Medialität des Krieges: Anghiarischlacht


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

20 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Gliederung:

Einleitung

I Leonardos Leben und Werk
1.1. Wie kam er zu dem Auftrag
1.2. Konkurrenzkampf

II. Zweites Kapitel
2.1. Das Wandbild
2.2. Der Karton
2.3. Die Kopien

III. Drittes Kapitel
3.1. Die Interpretation des Bildes
3.2. Kompositorische Interpretation
3.3. Mythologische Interpretation
3.4. Interpretation unter moralischem Aspekt

IV. Fazit

V. Literatur

Einleitung

Leonardo da Vinci, einer der bedeutendsten Künstler des 15. und 16. Jahrhunderts komponierte ein Schlachtenbildnis, welches von seinen Zeitgenossen als ein Wunder bestaunt und Kritikern bis in die heutige Zeit Rätsel aufgibt.

“Das Starke und das Weiche ist ihm gleichmäßig vertraut. Wenn er eine Schlacht malt, so überbietet er alle im Ausdruck der entfesselten Leidenschaft und ungeheurer Bewegung, und daneben weiß er die zartesten Empfindungen zu beschleichen und den eben verschwebenden Ausdruck festzuhalten.“ 1

Dieses Bildnis stellt eine für die Geschichte der Stadt Florenz bedeutsame Schlacht dar, die Anghiarischlacht.

„Die ‚Anghiarischlacht’ ist das Bildnis einer Zusammenkunft des Talentes eines Künstlers, der es verstand extreme Widersprüche der menschlichen und tierischen Mimik und Gestik, sowohl die friedlichsten Regungen des menschlichen Antlitzes als auch die grausigste Verbissenheit eines Kampfes auf Leben und Tod darzustellen.“2

Leonardos unvollendetes Meisterwerk, soll in dieser Hausarbeit näher betrachtet werden. Jedoch besteht einzig und allein die Möglichkeit, Kopien dieses Werkes zu betrachten, da die beiden Originalfassungen Leonardos kurze Zeit nach deren Entstehung zugrunde gegangen sind. Denn sowohl Leonardos Entwurf auf einem Karton als auch das angefangene Wandgemälde sind Opfer der politischen Wirren geworden.

Dieses ist ganz besonders bedauerlich, denn die Zerstörung eines so großartigen Werkes, welches den Anfang einer neuen kunstgeschichtlichen Ära bildete, ist ein sehr großer Verlust für die Nachwelt.

Glücklicherweise konnte man Skizzen des Meisters sicherstellen, welche gut verwahrt in europäischen Museen zu finden sind, an denen sich seine gedanklichen und künstlerischen Entwicklungen im Bezug auf das Gemälde nachvollziehen lassen.

Zunächst möchte ich im ersten Kapitel einen kurzen Überblick über das Schaffen des Künstlers geben. Leonardo da Vinci gilt als ein Genie seiner Zeit, welcher nicht nur atemberaubende Gemälde erschuf, sich also nicht nur auf die Malerei, sondern auf die Wissenschaften verstand.

Danach werde ich erläutern, wie er zu dem Auftrag kam, ein Schlachtenbild zu malen, welches bis heute seinesgleichen sucht.

Außerdem werde ich erläutern, welche politischen und seelischen Verwirrungen Leonardo zur Nichtvollendung des Gemäldes veranlasst haben müssen und was daraufhin bei der Interpretation des Bildes beachtet werden muß.

Im zweiten Kapitel liegt das Augenmerk dann auf der Betrachtung des Kunstwerkes. Dazu gilt es, zu klären, inwieweit das unvollendet gebliebene Material die Idee des gesamtes Gemäldes aufnimmt und inwiefern die Skizzen da Vincis das gesamte Gemälde repräsentieren.

Hierzu sind in der Kunstgeschichte verschiedene Meinungen vertreten, welche ich anreißen werde um einen Überblick über die Kritikerdiskussion entstehen zu lassen.

Im dritten Kapitel werde ich eine Interpretation des Gemäldes versuchen, wobei ich näher auf Details der Skizzen und Kopien eingehen werde.

Abschließend möchte ich die Ergebnisse meiner Arbeit zusammenfassen und meine Überlegungen, welche ich zu einigen Punkten hatte, erläutern .

I. Leonardos Leben und Werk

1.1. Wie kam er zu dem Auftrag

Von allen großen Denkern der Renaissance gilt Leonardo wohl in größter Hinsicht dem Ideal des universellen Menschen.

