Im Jahre 1554 erschien in Spanien ein Roman mit dem Titel: „La vida de Lazarillo de Tormes y sus fortunas y adversidades“. Es war die Geschichte eines Marktschreiers von Toledo, welche in der Literaturwissenschaft, und zwar nicht nur in Spanien, bis zum heutigen Tage zu einem viel diskutierten und untersuchten Werk geworden ist. Die Besonderheit des Lazarillo de Tormes bestand zum einen in seiner autobiographischen Form, seinem bis dahin untypischen Protagonisten, und vor allem in der Anonymität des Autors, welcher diesen ersten Schelmenroman der Weltliteratur verfasste. Diese Arbeit soll zunächst eine kurze Einführung in den pikaresken Roman Lazarillo de Tormes geben, um dann im Haupteil einen Überblick über die bisherige Autorenforschung und Autorendiskussion in der Literaturwissenschaft zu ermöglichen. Es sollen nicht nur mögliche Kandidaten der Autorschaft, die bisher diskutiert worden sind genannt werden, sondern auch Verfahrensweisen und Ansätze der Autorensuche, sowie Diskussionen und Argumentationen innerhalb der Literaturwissenschaft aufgezeigt werden.
Der Roman Lazarillo de Tormes war, in seiner ganzen Form und Art, eine völlig neue Erscheinung innerhalb der europäischen Literatur. Bis zu seinem Erscheinen im Jahre 1554 hat es keine vergleichbaren Werke gegeben. Der Lazarillo war, anders als beispielsweise die Ritterromane jener Zeit, nicht als ein fiktionaler Text im eigentlichen Sinne zu lesen, da er sich als Autobiographie des Protagonisten präsentiert. Aus diesem Grund besaßen die ersten Leser des Lazarillo noch nicht die mentale Gewohnheit, um den Text als einen fiktionalen Text zu rezipieren. Der Autor präsentiert den Roman insofern nicht als Fiktion, als dass er den Lazarillo wie den Autor erscheinen lässt. [...] Die ersten Leser des Lazarillo mussten jedoch bald feststellen, dass das erzählende Ich nicht das des Autors sein konnte, und dass es somit keinen Lazarillo de Tormes als Autor gab. Dennoch wurde der Frage nach der Autorschaft des Lazarillo in den ersten Jahren nach dessen Erscheinen keine große Aufmerksamkeit entgegengebracht. Der Lazarillo, sowie andere Werke Kastiliens, die anonym erschienen waren, wurden nach ihrer Untersuchung von Don Eugene Asensio in dem Catálogo de libros de 1559 unter der Rubrik der Ritterromane oder Romanzen eingeordnet, ohne das der Anonymität des Autors eine besondere Bedeutung oder Aufmerksamkeit zuteil wurde: „La comunicación literaria se realiza como cualqiuer otra comunicación.“
Inhaltsverzeichnis
- 1 EINLEITUNG; LA NOVELA PICARESCA
- 2 DIE SUCHE NACH DEM AUTOR DES LAZARILLO DE TORMES
- 2.1 EINFÜHRUNG IN DIE AUTORENFORSCHUNG
- 2.2 DIE FRÜHE AUTORENDISKUSSION UND ERSTE KANDIDATEN DER AUTORSCHAFT
- 2.3 DIE NEUERE AUTORENDISKUSSION
- 3 PROBLEMATIK DER AUTORENFORSCHUNG ANHAND VON TEXTBEISPIELEN
- 4 SCHLUSSTEIL
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit verfolgt das Ziel, einen Überblick über die Autorenforschung zum Lazarillo de Tormes zu geben. Sie beleuchtet die historische Entwicklung der Debatte um die Autorschaft und analysiert verschiedene methodische Ansätze. Der Fokus liegt auf der Herausarbeitung der Komplexität der Autorensuche und der Bedeutung des Wissens um den Autor für die Textinterpretation.
- Einführung in die novela picaresca und den Lazarillo de Tormes
- Die historische Entwicklung der Diskussion um die Autorschaft des Lazarillo de Tormes
- Methodische Ansätze der Autorenforschung am Beispiel des Lazarillo de Tormes
- Die Bedeutung der Autorschaft für die Interpretation des Textes
- Der Lazarillo als autobiographischer Text und seine Rezeption
Zusammenfassung der Kapitel
1 Einleitung; La novela picaresca: Dieses Kapitel liefert eine Einführung in den pikaresken Roman und den Lazarillo de Tormes. Es beschreibt den Lazarillo als ersten Schelmenroman der Weltliteratur, hebt seine autobiographische Form und die Anonymität des Autors hervor. Im Kontext der spanischen Literatur des 16. Jahrhunderts wird der pikareske Roman im Vergleich zu anderen Gattungen wie dem Ritterroman positioniert, wobei die realistische Darstellung der unteren Gesellschaftsschichten und die Figur des "Antihelden" pícaro im Mittelpunkt stehen. Das Kapitel analysiert die Episodenhaftigkeit des Romans, die satirische Kritik an der Gesellschaft und die Frage der moralischen Selbstrechtfertigung des Protagonisten. Es werden zudem mögliche Vorläufer in der antiken Satire, wie bei Lukian und Apuleius, diskutiert, wobei der einzigartige Aspekt der moralischen Selbstrechtfertigung im Lazarillo hervorgehoben wird. Die Entwicklung der novela picaresca wird von der Antike bis zur Moderne nachgezeichnet, mit Beispielen wie "Die Blechtrommel" und "Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull".
