Wenn man sich mit der (Fach-) Literatur im Übergang vom Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit beschäftigt, so kommt man an einer Bewertung des vermeintlichen Epochenmarkers Buchdruck nicht vorbei. Ohne Zweifel ist die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern durch Gutenberg von enormer kulturhistorischer Bedeutung, auch wenn man sie heute nicht mehr als singuläres Ereignis, sondernals Teil einer längeren Entwicklung sieht.
Dennoch ist man sich in der Bewertung des Buchdruckes nicht einig und kommt zu unterschiedlichen Ergebnissen, je nachdem aus welcher Perspektive man dieses Ereignis betrachtet. Dies zeigen schon die Titel der zwei großen Habilitationsschriften der jüngsten Vergangenheit zu diesem Thema. Während Michael Giesecke „die Durchsetzung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien“ durch den Buchdruck untersucht und damit die Folgen der Erfindung des Buchdruckes betrachtet, geht Uwe Neddermeyer den umgekehrten Weg „[v]on der Handschrift zum gedruckten Buch“ und nimmt verstärkt die Voraussetzungen für die Erfindung des Buchdruckes in den Blick.
Diese Arbeit nun will den Versuch wagen, die Entwicklung einer ganzen Textgattung, die des Kochbuches, in der Zeit vor und nach der Erfindung des Buchdruckes zu beschreiben und damit eine Fallstudie zu dieser Diskussion zu liefern. Kochbücher sind nicht nur deshalb besonders zu einer solchen Studie geeignet, weil das Korpus der deutschsprachigen Kochbücher des 14.-16. Jahrhunderts recht überschaubar ist, sonder sie bieten auch deshalb ein interessantes Forschungsobjekt, weil sie sich erst im Spätmittelalter aus einer Tradition der mündlichen Wissensvermittlung heraus entwickeln und für den modernen Forscher nie ganz fassbar werden, weil ihre Rezension immer im Spannungsverhältnis zwischen der Vermittlung von Fachwissen an die Benutzer der Kochbücher, die vermutlich weitgehend professionelle Köche und Küchenmeister waren, und den Repräsentationszwecken der hochstehenden Kochbuchbesitzer, die nie selbst ein Rezept gekocht werden haben, steht.
Im Mittelpunkt der Untersuchung steht dabei die Frage, ob und wie sich die Kochbücher durch den Medienwechsel ins gedruckte Buch wandeln und, welche Rückschlüsse dadurch auf ihren Rezeptionsmodus gezogen werden können. Dabei soll untersucht werden, ob diese Veränderungen auch tatsächlich auf den Buchdruck zurückzuführen sind, oder, ob sich nur Entwicklungstendenzen, die schon im Manuskriptzeitalter begonnen haben, jetzt im Buchdruck fortgeführt werden.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Kochbücher im Mittelalter
- 3. Daz buoch von guoter spise
- 3.1 Michael de Leone
- 3.2 Das Hausbuch des Michael de Leone
- 3.3 Aufbau und Inhalt
- 3.4 Die Gerichte
- 4. Charakteristika der handschriftlichen Kochbuchtradition
- 4.1 Autoren und Rezipienten
- 4.2 Verwendung handschriftlicher Kochbücher
- 4.3 Aufbau und Ordnung
- 5. Die Küchenmeisterei
- 5.1 Einleitung
- 5.2 Der Text
- 5.3 Druckgeschichte
- 5.4 Die „Küchenmeisterei“ in der Handschrift
- 5.4.1 Der Codex S 490 der Zentralbibliothek Solothurn
- 5.4.2 Das „Kölner Kochbuch“
- 6. Die Küchenmeisterei und die handschriftliche Kochbuchtradition
- 6.1 Text und Rezipienten
- 6.2 Ordnungsprinzipien, Flächengliederung und Leserhilfen
- 6.2.1 Vorrede
- 6.2.2 Kapiteleinteilung
- 6.2.3 Register
- 6.2.4 Seitentitel
- 6.2.5 Flächengliederung
- 7. Fazit: Der Kapitalismus bedient sich der Errungenschaften der Scholastik
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Entwicklung der Kochbuchgattung im Übergang vom Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit, insbesondere im Kontext des Medienwechsels vom handschriftlichen zum gedruckten Buch. Die Untersuchung analysiert die Veränderungen in Aufbau, Inhalt und Rezeption von Kochbüchern und hinterfragt den Einfluss des Buchdrucks auf diese Entwicklung.
