufe haben, für die sie sich eignen. Dieser Standpunkt basiert jedoch nicht selten auf stereotypischen Wahrnehmungen und zu wenig vorhandenen Informationen.

In Bezug auf die Bildung beruflicher Interessen formuliert Hartung, dass sich diese bereits in der Kindheit entwickeln.

Der von ihm aufgezeigte Konsens neuester Forschungen ist dabei, dass Interessenmuster von der Kindheit bis zur Adoleszenz eher variabel sind und im Erwachsenenalter relative Stabilität erlangen. Auch andere Forschungen bestätigen diese Ergebnisse[5].

Basierend auf seiner Bewertung und Analyse der Literatur, postuliert unter anderem auch Tracey[6] das sich die Struktur der Interessen der Kinder über die Zeit von einer mehr konkreten zu einer mehr abstrakten Struktur entwickeln und das die Interessenstrukturen variabel und ungleichmäßig zwischen den Personen sind. Dabei scheint es, dass sich kindliche Interessen eher in Gebieten entwickeln, in denen sie sich kompetent fühlen[7].

Zusammenfassend ist bezüglich Hartungs Recherchen zum Thema Berufsorientierung und Entstehung des Berufskonzepts festzuhalten, dass sich die Kinder in der frühen Kindheit bezüglich ihres Berufsbildes an den eigenen Interessen orientieren. Allerdings variieren die Interessenmuster von der Kindheit in die Adoleszenz hinein. Erst im frühen Erwachsenenalter erlangen die Muster eine gewisse Stabilität. Mit zunehmendem Alter können Kinder ihre Fähigkeiten besser einschätzen und gründen auf diesem Können ihr Berufsbild. Die Entwicklung der Interessen und später die Wahrnehmung der eigenen Fähigkeiten werden durch Geschlechtsstereotype beeinflusst. Nach Hartung haben Kinder bereits mit ca. 5 Jahren eine eigene Vorstellung von einem zukünftigen Beruf, welches sich mit zunehmendem Alter an ihrem Fähigkeitskonzept orientiert.

Diese theoretische Grundlage wollten wir in Bezug auf die uns interessierenden Grundschulkinder prüfen. Unsere zweite Projektfragestellung ist deshalb folgende:

Haben Kinder der 3. Klassenstufe eine eigene Vorstellung von einem zukünftigen Beruf?

Sind diese Vorstellungen von einem zukünftigen Beruf mit einem Fähigkeitskonzept verbunden ?

Daraus leiten wir folgende Hypothesen ab:

Kinder der 3. Klassenstufe haben eine eigene Vorstellung von einem zukünftigen Beruf.

Die Berufsvorstellung von Kindern der 3. Klassenstufe orientiert sich am Fähigkeitskonzept der Kinder.

Da die vorliegende Projektarbeit vor dem Hintergrund der Planung eines theoriebasierten Trainings durchgeführt wurde, entschieden wir uns außerdem, das Ausgangsniveau für ein solches Training in Bezug auf die kindlichen Kompetenzen zu erheben, indem wir zusätzlich die Perspektivübernahmefähigkeit von Grundschülern untersuchten.

Als theoretische Grundlage für diese Grundidee diente uns dabei eine Kombination aus dem Artikel von Robert L. Selman[8]: „Die Entwicklung des sozialen Verstehens: entwicklungspsychologische und klinische Untersuchungen“ und dem von Hans Martin Trautner[9] verfassten Schriftstück: „Unkenntnis – Rigidität – Flexibilität: Ein Entwicklungsmodell der Geschlechtsrollen“.

Anschließend werden die für unsere Interessen entscheidenden Inhalte beider vorgestellt.

Die Voraussetzung, die soziale Perspektive anderer zu übernehmen, ist die Fähigkeit zum Perspektivwechsel. Kinder sind ca. ab dem 7. Lebensjahr dazu fähig, sich in die Sichtweise eines Anderen zu versetzen[10].

Nach Selman umfasst der Begriff der sozialen Perspektivübernahme „ […] nicht nur die Art, in der soziales oder psychologisches Wissen der einen vom Standpunkt einer anderen Person gesehen werden mag, wie dies der Begriff der Rollenübernahme tut, sondern umfasst wesentlich das sich entwickelnde Verständnis dafür, wie verschiedene Blickwinkel zueinander in Beziehung stehen und miteinander koordiniert werden[11] “ .