2 Die Suche nach dem Autor des Lazarillo de Tormes: Dieses Kapitel befasst sich mit der Autorenforschung zum Lazarillo de Tormes. Es beginnt mit einer Einführung in die Problematik der Autorenforschung, insbesondere angesichts der autobiografischen Form des Romans und der anfänglichen Unklarheit über die fiktionale Natur des Textes. Das Kapitel untersucht die frühe und die neuere Diskussion um die Autorschaft, wobei verschiedene Kandidaten genannt und ihre Argumentationen analysiert werden. Der Fokus liegt auf den methodischen Ansätzen der Autorensuche und den Debatten innerhalb der Literaturwissenschaft. Die Bedeutung des Wissens um den Autor für die Rezeption und Analyse des Werkes wird herausgestellt. Das Kapitel verdeutlicht, wie die anfängliche fehlende Beachtung der Frage nach der Autorschaft im Laufe der Zeit zu einer zentralen Thematik der literaturwissenschaftlichen Forschung wurde.
Schlüsselwörter
Lazarillo de Tormes, novela picaresca, Autorenforschung, Anonymität, Autorenschaft, Autobiographie, spanische Literatur, Satire, Antiheld, pikaresker Roman, Textinterpretation, Literaturwissenschaft, Rezeption.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zum Lazarillo de Tormes
Was ist der Inhalt dieser Arbeit?
Diese Arbeit bietet einen umfassenden Überblick über die Autorenforschung zum Lazarillo de Tormes. Sie beinhaltet eine Einleitung zur novela picaresca und dem Lazarillo de Tormes selbst, eine detaillierte Analyse der historischen Entwicklung der Debatte um die Autorschaft, eine Untersuchung verschiedener methodischer Ansätze der Autorenforschung und eine Erörterung der Bedeutung des Wissens um den Autor für die Textinterpretation. Die Arbeit umfasst Kapitelzusammenfassungen und Schlüsselwörter.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt folgende Themenschwerpunkte: Einführung in die novela picaresca und den Lazarillo de Tormes; die historische Entwicklung der Diskussion um die Autorschaft des Lazarillo de Tormes; methodische Ansätze der Autorenforschung am Beispiel des Lazarillo de Tormes; die Bedeutung der Autorschaft für die Interpretation des Textes; und den Lazarillo als autobiographischen Text und seine Rezeption.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in folgende Kapitel: 1. Einleitung; La novela picaresca; 2. Die Suche nach dem Autor des Lazarillo de Tormes (mit Unterkapiteln zur Einführung in die Autorenforschung, der frühen Autorendiskussion und der neueren Autorendiskussion); 3. Problematik der Autorenforschung anhand von Textbeispielen; und 4. Schlussteil.
Was ist das Ziel der Arbeit?
Das Ziel der Arbeit ist es, einen Überblick über die Autorenforschung zum Lazarillo de Tormes zu geben, die historische Entwicklung der Debatte um die Autorschaft zu beleuchten und verschiedene methodische Ansätze zu analysieren. Ein weiterer Fokus liegt auf der Herausarbeitung der Komplexität der Autorensuche und der Bedeutung des Wissens um den Autor für die Textinterpretation.
Welche methodischen Ansätze der Autorenforschung werden behandelt?
Die Arbeit analysiert verschiedene methodische Ansätze der Autorenforschung, die im Laufe der Debatte um die Autorschaft des Lazarillo de Tormes verwendet wurden. Diese werden im Kontext der frühen und neueren Diskussion um die Autorschaft erläutert und kritisch bewertet.
Welche Bedeutung hat das Wissen um den Autor für die Textinterpretation?
Die Arbeit betont die Bedeutung des Wissens um den Autor für die Rezeption und Analyse des Lazarillo de Tormes. Es wird gezeigt, wie die Frage nach der Autorschaft die Interpretation des Textes beeinflusst und wie die anfängliche fehlende Beachtung dieser Frage im Laufe der Zeit zu einer zentralen Thematik der literaturwissenschaftlichen Forschung wurde.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren die Arbeit?
Schlüsselwörter der Arbeit sind: Lazarillo de Tormes, novela picaresca, Autorenforschung, Anonymität, Autorenschaft, Autobiographie, spanische Literatur, Satire, Antiheld, pikaresker Roman, Textinterpretation, Literaturwissenschaft, Rezeption.
Wie wird der Lazarillo de Tormes in der Arbeit eingeordnet?
Der Lazarillo de Tormes wird als erster Schelmenroman der Weltliteratur vorgestellt. Seine autobiografische Form, die Anonymität des Autors und seine satirische Kritik an der Gesellschaft werden hervorgehoben. Der Roman wird im Kontext der spanischen Literatur des 16. Jahrhunderts und im Vergleich zu anderen Gattungen wie dem Ritterroman positioniert.
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- Ralf Beckendorf (Author), 2006, Die Suche nach dem Autor des "Lazarillo de Tormes", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/148757