Die drei letzten Bundestagswahlen – 1994, 1998 und 2002 – scheinen eines eindeutig bewiesen zu haben: die Politik in Deutschland wird zunehmend personalisiert. Die Wahlplakate von 1994, auf denen nur noch Helmut Kohl und kein CDU-Label mehr zu sehen war, die ersten TV-Duelle der beiden Kanzlerkandidaten in der deutschen Fernsehgeschichte bei der Wahl 2002 – dies alles scheint für viele Beobachter nur einen gültigen Schluss zuzulassen: die letzten zehn Jahre stehen für eine Transformation der Bundestagswahlen zu Kanzlerwahlen. Ein deutliches Indiz hierfür seien die immer mehr auf die Kanzlerkandidaten zugeschnittenen Wahlkampagnen.
Was jedoch bei diesen Analysen häufig vernachlässigt wird: entschieden werden Wahlen noch immer von den Wählern und deren Vorstellungen von politischer Relevanz. Ob sich diese von den Veränderungen beeinflussen lassen, die viele Analysten bei Wahlkampagnen und Medienberichterstattung beobachten, ist eine Frage, die für sich steht und auch für sich geklärt werden muss. Die Politikwissenschaft hat sich folgerichtig in den letzten 20 Jahren immer eingehender mit dem Einfluss von Spitzenkandidaten auf die Wahlentscheidung beschäftigt, nachdem dieser für Jahrzehnte vernachlässigt wurde. Mittlerweile liegt deshalb eine Reihe von Forschungsergebnissen vor, die die Untersuchung folgender Fragen ermöglicht:
(1) Wie hat sich der Einfluss von Kanzlerkandidaten und ihren Images auf die Wahlentscheidung in Deutschland entwickelt? (2) Wie ist der Einfluss von Präsidentschaftskandidaten und ihren Images auf die Wahlentscheidung in den USA zu beurteilen? (3) Stellen die Veränderungen in Deutschland eine eigene Entwicklung dar oder ist eine Annäherung an amerikanische Verhältnisse zu beobachten, die deshalb auch als „Amerikanisierung“ beschrieben werden kann?
Nach einer Erläuterung der zugrundeliegenden Theorien und einem Überblick über die deutsche Personalisierungsdiskussion werden hierfür kurz die wichtigsten institutionellen Unterschiede beider Länder dargestellt. Im Anschluss an eine Besprechung der wichtigsten Datenquellen werden dann Forschungsprämissen und –hypothesen aufgestellt, um auf dieser Grundlage beide Länder einer eingehenden Analyse zu unterziehen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Theoretische Grundlagen
- Das sozialpsychologische Modell des Wählerverhaltens
- Kandidatenorientierungen und Rationalität – ein Widerspruch?
- Zur Personalisierungsdiskussion
- Entwicklung der Personalisierungsdiskussion in Deutschland
- Abgrenzung: Personalisierung, Präsidentialisierung, Amerikanisierung
- Kandidatenorientierungen in Deutschland und den USA
- Vorüberlegungen und Hypothesenbildung
- Institutioneller Kontext in Deutschland und den USA
- Methodik und Datenlage
- Prämissensetzung und Forschungshypothesen
- Entwicklung der Kandidatenorientierungen von 1972 bis 2000
- Entwicklung der Parteiidentifikation
- Globale Personalisierung
- Spezifische Personalisierung
- Vorüberlegungen und Hypothesenbildung
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Entwicklung von Kandidatenorientierungen und Wählerverhalten in Deutschland im Vergleich zu den USA. Sie fragt, ob und inwiefern sich die deutsche Politik amerikanisiert und welche Rolle die Personalisierung von Wahlkämpfen spielt. Darüber hinaus analysiert sie die Bedeutung von Kandidatenorientierungen im Kontext der deutschen und amerikanischen Wahlsysteme.
- Die Bedeutung der Personalisierung von Wahlkämpfen in Deutschland
- Der Einfluss der Medien auf Kandidatenorientierungen
- Der Vergleich von Kandidatenorientierungen in Deutschland und den USA
- Die Rolle von Parteiidentifikation im Wandel
- Die Frage nach einer "Amerikanisierung" der deutschen Politik
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel führt in die Thematik ein und skizziert die Relevanz des Themas vor dem Hintergrund der letzten Bundestagswahlen. Kapitel 2 behandelt die theoretischen Grundlagen, insbesondere das sozialpsychologische Modell des Wählerverhaltens und die Rolle von Kandidatenorientierungen. Kapitel 3 analysiert die Entwicklung der Personalisierungsdiskussion in Deutschland und differenziert die Begriffe Personalisierung, Präsidentialisierung und Amerikanisierung. Kapitel 4 widmet sich den Kandidatenorientierungen in Deutschland und den USA, beleuchtet den institutionellen Kontext, die Methodik und die Datenlage sowie die Prämissensetzung und Forschungshypothesen. Schließlich untersucht es die Entwicklung der Kandidatenorientierungen von 1972 bis 2000, betrachtet die Entwicklung der Parteiidentifikation, die globale und spezifische Personalisierung.
Schlüsselwörter
Personalisierung, Präsidentialisierung, Amerikanisierung, Kandidatenorientierungen, Wählerverhalten, Parteiidentifikation, Wahlkampagnen, Medien, Deutschland, USA, Wahlsysteme, Bundestagswahlen, sozialpsychologisches Modell, Rationalität.
- Citation du texte
- Jan Kercher (Auteur), 2003, Personalisierung, Präsidentialisierung, Amerikanisierung? Zur Entwicklung von Kandidatenorientierungen und Wählerverhalten in Deutschland im Vergleich zu den USA, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14914