Die Entscheidung für das Leben und den nächsten Schritt bewältigen, indem die KZ-Häftlinge Techniken entwickelten, um zu überleben, war von grundlegender Bedeutung für ihr weiteres Dasein. Diese Techniken verfolgten drei Ziele. Zunächst war es das Ziel, an Nahrung zu gelangen und damit verbunden den eigenen Körper vor dem Verfall zu schützen.
Neben dem Schutz des Körpers steht auch der Schutz der Psyche und der eigenen Identität. Diese Hausarbeit wird sich mit diesen Techniken, die die KZ-Häftlinge zur Zeit des Nationalsozialismus anwandten, um das harte KZ-Leben zu überstehen, befassen. Bei den
aufgezeigten Überlebensstrategien handelt es sich hauptsächlich um Darstellungen von ehemaligen KZ-Häftlingen aus den Außenlagern des KZ-Systems Neuengamme. Zunächst sollen Methoden und Möglichkeiten aufgezeigt werden, die die Häftlinge gebrauchten, um
sich zusätzliche Lebensmittel zu beschaffen. Diese unterteilen sich in innerkonzentrationäre und außerkonzentrationäre Möglichkeiten. Das Erlangen von zusätzlichen Lebensmitteln nimmt die wichtigste Rolle beim Kampf um das Überleben ein und wird hier daher umfassend dargestellt.
Im Anschluss daran werden weitere Praktiken, die nicht primär das Erlangen von zusätzlichen Nahrungsmitteln beabsichtigen, herangezogen und erläutert. Hierunter fallen unter anderen Solidaritätsgruppen, Körperhygiene und die psychische Einstellung gegenüber den Lagerbedingungen.
Die Besonderheiten weiblicher Überlebensstrategien werden in Kapitel 3 vorgestellt. Lagerfamilien, kulturelle und religiöse Aktivitäten, sozialisationsbedingte Fähigkeiten sowie persönliche Kontakte stehen hier im Mittelpunkt der Überlebenssicherung.
Diese Hausarbeit zielt darauf ab, die möglichen – und doch stark eingeschränkten – Methoden aufzuzeigen, die für KZ-Häftlinge machbar waren und wodurch sie ihr Überleben sichern konnten. Fernen sollen die Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen
Überlebensstrategien beleuchtet werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Allgemeine Überlebensstrategien
2.1. Überlebensfördernde Faktoren
2.2. Erlangen zusätzlicher Lebensmittel
2.2.1. Innerhalb des Lagers
2.2.2. Außerhalb des Lagers
2.3. Weitere Überlebensstrategien
3. Weibliche Überlebensstrategien
3.1. Lagerfamilien
3.2. Kulturelle und religiöse Aktivitäten
3.3. Sozialisationsbedingte Fähigkeiten
3.4. Persönliche Kontakte
4. Resümee
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Wenn er nichts weiter tat, als die Pritsche mit jemandem zu teilen, frierend auf den Arbeitsplatz hinauszugehen, seine Suppenschüssel auszulöffeln, dann war sein Schicksal besiegelt. Er mußte selbst Handlungen entwerfen, die darüber hinausgingen; er mußte begreifen, dass in der Selektion der erste Schritt einer Entscheidung für sein Leben getroffen worden war, deren zweiter Schritt er selbst tun mußte.1
Falk Pingel beschreibt mit dieser Aussage, was dem Überleben aller KZ Häftlinge vorausging, damit sie die schwierigste und schlimmste Aufgabe ihres Lebens bestehen konnten. Das bloße Dahinleben und das Hoffen auf ein baldiges Ende dieser Phase konnte ihr Leben nicht sichern. Die Entscheidung für das Leben und den nächsten Schritt bewältigen, indem sie Techniken entwickelten, um zu überleben, war von grundlegender Bedeutung für ihr weiteres Dasein. Diese Techniken verfolgten drei Ziele. Zunächst war es das Ziel, an Nahrung zu gelangen und damit verbunden den eigenen Körper vor dem Verfall zu schützen. Neben dem Schutz des Körpers steht auch der Schutz der Psyche und der eigenen Identität.
