Im Unterschied zur Rechtsprechung im Rahmen der klassischen Gewaltenteilung fällt dem
Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nicht lediglich die Aufgabe zu, am vorgegebenen
Maßstab des gesetzten Rechtes die Wirklichkeit zu überprüfen.1 Vielmehr besitzt das
Bundesverfassungsgericht als selbständigem Verfassungsorgan eine Fülle an Kompetenzen,
die ihm einen „Anteil an der Staatsleitung“2 zukommen lassen.
Willi Geiger zählt in „Verfassungsgerichtsbarkeit im dritten Jahrzehnt“ drei Dimensionen auf
in denen sich ein Verfassungsgerichts legitimieren muss. Einmal durch die Erfüllung seiner
Funktion, den Schutz des demokratischen Rechtsstaates und der bundesstaatlichen Struktur,
zweitens durch die Qualität seiner Rechtsprechung und drittens nach der Legitimation als
Verfassungsorgan, also die Frage nach der demokratischen Legitimationskette.3 Daraus
erwachsen vier zentrale Forderungen an die Regelung der Richterbestellung, die sich nicht
leicht vereinbaren lassen. Dies sind nach Heinz Laufer zuerst demokratische Legitimierung der
Verfassungsrichter, dann der Ausschluss einseitiger Einflüsse bei der Richterwahl, weiter die
Forderung nach hoher richterlicher Qualität und schließlich föderative Repräsentation. Diese
Forderungen, die Laufer als „magisches Viereck der Richterbestellung“ bezeichnet, schaffen
erst die Möglichkeit für eine substantielle Funktionsfähigkeit des Verfassungsgerichts.4
In der folgende Hausarbeit soll die Frage geklärt werden, ob das Wahlverfahren der Richter
die Anforderungen, eine demokratische Legitimation des an der Staatsleitung beteiligten
Verfassungsorgans „Bundesverfassungsgericht“ zu leisten, in der Lage ist.
Dabei soll in einem ersten Schritt eine ausführliche Darstellung der Richterwahl gegeben
werden. Anschließend werden Kritikansätze dargestellt, um dann zu Ende die obige Frage zu
diskutieren.
1v gl. Rudzio, W., Das politische System, 2000, S. 329
2 Stern, K., Staatsrecht, 1980, S. 951
3vgl. Geiger, S. 73 in: Frowein, J., Bundesverfassungsgericht, 1973
4vgl. Laufer, H., Verfassungsgerichtsbarkeit, 1968, S. 207
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Gesetzliche Grundlagen der Richterwahl
- Die Normierung in Grundgesetz und Bundesverfassungsgerichtsgesetz
- Die allgemeinen Voraussetzungen für die Wählbarkeit
- Das gesetzliche Wahlverfahren
- Kandidatenauswahl
- Liste des Bundesministerium der Justiz
- Vorschlagsrecht des Bundesverfassungsgericht
- Die Wahl in Bundestag und Bundesrat
- Aufteilung der Richterstellen
- Die Wahl im Bundestag
- Das Wahlverfahren im Bundesrat
- Die Ernennung durch den Bundespräsidenten
- Kandidatenauswahl
- Die Praxis der Verfassungsrichterwahl
- Die Auswahl der Kandidaten
- Das praktizierte Wahlverfahren
- Kritik am Wahlverfahren
- Kritik an den gesetzlichen Regelungen der Richterwahl
- Kritik am Wahlausschuss des Bundestags
- Kritik an der Transparenz des Wahlverfahrens
- Bewertung der Kritik an der gesetzlichen Ausgestaltung der Verfassungsrichterwahl
- Kritik an der Praxis der Wahl
- Kritik an den gesetzlichen Regelungen der Richterwahl
- Demokratische Legitimation des Bundesverfassungsgerichts
- Keine demokratische Legitimation durch Responsivität
- Richterwahl: Demokratische Legitimation oder politischer Kuhhandel?
- Zwei Anmerkungen zur Vollständigkeit
- Unterschiedliche Grade an politischer Legitimation durch zwei Wahlorgane?
- Das Wahlverfahren und die richterliche Unabhängigkeit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit analysiert das Wahlverfahren der Richter am Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Hinblick auf seine Fähigkeit, eine demokratische Legitimation des BVerfG als Verfassungsorgan zu gewährleisten.
- Analyse der gesetzlichen Grundlagen der Richterwahl
- Darstellung des Wahlverfahrens in der Praxis
- Kritik an den rechtlichen und praktischen Aspekten des Wahlverfahrens
- Diskussion der Frage, ob die Richterwahl eine demokratische Legitimation des BVerfG ermöglicht
- Untersuchung der Auswirkungen des Wahlverfahrens auf die richterliche Unabhängigkeit
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt das BVerfG als Verfassungsorgan mit einer „Fülle an Kompetenzen“ vor, die ihm einen „Anteil an der Staatsleitung“ zukommen lassen. Die Arbeit untersucht, ob das Wahlverfahren der Richter die Anforderungen erfüllt, eine demokratische Legitimation dieses Organs zu gewährleisten.
Kapitel II beleuchtet die gesetzlichen Grundlagen der Richterwahl. Es werden die relevanten Regelungen im Grundgesetz (GG) und im Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) dargestellt, einschließlich der formalen Voraussetzungen für die Wählbarkeit.
Kapitel III beschreibt das gesetzliche Wahlverfahren im Detail. Es werden die Prozesse der Kandidatenauswahl, der Wahl in Bundestag und Bundesrat sowie die Ernennung durch den Bundespräsidenten erläutert.
Kapitel IV befasst sich mit der Praxis der Verfassungsrichterwahl. Die Auswahl der Kandidaten und das tatsächliche Wahlverfahren werden anhand von Beispielen näher beleuchtet.
Kapitel V präsentiert Kritikpunkte am Wahlverfahren. Es werden sowohl die gesetzlichen Regelungen als auch die Praxis der Wahl kritisch betrachtet.
Schlüsselwörter
Die Arbeit fokussiert auf die Themen der Verfassungsgerichtsbarkeit, Richterwahl, demokratische Legitimation, politischer Kuhhandel, richterliche Unabhängigkeit, Bundesverfassungsgericht, Grundgesetz, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Bundestag, Bundesrat, Bundespräsident.
- Arbeit zitieren
- Johannes Dejon (Autor:in), 2003, Die Wahl der Richter zum Bundesverfassungsgericht: Demokratische Legitimation oder politischer Kuhhandel?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14825