Moralische und rechtliche Verantwortung bei Arthur Schopenhauer


Hausarbeit (Hauptseminar), 2009

21 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

Einleitung

1. Moral und Recht bei Schopenhauer
1.1 Der Begriff der Moral
1.2 Der Begriff des Rechts
1.2.1 Moralisches Recht
1.2.2 Positives Recht

2. Das Individuum und die Moral
2.1. Der individuelle Charakter
2.2. Das Gewissen

3. Das Individuum und das Recht

4. Moralische Verantwortung

5. Rechtliche Verantwortung

6. Fazit

7. Verwendete Literatur

Einleitung

Zu den ersten Erfordernissen des Philosophierens gehört nach Schopenhauer, keine Frage auf dem Herzen zu behalten.[1] Zu den philosophischen Fragen gehört demnach auch die Frage nach der Bedeutung von Recht und Moral bzw. des Ursprungs, der Begründung und Beschaffenheit von Rechts – und Moralsystemen als Teil des menschlichen Lebens.

Ist eine Funktion von Moral und Recht die Bewertung und Regulierung menschlicher Absichten und Handlungen, so ist mit der Bewertung menschlicher Handlungen aus moralischer und rechtlicher Sicht notwendigerweise die Frage nach der individuellen Verantwortung verbunden. Aufgrund welcher Kriterien ist der Mensch für sein eigenes Handeln zur Verantwortung zu ziehen? Sind diese Kriterien erfüllt? Nach Schopenhauer ist die Verantwortung für das eigene Handeln bei jedem Menschen eindeutig gegeben. Jeder Mensch ist nach Schopenhauer „sein eigenes Werk“[2] und ist somit in der Folge voll und ganz für sich und für sein Handeln verantwortlich.

Die zentrale Frage ist: Wie ist dieser Begriff der Verantwortung bei Schopenhauer begründet? Wieweit reicht diese Begründung? Gibt es Widersprüche?

Zunächst ist es notwendig, Schopenhauers Verständnis der Begriffe „Moral“ und „Recht“, ihre Abgrenzung und ihre gegenseitige Bezogenheit nachzuvollziehen. In einem zweiten Schritt soll auf grundsätzliche, bei Schopenhauer angenommene Merkmale und Eigenschaften eingegangen werden, die für jeden Menschen wesensbestimmend sind und - vor dem Hintergrund der Annahme, dass jeder Mensch sein eigenes Werk ist - im Bezug auf Recht und Moral wichtig sind. Dies sind vor allem der menschliche Charakter und das menschliche Gewissen.

Auf die Willensmetaphysik Schopenhauers soll in diesem Zusammenhang nicht näher eingegangen werden. Die Prämisse, das es den einen, freien und alles erschaffenden Willen gibt, aus dem die Welt und alles was in ihr ist, hervorgeht muss aber als grundlegende Annahme Schopenhauers notwendigerweise berücksichtigt werden, da als Folge dieser Annahme alles was in der Welt ist mit ihr zusammenhängt.

Die Textgrundlage dieser Arbeit sind für die die Ausgangsfrage wichtigen Abschnitte aus Schopenhauers Gesamtwerk. Dies umfasst Passagen aus dem ersten und zweiten Band von „Die Welt als Wille und Vorstellung“, dem 2. Band der „Parerga und Paralipomena“ sowie der „Preisschrift über die Grundlage der Moral.“ Verwendet wurde die von Ludger Lütkehaus herausgegebene und im Hafmanns Verlag erschienene Gesamtausgabe.

1. Moral und Recht bei Schopenhauer

1.1 Der Begriff der Moral

Der Mensch, welcher sich über die moralische Bedeutung von Handlungen Klarheit verschafft, kann dies nicht durch abstrakte Erkenntnis tun, also etwa durch die Vermittlung moralischer Regeln und deren Erklärung. Schopenhauer begründet dies mit der Erfahrung. Die Rezeption moralische Regeln und Predigten ist nutzlos weil sie bei den Adressaten keine moralischen Handlungen hervorbringt. Abstrakte Erkenntnis führt nicht zu moralisch richtigem Handeln.[3] Die Moral betrifft im Gegensatz dazu die innere Bedeutung von Handlungen. Diese innere Bedeutung des Handelns liegt in dem Willen, bzw. der Gesinnung desjenigen, der die Handlung ausübt.[4] Schopenhauer spricht auch von der inneren, moralisch subjektiven Seite.[5] Der Wille wird von jedem Menschen intuitiv, als Gefühl, erkannt. Die Moral, bzw. der moralische Wert von Handlungen entspringt also einer unmittelbaren gefühlten und nicht aus einer abstrakten Erkenntnis. Das Erfassen moralischer Bedeutung und die moralische Bewertung von Handlungen ist in diesem Zusammenhang für den Einzelnen möglich. Begriffe wie gut und schlecht orientieren sich zunächst an der Übereinstimmung mit dem eigenen Willensdrang. Was ihn bejaht, d. h. im widerspricht, ist schlecht, was ihm entspricht ist gut.[6] Die Erfassung der moralischen Bedeutung von Begriffen wie Mitleid, Gerechtigkeit und Menschenliebe wird ebenfalls die intuitiv erfasst.[7] Die Erkenntnis ist auch hier eine subjektive, geht aber über die Erkenntnis des eigenen Willens hinaus. Wie der Mensch den eigenen Willensdrang und die Bejahung und Verneinung des Willensdranges durch eine Handlung intuitiv erkennt, so kann er dies auch bei anderen Menschen. Schopenhauer spricht in diesem Zusammenhang von anschaulicher Erkenntnis. So führt etwa das Erleben bzw. Erfahren von fremdem Leid zu Mitleid. Das fremde Leid wird als fremdes erkannt und trotzdem intuitiv gefühlt, als ob es das Eigene wäre. Der Betrachter vollzieht das Leid also nach, erfährt das Fremde Leid „am eigenen Leib“ und handelt in der Folge uneigennützig.[8]