Außerdem ist er der Meinung, dass es eine Abfolge von Stufen zur Entwicklung der Fähigkeiten zur sozialen Perspektivübernahme gibt. Jede Stufe erfasst das Niveau, auf dem das Kind andere Kinder und ihre Absichten wahrnimmt.

Dabei durchläuft das Kind nach Selman in seiner Entwicklung vier Niveaustufen (0-4) der Perspektivübernahme. Diese sind sequentiell geordnet und spiegeln unterschiedliche Typen von Beziehungen zwischen dem Selbst und den anderen Personen wieder. Mit steigendem Niveau geht auch eine Zunahme der Differenzierung und der Integration von Perspektiven einher.

Es kann keine Stufe übersprungen werden und die Richtung der Entwicklung ist immer gleich. Für unsere Absicht zur Untersuchung von Grundschülern sind dabei lediglich die Niveaustufen eins und zwei von besonderer Relevanz.

Auf dem Niveau 1 befinden sich Kinder im Alter von ca. 5 bis 9 Jahren. Selman spricht hier von subjektiver, unilateraler Perspektivübernahme. Das bedeutet, dass Kinder auf diesem Niveau die Gedanken und Gefühle anderer Kinder von ihren eigenen unterscheiden können. Außerdem kann das Kind zwischen geistigen und körperlichen Merkmalen anderer Menschen differenzieren, sowie beabsichtigte und unbeabsichtigte Handlungen voneinander unterscheiden.

Auf dem Niveau 2 ist die Perspektivübernahme selbstreflexiv und reziprok. Die Kinder auf diesen Stufen sind ca. 7 bis 12 Jahre alt. Sie sind zur Reflexion eigener Gedanken und Gefühle in der Lage und fähig, diese aus der Perspektive einer zweiten Person zu sehen.

Die Kinder können die Perspektive anderer über ihre eigenen Gefühlszustände vorwegnehmen und erkennen, dass diese Antizipation wiederum ihre Wahrnehmung der anderen beeinflusst.

Auch empirisch haben Selman und seine Mitarbeiter die Gültigkeit dieser Stufenabfolge überprüft. Nach deren Ergebnissen befinden sich 60 % der 10 – Jährigen Kinder auf Niveau 2. Daraus lässt sich ableiten, dass sich die Mehrzahl der Kinder aus der verwendeten Stichprobe (der 10-jährigen) mindestens dem ersten Niveau des sozialen Verstehens zuordnen lassen. Damit sind sie in der Lage, die eignen Gefühle von denen anderer zu differenzieren.

Auf die Darstellung der anderen beiden Niveaustufen nach Selman soll an dieser Stelle verzichtet werden, da diese für unsere Untersuchungen keine Relevanz haben.

In Anbetracht der Tatsache, dass wir im Rahmen unserer Projektarbeit aber nicht nur die Perspektivübernahme von Grundschülern an sich, sondern im Speziellen für das jeweils andere Geschlecht untersuchen wollten, beziehen wir uns auch auf theoretische Überlegungen von Hans Martin Trautner, der sich seinerseits mit dem Begriff der Geschlechtstypisierung beschäftigte. Dieser nimmt Bezug auf sämtliche Phänomene, die mit der Differenzierung zwischen den Geschlechtern in biologischer, sozialer und individueller Hinsicht zu tun haben. Unter dem Begriff „biologisch“ sind biologische Tatbestände zu verstehen, unter dem Begriff „sozial“, die mit der Geschlechtszugehörigkeit verbundenen erheblichen sozialen Bedeutungszuschreibungen. Der Begriff „individuell“ meint die Tatsache, dass der Geschlechtzugehörigkeit immer auch eine hohe individuelle Bedeutung zukommt.

Trautner unterscheidet zwischen den Begriffen geschlechtsspezifisch und geschlechtstypisch. Merkmale, die ausschließlich bei einem Geschlecht vorkommen, sind geschlechtsspezifisch. Merkmale die häufiger/intensiver bei einem Geschlecht ausgeprägt sind, sind geschlechtstypisch.

Vor allem die Entwicklung der Geschlechtsrollen-Stereotypisierung beschäftigte Trautner sehr. Er untersuchte diesbezüglich, wie stark Kinder sich in der Geschlechtszuordnung von Verhaltensmerkmalen auf einzelnen Altersstufen den kulturellen Geschlechtsrollen– Definitionen der Erwachsenen annähern.