Diese Hausarbeit wird sich mit diesen Techniken, die die KZ-Häftlinge zur Zeit des Nationalsozialismus anwandten, um das harte KZ-Leben zu überstehen, befassen. Bei den aufgezeigten Überlebensstrategien handelt es sich hauptsächlich um Darstellungen von ehemaligen KZ-Häftlingen aus den Außenlagern des KZ-Systems Neuengamme. Zunächst sollen Methoden und Möglichkeiten aufgezeigt werden, die die Häftlinge gebrauchten, um sich zusätzliche Lebensmittel zu beschaffen. Diese unterteilen sich in innerkonzentrationäre und außerkonzentrationäre Möglichkeiten. Das Erlangen von zusätzlichen Lebensmitteln nimmt die wichtigste Rolle beim Kampf um das Überleben ein und wird hier daher umfassend dargestellt.
Im Anschluss daran werden weitere Praktiken, die nicht primär das Erlangen von zusätzlichen Nahrungsmitteln beabsichtigen, herangezogen und erläutert. Hierunter fallen unter anderen Solidaritätsgruppen, Körperhygiene und die psychische Einstellung gegenüber den Lagerbedingungen.
Die Besonderheiten weiblicher Überlebensstrategien werden in Kapitel 3 vorgestellt. Lagerfamilien, kulturelle und religiöse Aktivitäten, sozialisationsbedingte Fähigkeiten sowie persönliche Kontakte stehen hier im Mittelpunkt der Überlebenssicherung.
Diese Hausarbeit zielt darauf ab, die möglichen - und doch stark eingeschränkten - Methoden aufzuzeigen, die für KZ-Häftlinge machbar waren und wodurch sie ihr Überleben sichern konnten. Fernen sollen die Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Überlebensstrategien beleuchtet werden.
2. Allgemeine Überlebensstrategien
2.1. Überlebensfördernde Faktoren
Neben kollektiven und individuellen Überlebensstrategien, die die Häftlinge während ihrer Haftzeit entwickelten, bestimmten auch gewisse nicht beeinflussbare Faktoren das Überleben eines KZ-Häftlings. Diese Faktoren trugen stark dazu bei, ob sie das Leben im Konzentrationslager überlebten oder nicht. Im Folgenden sollen drei dieser überlebensfördernden bzw. lebensbedrohenden Faktoren genannt und erläutert werden.
Das Überleben eines Häftlings ist stark an die jeweilige Position in der SS-Klassifikation gebunden. Die Klassifikation orientierte sich vor allem an den Haftgründen. Die SS und auch andere Häftlinge konnten anhand farblicher Winkel, die auf der rechten Brust angebracht werden musste, sofort erkennen, ob es sich um einen Juden, einen Kriminellen, einen politische Häftling oder auch um einen Asozialen oder Zigeuner handelte. Als zweites wichtiges Kriterium der Klassifikation galt die nationale Herkunft. Nebensächlich, aber dennoch zu nennen, waren die Kriterien der politischen Feindlichkeit und die Abweichung von den sozialen Erwartungen.2 Diese Klassifikation spielte eine Rolle dabei, wie die SS mit den Häftlingen umsprang und wie hart ihr Vorgehen gegen diese Häftlingsgruppe aussah. Auch die anderen Häftlinge, die schon im vorkonzentrationären Leben eine bestimmte Einstellung gegenüber einer dieser Gruppen hatten, behandelten sie nun entsprechend ihrer Winkelfarbe.3
Außerdem war das Überleben abhängig vom jeweiligen Lager und dem dort herrschenden Vernichtungsdruck.4 Die Sterblichkeit hing von der Härte der Arbeit, die die Häftlinge verrichten mussten und dem SS Personal, das von Lager zu Lager unterschiedlich war, ab. Daher ist es sinnvoll, den Blick auch auf das Lager zu richten, wenn man das Überleben eines Häftlings näher betrachten möchte.
