Was ist Wirklichkeit? „Des Kaisers neue Kleider“ ist eines der bekanntesten Märchen des dänischen Schriftstellers Hans Christian Andersen. Es handelt von zwei Betrügern, die behaupten, dem Kaiser ein Kleid weben zu können, welches für ungebildete und unfähige Menschen unsichtbar bleibt. Von Grund auf begeistert, gibt der Herrscher das Kleidungsstück in Auftrag und hofft somit, untaugliche Staatsdiener erkennen zu können. Die wundersame Kraft des Kleides spricht sich herum und so wagt niemand – auch der Kaiser nicht – zuzugeben, dass sie alle nichts von der sonderbaren Kleidung sehen. Vielmehr bewundern die Leute den Kaiser mit dem kostbaren Gewand. Lediglich ein kleines Kind ruft plötzlich: “Aber er hat ja gar nichts an!“
Das Märchen regt in seiner phantasievollen Gestaltung zu mannigfaltigen Interpretationen an und lässt verschiedenste Deutungen zu. Es symbolisiert die Unbekümmertheit von Kindern, die Wahrheit auszusprechen, während sich Erwachsene keine Blöße geben wollen. „Des Kaisers neue Kleider“ stellt die Frage nach Sein und Schein, nach Wahrheit und Täuschung und nach Wirklichkeit und Illusion. Was sehen wir, wenn wir etwas sehen? – Dies ist nicht nur in Anbetracht des Märchens ein interessanter Aspekt, sondern stellt zudem einen zentralen Gegenstand im Konstruktivismus dar (vgl. Siebert 2005, S. 7). Im Kontext der Präsentation im Seminar „Beratung als Arbeitsfeld in der Erwachsenen- und Weiterbildung“ wurde die Seminargruppe an dieser Stelle aktiv in die Thematik mit einbezogen. Das Plenum hatte die Aufgabe, die vorliegenden Abbildungen 1 und 2 zu interpretieren bzw. erste Eindrücke zu nennen. Bild 1 stellt eine optische Täuschung dar, bei der nicht bestimmt werden kann, ob es sich bei der Ansicht auf die Plattform um eine Vogel- oder Froschperspektive handelt. Dies wurde bei der Übung von allen Teilnehmern bestätigt. [...]
Diese zwei Übungen verdeutlichen, wie selektiv unsere Wahrnehmung arbeitet und dass wir uns das konstruieren, was wir erwarten. Man spricht an dieser Stelle von einem so genannten Filter der Wahrnehmung. Die Verarbeitung der durch die Sinne aufgenommenen Informationen basiert auf der Grundlage persönlicher Erfahrungen und des individuellen Weltwissens. Die Sinneswahrnehmung des Menschen bildet die Wirklichkeit folglich nicht ontologisch-objektiv ab, wie sie ist, sondern jedes Individuum konstruiert seine Wirklichkeit rein subjektiv.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Konstruktivismus: Was ist das?
- Kernthese des Konstruktivismus
- Lerntheorie
- Lernen in einer konstruktivistischen Pädagogik
- Konstruktivistisches Lernen
- Bezug zur Erwachsenenbildung und Beratung
- Merkmale der konstruktivistischen Sichtweise
- Sozialkonstruktivismus und sozial-kognitive Perspektive
- Explizit konstruktivistische Perspektive
- Zusammenfassung
- Quellenangabe
- Abbildungsverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Konstruktivismus und dessen Bedeutung für die Beratung im Kontext der Erwachsenen- und Weiterbildung. Ziel ist es, die Kernaussagen des Konstruktivismus zu erläutern und dessen Einfluss auf die Denkweise und Praxis der Beratung aufzuzeigen.
- Die Kernthese des Konstruktivismus und seine Bedeutung für das Verständnis von Wirklichkeit und Lernen
- Die Rolle des Konstruktivismus in der Erwachsenenbildung und Beratung
- Die unterschiedlichen Perspektiven des Konstruktivismus und ihre Implikationen für die Beratungspraxis
- Die Bedeutung des Konstruktivismus für die Förderung von Selbstreflexion und eigenverantwortlichem Lernen
- Die Herausforderungen und Chancen des konstruktivistischen Ansatzes in der Beratung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik des Konstruktivismus ein und stellt anhand des Märchens "Des Kaisers neue Kleider" die Frage nach der subjektiven Konstruktion von Wirklichkeit. Das zweite Kapitel definiert den Begriff des Konstruktivismus und beleuchtet seine Kernaussagen. Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit der Lerntheorie und erläutert die Bedeutung des Konstruktivismus für das Verständnis von Lernprozessen. Das vierte Kapitel untersucht die Relevanz des Konstruktivismus für die Erwachsenenbildung und Beratung, wobei die unterschiedlichen Perspektiven des Konstruktivismus beleuchtet werden.
Schlüsselwörter
Konstruktivismus, Beratung, Erwachsenenbildung, Weiterbildung, Wirklichkeit, Lernen, Subjektivität, Objektivität, Wahrnehmung, sozial-kognitive Perspektive, explizit konstruktivistische Perspektive, Selbstreflexion, eigenverantwortliches Lernen.
- Citar trabajo
- Janett Hemstedt (Autor), 2010, Der Konstruktivismus und seine Bedeutung für die Beratung , Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/148161