Die Entwicklung der Geschlechtsrollen–Stereotypisierung bezieht sich auf die Vorstellung darüber, in welchen Merkmalen oder Merkmalsausprägungen sich die beiden Geschlechter unterscheiden. Bereits im Vorschulalter wird darüber Wissen erworben. Die kindlichen Geschlechtszuordnungen bei den als geschlechtstypisch eingeschätzten Spielsachen, Berufen, Aktivitäten entsprechen bis zum Beginn des Grundschulalters zumeist den kulturellen Geschlechtsrollenstandards. Die Vorstellungen über geschlechtstypische Persönlichkeitseigenschaften entwickeln sich etwas langsamer. In den Bereichen, in denen das eigene Geschlecht besser abschneidet, werden Geschlechtsunterschiede besonders ausgeprägt wahrgenommen.

Trautner unterscheidet drei Phasen bei der Entwicklung der Geschlechtsrollen– Stereotypisierung.

In der ersten Phase besteht zunächst eine relative Unkenntnis bzw. Unsicherheit, was die Zuordnung von Fähigkeiten, Persönlichkeitsmerkmalen und Interessen zu einem Geschlecht betrifft. Dies wird durch zufällige Geschlechtszuordnungen deutlich.

Das zunehmende Wissen über die kulturell vorherrschenden Geschlechtsrollen–Standards, verbunden mit dem wenig fortgeschrittenen Entwicklungsstand der Klassifikations-fähigkeiten, zeigt sich in der zweiten Phase in einer rigiden bzw. starren Geschlechtsrollen– Stereotypisierung durch exklusive (geschlechtsspezifische) Zuordnung der Merkmale.

Die dritte Phase beschreibt den weiteren Entwicklungsverlauf, wobei die rigide Form der Stereotypisierung zugunsten flexibler (geschlechtstypischer) sowie geschlechtsneutraler Zuordnungen aufgegeben wird.

Die Geschlechtsrollen–Stereotypisierung wird als Bestandteil einer sozialen Konvention erkannt und kann auch - je nach Erfahrungshintergründen - überwunden werden.

In den Ergebnissen seiner Untersuchungen zeigt sich, dass bis zum Ende des Kindergartenalters der Übergang von der relativen Unsicherheit (Phase 1) zur rigiden Geschlechtsrollen–Stereotypisierung (Phase 2) in der Regel weitgehend abgeschlossen ist.

Ein Anstiegsmaximum kann zumeist zwischen sieben und acht Jahren beobachtet werden. Dieser ist auf den manifestierenden Übergang von exklusiven zu flexiblen Stereotypisierungen (Phase 3) zurückzuführen.

Phase drei fordert das Vorhandensein steigender Klassifikationsfähigkeiten, die sich in einer differenzierteren Anwendung relationaler Begriffe („mehr“ oder „weniger“ Angehöriger einer Geschlechtsgruppe) zeigen, sodass die Zuordnungsgegenstände (Verhaltensweisen und Persönlichkeitseigenschaften) in flexiblen Maße mit einem Geschlecht in Verbindung gebracht werden können.

Flexible Geschlechtsrollen-Stereotypisierung bedeutet, dass die Kinder relativierte Zuordnungen zu einer Geschlechtsgruppe gemäß den vorherrschenden Geschlechtsrollen– Definition vornehmen können oder aber eine gleichmäßige Zuordnung zu beiden Geschlechtsgruppen erfolgt.

Auch wenn Trautner in seiner Theorie nicht von Perspektivübernahme spricht, so ist diese doch eine unabdingbare Voraussetzung für das Erreichen der dritten Phase. Denn nur wenn sich die Kinder in das andere Geschlecht hineinversetzten können und dafür Verständnis entwickeln, ist es möglich, eine flexible Zuordnung der Geschlechtsrollen– Stereotype vorzunehmen. Diese Tatsache war uns Anlass genug, beide Theorien für die zu Beginn dieser Thematik erläuterten Intentionen zu kombinieren, sodass sich auf beiden Theorien aufbauend uns folgende Fragestellung ergab:

Gelingt Kindern der 3. Klassenstufe die Perspektivübernahme für das andere Geschlecht?

Daraus abgeleitet ist unsere letzte Hypothese:

Kindern der 3. Klassenstufe gelingt die Perspektivübernahme für das andere Geschlecht.