Als dritten Faktor sind die kulturellen und beruflichen Fähigkeiten zu nennen, die ein Häftling mit ins Lager brachte. Ein gebildeter Häftling konnte so eine Funktionsposition z.B. als Schreiberling einnehmen und eine bessere Versorgung erhalten. Berufliche Fähigkeiten können Häftlinge vor einer Vernichtung schützen. Ein Metallarbeiter ist wichtig für die Rüstungsindustrie und hat folglich die Chance von der SS verschont zu werden. Allerdings sind diese Fähigkeiten nicht immer vorteilhaft für die Insassen. Es konnte dazu kommen, dass sich die SS durch die Intellektuellen gereizt fühlten, da sie ihr Verhalten für überheblich empfunden. Negativ konnte sich außerdem auch die Einstellung eines Arbeiters auswirken, wenn er daran gewöhnt, sehr hart zu arbeiten, um anerkannt zu werden. Mit einem solchen Engagement im Konzentrationslager konnte er sich zu Tode schuften.5
2.2. Erlangen zusätzlicher Lebensmittel
Die häufigste Todesursache in Konzentrationslager war der Mangel an Nahrungsmitteln. Er führte zu Verhungern und starker Schwächung, wodurch die aufgetragenen Arbeiten nicht mehr zu bewältigen waren. Zudem brachte der Nahrungsmangel auch Krankheiten mit sich, an denen viele Häftlinge zu Grunde gingen. Diese Tatsache führte dazu, dass als erste und wichtigste Aufgabe der Häftlinge, um das eigene Überleben zu sichern, das Erlangen zusätzlicher Lebensmittel wurde. Sie entwickelten mehrere Strategien und Methoden, um an selbige zu gelangen.
2.2.1. Innerhalb des Lagers
Zunächst wurde versucht im Lager selbst an Essen zu gelangen. Dementsprechend kam es selbst bei der Aufteilung des zugewiesenen Essens zu Konflikten. So berichtet ein Zeitzeuge, dass bei der Einteilung eines Brotleibs immer wieder Streit aufkam, wer das Endstück erhält, da dieses immer am größten ausfiel. Sie entwickelten in Folge dessen eine Reihenfolge, die festlegte, wann und wer das Endstück bekam.6 Eine andere Zeitzeugin hingegen berichtet, dass eine ihrer Zimmergenossinnen zur Blockführerin ernannt wurde und von nun an zuständig war für die Suppenverteilung. Es gelang ihr dadurch, eine größere Portion bei der Essensvergabe zu erhalten. Dies flog jedoch bald auf und die anderen Häftlinge beschwerten sich, da sie bemerkten, dass sie mehr Essen erhielten.7
Viele Zeitzeugen berichten außerdem von Essensfantasien, die sie vom allgegenwärtigen Hunger ablenkten. Die Häftlinge redeten abends nach getaner Arbeit ausschließlich vom Essen. Was sie mal gegessen haben, was sie gerne essen und was sie nach der Zeit im Konzentrationslager gerne essen würden.8 Auch das Erzählen und Aufschreiben von Kochrezepten unter weiblichen Häftlingen zählt zu den Essensfantasien, die bei der Bewältigung des Hungers halfen.910 Ferner trat das Erfinden von Essenssurrogaten hinzu.
Rite Koopmann bemerkte bei der Arbeit mit Telefunken, dass der Finger beim Verbrennen an einer Feder nach Erdnüssen schmeckte und sie so ihren Hunger stillen konnte, obwohl sie nichts zu sich nahm.11
In den Lagern gab es daneben auch die Möglichkeit über Diebstahl oder Tauschhandel an Essen zu gelangen. Bekam z.B. ein schwacher Häftling ein Extrastück Brot zugeteilt, entfachte es einen regelrechten Kampf unter den anderen Häftlingen, berichtet die ehemalige KZ-Insassin Pilip Bojko. Es herrschte eine ständige Angst, dass das eigene Brot, das man vielleicht irgendwo aufbewahrte, da man es über den Tag verteilt essen wollte, gestohlen werden könnte.12 Der Tauschhandel bot eine Alternative, die weniger unmoralisch war. Gegenstände, die man selbst anfertige, weil man handwerklich besonders geschickt war13 oder welche in den Trümmern gefunden wurden14, konnte man bei anderen Häftlingen oder auch beim Wachpersonal gegen Essen und andere Dinge eintauschen.