- Der Einfluss des Buchdrucks auf die Entwicklung von Kochbüchern.
- Vergleich von handschriftlichen und gedruckten Kochbüchern.
- Die Rezeptionsmodi von Kochbüchern im Mittelalter und der Frühen Neuzeit.
- Die Rolle von Autoren und Rezipienten in der Entwicklung der Kochbuchtradition.
- Analyse der Ordnungsprinzipien und Gestaltungselemente in Kochbüchern.
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung positioniert die Arbeit im Kontext der Diskussion um die Bedeutung des Buchdrucks. Sie vergleicht gegensätzliche Perspektiven auf Gutenberg's Erfindung und begründet die Wahl des Kochbuchs als Fallstudie aufgrund der überschaubaren Korpusgröße und der spannenden Dynamik zwischen Fachwissen und Repräsentationszwecken. Die zentrale Forschungsfrage fokussiert auf die Veränderungen im Kochbuch durch den Medienwechsel und deren Auswirkungen auf die Rezeption.
2. Kochbücher im Mittelalter: Dieses Kapitel beleuchtet die frühen Erscheinungsformen von Rezepten in literarischen Texten wie der Bibel und Homers Odyssee. Es verortet das älteste erhaltene Kochbuch, das "Kochbuch des Apicius", in der Spätantike und verweist auf die Ungenauigkeit mittelalterlicher Rezepte im Vergleich zu modernen Rezepten.
3. Daz buoch von guoter spise: Das Kapitel befasst sich mit diesem spezifischen mittelalterlichen Kochbuch, inklusive Details zum Autor Michael de Leone, dem Aufbau des Hausbuchs, dem Inhalt und den beschriebenen Gerichten. Es legt den Grundstein für den späteren Vergleich mit der "Küchenmeisterei".
4. Charakteristika der handschriftlichen Kochbuchtradition: Dieses Kapitel analysiert die Autoren und Rezipienten handschriftlicher Kochbücher, ihre Verwendung und die Prinzipien der Organisation und des Aufbaus. Es beleuchtet die Rolle professioneller Köche und Küchenmeister sowie den Repräsentationsaspekt für wohlhabende Besitzer.
5. Die Küchenmeisterei: Der Fokus liegt auf der „Küchenmeisterei“ selbst. Der Text wird im Detail vorgestellt, seine Druckgeschichte nachvollzogen und die Existenz in handschriftlichen Versionen, insbesondere im Codex S 490 der Zentralbibliothek Solothurn und dem „Kölner Kochbuch“, wird erörtert. Hier wird die Brücke zum nächsten Kapitel geschlagen.
6. Die Küchenmeisterei und die handschriftliche Kochbuchtradition: Dieser Abschnitt vergleicht die „Küchenmeisterei“ mit der allgemeinen handschriftlichen Tradition. Es werden Textmerkmale, Rezipienten, Ordnungsprinzipien (Vorrede, Kapiteleinteilung, Register, Seitentitel, Flächengliederung) analysiert, um den Wandel durch den Buchdruck zu verstehen.
Schlüsselwörter
Buchdruck, Kochbücher, Spätmittelalter, Frühe Neuzeit, Medienwechsel, Handschrift, Druck, Rezeption, „Küchenmeisterei“, „Daz buoch von guoter spise“, Michael de Leone, Fachwissen, Repräsentation, Ordnungsprinzipien.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu "Entwicklung der Kochbuchgattung im Übergang vom Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit"
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht die Entwicklung der Kochbuchgattung im Übergang vom Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit, insbesondere im Kontext des Medienwechsels vom handschriftlichen zum gedruckten Buch. Es werden Veränderungen in Aufbau, Inhalt und Rezeption von Kochbüchern analysiert und der Einfluss des Buchdrucks auf diese Entwicklung hinterfragt.