Anmerkung:

Diese theoretischen Überlegungen zur Geschlechtsrollen–Stereotypisierung sind ebenfalls Grundlage für den von uns als erste Projektfragestellung gewählten Aspekt der geschlechtsspezifischen Einordnung von Berufen. Aufgrund der beschränkten Kapazität der Arbeit und der ausführlichen Darstellung der beiden für diese Fragestellung gewählten theoretischen Grundlagen soll an dieser Stelle auf eine detaillierte Begründung verzichtet werden. Ebenso lassen sich unbestritten weitere Studien und Untersuchungen zu unseren Schwerpunktthemen anführen, jedoch scheinen uns die gewählten theoretischen Grundlagen aussagekräftig genug, unsere im Anschluss separat aufgeführten Projektfragestellungen herzuleiten, zu begründen und zu der damit verbundenen Intention darzustellen.

II. Fragestellungen

Projektfragestellung 1:

Ordnen Kinder der dritten Klassenstufe Berufe geschlechtsspezifisch ein?

Hypothese I

Kinder ordnen Berufe geschlechtsspezifisch ein.

Hypothese II

Es gibt Unterschiede im Einordnungsverhalten von Mädchen und Jungen auf die Geschlechtsspezifik.

Hypothese III

Die Antworttendenzen zum Gender lassen sich durch die Ergebnisse der allgemeinen Berufseinordnung im Fragebogen bestätigen.

Projektfragestellung 2:

Haben Kinder der dritten Klassenstufe eine eigene Vorstellung von einem zukünftigen Beruf?

Sind diese Vorstellungen von einem zukünftigen Beruf mit einem Fähigkeitskonzept verbunden?

Hypothese I

Kinder haben eine eigene Vorstellung von einem zukünftigen Beruf.

Hypothese II

Die Berufsvorstellungen von Kindern der dritten Klassenstufe orientieren sich an ihrem Fähigkeitskonzept.

Projektfragestellung 3:

Gelingt Kindern der dritten Klassenstufe die Perspektivübernahme für das andere Geschlecht?

Hypothese I:

Kindern gelingt die Perspektivübernahme für das andere Geschlecht.

III. Methodik

1. Probanden/ Stichprobenbeschreibung

Zur Untersuchung unserer in vorangegangenen Abschnitt aufgezeigten Projektfragestellungen

wählten wir als Probanden Grundschüler aus. Die Probanden besuchten zum Untersuchungszeitpunkt die dritte Klasse der Grundschule XXX und wohnten dementsprechend alle im ländlichen Einzugsgebiet der Grundschule. 15 von insgesamt 18 Schülern der Klassenstufe nahmen an unserer Erhebung teil, wobei sich die Geschlechterverteilung auf 9 Mädchen und 6 Jungen belief. Das durchschnittliche Alter der Probanden betrug 9 Jahre.

Die untersuchte Schulklasse hat einen Klassenlehrer und ist die einzigste Klasse der dritten Klassenstufe. Sowohl die Direktorin der Grundschule, als auch der Klassenlehrer wiesen auf ein starkes Leistungsgefälle innerhalb der Klasse hin.

2. Beschreibung des schulischen Umfeldes/ schulische Bedingungen

Das Lehrgebäude ist an einem Waldrand gelegen und wird sowohl von der Grundschule XXX, als auch von einer Realschule genutzt. Insgesamt besuchen 93 Schülerinnen und Schüler die insgesamt vier Klassenstufen. An das Schulgelände schließt sich ein Fußballplatz und weitere Sportmöglichkeiten in Form von Tischtennistischen und einem Basketballplatz an. Auch der sich an die reguläre Schulzeit anschließende Hort findet in diesem schulischen Umfeld statt.

3. Materialien und methodische Umsetzung

Als Untersuchungsmethoden wählten wir eine Kombination aus einem Fragebogen und einem qualitativen Interview. Beide dienen dem Zweck, die im voran gegangenen Kapitel aufgezeigten Projektfragestellungen im Hinblick auf eine sich anschließende Trainingskonzeption zur Minimierung von Gendereinflüssen zu untersuchen.

Es werden zuerst die wichtigsten Aspekte der Planung und Konstruktion beider Instrumente, sowie die Sicherstellung der Gütekriterien für beide Methoden erläutert, bevor abschließend die genauen Durchführungsmodalitäten dargestellt sind.

3.1. Der Fragebogen

Der Einsatz des Fragebogens diente der Untersuchung unserer ersten Projektfragestellung, inwieweit Grundschüler der dritten Klassenstufe Berufe bereits geschlechtsspezifisch einordnen.