„Leonardo da Vinci, Bürger von Florenz, obzwar unehelich geboren als Sohn des Ser Piero da Vinci, stammte auch mütterlicherseits von gutem Blute ab. Er war so außergewöhnlich und so allseitig, daß es scheint, als habe die Natur in seiner Erschaffung ein Wunder gewirkt; und das nicht nur wegen seiner leiblichen Schönheit, sondern auch wegen der mannigfachen Gaben, die sie ihm verlieh und in denen er sich zum Meister machte. Hochbegabt in der Mathematik, und nicht weniger in der Wissenschaft der Perspektive, hat er auf dem Gebiet der Skulptur und der zeichnenden Künste überhaupt alle anderen weit übertroffen.“ 3

Da seine Biografie allgemein bekannt ist, möchte ich hier auf eine Wiederholung dieser verzichten und nur kurz darauf hinweisen, dass Leonardo schon früh eine glänzende Laufbahn als Maler beschritt, jedoch nur wenige seiner Bilder vollendete. Seine technologischen Begabungen, sein Erfindungsreichtum waren mannigfaltig und er genoß großes Ansehen.

Er war der erste Künstler der für anatomische Studien, Körper sezierte, und er widmete sich mit großem Eifer dem „Studium der Leichen“ an der Universität von Pisa. So gewann der Meister durch seine Forschungen nicht nur anatomisch, sondern auch physiologische und morphologische neue Eindrücke. Leonardos neu entwickelte Zeichenweise gab nun jeden Knochen, jedes Organ und jeden Muskel des menschlichen Körpers wider, ja er konnte durch diese sogar besser als jeder andere den Ausdruck von Gefühlen zeichnerisch wiedergeben.

Er beschäftigte sich intensiv mit der Mechanik und entwarf mechanische Zeichnungen, von welchen viele nicht angewendet werden konnten oder aber erst viel später, nach Entwicklungen von Kraftquellen, wie zum Beispiel der Dampfmaschine, zur Verfügung standen.

Leonardo hatte einschneidende Erfahrungen mit Kriegen und der Machtpolitik seiner Epoche gesammelt, verfügte über kriegstechnische Kenntnisse und Erfindungen.

1482 bewarb sich Leonardo als Militäringenieur am Hofe von Ludovico Sforza und begann dort Kriegsmaschinen zu entwerfen und machte sich einen Namen als Stadtplaner.

Er wirkte unter anderem an der Befestigung des Mailänder Kastells mit. Auch Geschützgießen und ähnliches kannte er durch eigene Beteiligung.

Sein erster Mailänder Aufenthalt, bei welchem Leonardo eine Reihe künstlerischer Projekte unter der Regierung des Sforza-Hofes angefertigt oder noch nicht vollendet hatte, wurde durch die Vertreibung des Herzogs und den Machtantritt einer neuen Regierung, unterbrochen.

Dieser Umstand brachte Leonardo während der nationalen auch die private Tragödie.

Er musste auf die Vollendung seiner Arbeiten verzichten. Ja sogar sein mit Ehrgeiz geschaffenes riesiges Reiterdenkmal wurde durch französische Geschosse zerstört.

Diese Zerrissenheit der italienischen Politik dieser Jahre schaffte die Grundlage zu den großen Angriffen, welche Italien durch seine Gegner, die Franzosen und sogar Türken, die Erzfeinde der Christenheit, erleiden musste. Die militär- politischen Realitäten der Jahre nach 1500 waren, dass das seit Jahrzehnten erfolglose Florenz Gefahr lief, zum Spielball der Großmächte Frankreich, Spanien, der Papst und der Kaiser zu werden.

Florentiner Außenpolitik beruhte nicht auf militärischer Stärke und aktiven politischem Willen sondern aus besonnener Abwägung der politischen Situation.

Leonardo suchte nach neuen Aufgaben und fand sie in Florenz.

Zur Ermunterung des florentinischen Volkes wurde ihm als anerkannten Wasserbautechniker die Aufgabe zuteil, im florentinischen Lager von Pisa sich unterstützend an der Umleitung des Arno zu beteiligen und sie umzusetzen um das Gemüt der eigenen Leute, welche allen Belagerungen bis hier standgehalten hatten, zu stärken.

Außerdem erhielt Leonardo im Herbst 1503 den Auftrag, ein Wandgemälde anzufertigen, welches die „Schlacht von Anghiari“ darstellen sollte. Die Florentiner hatten in diesem kurzen aber harten Kampf, der am 29. Juni 1440 blutig zuende ging, den Mailändern getrotzt und sich gegen diese behauptet.

Dieser große kriegerische Wandschmuck, welcher den großen Ratssaal des Palastes der Regierung zieren würde, sollte den Charakter der Kriege der Condottieri im 13. und 14. Jahrhundert auf packende Weise enthüllen. Außerdem verfolgte man mit diesem Auftrag wohl das Ziel, der Bevölkerung Florenz’ den Ansporn zu neuen mutigen Kämpfen gegen die pisaer Feinde zu geben, welcher durch den historischen Sieg der Schlacht in Erinnerung gebracht werden sollte. Der Inhalt des Bildes war genau festgelegt. Es sollte ähnlich umfangreiche Darstellungen beinhalten, wie schon das Panoramabild Ucellos „Schlacht von Romano“ . Verschiedene Ereignisse würden simultan nebeneinander gezeigt werden.