Der Hunger quälte die Häftlinge dermaßen, dass sie beinahe alles aßen. Vor Baumwurzeln und -rinden sowie Gräser schreckten die Häftlinge nicht ab. Hundefutter, das für die Wachhunde gedacht war und sogar der SS-Hund selbst, wie es von Bremen-Farge berichtet wird, wurden verzehrt. Vereinzelt soll es in den Lagern sogar zu Kannibalismus gekommen sein.15
2.2.2. Außerhalb des Lagers
Für die KZ-Häftlinge gab es auch außerhalb des Lagers Möglichkeiten, Lebensmittel zu finden oder zu erhalten. Dies lag unter anderen daran, dass KZ-Häftlinge seit 1942 vermehrt für die Rüstungsindustrie eingesetzt wurden16 und daher ihre Lager häufig verlassen mussten, um an ihren Arbeitsort zu laufen. Die Gelegenheiten, die sich für sie außerhalb des Lagers boten, sollen nun betrachtet werden.
Eine weitere Möglichkeit an Essen zu gelangen war verbunden mit bestimmten Arbeitskommandos. Solche Arbeitskommandos wurden unter den Häftlingen immer als besonders gut angesehen. Bei besonders schwerer Arbeit stellten einige Firmen für die Zwangsarbeiter Essen zur Verfügung, da sie sonst den körperlichen Anstrengungen nicht standhalten konnten. Diese zusätzlich gestellte Nahrung reichte von Suppe bis hin zu Kartoffeln, Brot und sogar Fleisch, wie der ehemalige KZ-Häftling Victor Baeyens vom Siehe hierzu auch: Dagmar Schroeder-Hildebrand: Konzentrationslager Ravensbrück. Bremen, 1999.
[...]
1 Falk Pingel: Häftlinge unter SS-Herrschaft - Widerstand, Selbstbehauptung und Vernichtung im Konzentrationslager. Hamburg, 1987. S. 155.
2 Vgl. Buggeln, Marc: Arbeit und Gewalt - Das Außenlagersystem des KZ Neuengamme. Göttingen, 2009. S. 486-488.
3 Vgl. Suderland, Maja: Ein Extremfall des Sozialen - Die Häftlingsgesellschaft in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern. Frankfurt am Main, 2009. S. 173.
4 Vgl. Buggeln 2009. S. 486.
5 Vgl. Buggeln 2009. S. 488.
6 Vgl. Ebd. S. 489.
7 Vgl. Ebd. S. 587.
8 Vgl. Ebd. S. 489.
9 Vgl. Hans Ellger: Zwangsarbeit und weibliche Überlebensstrategien - Die Geschichte der Frauenaußenlager des Konzentrationslager Neuengamme 1944/45. Berlin, 2007. (= Geschichte der Konzentrationslager 1933 - 1945 Bd. 8). S. 288.
10 Siehe hierzu auch: Dagmar Schroeder-Hildebrand: „Ich sterbe vor Hunger!“ Kochrezepte aus dem Konzentrationslager Ravensbrück. Bremen, 1999.
11 Vgl. Marc Buggeln 2009. S. 493.
12 Vgl. Ebd. S. 497.
13 Vgl. Ebd. S. 515.
14 Vgl. Ebd. S. 494-496.
15 Vgl. Ebd. S. 497. „Ich sterbe vor Hunger!“ Kochrezepte aus dem
16 Vgl. http://www.dhm.de/lemo/html/wk2/kriegsverlauf/zwangsarbeit/index.html (16.03.10).
- Arbeit zitieren
- Alexandra Krüger (Autor:in), 2010, Überlebensstrategien in nationalsozialistischen Konzentrationslagern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/148736
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