3.1.1 Konstruktion

Für die Konstruktion des Fragebogens wählten wir ein tabellarisches Layout.

Im Tabellenkopf befinden sich vier verschiedene Antwortkategorien. Die linke Tabellenspalte beinhaltet 18 Fragebogenitems mit verschiedenen Berufsumschreibungen.

Diese wurden auf der Grundlage verschiedener Zwischenschritte und Überlegungen, die im sich anschließenden Punkt aufgezeigt werden, ausgewählt. Bei der Bearbeitung besteht die Aufgabe der Grundschüler darin, die entsprechenden Berufsumschreibungen den vier Antwortkategorien im Hinblick auf die hauptsächliche Ausübung der Tätigkeiten zuzuordnen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3.1

Die gewählten Antwortkategorien „weiblich“, „männlich“ und „androgyn“ wurden durch Bilder dargestellt, um den Probanden die Handhabung zu erleichtern (siehe Abb. 3.1). Sie orientieren sich an den Antwortkategorien aus einer Untersuchung von Henderson (1988[12] ) zur Replikation von Gottfredsons „ theory of circumscription“, die uns als theoretische Grundlage für unsere erste Projektfragestellung dient und im Kapitel 1 bereits ausführlich erläutert wurde. Zusätzlich ergänzten wir die vierte Antwortkategorie „Ich weiß es nicht“. Auch die genaue Aufgabenstellung ist auf dem Fragebogen abgedruckt.

3.1.2 Ergebniserfassung im Fragebogen/ Itementwicklung

Um ein hohes Maß an Objektivität im Sinne einer Durchführungsobjektivität[13] beim Ausfüllen des Fragebogens zu gewährleisten, formulierten wir eine Aufgabenstellung für die Probanden, die folgenden Wortlaut hatte:

„Kreuze an, ob die beschriebenen Tätigkeiten eher von Frauen oder eher von Männern ausgeführt werden! Wenn du denkst, dass Frauen und Männer die Tätigkeit ausführen, kreuze das Kästchen mit den beiden Personen an!

Wenn du keine Antwort weißt, dann kreuze einfach das letzte Kästchen an!

VIEL SPAß !!“

Es wurden für die Bearbeitung der Fragestellung keine weiteren Hilfestellungen gegeben. Auf Nachfrage der Probanden zu inhaltlichen Aspekten, wie beispielsweise dem Zweck des Fragebogens oder dem Versuch der Rückversicherung, ob eine Antwort richtig oder falsch ist, wurde eine möglichst neutrale Antwort gegeben.

Eine Zeitvorgabe für die Bearbeitung gab es nicht. Der Fragebogen wurde nach Beendigung zur Seite gelegt und mit dem Interview fortgefahren.

Die Itemauswahl für den Fragebogen geschah in verschiedensten Zwischenschritten.

Zuerst sichteten wir statistische Datensammlungen des Bundesamtes für Statistik Deutschland, aus denen die Verteilung der Erwerbstätigen in Abhängigkeit ihres Geschlechts aus dem Jahr 2005 hervorging[14]. Die im Zusammenhang der Arbeitsmarktberichterstattung des Mikrozensus (einer für die Bundesrepublik Deutschland repräsentativen Stichprobe) und der Arbeitskräfteerhebung des Statistischen Bundesamtes erhobenen Daten geben Auskunft darüber, wie viele weibliche und männliche Erwerbstätige in den jeweiligen Berufsgruppen arbeiten. Auf der Grundlage der Beschäftigtenzahlen war es uns möglich „typische Frauen– und Männerberufe“ in Deutschland zu bestimmen.

Aus etwa 1500 verschiedenen Berufen wählten wir 40 Berufe aus, die eine überdurchschnittliche Anzahl männliche oder weibliche Beschäftigtenzahl aufwies. Außerdem auch Berufe mit einer annähernd gleichen Anzahl männlicher und weiblicher Beschäftigter, die wir als „neutrale“ Berufe bestimmten.

In einem zweiten Schritt wählten wir die aus unserer Sicht kindgerechtesten Berufe aus und reduzierten die Items auf 25.

Bei der Itemformulierung entschieden wir uns gegen die Verwendung der direkten Berufsbezeichnungen wie etwa „Feuerwehrmann“ oder „Krankenschwester“, da diese beeinflussend bei der Beantwortung unserer Ausgangsfragestellung wirken konnten bzw. wir nicht zweifelsfrei ausschließen konnten, dass sich die Kinder bei der Beantwortung nicht von der Geschlechtsspezifik beeinflussen lassen.