Unter anderem sollten der mailändische Feldhauptmann Niccolo Piccinino mit seinen Reitern vor der Schlacht, die Vorbereitungen der Florentiner, eine Erscheinung des heiligen Petrus in einer Wolke, der dem „Patriarchen“ , dem auf florentinischer Seite anwesenden päpstlichen Legaten Kardinal Scarampi, Trost und Ermunterung spendet, die Schlacht selbst in ihren verschiedenen Phasen und zum Überfluß noch ein Siegesmahl am Schlachtenort auf einem Gemälde erscheinen.

Diese schwierige Aufgabe wäre für Leonardo wahrscheinlich ohne weiteres lösbar gewesen, jedoch setzte er diese Vorgaben ganz anders auf seinen Skizzen um So mußte das von der Signioria angstrebte Panoramabild in vieler Hinsicht da Vincis eigenen Vorstellungen einer Schlacht, welche nur vier Stunden dauerte und die nur einen Mann umbrachte, der von der Regierung erwarteten verfälschten , durch Gott und die Heiligen gebilligte Heldentat, weichen.

Leonardo äußerte sich gegen diesen endlosen Kriegszustand der italienischen Kleinstaaten, welcher durch die Schaffung des Bildes wieder angefacht werden sollte. Denn durch diese Kriege zerstörte sich das Land selbst und stürzte den Großteil seiner Bürger mehr und mehr in die Armut. Er nannte den Krieg eine „bestialissima pazzia“ eine „tierischste Dummheit“.4

Diese Aussage ist nach meiner Meinung sehr verwunderlich. Wir wissen, dass Leonardo sich schon früh mit dem Entwurf von Kriegsmaschinen beschäftigt hatte. Dies war auch einer der Gründe, warum er am Sforza- Hof angestellt war. Warum äußerte sich Leonardo dann auf diese Art über den Krieg?

Scheinbar hatte die Faszination des Künstlers, ein Modell zu entwerfen, welches in mechanischer und technischer Hinsicht prädestiniert war, einen Kampf zu gewinnen, nichts mit den bösen Auswirkungen der Geschosse gemein. Ich will damit sagen, dass sich hier wahrscheinlich künstlerisches Schaffen auf der einen Seite und bestialische Gewalt auf der andern Seite gegenüberstanden.

Leonardo nahm also den Auftrag der florentinischen Regierung an, das Gemälde zu malen. Er verpflichtete sich eine termingerechte 1:1 Vorlage auf Karton anzufertigen und sie danach auf die Wand des Palazzos zu übertragen. Da dieser Termin sehr knapp gefasst war- denn das Gemälde sollte ja der Bevölkerung, wie oben erwähnt, zu Propagandazwecken für anstehende Kämpfe dienen- kam es zu zeitlichen Komplikationen, welche sowohl Auftraggeber als auch Künstler zu dem Kompromiss zwangen, die noch nicht vollendete Skizze an die Wand zu übertragen.

Da Leonardo das Thema nicht selbst wählte, sondern ihm nicht nur das Thema sondern auch die Umsetzung weitestgehend vorgegeben waren kam es, wie schon angedeutet zu einem Konflikt Leonardos zwischen dem ihm gegebenen Auftrag und seinen Vorstellungen, wie er die Schlacht darstellen wollte.

So sieht der Betrachter auf den erhaltenen Skizzen eine sich langsam, zur letztendlichen Bildidee vortastende Entwicklung.

Vergleicht man diese Studien auf denen Reiter, Fußsoldaten, Pferde in Kampfespositionen zu sehen sind, lässt sich eine immer größer werdende Abkehr von der eigentlichen Vorgabe zum, auf das Wesentlichste konzentrierte, erkennen.

[...]


1 Heinrich Wölfflin: Die klassische Kunst eine Einführung in die italienische Renaissance. 8. Aufl. Basel o. J.

2 Leonardo da Vinci. Der Künstler und seine Zeit Hrsg. Heinz Lüdecke. Berlin 1952 S. 87

3 Anonimo Magliabecchiano (Gaddiano, hg. V. C. Frey, Berlin 1892 in Ernst Ullmann: Leonardo Da Vinci. Leipzig 1980 S. 16

4 Leonardo da Vinci. Der Künstler und seine Zeit Hrsg. Heinz Lüdecke. Berlin 1952 S. 81

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Medialität des Krieges: Anghiarischlacht
Hochschule
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Note
1,7
Autor
Jahr
2007
Seiten
20
Katalognummer
V147537
ISBN (eBook)
9783640584048
ISBN (Buch)
9783640583775
Dateigröße
488 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Medialität, Krieg, Gemälde
Arbeit zitieren
MA Sylvia Meyer (Autor:in), 2007, Medialität des Krieges: Anghiarischlacht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/147537

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