Welche Kapitel beinhaltet die Arbeit und worum geht es jeweils?
Die Arbeit gliedert sich in sieben Kapitel: Kapitel 1 (Einleitung) positioniert die Arbeit und formuliert die Forschungsfrage. Kapitel 2 beleuchtet Kochbücher im Mittelalter. Kapitel 3 analysiert das mittelalterliche Kochbuch „Daz buoch von guoter spise“ von Michael de Leone. Kapitel 4 beschreibt Charakteristika der handschriftlichen Kochbuchtradition. Kapitel 5 konzentriert sich auf die „Küchenmeisterei“, ihre Druckgeschichte und handschriftlichen Versionen. Kapitel 6 vergleicht die „Küchenmeisterei“ mit der handschriftlichen Tradition. Kapitel 7 fasst die Ergebnisse zusammen.
Welche konkreten Kochbücher werden untersucht?
Die Arbeit untersucht hauptsächlich zwei Kochbücher: „Daz buoch von guoter spise“ (ein mittelalterliches handschriftliches Kochbuch) und die „Küchenmeisterei“ (ein gedrucktes Kochbuch). Zusätzlich werden der Codex S 490 der Zentralbibliothek Solothurn und das „Kölner Kochbuch“ (beide handschriftliche Versionen der Küchenmeisterei) erwähnt.
Welche Aspekte der Kochbücher werden analysiert?
Die Analyse umfasst Aufbau, Inhalt, Rezeption, Autoren und Rezipienten, Ordnungsprinzipien, Gestaltungselemente (Vorrede, Kapiteleinteilung, Register, Seitentitel, Flächengliederung), sowie den Vergleich zwischen handschriftlichen und gedruckten Kochbüchern.
Was ist die zentrale Forschungsfrage?
Die zentrale Forschungsfrage fokussiert auf die Veränderungen im Kochbuch durch den Medienwechsel (Handschrift zu Druck) und deren Auswirkungen auf die Rezeption.
Wie werden handschriftliche und gedruckte Kochbücher verglichen?
Der Vergleich erfolgt anhand verschiedener Kriterien wie Aufbau, Ordnungsprinzipien, Gestaltungselemente, Textmerkmale und Rezipienten. Die Analyse zielt darauf ab, den Einfluss des Buchdrucks auf die Entwicklung der Kochbuchgattung aufzuzeigen.
Welche Rolle spielt der Buchdruck in dieser Arbeit?
Der Buchdruck ist ein zentraler Aspekt der Arbeit. Er wird als Katalysator für Veränderungen in der Kochbuchgattung untersucht, indem der Medienwechsel von der Handschrift zum Druck und dessen Auswirkungen auf den Inhalt, die Verbreitung und die Rezeption von Kochbüchern analysiert wird.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Buchdruck, Kochbücher, Spätmittelalter, Frühe Neuzeit, Medienwechsel, Handschrift, Druck, Rezeption, „Küchenmeisterei“, „Daz buoch von guoter spise“, Michael de Leone, Fachwissen, Repräsentation, Ordnungsprinzipien.
Wer waren die Autoren und Rezipienten der untersuchten Kochbücher?
Für "Daz buoch von guoter spise" wird Michael de Leone als Autor genannt. Die Arbeit untersucht die Autoren und Rezipienten handschriftlicher Kochbücher im Allgemeinen, wobei die Rolle professioneller Köche und Küchenmeister sowie der Repräsentationsaspekt für wohlhabende Besitzer beleuchtet wird. Die Rezipienten der "Küchenmeisterei" werden ebenfalls analysiert.
Welche Bedeutung hat die "Küchenmeisterei" in dieser Arbeit?
Die "Küchenmeisterei" dient als Fallstudie, um den Einfluss des Buchdrucks auf die Entwicklung von Kochbüchern zu untersuchen. Sie wird mit der handschriftlichen Kochbuchtradition verglichen, um die Veränderungen durch den Medienwechsel aufzuzeigen.
- Arbeit zitieren
- Marco Heiles (Autor:in), 2009, Die "Küchenmeisterei", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/148763