Wir favorisierten stattdessen eine Berufsumschreibung, wie sie der Abbildung 3.1 zu entnehmen ist.

Um dennoch sicher zu gehen, dass die Probanden die entsprechenden Berufe mit den jeweiligen Tätigkeitsumschreibungen assoziierten, entschieden wir uns für einen Pretest an einer vergleichbaren Stichprobe.

Pretest

Der Pretest zur Sicherstellung der Konstruktvalidität wurde an der Evangelischen Grundschule XXX durchgeführt.

Probanden waren zwei Schüler aus der ersten Klassenstufe, 10 Schüler der dritten Klassenstufe (4 Jungen; 6 Mädchen) und 8 Schüler aus der vierten Klassenstufe (4 Jungen; 4 Mädchen). 19 verschiedene Items wurden kindgerecht formuliert und mit Hilfe eines Pretestbogens getestet.

Abbildung 3.2 zeigt, dass die Probanden in einer kurzen Aufgabenstellung aufgefordert wurden, die Berufsbezeichnungen aufzuschreiben, die sie aus den Tätigkeitsbeschreibungen herauslesen können.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3.2

Bei der Durchführung ging es nicht darum, im Sinne unserer eigentlichen Projektfragestellung festzustellen, ob die Probanden mit den jeweiligen Berufen eine entsprechende Geschlechtsspezifik verbinden. Es sollten ausschließlich die Fragebogenitems in Bezug auf die Konstruktvalidität getestet und die altersgerechte Formulierung überprüft werden.

Aufgrund der dargestellten Ergebnisse reduzierten wir schließlich die endgültige Itemanzahl für den im Rahmen unserer Erhebung Verwendung findenden Fragebogen auf 18, indem wir das mit einer hohen Varianz beantwortete Item „Arbeiten im Büro“ durch „Zimmer putzen und Betten machen im Hotel“ ersetzten und das Item „Operieren von kranken Menschen im Krankenhaus“ nicht in den endgültigen Fragebogen aufnahmen.

Bezug nehmend auf die Ausgangsfragestellung, ob Grundschulkinder Berufe bereits geschlechtsspezifisch einordnen, versuchten wir außerdem (auf der Grundlage der Erhebungsdaten des Statistischen Bundesamtes und der anschließenden resultierenden Reduzierung der Berufe und den Ergebnissen des Pretests) eine Gleichverteilung von „typisch männlichen und weiblichen“ und neutralen Berufsitems herzustellen. Eine Beeinflussung bzw. Verzerrung durch eine deutliche Überrepräsentation von Items in einer der drei Hauptantwortkategorien sollte so verhindert werden.

In der Endfassung des Fragebogens wurden schließlich sechs weibliche, sieben männliche und fünf neutrale Berufe aufgenommen.

3.1.3 Auswertungskategorien des Fragebogens

Mit Hilfe des Fragebogens werden im Rahmen der Haupterhebung folgende Aspekte in Bezug auf unsere gewählte Projektfragestellung untersucht und ausgewertet:

1. Inwieweit ordnen Grundschüler der dritten Klassenstufe Berufe geschlechtsspezifisch ein?
2. Inwieweit gibt es Unterschiede im Einordnungsverhalten von Jungen und Mädchen in Bezug auf die Geschlechtsspezifik der Berufe?
3. Inwieweit lassen sich die der Konstruktion zugrunde liegenden statistischen Grundlagen auch im Antwortverhalten der Grundschüler wiederfinden?

3.2. Der Interviewleitfaden

Mit Hilfe leitfadengestützter Interviews untersuchten wir, ob Grundschulkinder auch im Gespräch Gendertendenzen für bestimmte Berufe oder Berufsgruppen äußern. In diesem Zusammenhang differenzierten wir zwischen der Erfragung von Gendertendenzen in Bezug auf (beruflich relevante) Fähigkeiten und dem abstrakteren Konstrukt „Beruf“. Außerdem interessierte, inwieweit die Probanden bereits eine genaue Vorstellung von einem zukünftigen Beruf haben und ob diese Vorstellung schon mit dem von Hartung[15] beschriebenen Fähigkeitskonzept verbunden ist. Im Ausblick auf eine spätere Trainingskonzeption zur Unterstützung der Berufsorientierung erfassten wir darüber hinaus, inwieweit es Schülern der dritten Klassenstufe bereits gelingt, die Perspektive auf das andere Geschlecht zu übernehmen.