Diese Erkenntnis ist – nach Schopenhauer – möglich, weil der Wille, der sich in den Individuen unmittelbar und intuitiv zeigt, Teil eines freien und unteilbaren Willens ist, welcher die Welt – und somit auch die Individuen - erschafft, indem er sich in ihr objektiviert. Dieser Wille - in seiner Bejahung und Verneinung - ist das, was der Welt und somit der Erscheinung der Welt vorausgeht.[9] Dieses Wesen der Welt spricht sich in jedem Menschen als Gefühl aus. Er ist ewig und unveränderlich, da er den Gegebenheiten, Veränderungen und Irrtümern der Erscheinung nicht unterworfen ist.[10]

Sowohl der Wille als Ausgangspunkt der Argumentation als auch die aus der intuitiven Erkenntnis des Willens resultierenden moralischen Begriffe wie etwa das Mitleid, welches bei Schopenhauer die Grundlage moralischen Handelns überhaupt ist, sind dabei nicht in letzter Instanz begründbar.[11] Sie werden intuitiv erfahren, da das Wesen der Welt sich jedem Menschen als Gefühl ausspricht.[12] Schopenhauer verweist in diesem Zusammenhang darauf, auf die unmittelbare Spürbarkeit des Willens und darauf, dass jeder Mensch schon mal eine Mitleidsempfindung hatte.

Die Erkenntnis bzw. das Spüren des fremden Willens – etwa im Zuge des Mitleids ist auch die Aufhebung der in der Erscheinung vollzogenen Teilung des einen Willens und die Aufrechterhaltung der Vereinzelung. Das Mitleid als echte Moralität betrifft demnach immer das Ding an sich, während im Gegensatz dazu unmoralisches Handeln, etwa egoistisches Handeln im Irrtum der Erscheinung verhaftet bleibt.[13]

Moral, das Moralische, bzw. Moralität werden also immer intuitiv erfasst. Das intuitiv Erfahrene kann zwar abstrahiert werden, etwa in Form von Verhaltensregeln, Grundlage hierfür ist aber immer die Erkenntnis des eigenen, oder des fremden Willens.[14] In dieser Form aufgefasst sind folglich auch Unrecht und Recht moralische Begriffe.

[...]


[1] A., Schopenhauer, Parerga und Paralipomena II, in: L., Lütkehaus (Hrsg.), Arthur Schopenhauers Werke in fünf Bänden, Band V, Frankfurt am Main 2006, S.10.

[2] A., Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung II, in: L., Lütkehaus (Hrsg.), Arthur Schopenhauers Werke in fünf Bänden, Band II, Frankfurt am Main 2006, S.685.

[3] A. Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung I, in: L., Lütkehaus (Hrsg.), Arthur Schopenhauers Werke in fünf Bänden, Band II, Frankfurt am Main 2006, S.475.

[4] Wille und Vorstellung I, S.442.

[5] Wille und Vorstelllung II, S.687.

[6] Wille und Vorstellung I, S.466.

[7] A. Schopenhauer, Preisschrift über die Grundlage der Moral, in: L., Lütkehaus, Arthur Schopenhauers Werke in fünf Bänden, Band III, Frankfurt am Main 2006, S.364 – 365/S.569.

[8] A., Schopenhauer, Preisschrift über die Grundlage der Moral, in: in: L., Lütkehaus (Hrsg.), Arthur Schopenhauers Werke in fünf Bänden, Band II, Frankfurt am Main 2006S.563 – 564.

[9] Wille und Vorstellung I, S.376, S.455.

[10] [10] Wille und Vorstellung I, S.455.

[11] Wille und Vorstellung II, S.687; Preisschrift über die Grundlage der Moral, S.565.

[12] Wille und Vorstellung I, S.358.

[13] Preisschrift über die Grundlage der Moral, S.553 - 554/S.586.

[14] Preisschrift über die Grundlage der Moral, S.571.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Moralische und rechtliche Verantwortung bei Arthur Schopenhauer
Hochschule
Universität Duisburg-Essen  (Institut für Philosophie)
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
21
Katalognummer
V148212
ISBN (eBook)
9783640588183
ISBN (Buch)
9783640588084
Dateigröße
451 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Arthur Schopenhauer, Ethik, Rechtsphilosophie, Philosophie des 19. Jahrhunderts, Moralsysteme, Moralische und rechtliche Verantwortung, Die Welt als Wille und Vorstellung, Schopenhauers Willensmetaphysik
Arbeit zitieren
Simon Muss (Autor:in), 2009, Moralische und rechtliche Verantwortung bei Arthur Schopenhauer, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/148212

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