3.2.1 Entwicklung des Interviewleitfadens

An unseren Projektfragestellungen orientierend ist der Interviewleitfaden in die drei groben Themenschwerpunkte Gendertendenzen, Fähigkeitskonzept und Perspektivübernahme-fähigkeit untergliedert.

Am Beginn steht ein kurzer Einleitungsteil, der den Kindern den Einstieg in die vermutet ungewohnte Situation der Befragung erleichtern soll und für die eigentliche Erhebung unrelevante Fakten, wie das aktuelle Befinden, den Namen und das Alter abfragt. Ebenso wird in diesem Teil das Einverständnis der Kinder zur Durchführung des Interviews eingeholt.

Aufgrund unserer dritten Projektfragestellung zur Untersuchung der Perspektivübernahme-fähigkeit der Probanden entschieden wir uns für eine Zweitteilung des Interviewleitfadens.

Der erste Teil des Interviews beinhaltet Fragen zu den Freizeitaktivitäten, den Fähigkeiten, den zukünftigen Berufsvorstellungen der befragten Person. Außerdem wird die Meinung zu geschlechtsspezifischen Fähigkeiten erfragt.

Im zweiten Teil werden die Probanden gebeten, sich in eine Person des jeweils anderen Geschlechts hineinzuversetzen und aus dieser Perspektive heraus ebenfalls Fragen aus den oben angeführten Themenschwerpunkten zu beantworten.

Um eine ungefähre Ahnung zu bekommen, wie die Antworten der Stichprobe ausfallen könnten und gleichzeitig die zielgruppengerechte Formulierung der Fragestellungen zu testen, führten wir einige Interviews probehalber mit zwei Kindern aus der ersten Klassenstufe und zwei Kindern der zweiten Klassenstufe durch.

In einer ersten Auswertung zeigte sich, dass vor allem bei den jüngeren Kindern die Aufgabe zur Perspektivübernahme noch nicht bewältigt werden konnte, jedoch bereits in Ansätzen Gendertendenzen und eine Berufsvorstellung festzustellen und vorhanden waren.

Neben einigen weniger kindgerechten Formulierungen machte der Pretest aber vor allem deutlich, dass wir für unsere Themenschwerpunkte weitere Checkfragen, vor allem zum Thema Gendertendenzen benötigen würden, um bei der eigentlichen Erhebung verwendbares Datenmaterial zu erhalten und einer Konfundierung vorzubeugen. Auch im Hinblick auf die Vergleichsmöglichkeit mit den Ergebnissen des Fragebogens erweiterten wir den Interviewleitfaden deshalb um zwei weitere Hauptfragen, sodass die Endfassung 9 Fragen mit entsprechenden Unterfragen umfasste.

Anschließend sind zum besseren Verständnis der Intention des Interviewleitfadens die einzelnen Auswertungskategorien mit den entsprechenden Fragestellungen des Interviewleitfadens dargestellt.

3.2.2 Auswertungskategorien im Interview:

Die anschließend aufgezeigten Kategorien sind nicht in der Fragenfolge des Interviewleitfadens, sondern nach Themenschwerpunkten aufgelistet.

Gender:

Auf unsere erste Projektfragestellung und die damit verbundene Fragebogenerhebung bezugnehmend, versuchten wir auch im Interview mögliche Gendertendenzen der Probanden zu erfragen. Wir differenzierten unsere Fragestellungen dabei nach berufs- und fähigkeitsspezifischen Einordnungen der Geschlechter, um mit Hilfe der Auswertungsdaten Aussagen darüber treffen zu können, ob Kinder der 3. Klassenstufe eher Gendertendenzen zu dem abstrakten Konstrukt „Beruf“ haben und/oder ob sie sich diese auf der Grundlage geschlechtsspezifisch vermuteter Fähigkeiten erschließen.

Die verwendeten Fragestellungen waren daher:

Berufegender

= ist die geschlechtsstereotype Einordnung von Tätigkeiten in der Arbeitswelt.

Fragestellung im Interview:

Frage: Gibt es Berufe die Jungen/ Mädchen nicht machen können?

Fähigkeitsgender

= ist die geschlechtsstereotype Zuordnung von Eigenschaften.

Fragestellungen im Interview:

Frage: Glaubst Du, dass Mädchen irgendwas besser können als Jungen?

Frage: Check: Und glaubst du das Mädchen und Jungen alles gleich gut können?

Berufsvorstellung und Fähigkeitskonzept :

Unsere zweite Projektfragestellung wurde ausschließlich mit Hilfe des Interviewleitfadens untersucht. Ziel war es dabei herauszufinden, ob Grundschüler der dritten Klassenstufe ein eigenes Fähigkeitskonzept und eine eigene Berufsvorstellung haben und inwieweit beide Konzepte bereits miteinander verbunden werden.

Dazu entwarfen wir folgende Fragestellungen:

[...]


[1] Hartung, P. J., Porfeli, E. J., & Vondracek, F. W. (2005). Child vocational development: A review and reconsideration. Journal of Vocational Behavior, 66, S.386.

[2] Gottfredson, L. S. (1996). Gottfredson's theory of circumscription and compromise. In D. Brown, & L. Brooks, (Eds.), Career choice and development (3rd ed.), pp. 179-232. San Francisco: Jossey-Bass.

[3] Henderson, S., Hesketh, B. & Tuffin, K. (1988). A test of Gottfredson´s Theory of Circumscription. Journal of Vocational Behavior, 32, 37-48.

[4] Hartung, P. J., Porfeli, E. J., & Vondracek, F. W. (2005). Child vocational development: A review and reconsideration. Journal of Vocational Behavior, 66, S.385-419.

[5] vgl. Betsworth, D. G., & Fouad, N. A. (1997). Vocational interests: A look at the past 70 years and a glance at the future. Career development Quarterly, 46, 23-47.

[6] vgl. Tracey , T. J. G. (2002). Development of interests and competency beliefs: A 1-year longitudinal study of fifth- to eight-grad students using the ICA-R and structural equation modelling. Journal of Counseling Psychology, 49, 148-163.

[7] vgl. Tracey, T. J. G. (2001). The development of structure of interests in children: Setting the stage. Journal of vocational Behavior, 59, 89 – 104.

[8] Selman, R.(1984) Die Entwicklung des sozialen Verstehens: entwicklungspsychologische und klinische Untersuchungen.. - 1. Aufl.. - Frankfurt am Main : Suhrkamp.

[9] Trautner. H. M., Helbing, N., Sahm, W. B., Lohaus, A. Unkenntnis-Rigidität-Flexibilität: Ein Entwicklungsmodell der Geschlechtsrollen-Stereotypisierung. Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 1988, Band XX, Heft 2, 105-120.

[10] vgl. bspw. Piaget, J. & Inhelder, B. (1971): The child's conception of space. London. Routhlegde & Reagan Paul.

[11] Selman, R. (1984): Die Entwicklung des sozialen Verstehens: entwicklungspsychologische und klinische Untersuchungen. - 1. Aufl. - Frankfurt am Main : Suhrkamp, S. 30.

[12] vgl. Henderson, S., Hesketh, B. & Tuffin, K. (1988). A test of Gottfredson´s Theory of

Circumscription. Journal of Vocational Behavior, 32, 37-48; ausführliche Erläuterungen zur Theorie sind im Kapitel 1 zu finden.

[13] vgl. Büchner, M.(2005). Einführung in die Test- und Fragebogenkonstruktion, Pearson Education, S. 34 f.

[14] (Version 2005 in press) letzte veröffentlichte Version zu finden unter:

http://www.destatis.de/presse/deutsch/pk/2004/Tabellenanhang_MZ2003_Fassung_26-4-04.pdf

letzter Zugriff: 17. Juni 2007

[15] Zur ausführlichen Darstellung der theoretischen Grundlage zur Verknüpfung des Berufs- und Fähigkeitskonzepts von Hartung siehe Kapitel.

Fin de l'extrait de 95 pages

Résumé des informations

Titre
Berufsorientierung bei Grundschülern
Sous-titre
Eine Erhebung zum Einfluss von Geschlechtersterotypen im Berufsorientierungsprozess
Université
University of Erfurt  (Erziehungswissenschaftliche Fakultät)
Note
1,3
Auteur
Année
2008
Pages
95
N° de catalogue
V147484
ISBN (ebook)
9783640886258
ISBN (Livre)
9783640886135
Taille d'un fichier
866 KB
Langue
allemand
Mots clés
berufsorientierung, grundschülern, eine, erhebung, einfluss, geschlechtersterotypen, berufsorientierungsprozess
Citation du texte
Julia Lieder (Auteur), 2008, Berufsorientierung bei Grundschülern , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/147484

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